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Auf Tonis und Annas romantischer Berghütte haben sie schon so manchem Paar den Weg ins Glück geebnet. Aber an die Tatsache, dass die Kinder ihrer Patchwork-Familie erwachsen werden, müssen sie sich erst noch gewöhnen. Toni schmerzt das Herz, wenn er an das Lebens- und Liebesglück seiner Tochter Wendy und der geliebten Adoptivkinder denkt. Wird Franziskas erste große Liebe ihr großes Glück oder großen Kummer bringen? Wozu wird sich Sebastian entscheiden, - übernimmt er eines Tages die Berghütte? Und dann gibt es auch im engsten Freundeskreis ungewohnte Aufregung – in mehreren Ehen kriselt es. Toni und Anna können da nicht untätig zusehen! Diese Bergroman-Serie stillt die Sehnsucht des modernen Stadtbewohners nach einer Welt voller Liebe und Gefühle, nach Heimat und natürlichem Leben in einer verzaubernden Gebirgswelt. Anna und die alte Walli Schwanninger saßen beim Frühstück. Das dritte Gedeck war noch unberührt. Anna sah auf die Uhr. »Gut, dass Katja sich ausschläft«, bemerkte Anna. Walli schmunzelte. »Es war ja auch ein hartes Stück Arbeit, sie dazu zu bringen, eine Pille zu nehmen. Aber sonst wäre sie nicht zur Ruhe gekommen.« »Stimmt! Das hast du gut gemacht, Walli. Ich gehe jede Wette ein, sie hätte sich nachts aus den Haus geschlichen und wäre nach Kirchwalden gefahren, um nach Martin zu sehen.« »Sie war eben unruhig. Das kann ich verstehen. Es war ein Schock für sie. Für mich ja auch.« »Ich glaube, sie kommt«, sagte Anna. »Ich habe oben eine Tür gehört.« Sie schauten zur offenen Küchentür. Katja Engler kam die Treppe herunter.
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Seitenzahl: 130
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Anna und die alte Walli Schwanninger saßen beim Frühstück. Das dritte Gedeck war noch unberührt. Anna sah auf die Uhr.
»Gut, dass Katja sich ausschläft«, bemerkte Anna.
Walli schmunzelte. »Es war ja auch ein hartes Stück Arbeit, sie dazu zu bringen, eine Pille zu nehmen. Aber sonst wäre sie nicht zur Ruhe gekommen.«
»Stimmt! Das hast du gut gemacht, Walli. Ich gehe jede Wette ein, sie hätte sich nachts aus den Haus geschlichen und wäre nach Kirchwalden gefahren, um nach Martin zu sehen.«
»Sie war eben unruhig. Das kann ich verstehen. Es war ein Schock für sie. Für mich ja auch.«
»Ich glaube, sie kommt«, sagte Anna. »Ich habe oben eine Tür gehört.«
Sie schauten zur offenen Küchentür. Katja Engler kam die Treppe herunter.
»Guten Morgen! Hast du gut geschlafen?«, fragte Anna.
»Schlafen? Wallis Schlaftablette hat mich fast narkotisiert. So etwas schlucke ich nie wieder!«, antwortete Katja heftig. Sie blieb am Küchentisch stehen, schenkte sich eine halbe Tasse Kaffee ein, goss kalte Milch dazu und trank sie leer. »Ich will als Erstes telefonieren. Bevor ich nicht weiß, wie Martins Nacht war, bringe ich nichts hinunter.«
Walli stand auf. Sie packte Katja bei den Schultern und drückte sie auf den Stuhl. »Nix da, Madl, zuerst wird gegessen!«
»Walli, lass mich!«, protestierte Katja.
»Schmarrn! Du hast gestern kaum etwas zu dir genommen. Und jetzt brauchst du eine gute Unterlage für den Tag. Da lasse ich nicht mit mir reden. Martin ist im Krankenhaus in den besten Händen.«
»Schon, aber ich rufe zuerst an.«
Das Telefon klingelte. Katja zuckte zusammen.
Anna sah die Angst in Katjas Augen. »Bleib sitzen! Ich nehme das Gespräch an!« Sie ging zum Telefonapparat in der Küche und nahm ab. »Bei Doktor Martin Engler, Anna Baumberger hier.«
»Ich bin’s, Toni.«
»Guten Morgen, Toni!«, strahlte Anna. »Wann kommst du ins Tal? Du kannst dir noch etwas Zeit lassen. Wir sind erst beim Frühstück.«
»Das ist gut. Es kann noch eine Stunde dauern. Gerade eben ist eine große Gruppe angekommen. Da wir voll belegt sind, bauen sie ihre Biwakzelte auf. Es ist eine nette Gruppe, lauter echte Bergliebhaber. Sie sind auf dem Rückweg von einer mehrtägigen Alpentour und wollen zum Schluss noch einige Tage bei uns verbringen.«
»Das ist schön.«
»Anna, ich habe bereits im Krankenhaus angerufen. Doktor Bayer sagt: Martin geht es gut. Er ist heute morgen auf die Normalstation verlegt worden und liegt jetzt in einem schönen Einzelzimmer.«
»Oh, da wird sich Katja freuen.«
»Bis später, Anna!«
»Bist später, Toni! Hetz dich nicht ab!«
Sie legten auf.
Anna lächelte Katja an. »Martin geht es besser. Er wurde auf die Normalstation verlegt und hat ein Einzelzimmer. Toni hatte den Oberarzt angerufen.«
Katja stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. »Was hat Toni sonst gesagt?«
»Er kommt in ungefähr einer Stunde vorbei, um mit dir nach Kirchwalden zu fahren. Auf der Berghütte ist gerade eine große Gruppe Bergwanderer angekommen.«
»Es ist lieb von Toni, dass er mich begleiten will. Aber das schaffe ich heute gut alleine. Martin hat sehr viel Glück gehabt. Ich bin auch nicht mehr so besorgt wie gestern. Ich werde Toni anrufen und ihm sagen, dass er Martin ein anderes Mal besuchen kann, wenn er nicht so viel zu tun hat. Es war von lieb von ihm, dass er mich gestern begleitet hat. Ich muss mich auch noch bedanken. Ich erinnere mich nicht, ob ich Dankeschön gesagt habe. Und dir danke ich auch ganz herzlich, Anna. Ihr beide seid wirklich echte Freunde, die auch in der Not da sind.«
»Das ist doch selbstverständlich, Katja«, sagte Anna. »Mach bitte keine großen Worte! Lass Toni dich ruhig begleiten! Ich habe gestern Abend, eigentlich heute Nacht, noch einmal mit Toni telefoniert. Er hat sich bereits um Martins Auto gekümmert. Er hat mit dem Mechaniker etwas vereinbart. Aber das will Toni mit Martin selbst bereden. Du frühstückst jetzt in Ruhe zu Ende. Dann machst du mit Mira einen Spaziergang durch die Wiesen. Ich wollte mit ihr Gassi gehen, aber sie wollte nicht. Nur mit Mühe und Not habe ich sie in den Garten locken können.«
»Ich hole sie«, sagte Walli. Sie stand auf und ging hinaus.
Es dauerte nicht lange, dann schoss Mira freudig in die Küche und sprang an Katja hoch.
»Ja, meine Gute, hast du mich vermisst?«
Mira ließ von Katja ab. Sie rannte zur Praxistür und bellte laut.
»Sie vermisst Martin, die Arme«, sagte Katja mitleidig. Sie ging zu ihr. »Herrchen ist nicht da. Er kommt aber bald wieder. Nun sei eine Brave!«, versuchte sie die Hündin zu beruhigen. Sie lockte sie in die Küche und gab ihr Hundeleckerli. Damit legte sich Mira in ihren großen Hundekorb. »Schaut nur, wie sie daliegt und die Ohren dreht! Sie lauscht, ob Martin kommt.«
»Um so mehr wird sie such freuen, wenn er wieder hier ist«, sagte Walli.
Nach dem Frühstück machte Katja mit der Hündin einen kurzen Spaziergang über die Wiesen. Dann packte sie noch Sachen zusammen für Martin. Sie wählte Bücher aus, die er schon lange hatte lesen wollen und nie dazu gekommen war. Sie vergaß auch die CDs nicht mit seiner Lieblingsmusik, das Abspielgerät und den Kopfhörer. »Die Tage und Nächte im Krankenhaus werden ihm bestimmt langweilig werden«, sagte Katja. »Ich weiß nicht, ob er noch starke Kopfschmerzen hat, durch die Gehirnerschütterung. Vielleicht will er noch nicht lesen oder Musik hören. Auf jeden Fall habe ich die Sachen eingepackt. Dann kann er selbst entscheiden.«
»Mei, die paar Tage im Krankenhaus wird er schon durchstehen«, bemerkte Walli. »Dann wird er sich mit dem Krankenwagen hierherfahren lassen. Es wäre doch Unsinn, im Krankenhaus in Kirchwalden zu bleiben, wo er hier selbst so eine schöne kleine Bettenstation hat. Außerdem wird er hier entspannter sein«, sagte Walli. »Katja, du solltest noch einen Rollstuhl organisieren. Der, der in der Praxis steht, ist nur für Notfälle. Martin wird sich weigern, den zu benutzen. Er braucht aber einen Rollstuhl. Mit gebrochenen Rippen herumzugehen, ist schmerzhaft. Ich weiß, wie das ist. Vor vielen Jahren bin ich mal vom Heuwagen gefallen und habe mir eine Rippe gebrochen. Das tat höllisch weh. Man denkt gar nicht, wie viele Knochen sich bei der kleinsten Bewegung mitbewegen.«
»Gute Idee, Walli«, stimmte Katja zu. »Aber das werde ich erst mit Martin bereden. Ich möchte nichts über seinen Kopf hinweg entscheiden. Er wird bestimmt etwas grantig sein, weil ihm das passiert ist. Du kennst ihn doch. Für ihn dürfen andere krank sein, er nicht.«
»Es war ein Unfall, dafür kann niemand etwas«, sagte Anna. »Außerdem soll er froh sein, dass nicht mehr passiert ist.«
Toni fuhr vor und kam herein. Nachdem er Katja und Walli begrüßt hatte, nahm er seine Anna in den Arm und küsste sie.
»Wie steht es auf der Berghütte?«, fragte Anna.
»Gut, die Wandergruppe ist wirklich nett und hat keine Extraansprüche. Wendy ist mit Bella heraufgekommen und hilft Alois. Du kannst hier auf mich warten, bis ich von Kirchwalden zurück bin.«
»Das mache ich.«
Katja bestand darauf, mit ihrem Auto nach Kirchwalden zu fahren. Sie wollte länger bei ihrem Mann bleiben. Das sah Toni ein. Sie machten sich auf den Weg. Toni fuhr voraus, Katja hinterher.
Martin lag leicht erhöht im Bett.
Katja beugte sich über ihn und küsste ihn lange und innig. »Ich bin so glücklich, dass dir nicht mehr passiert ist!«, hauchte sie.
»Keine Sorge, Katja! So wie ich im Augenblick aussehe, kann ich zwar keinen Schönheitswettbewerb gewinnen, aber es wird alles verheilen. Auch wenn es dauert, und ich jetzt schon ungeduldig bin.«
Katja streichelte seine Wange.
Martin fuhr fort: »Ich habe mich bereits mit Kollege Bayer verständigt, dass ich bald nach Hause kann. Ich kann bei uns genau so gut liegen. Hier im Krankenhaus sollen sie das Bett jemandem geben, der wirklich krank ist.«
»Du bist krank«, sagte Toni. Er schüttelte Martin die gesunde Hand. »Jetzt musst du lernen, wie das ist, Geduld zu haben. Sagst du das nicht immer deinen Patienten?«
»Toni, sei still! Ich weiß schon: wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.«
»Hast noch große Schmerzen?«, fragte Katja.
»Es geht! Ich habe mir ein Schmerzmittel geben lassen. Aber nur ein ganz leichtes. So lange ich ruhig liegen bleibe, kann ich es gut aushalten.« Martin seufzte. »Ich mache mir Sorgen um meine Patienten. Ich ...«
»Stopp, Martin!«, unterbrach ihn Katja. »Deinen Patienten geht es gut. Mit dem Kollegen aus Kirchwalden habe ich gesprochen. Er übernimmt die nächsten Tage deine Patienten. Das Praxistelefon habe ich umgestellt. Außerdem ist es ganz gut, wenn sie einmal nicht wegen jedem Zipperlein zu dir in die Praxis kommen können.«
Martin bat Katja, ihm ein Telefon am Bett frei schalten zu lassen.
»Bleib bei deinem Mann, Katja! Ich kümmere mich darum«, sagte Toni.
Die Sache mit dem Telefon war schnell erledigt. Auf dem Flur begegnete Toni dem Oberarzt Doktor Bayer.
»Waren Sie schon bei Kollege Engler?«, fragte Doktor Bayer. »Konnten Sie ihn beruhigen?«
Toni sah ihn fragend an.
»Ärzte sind schwierige Patienten«, schmunzelte Doktor Bayer. »Sie sind die schwierigsten Kranken überhaupt. Da bin ich leider keine Ausnahme, muss ich gestehen. Aber ich kann keine Rücksicht nehmen. Dr. Engler sollte noch mindestens bis Ende der Woche hierbleiben. Ich bin überzeugt, wenn er daheim ist, hält er sich nicht an meine Verordnungen. Er wollte sich heute Morgen schon selbst entlassen. Da musste ich deutliche Worte sprechen. Er hat viel Glück gehabt, aber er braucht noch einige Tage Bettruhe.«
»Sie machen das schon richtig, Herr Doktor Bayer. Martin sorgt sich mehr um seine Patienten, als um sich selbst.«
»Das ist oft so bei Ärzten. Sie denken, ohne sie geht es nicht.«
Toni und Doktor Bayer lächelten sich an.
»Haben Sie schon eine Vertretung gefunden?«, fragte Toni.
»Ja, aber Kollege Engler will davon nichts wissen. Er will mit dem Kollegen in Kirchwalden reden, dass er die Hausbesuche übernimmt und an zwei Tagen in der Woche die Abendsprechstunde. Er meint, er könnte ab nächster Woche wieder in der Praxis sein. Er meint doch tatsächlich, er könnte auch so noch Rezepte schreiben.«
»Typisch Martin«, seufzte Toni und schüttelte den Kopf.
»Keine Sorge, Herr Baumberger, dem werde ich einen Riegel vorschieben. Und ich habe da jemand im Auge. Ich habe mich umgehört. Ich warte jetzt auf Antwort. Bis heute Abend weiß ich mehr.«
Doktor Bayer und Toni standen noch zusammen im Flur, als eine junge, zierliche blonde Frau, mit langen Locken, auf sie zu kam.
»Hallo, Überraschung!«, rief sie.
»Manuela, das ist wirklich eine Überraschung«, rief Dr. Bayer.
Sie umarmten sich herzlich.
»Ich hoffe, du hast Zeit für einen Kaffee? Ich bin nämlich nur auf der Durchreise«, sagte die junge Frau.
»Ich darf mich verabschieden, Herr Doktor«, sagte Toni. »Meine Handynummer haben Sie. Sollte sich Martin weiterhin so unvernünftig geben, dann können Sie mich jederzeit anrufen.«
Die beiden Männer schüttelten sich die Hand.
Toni ging davon. Er schaute sich noch einmal um und sah, wie Doktor Bayer seinen Arm um die Schultern der jungen Frau legte. Sie unterhielten sich angeregt. Ihr Lachen schallte über den Flur.
Doktor Bayer holte in der Teeküche der Station zwei große Becher Kaffee. Manuela begleitete ihn in sein Arbeitszimmer.
»Mei, ist das schön, dich zu sehen!«, sagte Doktor Bayer.
»Ich bin auf dem Weg nach Italien. Da dachte ich, ich mache einen kleinen Umweg und besuche meinen lieben alten Patenonkel.«
»Patenonkel lasse ich gelten. Aber ›alt‹, das ist nicht gerade ein Kompliment. Sehe ich etwa alt aus?«
Manuela lachte herzlich. »Was bist du eitel, Onkel Siegfried! He, das war ein Scherz! Man sieht dir das Alter bestimmt nicht an.«
»Naja, aber wenn du ›Siegfried‹ sagst, statt mich mit ›Freddy‹ anzusprechen, komme ich mir wirklich alt vor. Doch lassen wir es gut sein.«
Sie tranken Kaffee.
»Und was macht die Liebe?«, fragte Siegfried Bayer.
»Im Augenblick bin ich solo. Ich habe ihn in die Wüste geschickt. Es ist noch nicht lange her«, erklärte Manuela. Sie legte den Kopf zurück und schaute zur Decke. »Es geschah genau vor neunzehn Tagen. Der Bursche war mir untreu. Er streitet zwar alles ab, aber ich lasse mich nicht veräppeln. Du hattest recht. Der Kerl taugte nichts. Er war zu schön, zu glatt, zu gewandt, zu erfolgreich. Ein ausgesprochener Siegertyp, der über jede Hürde springt und keinerlei Skrupel hat. Ich dachte, was er im Beruf macht, geht mich nichts an. Ich gab mich der Illusion hin, dass ich ihn zu Bodenständigkeit erziehen könnte. Fehlanzeige!« Manuela trank einen Schluck Kaffee. »Es war so. Das heißt, willst du die Geschichte überhaupt hören?«
»Aber klar doch! Hast du ihn in flagranti erwischt?«
»Genau! Okay, ich hatte schon länger einen Verdacht. Er hatte einfach zu viele Meetings am Abend und wurde zu oft von angeblichen Pharmakollegen angerufen. Es gab auch mehr und mehr Schulungsreisen. Anfangs dachte ich mir nichts dabei, aber das änderte sich. Ich rief im Schulungszentrum des Pharmakonzerns an und wollte ihn sprechen. Es gab keine Schulung.«
»Das ist ein starkes Stück«, sagte Doktor Bayer. »Hast du ihn zur Rede gestellt?«
»Klar habe ich das. Aber du weißt, wie redegewandt er ist. Du hast ihn doch erlebt. Er gehört zu denen, die es spielend schaffen, einem Eskimo einen Kühlschrank zu verkaufen. Ach, was sage ich da? Er schwatzt ihnen gleich ein halbes Dutzend auf. Er hat meine Gedanken einfach in der Luft zerpflückt. Am Ende kam ich mir richtig doof und blöd vor.« Alte Wut kam in ihr hoch. »Als Nächstes beschlich mich das Gefühl, dass eine Frau in unserer gemeinsamen Wohnung gewesen sein musste. Ich kann dir nicht sagen, woran ich es bemerkte. Es war mehr unterbewusst. Ich wollte mich nicht auf eine neue Diskussion einlassen. Also sagte ich, ich hätte Wochenenddienst. Es würde mir leidtun, dass ich am Wochenende nicht daheim wäre. Er bedauerte es sehr. Doch ich hatte keinen Wochenenddienst. Ich legte mich auf die Lauer. Und wie ich es vermutet hatte, bekam er Besuch. Ich wartete, bis es dunkel war und schloss leise die Wohnungstür auf. Er saß mit einer Kollegin auf der Couch. Sie tranken Champagner und knutschten. Er hatte angenommen, dass er sturmfreie Bude habe.«
»Du hast ihn auf frischer Tat ertappt! Bravo, kluges Mädchen! Was hast du gemacht?«
»Oh, ich war ganz ruhig. Ich sah mir meine Nebenbuhlerin an und sagte ihm, sie passe besser zu ihm, als ich. Ich beglückwünschte sie zu ihrer Wahl. Ich bat das Weibsstück höflich, meine Wohnung zu verlassen und das Objekt ihrer Begierde gleich mitzunehmen. Seine Sachen würde eine Spedition liefern.«
Doktor Bayer lachte. »Manuela, ich kann mir dich dabei gut vorstellen. Was geschah dann?«
»Kein Wort hat er gesagt. Er stand auf, half ihr in ihre Jacke und sie gingen. Am nächsten Tag rief ich eine Spedition an, ließ seine Sachen packen und ihm zustellen. Natürlich zahlt er die Rechnung.«
»Bravo! Dann bist du also wieder Single.«
»Das bin ich. Ich werde beim nächsten Mal vorsichtiger sein. Ich suche mir etwas Bodenständiges, einen Kollegen, mit dem ich eine Praxis eröffnen kann. Er kann ruhig etwas älter sein. Ich habe von Yuppies und Überfliegern die Nase voll.«
»Dann hat es dich nicht getroffen?«
»Na, hör mal! Auch wenn ich in dem Augenblick ganz ruhig war, es ist ein doofes Gefühl, betrogen zu werden. Aber besser ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende. Ich will einen Mann, der mir treu ist. Aber jetzt brauche ich Abstand. Ich habe mir in der Klinik unbezahlten Urlaub genommen, ein halbes Jahr, und lasse erst mal die Seele baumeln.«
»Gute Idee! Deshalb bist du auf dem Weg in den Süden?«
»Genau! Außerdem wollte ich dich fragen, ob hier im Krankenhaus eine Planstelle frei wird?«