Zum 50-Jahre-Jubiläum: 5 mächtige Bosse - Carol Marinelli - E-Book

Zum 50-Jahre-Jubiläum: 5 mächtige Bosse E-Book

Carol Marinelli

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Beschreibung

Seit 50 Jahren steht Julia für Liebesromane der Extraklasse: starke, mächtige Männer, hinreißende Frauen, zärtliche Romantik und prickelnde Leidenschaft an glamourösen Schauplätzen – Happy End garantiert! Der CORA Verlag möchte dieses Jubiläum gebührend feiern – feiern Sie mit! Dieses Jubiläums-eBundle enthält die schönsten Boss-Romane aus der Reihe Julia: ZÄRTLICHE NÄCHTE MIT DEM BOSS von CAROL MARINELLI Ihr Boss. Ihr Traummann. Und nun ihr Liebhaber! Vom ersten Moment an hat Aleksi Kolovskys unwiderstehliche Ausstrahlung Kate in den Bann gezogen. Doch es scheint eine hoffnungslose Schwärmerei, mehr nicht. Bis Aleksi eines Nachts überraschend bei Kate auftaucht und sie mit einem unmoralischen Angebot überrascht: Um sein Playboy-Image zu bessern, soll sie ab sofort seine Verlobte spielen, zärtliche Nächte inklusive. Kates Herz schlägt höher. Doch Aleksi stellt gleich klar, wie er sich ihr Verhältnis vorstellt: "Liebe kannst du von mir nicht erwarten? DIE UNVERGESSLICHE NACHT MIT DEM GRIECHISCHEN BOSS von LYNNE GRAHAM Die heiße Affäre mit ihrem griechischen Boss Eros Nevrakris kann Winnie einfach nicht vergessen: diese Lust – und diese Scham, als sie erfuhr, dass ihr Liebhaber verheiratet ist! Sofort verließ sie ihn. Aber jetzt steht Eros unvermittelt vor ihr: Er ist endlich frei, und genauso lichterloh wie damals brennt die Leidenschaft zwischen ihnen. Winnie glaubt zu träumen, als der sexy Tycoon sogar von Hochzeit auf seiner wild-romantischen Mittelmeerinsel spricht. Aus Liebe? Oder geht es ihm in Wahrheit um etwas ganz anderes? RETTUNGSLOS VERLIEBT IN DEN PLAYBOY-BOSS von JENNIE LUCAS Unermesslich reich, unfassbar attraktiv und unsagbar skrupellos! Nach einer leidenschaftlichen Liebesnacht mit ihrem Boss Antonio Delacruz ist Hana verzweifelt. Nicht nur weil sie rettungslos in den Selfmade-Milliardär verliebt ist, sondern weil sie von dem überzeugten Playboy ein Kind erwartet. Trotzdem bereut sie die erotischen Stunden in seinen Armen keine Sekunde. Doch als Hana ihm während einer Geschäftsreise gesteht, dass sie von ihm schwanger ist, wirft der Spanier ihr etwas Unglaubliches vor … SCHEINVERLOBUNG MIT DEM SEXY BOSS von ELLIE DARKINS Fassungslos starrt Eva ihren sexy Boss Joss Dawson an. Gerade hat er erklärt, sie seien verlobt! Sie ahnt, warum: Sein Vater, Gründer der exklusiven Warenhaus-Kette Dawson‘s, hat nicht mehr lange zu leben. Dass Joss verlobt ist, macht ihn glücklich. Aber für Eva beginnt ein gefährliches Spiel mit dem Feuer. Viel zu lange sehnt sie sich schon nach ihm. Doch diese erotische Scharade wird vorbei sein, sobald Dawson Senior für immer die Augen schließt! Was geschieht dann mit ihrem Herzen? Denn Eva weiß genau, dass Joss nicht an Liebe glaubt … Quälend nah war ihm ihr Körper, von dem er so oft geträumt hatte. Nah und doch unerreichbar. HEISSE KÜSSE FÜR DEN BOSS von NATALIE ANDERSON Geschafft! In letzter Sekunde erreicht Amanda das Flugzeug, das sie zu einem wichtigen Termin bringen wird. Ihre berufliche Zukunft hängt davon ab! Doch gerade als sie sich erleichtert zurücklehnt, wünscht sie sich, sie hätte den Flieger verpasst: Neben ihr sitzt Jared, der Mann, der ihr vor zehn Jahren das Herz gebrochen hat! Wie gerne würde sie ihn einfach ignorieren – doch das ist unmöglich: Jared ist nicht nur ihr Sitznachbar, er ist auch ihr neuer Chef, und sie muss alles tun, um ihn zufriedenzustellen. Überraschenderweise fällt ihr das leichter, als sie anfangs dachte …

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Seitenzahl: 994

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Carol Marinelli Lynne Graham Jennie Lucas Ellie Darkins Natalie Anderson
Zum 50-Jahre-Jubiläum: 5 mächtige Bosse

Zum 50-Jahre-Jubiläum: 5 mächtige Bosse

Cover

Titel

Inhalt

Zärtliche Nächte mit dem Boss

Cover

Titel

Impressum

PROLOG

1. KAPITEL

2. KAPITEL

3. KAPITEL

4. KAPITEL

5. KAPITEL

6. KAPITEL

7. KAPITEL

8. KAPITEL

9. KAPITEL

10. KAPITEL

11. KAPITEL

EPILOG

Die unvergessliche Nacht mit dem griechischen Boss

Cover

Titel

Impressum

PROLOG

1. KAPITEL

2. KAPITEL

3. KAPITEL

4. KAPITEL

5. KAPITEL

6. KAPITEL

7. KAPITEL

8. KAPITEL

9. KAPITEL

10. KAPITEL

Rettungslos verliebt in den Playboy-Boss

Cover

Titel

Impressum

1. KAPITEL

2. KAPITEL

3. KAPITEL

4. KAPITEL

5. KAPITEL

6. KAPITEL

7. KAPITEL

8. KAPITEL

9. KAPITEL

10. KAPITEL

11. KAPITEL

12. KAPITEL

13. KAPITEL

Scheinverlobung mit dem sexy Boss

Cover

Titel

Impressum

1. KAPITEL

2. KAPITEL

3. KAPITEL

4. KAPITEL

5. KAPITEL

6. KAPITEL

7. KAPITEL

8. KAPITEL

9. KAPITEL

10. KAPITEL

11. KAPITEL

12. KAPITEL

13. KAPITEL

14. KAPITEL

Heiße Küsse für den Boss

Cover

Impressum

Heiße Küsse für den Boss

1. KAPITEL

2. KAPITEL

3. KAPITEL

4. KAPITEL

5. KAPITEL

6. KAPITEL

7. KAPITEL

8. KAPITEL

9. KAPITEL

10. KAPITEL

11. KAPITEL

12. KAPITEL

13. KAPITEL

14. KAPITEL

15. KAPITEL

16. KAPITEL

Guide

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Contents

Carol Marinelli

Zärtliche Nächte mit dem Boss

IMPRESSUM

JULIA erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: 040/60 09 09-361 Fax: 040/60 09 09-469 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung: Thomas Beckmann Redaktionsleitung: Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.) Produktion: Christel Borges Grafik: Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2010 by Carol Marinelli Originaltitel: „The Last Kolovsky Playboy“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA Band 2117 - 2014 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Helga Meckes-Sayeban

Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 03/2014 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: GGP Media GmbH , Pößneck

ISBN 9783733700409

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag: BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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PROLOG

Sie konnte unmöglich wieder hineingehen.

Jedenfalls nicht so.

Kates Herz hämmerte, ihre Wangen brannten, während sie mit zittrigen Händen Kaffee für ihren Chef Levander Kolovsky und seinen jüngeren Halbbruder Aleksi kochte.

Niemals, wirklich noch nie hatte sie so stark auf einen Mann reagiert.

Und das jetzt, in der sechsunddreißigsten Woche ihrer Schwangerschaft.

Aleksi Kolovsky war aus London zu einem wichtigen Meeting in der australischen Firmenzentrale eingeflogen, und Kate hatte zu wissen geglaubt, was sie erwartete. Schließlich kannte sie seinen Zwillingsbruder Iosef und hatte sich vorstellen können, wie Aleksi aussah. Auch von seinem Ruf als Playboy hatte sie gehört.

Aber es war nicht sein fabelhaftes Aussehen, das sie völlig aus der Bahn geworfen hatte. In der Zentrale von Kolovsky-Design wimmelte es nur so von fantastisch aussehenden Menschen. Kate war völlig nervös gewesen, als die Arbeitsagentur sie als Zeitkraft dorthin vermittelt hatte. Selbst jetzt war sie sicher, dass Levander sie nur behalten hatte, weil sie tüchtig war – und eben nur eine Zeitarbeitskraft. Um als persönliche Assistentin Vollzeit bei Kolovsky-Design zu arbeiten, musste man sehr viel mehr bieten als Tüchtigkeit. Vor allem auch Schönheit. Und da haperte es bei ihr.

Nein, es war etwas anderes als Aleksis Aussehen, das sie so stark ansprach.

Ihr Herz hatte zu rasen begonnen, als sie Levanders Büro betrat – peinlich heiß war ihr geworden, als der berühmte Playboybruder von den Unterlagen aufgeblickt und sie verwundert angesehen hatte …

„Gehören Sie wirklich hierher?“, hatte er sie gefragt. Mit leiser, dunkler Stimme und gepflegtem Oxfordakzent hatte er gesprochen. In seinen grauen Augen war ein seltsamer Ausdruck erschienen, während er den Blick über ihren kugelrunden Bauch schweifen ließ, ehe er ihr ins Gesicht geblickt hatte.

Aber er hatte ja recht! Sie war hochschwanger. Während manche Models in der Schwangerschaft nur ein hübsches kleines Bäuchlein und BH-Körbchen kaum größer als AA aufzuweisen hatten, bedeutete für Kate, schwanger zu sein, dass ihr Körper vom Busen bis zu den Fesseln wie ein einziger unförmig geschwollener Ballon aussah. Sie war so unübersehbar, überwältigend schwanger, dass Aleksi recht hatte. Sie dürfte gar nicht hier sein.

„Wie bitte?“, war Kate ungewollt herausgeplatzt. Normalerweise hätte sie die Bemerkung mit einem kurzen, höflichen Lächeln abgetan. Nach vier Monaten im Modehaus Kolovsky war sie es gewöhnt, mit den Reichen und Berühmten Small Talk zu machen und sich ansonsten diskret im Hintergrund zu halten. Doch aus einem ihr selbst nicht erklärlichen Grund hatte die taktlose Bemerkung des Chefbruders die wahre Kate auf den Plan gerufen.

„Sie sehen aus, als wären Sie jeden Moment fällig“, hatte Aleksi beharrt.

„Fällig für was?“ Mit stiller Genugtuung hatte Kate beobachtet, wie sich auf seiner arroganten Miene so etwas wie Panik abzeichnete – als wäre dem selbstbewussten Aleksi Kolovsky bewusst geworden, was für ein unverzeihlich peinlicher Patzer ihm unterlaufen war.

„Für eine Gehaltserhöhung.“ Der sonst so ernste Levander hatte schallend gelacht, als er die Betroffenheit seines Bruders bemerkte. „Und die haben Sie verdient, Kate. Nicht viele schaffen es, Aleksi in Verlegenheit zu bringen.“

„Sie ist also wirklich schwanger?“, hatte Kate ihn leise fragen gehört, als sie aus dem Büro geflüchtet war, um Kaffee zu kochen.

„Was sonst?“ Levander lächelte immer noch, nachdem Kate gegangen war. Er genoss es, seinen Bruder endlich einmal verlegen zu erleben. „Leider ja.“

„Leider?“

„Ich versuche, lieber nicht daran zu denken, dass sie jeden Moment niederkommen kann. Hier herrschte das Chaos, ehe Kate bei mir anfing. Inzwischen hat sie tatkräftig durchgegriffen, alles läuft wieder wie am Schnürchen. Ich weiß, wann und wo ich in den nächsten Wochen sein muss. Außerdem versteht Kate es bewundernswert, selbst mit den schwierigsten Kunden umzugehen.“

„Sie kommt also wieder …“

„Nein.“ Levander schüttelte den Kopf. „Kate ist nur aushilfsweise bei uns. Nachdem sie nach der Trennung von ihrem Freund nach Melbourne zurückgezogen ist, brauchte sie einen Job, um die Zeit bis zur Geburt zu überbrücken. Danach kommt sie nicht zu uns zurück.“

Näher hatte Levander sich nicht geäußert und sich wieder der Arbeit zugewandt. Und Kate hätte sich eigentlich nicht sorgen müssen, ob Aleksi bemerkt hatte, dass sie über und über rot geworden war und ihre Hände zitterten.

Die beiden Männer arbeiteten konzentriert an ihrem Projekt, als Kate mit dem Kaffee zurückkehrte. Aleksi saß über ein Dokument gebeugt, sodass das dunkle Haar ihm etwas in die Stirn fiel, und vergaß sogar, sich für den Kaffee zu bedanken.

In den folgenden Wochen kam er jeden Tag in die Firma. Meist blieb er sogar an ihrem Schreibtisch stehen, um sich zu erkundigen, wie es ihr gehe, während er wartete, dass Levander vom morgendlichen Joggen zurückkehrte. Manchmal erzählte Aleksi ihr kurz von London, wo er die britische Niederlassung von Kolovsky leitete, doch nur selten fragte er sie nach persönlichen Dingen. Und weil sie ihn sicher nicht wiedersehen würde, und vielleicht auch, weil sie sich hoffnungslos einsam und müde fühlte, antwortete Kate ihm ehrlich.

Sie sprach ganz offen, wurde Aleksi bewusst. Die junge Frau hatte Angst vor der Geburt, dem Leben als ledige Mutter, fern der Familie …

Und dann, am letzten Morgen vor seiner Rückkehr nach London, vor der wichtigen Besprechung mit Levander, seinem Vater Ivan und seiner Mutter Nina, war das Einzige, auf das er sich freute, Kates freundliches Lächeln und der Kaffee, den sie ihnen in den Konferenzsaal bringen würde.

Doch statt Kate erwartete ihn an ihrem Schreibtisch ein spindeldürres Model mit zentimeterdickem Make-up und einem Kopf, der zu viel groß für den knochigen Körper wirkte.

„Guten Morgen, Mr Kolovsky. Drinnen warten schon alle auf Sie. Kann ich Ihnen einen Kaffee bringen?“

„Wo ist Kate?“, fragte Aleksi.

Das Mädchen blinzelte. „Ach … Sie meinen die Aushilfe?“ Kunstvolles Stirnrunzeln. „Na ja, gestern Abend hat sie das Baby bekommen.“

„Mädchen oder Junge?“

Das Model zuckte die Schultern, und Aleksi fragte sich, ob das Schlüsselbein das durchhielt. „Das weiß ich nicht. Aber gut, dass Sie mich daran erinnern. Ich rufe in der Klinik an und erkundige mich. Levander meint, wir sollten ein Geschenk für sie besorgen.“

Es wurde eine endlose Besprechung. Kaffee, später wieder Kaffee, dann Mittagessen im Besprechungsraum. Es geschah nicht oft, dass die drei Kolovsky-Söhne und ihre Eltern sich zusammensetzten. Aleksis Zwillingsbruder Iosef war Arzt und hatte sich den Tag im Krankenhaus freigenommen. Irgendwann saßen alle schweigend da, während Ivan ihnen von seiner Krankheit und den ungewissen Diagnosen der Ärzte berichtete – und dass niemand davon erfahren dürfe.

„Menschen werden nun mal krank“, erklärte Iosef daraufhin. „Dafür muss man sich nicht schämen.“

„Die Kolovskys zeigen keine Schwäche“, war die harsche Erwiderung ihres Vaters gewesen.

Danach sprachen sie über Umsatzzahlen und – ziele, eine neue Modelinie, die sie vorstellen wollten, und dass Aleksi die Firma bei allen europäischen Modeschauen repräsentieren solle, während Ivan sich der Behandlung unterzog. Levander würde Australien und Asien übernehmen.

Zu dem Zeitpunkt war Iosef längst gegangen.

Trotz des traurigen Anlasses gab es bei der Besprechung keinerlei Gefühlsbezeugungen, dafür aber literweise ungenießbaren Kaffee.

Der Abschied fiel betont kühl aus. Seine Mutter wünschte Aleksi keine gute Reise und warnte ihn, das soeben Besprochene müsse in der Familie bleiben. Sein Widerstand wuchs, ihm wurde schlecht – wie als Kind, wenn die Eltern an seinem Bett gestanden und ihn gewarnt hatten, seine Schmerzen mit keinem Wort zu erwähnen, nicht zu weinen, alles für sich zu behalten, niemandem etwas zu erzählen …

Kolovskys zeigten keine Schwäche.

Levander verabschiedete sich von Aleksi, als würde sein Bruder nur kurz einkaufen gehen, statt um die halbe Welt zurück nach London zu fliegen.

Ehe Aleksi die elegante Empfangshalle verließ, fiel ihm ein üppiger Geschenkkorb mit Blumen, Champagner und einer zartrosa Seidendecke auf, der von einem Boten abgeholt werden sollte.

Kate musste ein Mädchen bekommen haben.

Nur selten stellte Aleksi seine Beweggründe infrage. Er hätte nicht sagen können, was in ihm vorging, als er durch die goldene Drehtür der Kolovsky-Firmenzentrale zur Limousine ging, die ihn zum Flughafen bringen sollte.

Unvermittelt machte er kehrt, ging in die Eingangshalle zurück, wechselte einige Worte mit der erstaunten Empfangsdame und nahm den Korb mit. Als er auf dem Rücksitz des Luxuswagens saß, nannte er dem Taxifahrer die Adresse, die er auf der Karte am Korb gefunden hatte.

„Soll ich ihn für Sie im Krankenhaus abgeben, Sir?“, erbot sich der Fahrer, als sie vor dem weitläufigen Betonkomplex hielten.

Doch aus irgendeinem Grund wollte Aleksi das selbst tun.

Sein Vater war todkrank, und er fühlte sich benommen, konnte keinen klaren Gedanken fassen.

Er hätte nicht sagen können, wieso er auf einmal am Informationspult stand und sich nach dem Weg zu Kates Zimmer erkundigte. Ohne nachzudenken, betrat er den Aufzug und registrierte nur, dass es hier nicht so angenehm roch wie in den Privatkliniken, die er kannte. Ach ja, er war ein bisschen nervös, wie Kate reagieren würde. Was ihre Besucher sagen würden, wenn er unerwartet an ihrem Bett erschien.

Er wollte sich einfach von ihr verabschieden.

Für Kate waren die letzten vierundzwanzig Stunden die Hölle gewesen.

Zwölf Stunden lang hatten die Wehen sich hingezogen, dann hatte man einen Kaiserschnitt vornehmen müssen. Jetzt lag ihre kleine Tochter rosig und engelsgleich in dem Bettchen neben ihr, doch Kate hatte sich in ihrem ganzen Leben noch nie so einsam gefühlt.

Am Abend wollten ihre Eltern vorbeikommen. Mit Craig hatte sie telefoniert, aber es sah nicht so aus, als würde er sie besuchen.

Nein, die endlosen Wehen und der Eingriff waren nichts im Vergleich mit der Scham und Einsamkeit, die sie jetzt zur Besuchszeit erfüllten.

Natürlich entgingen Kate nicht die neugierig mitfühlenden Blicke der anderen drei Mütter und deren Besucher zu ihrem schmucklosen Bett, ohne Ballons, Blumen und Glückwunschkarten.

Sie war einsam und schämte sich, völlig allein dazustehen.

Ungeliebt.

Irgendwann hatte sie eine Schwester gebeten, die Bettvorhänge zu schließen, doch die musste sie missverstanden haben, denn sie hatte die Vorhänge ganz aufgezogen, sodass Kate in ihrem Bett mit ihrer Schande allen Blicken preisgegeben war.

Auf einmal war er da.

Er entdeckte sie sofort.

Dann sah er die anderen Mütter, den ungläubigen Ausdruck in ihren Augen, als ihnen bewusst wurde, wen er besuchte. War er der …? Nein! Das war doch nicht möglich. Oder doch …?

Er lächelte Kate zu. „Bitte entschuldige, Darling!“

Zielstrebig, die Krawatte gelockert, eilte er durchs Viererzimmer an ihr Bett, wo er im eleganten dunklen Maßanzug völlig fehl am Platz wirkte. Er stellte den Präsentkorb auf Kates Nachttisch und betrachtete sie besorgt.

Ihr Gesicht war geschwollen, die Augen nach den endlosen Presswehen gerötet. Bisher hatte Aleksi gedacht, Frauen würden die überflüssigen Pfunde nach der Geburt gleich wieder los sein, doch Kate wirkte eher noch schwerer. Ihr welliges dunkles Haar war strähnig und verschwitzt, doch sie lächelte matt.

Aleksi war froh, dass er bei ihr war.

„Kannst du mir verzeihen, dass ich nicht eher kommen konnte?“, fragte er laut, damit die anderen es hören konnten.

Fast hätte Kate gekichert, aber lachen tat einfach zu weh. Erschöpft, wie sie war, und um die Situation nicht weiter zu komplizieren, ging sie auf Aleksis Du ein. „Ach hör auf. Sonst hält man dich noch für den Vater“, setzte sie leise hinzu.

„Na ja …“ Vorsichtig setzte er sich zu ihr aufs Bett und senkte die Stimme. „Aber könnte es nicht ganz lustig sein, so zu tun als ob?“ Er blickte ihr in die geröteten Augen. „War es sehr schlimm?“

„Die Hölle.“

„Wozu sind die ganzen Schläuche?“

„Ich hatte einen Kaiserschnitt.“ Kate entging nicht, dass er zusammenzuckte.

„Und wann darfst du nach Hause?“

„In zwei, drei Tagen.“ Bei der Vorstellung schauderte Kate. Sie konnte ihr Baby nicht einmal hochheben. Der bloße Gedanke, nach der Entlassung aus der Klinik völlig auf sich gestellt zu sein, war einfach zu schrecklich.

„Das ist doch viel zu früh!“ Aleksi war entsetzt. „Auch bei meiner Cousine war ein Kaiserschnitt nötig. Danach musste sie über eine Woche im Krankenhaus bleiben.“ Er dachte an die luxuriöse Privatstation, wo er das Baby hinter einer Glaswand hatte beobachten dürfen. Unwillkürlich schweifte sein Blick zu Kates Baby, und ihm lag eine nette Bemerkung auf den Lippen. Stattdessen lächelte er bewegt: Das süßeste Baby der Welt sah ihn an, als wollte es ihn genauer ausmachen. Es hatte unglaublich dunkle blaue Augen und die vollen rosa Lippen seiner Mutter.

„Sie ist wunderschön.“ Das meinte er ehrlich.

„Vielleicht liegt das daran, dass sie per Kaiserschnitt zur Welt gekommen ist“, bemerkte Kate. „Ich denke, ihre Augen werden braun sein, wenn ich sie nach Hause hole.“ Und endlich stellte sie ihm die Frage, die ihr auf dem Herzen brannte. „Wieso bist du hier, Aleksi?“

„Ich bin auf dem Weg zum Flughafen.“ Als Kate wenig überzeugt wirkte, setzte er schulterzuckend hinzu: „Nach fünf Stunden mit meinen Eltern brauchte ich einen Tapetenwechsel.“ Er blickte wieder auf das Baby. „Sie ist aufgewacht.“

„Möchtest du sie auf den Arm nehmen?“

„Nein. Lieber nicht.“ Aleksi zögerte und überlegte es sich anders. Ein Baby auf dem Arm zu halten war wirklich mal etwas Neues. „Wird sie dann nicht protestieren?“

„Warum sollte sie?“, fragte Kate lächelnd.

„Ich dachte, Babys schreien dann immer gleich.“ Aleksi hatte keine Ahnung von Säuglingen, und dabei sollte es auch bleiben. Doch irgendwie war er neugierig, wie so ein Neugeborenes sich anfühlte.

Zögernd, überaus vorsichtig hob er das weiche Bündel aus dem Bettchen. Instinktiv wollte Kate ihn ermahnen, das Köpfchen abzustützen, doch er tat es bereits, sogar unglaublich einfühlsam. Einen verrückten Moment lang wünschte sie sich das Unmögliche: dass es auch sein Baby wäre.

„Mein Dad ist schwerkrank“, verriet Aleksi ihr. Das war topsecret, und ihm war klar, dass Kate diese Information für Zehntausende Dollar verkaufen könnte. Doch das kümmerte ihn im Moment nicht. Er hielt ein neues Leben in den Händen und roch etwas Unbekanntes, das ihn seltsam berührte. Behutsam strich er mit dem Finger über die samtige Wange des Babys, deren Zartheit ihn an die Pfote eines neugeborenen Kätzchens erinnerte.

„Das tut mir leid“, sagte Kate.

„Niemand darf etwas davon erfahren.“ Aleksi blickte immer noch auf das Baby. „Wie heißt sie?“

„Georgina.“

„Georgie.“ Er lächelte seine neue Freundin an.

„Georgina!“, berichtigte Kate ihn.

„Möchte wissen, ob ich damals auch so süß aussah“, überlegte Aleksi laut. „Wenn ich mir zwei davon vorstelle …“

Kate verdrehte die Augen. Zwei eineiige Kolovsky-Zwillinge in einem Bettchen dürften damals die gesamte Entbindungsstation auf den Kopf gestellt haben.

„Also ich kann mir nicht vorstellen, dass du mal süß aussahst“, konnte sie sich nicht verkneifen, ihn zu necken.

„Oh doch! Ich war ein richtiger Wonneproppen.“ Aleksi lächelte. „Iosef war der Ernste von uns beiden.“ Er legte Georgina ins Bettchen zurück und sah Kate nachdenklich an. „Ich glaube, du wirst eine wunderbare Mutter sein.“

„Meinst du?“ Waren es die Hormone, Erschöpfung oder einfach Angst – um Kates Tapferkeit war es geschehen, ihr kamen die Tränen. „Ich möchte alles für sie sein und tun, aber wie soll ich das schaffen?“

„Du schaffst es schon“, ermunterte Aleksi sie. „Meinen Eltern fehlte es an nichts, dennoch haben sie bei uns Kindern alles falsch gemacht. Während du …“ Versonnen blickte er ihr in die braunen Augen und sah dort nicht die Erschöpfung, nur Tränen und Besorgnis und so etwas wie Schicksalsergebenheit, aber auch Zärtlichkeit und Liebe. „Du wirst alles wunderbar richtig machen.“

Dann war es vorbei. „Und jetzt muss ich gehen.“

„Danke.“

Kate erwartete, dass er jetzt aufstand und sich verabschiedete, und spannte unwillkürlich die schmerzenden Bauchmuskeln an. Doch dann geschah etwas Unerwartetes. Aleksi beugte sich über sie und nahm sie in die Arme, sie roch ihn, das berühmte Kolovsky-Cologne – und etwas unverkennbar Männliches, das sie erröten ließ wie an jenem ersten Tag.

„Nehmen wir deinem Publikum die letzten Zweifel“, flüsterte er ihr zu.

Und küsste sie.

Es war himmlisch … so unglaublich zart und berauschend. Dabei war sie vor zwölf Stunden operiert worden. Doch da war diese wunderbare Zärtlichkeit, die Flucht aus der Wirklichkeit … Dann spürte sie seinen Mund, die gefährliche Süße seiner Zunge. Selbst den letzten Zweiflern im Krankenzimmer bewies der Kuss, dass dies kein Höflichkeitsbesuch war.

„Ich darf meine Maschine nicht verpassen.“

Er hätte Schauspieler werden sollen, dachte Kate, als Aleksi sich noch einmal bedauernd zu ihr umblickte, ehe er den Raum verließ. Eine Weile blieb sie mit geschlossenen Augen reglos auf dem Kissen liegen und überließ sich den neugierig neidvollen Blicken der anderen Mütter, die nur ach so gewöhnliche Partner vorzuweisen hatten.

Leider blieb ihr nicht viel Zeit, den Augenblick der Verzauberung auszukosten.

Verklärt durchlebte sie die kostbaren Minuten erneut, als ein Pfleger brutal gegen die Bremsvorrichtungen ihres Bettes trat.

„Sie werden verlegt.“

„Wohin?“

Meine Güte, nur das nicht! Nicht wieder mit drei anderen Müttern in einem Zimmer liegen! Oder noch schlimmer: in einem Achterzimmer.

„Sie bekommen ein Upgrade.“

Vor fünf Jahren, bei einem Geschäftsflug mit ihrem geizigen Chef nach Singapur, hatte das Kabinenpersonal sie upgegradet, als sie an Bord gekommen war.

Und an diesem Nachmittag geschah das Gleiche.

Schon schob man ihr Bett aus dem Dritterklassebereich mit den fleckigen Wandfliesen. An einer Stelle bockte es kurz auf, wie um darauf hinzuweisen, dass sie eigentlich nicht hierhergehörte, dann ließ es sich mühelos über den weichen Teppichboden des Privatflügels weiterschieben.

Aber das sollte ihr egal sein. Und dem Krankenhauspersonal auch.

Aleksi Kolovsky hatte ihr die Luxusklasse für eine ganze Woche bezahlt.

Es war traumhaft, in das große Doppelbett überzuwechseln.

Himmlisch, ein Fünfsternemenü serviert zu bekommen, während Georgina in der Babystation versorgt wurde, um Kate später wieder zum Stillen gebracht zu werden.

Es war das Zweitwunderbarste, das ihr je passiert war, wurde ihr später am Abend bewusst, als eine hübsche Kinderkrankenschwester Georgina für die Nacht übernahm und das Licht ausschaltete.

Das Wunderbarste war Aleksis Kuss.

1. KAPITEL

Es tat nicht so weh, wie alle vorausgesagt hatten.

Nach sechsmonatiger Reha würde das bei einem Verkehrsunfall gebrochene Bein möglicherweise wieder so weit hergestellt sein, dass er mit Krücke gehen könne, hatten die anderen gemeint.

Auf den Tag genau vier Monate nach dem Unfall, bei dem er fast ums Leben gekommen wäre, watete Aleksi Kolovsky jetzt ohne Krücke zweimal täglich eine Viertelstunde angestrengt durch das Meerwasser der Karibik, wie der Arzt ihm geraten hatte.

Heute war seine dritte Therapieeinheit, und es ging erst gegen Mittag zu.

Und jedes Mal dehnte er die Bewegungsübungen bewusst länger aus als nötig.

Er wollte wieder ganz gesund werden.

Das hatte er schon einmal geschafft. Unter sehr viel schlimmeren Bedingungen.

Damals war er noch ein Kind gewesen, und es hatte für ihn weder Ärzte noch Physiotherapie gegeben – schon gar nicht eine paradiesische Umgebung wie die Karibik und das lindernde Meer, das seine schmerzenden Muskeln kühlte. Als Junge hatte er seinen zerschmetterten Körper schon einmal selbst geheilt, anfangs im Zimmer, bis die Wunden sich schlossen. Danach hatte er, ohne eine Miene zu verziehen, alles getan, um wieder laufen zu lernen, und war zur Schule zurückgekehrt. Nicht einmal seinem Zwilling Iosef war aufgefallen, wie verzweifelt er gekämpft hatte. Beharrlich, verbissen hatte Aleksi seine Heilung selbst in die Hand genommen und niemanden daran teilhaben lassen.

Iosef … sein eineiiger Zwilling.

Aleksi lächelte ironisch. Am Vorabend hatte er sich eine Fernsehsendung angesehen. Na ja, wirklich hingesehen hatte er nicht, der Film war nur eine Hintergrundkulisse gewesen. Seine Aufmerksamkeit hatte der Frau gegolten, die sein bestes Stück mit ihren Lippen geschickt liebkost hatte. Doch diesmal war es anders gewesen. Normalerweise schaltete er dann völlig ab. Sex als heilender Balsam … aber irgendwie hatte er sich nicht wirklich entspannen können. Das Fernsehen war ihm viel zu laut gewesen, jemand hatte von telepathischen Banden zwischen Zwillingen gefaselt, und das lustvolle Seufzen seiner Sexpartnerin hatte Aleksi gestört. Seit dem Unfall nervten ihn leeres Gerede, platte Unterhaltungen, und seine Bettgefährtinnen konnten ihn nicht mehr recht befriedigen. Dennoch war er hart geworden, und das gab ihm zu denken. Er sehnte sich nach schneller Befriedigung, aber die hatte die Frau ihm nicht verschaffen können. Nur um seinem Ruf gerecht zu werden, hatte er halbherzig die Stellung gewechselt und begonnen, sie mit dem Mund zu verwöhnen.

Bis das Telefon klingelte.

Aleksi hatte entnervt aufgestöhnt.

Schon wieder. War es ihm nicht einmal vergönnt, beim Sex Erleichterung zu finden?

Diesmal hatte das Telefon ihm jedoch einen willkommenen Vorwand geliefert, um die Frau loszuwerden …

Hier in der Karibik genoss Aleksi Sonnenschein im Überfluss, seine Haut war tief gebräunt, der Körper fit und muskulös. Oberhalb des Wasserspiegels wirkte er wie ein Sinnbild von Gesundheit und Kraft. Doch unter der Oberfläche machten die Narben sich stechend bemerkbar, wenn er sich bis an die Grenzen belastete, sich zwang, im Wasser zu rennen.

Bis es richtig wehtat.

Es schmerzte höllisch, aber Aleksi schonte sich nicht.

Spürte sein Bruder in Australien, was er durchmachte? Weiter! Nur nicht aufgeben! Brach Iosef in der Notaufnahme in Australien jetzt auch der Schweiß aus? Versuchte auch er, den Tag irgendwie durchzustehen?

Aleksi bezweifelte es.

Ach, er verübelte es seinem Zwilling nicht, dass er sich von der Firma losgesagt und Medizin studiert hatte. Sie standen in Verbindung und telefonierten regelmäßig. Aleksi mochte seinen Bruder. Doch zwischen ihnen gab es keine tiefere Bindung, kein Ineinanderaufgehen, keinen sechsten Sinn.

Wo waren die telepathischen Bande gewesen, als sein Vater ihn als Siebenjährigen halb tot geprügelt hatte?

Wo der sechste Sinn, als sein Zwillingsbruder ihn eine Woche später besuchen durfte?

„Ich habe gehört, du bist gestürzt …“, hatte Iosef gebrummelt. „Dad will dir ein neues Fahrrad kaufen.“ Lachend und gut aufgelegt hatte sein Bruder sich zu ihm aufs Bett gesetzt, doch die nachgebende Matratze hatte dafür gesorgt, dass Aleksi immer wieder ein stechender Schmerz durchzuckte – so fürchterlich, dass er nahe daran gewesen war zu schreien. Dann hatte er den warnenden Ausdruck in den Augen seiner Mutter gesehen.

„Wie schön“, hatte er nur gesagt.

Nein, ein besonderes Band zwischen ihnen gab es nicht.

Man litt und blutete nicht mit dem Bruder.

Aleksi rannte schneller.

Riminic, Riminic, Riminic.

Selbst die Möwen kreischten höhnisch den Namen.

Für ihn hatte sein Bruder nicht mehr existiert. Er hatte ihn vergessen wollen.

Seine Schande war grenzenlos, und mit dem Bein konnte er nicht davonlaufen.

Schluss mit dem Sprint! Aleksi war erschöpft und froh darüber. Vielleicht kam er jetzt ein wenig zur Ruhe.

Die Krankenschwester erwartete ihn mit den Pillen, als er in das luxuriöse Strandchalet zurückkehrte. Er weigerte sich, sie zu nehmen. Stattdessen trank er einen Vitamincocktail aus frisch gepresstem Saft und ging ins Schlafzimmer.

„Ich lege mich etwas hin.“

„Soll ich mitkommen?“ Verheißungsvoll lächelte sie. „Um dich zu massieren?“

Aleksi brummelte etwas Abweisendes. Konnte sie ihn nicht einfach in Ruhe lassen? Er wollte gesund werden und suchte Frieden.

Ausgestreckt lag er auf den Seidenlaken, die Luftströme des Ventilators kühlten seine erhitzte Haut, doch innerlich fror er.

Die Schmerzen machten ihm keine Angst. Es war seine Seele, die Heilung brauchte. Er hatte alle Tests bestanden, die Ärzte überzeugt, dass es ihm gut ging. Manchmal schaffte er es sogar, es selbst zu glauben. Doch da war ein Gewirr von verschwommenen Erinnerungen, Gesprächen, an die er sich nicht erinnern, Bilder, die er nicht einordnen konnte. Wissen, das irgendwo vergraben war.

Das Telefon klingelte.

Aleksi richtete sich auf, um es abzuschalten. Er war müde und brauchte Ruhe.

Dann sah er ihren Namen.

Kate.

Nur kurz zögerte er, dann nahm er ab. Auch wegen Kate hatte er sich für die Physiotherapie auf den Westindischen Inseln entschlossen. In Melbourne hatte er sich daran gewöhnt, sie an seinem Krankenhausbett zu sehen, sich fast ein wenig zu sehr auf ihre Besuche gefreut und begonnen, sich auf sie zu verlassen. Dabei wollte er sich auf niemanden mehr verlassen.

„Was gibt’s?“, meldete er sich.

„Ich sollte dir Bescheid sagen, wenn …“

Obwohl die halbe Welt sie trennte, erkannte er an Kates Stimme, dass sie beunruhigt war. Und das mit Recht. Nina würde toben, wenn sie herausfand, dass Kate ihn anrief. Niemand durfte ihn mit geschäftlichen Dingen belästigen . Doch Aleksi hatte Kate klargemacht, dass er belästigt werden wollte.

„Also was gibt’s, Kate?“ Im Geist sah er ihr rundes, freundliches Gesicht vor sich und war sicher, dass sie jetzt errötete. Kate errötete ständig. Sie war eine erfreulich normale Erscheinung inmitten von spindeldürren Models. Selbst zu Bestzeiten war das Haus Kolovsky ein Intrigenhort. In schlechten Zeiten wie im Moment eine wahre Schlangengrube. „Vergiss nicht, als meine persönliche Assistentin bist du mir unterstellt, nicht meiner Mutter.“

Seit über einem Jahr arbeitete Kate nun schon als Aleksis persönliche Assistentin. Er hatte sie überredet, den Posten anzunehmen, als wieder eine ihrer Vorgängerinnen töricht genug gewesen war, Sex mit Liebe zu verwechseln. Und da Aleksi sicher war, die Grenzen bei einer molligen ledigen Mutter bestimmt nicht zu überschreiten, hatte er sie eingestellt. Inzwischen war ihre Tochter fast fünf Jahre alt und ging zur Schule, aber Kate war nicht schlanker geworden. Nein, bei ihr würde er garantiert nicht in Versuchung geraten.

„Dein Bruder Levander …“, begann Kate vorsichtig. „Du weißt doch, er und Millie wollten ein Waisenkind adoptieren.“

„Und?“

„Vorige Woche sind sie nach Russland geflogen und haben ihn kennengelernt – ihren zukünftigen Sohn.“

Aleksi schloss die Augen. Er hatte befürchtet, dass der Tag schneller kommen würde, als ihm lieb sein konnte. Levander hatte die Kolovsky-Zentrale in Australien vernünftig geleitet. Doch nach dem Tod ihres Vaters vor zwei Jahren war er dort ausgestiegen und hatte Aleksis früheren Posten in London angetreten. Dafür hatte Aleksi die Leitung des Hauses Kolovsky übernommen. Sie hatten die Rollen also gewissermaßen getauscht. Erst jetzt war Levander nach Australien zurückgekehrt.

„Ich weiß es von Nina. Sie will die Leitung übernehmen …“

„Von was?“

„Von Kolovsky-Design.“ Kate schluckte. „Sie hat vor …“

„Levander würde niemals …“ Aleksi sprach nicht weiter. Jetzt war das Levander durchaus zuzutrauen. Seit er Millie kennengelernt hatte und nach Sashars Geburt galten für ihn andere Wertvorstellungen. Für ihn war Geld nie das Alleinseligmachende gewesen. Er war im russischen Waisenhaus Detsky Dom aufgewachsen und gehörte nur halb zur Familie. Nina war nicht seine Mutter. Und nach Ivans Tod fühlte Levander sich in erster Linie seiner eigenen Familie verpflichtet. Der neuen Familie. Und jetzt wollte er einem Waisenkind die Hölle ersparen, durch die er selbst gegangen war.

„Nina hat Levander verboten, dir etwas davon zu sagen“, fuhr Kate fort. „Niemand darf dich mit geschäftlichen Dingen beunruhigen. Du bräuchtest Zeit, um wieder ganz gesund zu werden, hat sie allen eingetrichtert.“

„Damit kommt sie beim Vorstand nicht durch“, fuhr Aleksi auf.

„Nina hat neue Ideen, die Kolovsky sehr viel Geld einbringen dürften.“

Nun klang Kate etwas ruhiger. Obwohl sie manchmal etwas schüchtern wirkte, war sie eine intelligente, tüchtige Kraft. Deshalb hatte Aleksi auch keine Mühe gescheut, um sie zu halten. Sie war so ganz anders als die anderen. Für sie gab es nur die Arbeit und ihre Verantwortung der Firma gegenüber. Schon deshalb sorgte er dafür, dass sie genug verdiente, damit es ihr und ihrer kleinen Tochter Georgie an nichts fehlte.

„Wahrscheinlich schafft sie es, den Vorstand zu überzeugen – mit Ideen, die auch dir gefallen könnten.“

„Ideen?“, fragte Aleksi scharf.

„Wie Nina es hinstellt, klingen sie vielversprechend“, musste Kate zugeben. „Vorige Woche war ich bei einer Besprechung dabei. Dort hat sie ein Angebot von Zakahr Belenki vorgelegt …“

Trotz der Hitze im Zimmer überlief Aleksi ein eisiger Schauer. „Was für ein Angebot?“

„Eins, von dem Kolovsky und Belenki gemeinsam profitieren. Sie sprachen über eine neue Modelinie und Brautkleider, die über die Krasavitsa-Boutiquen vermarktet werden sollen, mit einer Gewinnspanne von …“

Aleksi hörte nicht mehr hin. Sein Herz raste, als würde er erbarmungslos durchs Wasser rennen, obwohl er reglos im Bett lag. Die Krasavitsa-Kette des Kolovsky-Imperiums war sein Baby … seine Idee und sein Geschäftsbereich. Doch sein Herz jagte nicht nur, weil Nina versuchte, sich in sein Ressort einzumischen.

Was war da mit Belenki?

Benommen schüttelte Aleksi den Kopf. Hatte er bei dem Unfall vielleicht doch einen Hirnschaden davongetragen?

Da waren Gedanken, Bilder, Erinnerungen, die er nicht einordnen konnte. Er erinnerte sich an den Wohltätigkeitsball vor dem Unfall – Belenki war von Europa herübergeflogen und als Gastredner aufgetreten, das wusste Aleksi noch genau. Und auch an die Angst erinnerte er sich, die ihn damals beschlichen hatte. Iosef hatte ihn scharf zur Rede gestellt, weil er sich während der Ansprachen unterhalten hatte, was tatsächlich ungehörig war. Zakahr Belenki hatte von seinem Leben im Waisenhaus Detsky Dom berichtet – wie er es geschafft hatte, als Straßenjunge zu überleben und der Gosse zu entkommen.

An dem Abend war es für Aleksi einfacher gewesen, noch ein Glas Champagner zu trinken, als sich Zakahrs Elendsbericht zu stellen. Levander selbst hatte nie von seinem Waisenhausdasein in Detsky Dom gesprochen, und Aleksi hatte nicht hören wollen, wie sehr sein Halbbruder dort gelitten hatte.

„Ist Belenki wieder in Australien?“, fragte er.

„Nein“, erwiderte Kate. „Aber er hat jeden Tag mit Nina telefoniert. Ständig entwickeln sie neue Konzepte.“

Warum machte der Name Belenki ihm Angst?

Aleksi versuchte, sich das Aussehen des Mannes ins Gedächtnis zu rufen, aber es gelang ihm nur verschwommen, seltsam bruchstückhaft, wie bei vielen anderen Schattenbereichen, von denen niemand wissen durfte.

„Nina wird das Haus Kolovsky zugrunde richten. Sie ist unfähig, es zu leiten“, erklärte er schroff.

„Wer könnte es sonst?“

„Ich“, entschied Aleksi. „Montag bin ich wieder im Büro.“

„Aleksi!“ Kate klang entsetzt. „Deshalb habe ich nicht angerufen. Ich hatte dir versprechen müssen, dich auf dem Laufenden zu halten, aber für deine Rückkehr ist es noch viel zu früh. Hör mal …“

Sie senkte die Stimme, und er konnte sich vorstellen, wie sie sich vorbeugte und mit einer Haarlocke spielte, während sie angestrengt nach einer Lösung suchte. Obwohl die Situation brenzlig war, musste er lächeln. Ihre Stimme zu hören beruhigte und berührte ihn wie so oft – doch nie so stark wie jetzt.

„Ich werde dich jeden Tag anrufen.“

Verwundert blickte Aleksi auf seine heftige Erregung und antwortete nicht.

„Hörst du mich, Aleksi?“

„Sprich weiter.“

„Am besten, ich rufe dich laufend an und berichte dir alles genau. Dann kannst du entscheiden, was zu tun ist.“

Teufel noch mal, am liebsten hätte er die Augen geschlossen und Kate um ihren Rat gebeten. Er wollte nicht an Kolovsky-Design, an seine Familie und Dinge denken, die er zu vergessen versuchte. Wie viel schöner müsste es sein, einfach hier zu liegen und sich von Kate alles Wichtige berichten zu lassen.

„Kate …“, begann Aleksi rau. Was gäbe er darum, sie jetzt bei sich zu haben! Stattdessen richtete er sich auf und zwang sich, das Ziehen in seinen Lenden zu ignorieren, sich auf das Notwendige zu konzentrieren. „Am Montag bin ich zurück. Aber sag niemandem etwas davon. Tu so, als wäre alles unverändert. Mach, was Nina verlangt.“

Es war nicht an ihr, ihm zu widersprechen.

„Gut“, sagte sie nur. „Soll ich veranlassen, dass …“

„Ich kümmere mich von hier aus um alles“, unterbrach er sie. „Kate …?“

„Ja?“

„Nichts.“ Er legte auf und versuchte, ans Geschäftliche zu denken. Mit neu erwachender Entschlossenheit schaltete er seinen Laptop ein und ging bestimmte Zahlen durch. Er wusste, dass das Haus Kolovsky sich auf Kollisionskurs befand. Nur er konnte den Untergang verhindern.

Warum erinnerte er sich nicht, wie es so weit gekommen war?

Zum ersten Mal seit Langem versuchte Aleksi es gar nicht erst. Die Zahlen verschwammen vor seinen Augen, er klickte die Firmenfotos an – das Who is Who des Hauses Kolovsky:

Ivan, sein verstorbener Vater. Seine Mutter Nina. Sein Halbbruder Levander, den die Eltern bequemerweise in ein Waisenhaus gesteckt hatten, ehe sie nach Australien geflüchtet waren. Iosef, sein Zwillingsbruder. Seine Schwester Annika. Dann klickte Aleksi sein eigenes Porträt an, hatte sein arrogantes Gesicht vor sich und schaltete schnell weiter. Endlich, zum ersten Mal seit Wochen, gestattete er sich, ihre Züge zu betrachten.

Kate Taylor.

Sie lächelte, ihr volles Gesicht glänzte leicht, unter den heißen Studiolampen hatte sich das Haar gelockt. Fotografiert zu werden machte sie verlegen, obwohl es sich nur um ein einfaches Imagefoto für das Firmenalbum gehandelt hatte.

War er verrückt geworden, sich Kate auf seiner heilenden Hüfte vorzustellen …?

Aleksi versuchte, seine Erregung unter Kontrolle zu bekommen. Vergeblich. Bei der Vorstellung, Kate auf sich zu spüren, wurde er härter …

Dabei hätte er die schönsten Frauen haben können – leidenschaftlich, zu allem bereit …

Doch er konnte nur denken, dass er Kate in einer Woche wiedersehen würde.

„Aleksi?“ Die Krankenschwester klopfte an die Tür und öffnete sie zögernd einen Spalt. „Kann ich etwas für dich tun?“

„Ich möchte nicht gestört werden“, murrte er.

Als sie die Tür widerstrebend schloss, schaltete er den Laptop ab und streckte sich in der Dunkelheit aus. Vielleicht konnte er schlafen. Dann war es um ihn geschehen.

Einmal.

Dieses eine Mal würde er sich gestatten – an Kate zu denken und sich auszumalen, wie es mit ihr sein würde.

Nur ein einziges und letztes Mal …

2. KAPITEL

„Du siehst hübsch aus!“, bemerkte Georgie, während Kate ihr Frühstücksei köpfte.

„Danke.“ Sie lächelte nachsichtig. Ihre kleine Tochter war ihr größter Fan und machte ihr öfter Komplimente.

„Wirklich hübsch.“ Georgie runzelte die Stirn. „Und den Lippenstift finde ich cool!“

„So?“

„Ist das neu?“ Mit Kennerblick begutachtete Georgie das graue Kostüm.

„Ach, das habe ich schon lange.“ Schulterzuckend gab Kate zwei Süßtabletten in ihren Tee und wünschte, sie hätte die Diät eingehalten. Sie hatte damit gerechnet, dass Aleksi erst in zwei Monaten nach Melbourne zurückkehren würde. Nur der intriganten Nina war es zu verdanken, dass er bereits heute im Büro erschien.

Georgie kniff die Augen zusammen. „Kommt Aleksi nicht heute zurück?“

„Das weiß ich nicht genau …“ Das schlaue Hexchen erstaunte Kate immer wieder. Nur gut, dass Georgie ihn mochte. Sie vergötterte Aleksi förmlich.

Nach dem schicksalhaften Tag in der Klinik war Kate sicher gewesen, ihn nie wiederzusehen. Irgendwann hatte sie es fast geschafft, ihn in die hintersten Winkel ihres Bewusstseins zu verbannen. Und dabei wäre es wohl geblieben, wenn Aleksi ihr nicht ab und zu eine Karte geschrieben hätte.

Aus irgendwelchen Hotels in fernen Ländern, mit kaum leserlicher Handschrift.

Und Georgie hatte er gelegentlich verrückte, völlig unpassende Spielzeuge geschickt – wie die verschachtelte russische Matrjoschkapuppe, mit der eine Eineinhalbjährige beim besten Willen noch nichts anfangen konnte, oder das Schmuckkästchen mit der tanzenden Ballerina und andere Geschenke, die sporadisch eingetroffen waren – wie auch die von Georgies Vater – und das kleine Mädchen zu Freudensprüngen veranlasst hatten.

Im Laufe der Jahre hatte Kate sich mit wechselnden Teilzeitjobs durchgeschlagen und die neuesten Entwicklungen der Kolovsky-Saga in Hochglanzmagazinen verfolgt. Nachdem Ivan gestorben war und Levander dem Kolovsky-Thron entsagt hatte, war Aleksi nach Australien zurückgekehrt. Gespannt hatte Kate gewartet. Und dann hatte er sie – lange nach seiner Rückkehr – endlich angerufen und ihr die Stelle angeboten, die sie beim besten Willen nicht ablehnen konnte.

Schon deshalb nicht, weil sie an Georgie denken musste. Manche Arbeitgeber waren nicht bereit, sich mit einer Teilzeitkraft abzufinden, die ihre kleine Tochter nach der Schule pünktlich abholen und betreuen musste. Notgedrungen hatte Kate das Mädchen manchmal sogar sonntagmorgens ins Büro mitnehmen müssen, wo es sein Frühstücksbrot am Schreibtisch aß, während Kate sich mit einer unverhofften Firmenkrise herumschlug.

„Ich mag Aleksi!“

„Sicher“, bemerkte Kate trocken. „Zu dir ist er auch immer so nett.“ Er hatte Georgie zugelächelt und die Augen verdreht, als er eines Morgens fuchsteufelswild hinter Kate stand, die eine Halbjahresbilanz ungewollt gelöscht und unter Tränen versucht hatte, die Daten zu retten.

„Mummy findet sie, Georgie“, hatte er der Kleinen zuversichtlich erklärt.

„Mummy findet sie aber nicht“, hatte Kate genervt gestöhnt.

„Du schaffst es schon, Kate. Das weiß ich.“ Verschwörerisch hatte Aleksi seinem jüngsten Fan zugezwinkert.

„Hat Aleksi eine Freundin?“, hakte Georgie jetzt beim Frühstück nach.

Kate zögerte. Aleksi verlieh dem Begriff Playboy eine neue Dimension, aber Georgie war zu jung, um das zu verstehen. Außerdem wollte sie vermeiden, dass ihre Tochter sich zu sehr mit der Beziehung ihrer Mutter zu Aleksi beschäftigte.

„Aleksi ist bei der Damenwelt sehr beliebt“, versuchte Kate, sich aus der Affäre zu ziehen. Schnell setzte sie hinzu: „Na komm, iss auf. Du musst zur Schule.“

„Ich will nicht in die Schule.“

„Sie wird dir Spaß machen, Georgie.“ Tapfer lächelte Kate, doch die Kleine begann zu weinen.

„Dort mögen sie mich nicht, Mum.“

„Soll ich noch mal mit Miss Nugent reden?“

Mit der Lehrerin hatte Kate wiederholt gesprochen. Georgie war überbegabt und hochintelligent. Obwohl sie noch nicht einmal fünf war, konnte sie lesen und schreiben, war lustig und manchmal natürlich auch aufmüpfig. Doch Miss Nugent hatte andere Probleme als ein Kind, das bereits lesen und schreiben konnte.

„Dann sind sie noch gemeiner zu mir.“ Georgies Hilfeschrei ging Kate ans Herz. „Was haben sie gegen mich?“

Tja, das zu beantworten war nicht einfach. Schon im Kindergarten war Georgie todunglücklich gewesen. Und in der Schule ging es ihr inzwischen nicht besser. Obwohl ihre Tochter gern mit den anderen Kindern spielen wollte, schlossen die sie aus, weil sie nicht in die Klasse passte. Georgie kannte sogar die Uhrzeit, war den anderen weit voraus. Also langweilte sie sich und störte den Unterricht, nervte Kinder und Lehrer mit Fragen. Deshalb war Kates süßes, fröhliches Mädchen sogar schon als „schwierig“ abgestempelt worden.

Beschämt musste Kate sich jetzt eingestehen, fast erleichtert zu sein, dass sie nicht mit Miss Nugent sprechen sollte.

Schließlich bekam Hund Bruce den Löwenanteil von Kates Toast. Während der Fahrt zur Schule versuchte sie tapfer, sich heiter zu geben, und begleitete die schmollende Georgie über den Schulhof zu ihrer Klasse.

„Na komm, Georgie!“, drängte Miss Nugent, als das Mädchen an der Garderobe stehen blieb. „Verabschiede dich von deiner Mum. Sie muss zur Arbeit.“

„Bis später, Mum“, sagte Georgie folgsam, und Kate brach fast das Herz.

Die anderen Kinder hatten sich plaudernd und lachend zusammengeschart, während Georgie mit ihrem Federmäppchen allein dasaß und im Lesebuch blätterte. Verzweifelt wünschte Kate, dass ihre kleine Tochter sich zu ihnen gesellte und mitmachte. Endlich einmal dazugehörte.

Während der Weiterfahrt zur Arbeit erwog Kate nicht zum ersten Mal, Aleksis Angebot anzunehmen. Wenn sie ganztags für ihn arbeitete, wollte er Georgies Schule bezahlen. Kate hatte eine ideale Einrichtung mit einem Programm für überbegabte Kinder ausfindig gemacht, die genau auf Georgies Fähigkeiten zugeschnitten war. Nach dem Rundgang war sie sicher gewesen, dass ihre Tochter sich unter ihresgleichen wohl und als ganz normales Kind fühlen würde.

Auf der Autobahn staute sich der Verkehr, und Kate kamen Zweifel.

Georgie brauchte ihre Mutter mehr als Aleksi eine abrufbereite Ganztagsassistentin. Außerdem änderten seine Stimmungen sich wie der Wind. Um Georgies Zukunft konnte es schnell geschehen sein, falls er unerwartet nicht mehr bereit sein sollte, ihre Schule zu bezahlen.

So vernarrt war Kate nun auch wieder nicht in ihn.

„Schön, Sie zu sehen, Sir.“

Früher hatte Aleksi dem Portier grüßend zugenickt, doch heute Morgen war er nicht in Stimmung dafür. Als sein Fahrer ihm die Wagentür aufhielt, war sein Blick auf die Stufen gefallen, die zur goldenen Drehtür des mächtigen Kolovsky-Imperiums hinaufführten.

Treppen schaffte er noch nicht. Dennoch würde er heute damit beginnen.

Eine Ewigkeit hatte er gebraucht, um sich die Krawatte zu binden. Was er früher im Handumdrehen bewältigt hatte, war an diesem Montagmorgen zur Geduldsprobe geworden. Doch keiner hätte das jetzt vermutet. Ganz selbstverständlich stieg er die Treppe zum Eingangsportal hinauf, als hätte es die vier Monate Höllenschmerzen nicht gegeben, die das Bein ihm auch jetzt noch bei jeder Bewegung bereitete. Doch sein Gang täuschte. Es kostete ihn größte Mühe, sich zusammenzureißen.

„Aleksi?“ Kate entging das Raunen nicht, das die Räume erfüllte. „Was will er hier?“

Sie spürte die Panik, die allgemeine Aufregung, ließ sich jedoch nichts anmerken. Ruhig saß sie an ihrem Schreibtisch und arbeitete am Computer. Gut, dass sie sich heute besondere Mühe mit ihrem Make-up gegeben hatte.

Wie stets, herrschte in Aleksis Geschäftsbereich hektische Betriebsamkeit. Sein privates Büro war von einem offenen Großraumbüro umgeben. Dort arbeitete Kate als seine persönliche Assistentin mit Lavinia, die ihr wiederum zuarbeitete. Kate spürte neugierige Blicke auf sich gerichtet, als Aleksis Mutter sich näherte.

Vor ihrem Schreibtisch blieb sie stehen. „Wussten Sie davon?“

Kate gab sich ahnungslos. „Von was?“

„Aleksi ist auf dem Weg nach oben!“ Erbost kniff Nina die Augen zusammen. „Falls ich herausfinden sollte, dass Sie etwas damit zu tun haben, können Sie sich von Ihrem Job verabschieden.“

„Ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen.“ Kate spielte die Überraschte. „Wir hatten Aleksi doch erst in einigen Monaten zurückerwartet.“

Seine bloße Anwesenheit im Gebäude löste Panik aus.

Allgemeiner Ansturm auf die Waschräume setzte ein, die Damenwelt hielt es plötzlich für dringend erforderlich, sich die Nase zu pudern.

Buchhalterinnen, die sich auf ihren Lorbeeren ausgeruht und mit Aleksi erst nach Monaten gerechnet hatten, überfluteten Kates E-Mail-Postfach und Voicemail schlagartig mit Anforderungen von Berichten, Zahlen und Besprechungsterminen.

Obwohl Kate sich gefasst gab, war sie ein einziges Nervenbündel. Ihr Herz hämmerte unter der engen Kostümjacke, erwartungsvoll befeuchtete sie sich die leuchtend geschminkten Lippen, und ihre Hände bebten, während sie einem Chefeinkäufer eine Antwort mailte.

Sie spürte seine Nähe, noch ehe er vor ihr stand.

Mit seiner Ausstrahlung beherrschte er den Raum, und Kate blickte auf. Seine Gegenwart überwältigte sie, er strahlte eine Kraft aus, die sich auf sie übertrug.

Nein, vergessen hatte sie nicht, welche Wirkung er auf sie hatte. Sie hatte es nur verdrängt.

„Was tust du hier, Aleksi?“ Sie musste nicht einmal vortäuschen, überrascht zu sein. Sein bloßer Anblick genügte. Vor zwei Monaten hatte ein Paparazzo ein Foto von ihm in der Karibik geschossen, das dem Mann fast eine halbe Million Dollar eingebracht hatte. So hatte Kate einen hageren, bleichen, sich mühsam auf den Beinen haltenden Aleksi Kolovsky erwartet – einen Schatten seiner selbst.

Stattdessen stand er gebräunt und kraftstrotzend vor ihr – und sah noch umwerfender aus, als sie ihn in Erinnerung hatte.

„Wie schön, dass Sie wieder da sind“, säuselte Lavinia. „Wir haben Sie vermisst.“

Er nickte nur und ging auf sein Büro zu, rief kurz über die Schulter zurück: „Kaffee!“ Als Lavinia aufsprang, setzte er hinzu: „Kate.“

„Du Ärmste.“ Lavinias mitfühlendes Getue verstummte, während Kate Kaffee machte. „Wenn Nina erfährt, dass du etwas mit seiner Rückkehr zu tun hattest, macht sie dir das Leben zur Hölle.“

„Hatte ich nicht“, erwiderte Kate. „Außerdem ist Aleksi der Chef von Kolovsky, nicht Nina.“

„Vielleicht noch diese Woche.“ Lavinia lächelte spöttisch. „Ist dir nicht klar, dass die Zeiten sich geändert haben? Aleksis Tage hier sind gezählt.“

Genau deshalb hatte Kate ihn zurückgerufen.

Nach dem fast tödlichen Autounfall des Chefs des Kolovsky-Imperiums hatte ganz Australien den Atem angehalten. Während Aleksi im Koma lag, waren Berichte über eine Beinamputation oder Gehirnschäden bald dementiert worden. Doch die Gerüchteküche hatte schnell andere Zutaten gefunden. Irgendwie war durchgesickert, Levander Kolovsky sei als Waisenkind in Russland aufgewachsen, während seine Eltern in Australien in Luxus lebten.

Damals hatte das Haus Kolovsky schwere Krisenzeiten durchlaufen und seinen Kopf dennoch wieder stolz erhoben. Als tragische Gestalt hatte Nina Aleksis Krankenhausbett verlassen und es geschafft, allgemein Mitgefühl zu erregen. Ihren fast unanständigen Reichtum und die Skandalserie hatte sie mit höchst medienwirksamer Wohltätigkeitsarbeit in Russland raffiniert überspielt. Und jetzt sprachen neue Gemeinschaftsprojekte mit dem europäischen Magnaten Zakahr Belenki für Nina. Mit vereinten Kräften wollten sie das Kinderelend in Russland durch Hilfsprogramme bekämpfen. Daraufhin war die öffentliche Meinung umgeschwenkt, und Kolovsky stand als reinste Wohltätigkeitseinrichtung da.

„Teilen Sie der Presse mit, das Haus Kolovsky sei wieder ganz oben“, hatte Nina in der letzten Vorstandssitzung verkündet. „Wie die Dinge stehen, können wir gar nichts falsch machen.“

„Und Aleksi?“, hatte der Pressesprecher gefragt. „Sollten wir die Aktionäre nicht informieren, dass er wieder gesund ist und an die Firmenspitze zurückkehren will?“

Stattdessen hatte Nina die Taktik „Kein Kommentar“ eingeschlagen. Kate war bei der Besprechung dabei gewesen und hatte die Erklärung seiner Mutter mit angehört.

„Ohne Aleksi an der Spitze kann Kolovsky gar nichts falsch machen“, hatte Nina kalt verkündet.

Zwei Stunden später hatte Kate ihren Chef angerufen.

„Du solltest dich lieber an Nina halten statt an Aleksi, Kate“, riet Lavinia ihr jetzt zynisch.

Und plötzlich hatte Kate genug.

„Es gibt immer Leute, die ihr Mäntelchen nach dem Wind hängen“, erwiderte sie abfällig. „Mir würde nicht im Traum einfallen, von Aleksi zu Nina überzuwechseln.“

„Du zitterst ja“, bemerkte Aleksi, als Kate die Kaffeetasse klirrend auf seinen Schreibtisch stellte.

„Das hat nichts mit dir zu tun.“ Kate blies sich den Pony aus der Stirn. Ihr grauste vor dieser Aussprache, aber das Gerücht musste bereits die Runde gemacht haben, und sie kam nicht darum herum. „Ich habe gerade mit Lavinia gesprochen.“

„Hoffentlich nicht lange“, erwiderte Aleksi. „Das wäre glatte Zeitverschwendung.“

„Ach, es ging da um Grundlegendes.“

Diesmal verzichtete Aleksi auf eine ironische Bemerkung. Die wenigen Schritte hatten ihn ermüdet. Sein Bein schmerzte, die Muskeln zuckten, doch er ließ sich nichts anmerken. Er trank einen Schluck Kaffee und endlich – nachdem er sich wochenlang mit fadem Gebräu hatte zufriedengeben müssen – war das wieder richtiger, aromatischer Kaffee! Er trank ihn stark und süß und war es leid, ständig erklären zu müssen, er wolle den Kaffee ohne einen „Schuss Sahne“.

Wenn schon, denn schon, war Aleksis Devise. Er gönnte sich einen weiteren Schluck, lehnte sich lächelnd zurück und wartete.

„Hier herrscht nackte Panik!“ Kate lachte leise. „Die Rezeption hat aufgeregt angerufen, um mich zu warnen, du seist auf dem Weg nach oben. Danach brach allgemeines Chaos aus. Sogar Nina habe ich zum ersten Mal rennen sehen.“

„Klar. Um alle Dateien zu löschen, die sie frisiert hat“, bemerkte Aleksi spöttisch.

„Sie muss das Haus Kolovsky gut dastehen lassen.“

„Ihr einziger Gott ist Geld.“ Aleksi zuckte die Schultern. „In drei Monaten hätte es vermutlich kein Haus Kolovsky mehr geben.“ Er gab einen Laut der Verachtung von sich. „Oder zumindest keins mehr, auf das man stolz sein könnte.“

„So schlimm stehen die Dinge nun auch wieder nicht.“ Kate fühlte sich verpflichtet, ihn zu beruhigen. Auf dem Papier sah alles fantastisch aus. Doch seit Levander nach London zurückgekehrt war und Nina im Chefsessel saß, ging es mit der Firma bergab. „Vielleicht hätte ich dich nicht anrufen sollen.“

„Ich bin froh, dass du es getan hast. Gerade habe ich mit der Marketingabteilung telefoniert. ‚Jede Frau verdient ein Teil von Kolovsky‘“, zitierte Aleksi abschätzig den neuesten Werbeslogan seiner Mutter. „Sie mischt sich nicht nur im Brautkleidersegment und bei Krasavitsa ein, jetzt will sie auch ein Bettwäschesortiment für eine Supermarktkette herausbringen.“

„Eine exklusive Kette“, gab Kate zu bedenken.

Aleksi stieß eine Verwünschung auf Russisch aus und deutete auf die Pillen, die Kate neben seiner Tasse aufreihte. „Die brauche ich nicht.“

„Ich habe die ärztlichen Anweisungen gesehen“, sagte sie. „Du musst sie alle vier Stunden nehmen.“

„Das galt für mein faules Stranddasein. Hier muss ich klar denken können.“

„Du darfst sie nicht einfach absetzen, Aleksi!“, beharrte Kate. Das hatte sie kommen sehen. Schon in der Klinik hatte er wegen der Pillen jedes Mal ein Theater gemacht, die Einnahmeabstände immer mehr hinausgezögert, sich abends geweigert, Schlaftabletten zu nehmen. Selbst im Schlaf war er angespannt, immer wachsam gewesen …

Während der Genesungsphase hatte Kate zahllose Stunden an seinem Bett verbracht, Diktate aufgenommen, Aleksi über alles auf dem Laufenden gehalten, versprochen, ihn über alles zu informieren, er könne beruhigt ausspannen. Dennoch hatte sie miterlebt, dass er nicht schlafen konnte. Irgendwann war er meist eingedämmert, um vom kleinsten Lichtschein oder einer fernen Sirene aufzuwachen.

Kate hatte gehofft, der Genesungsurlaub würde ihn beruhigen, ein wenig lockern. Stattdessen war er angespannt und eher noch aggressiver zurückgekommen, voller Ungeduld und Tatendrang, und – obwohl er es abstritt – schmerzgepeinigt.

„Ruf meine Mutter her!“

„Da bin ich, Aleksi.“ Nina betrat das Chefbüro. Sie war Mitte fünfzig, wirkte jedoch keinen Tag älter als vierzig. Seit Ivans Tod hatte sie abgenommen und wirkte sehr zierlich. Gleichzeitig hatte sie im Haus Kolovsky enorm an Gewicht und Stellung gewonnen. Sie trug ein blaues Seidenkostüm, dunkle Seidenstrümpfe und Pumps, an den Ohren und Fingern schwere Diamanten.

Die neu errungene Machtstellung passte zu Nina. Wie stets, rauschte sie stolz heran, ohne Notiz von Kate zu nehmen. Ihr folgte Lavinia.

„Schön, dass du wieder da bist, Aleksi“, erklärte Nina sachlich.

Typisch! dachte Kate. Monatelang war ihr Sohn todkrank gewesen, hatte sich nach dem schrecklichen Unfall nur langsam erholt – dennoch begrüßte sie ihn kalt, ohne jede Gefühlsregung.

„So?“ Zweifelnd zog Aleksi eine Braue hoch.

„Wie jede Mutter mache ich mir Sorgen“, erwiderte Nina. „Und ich finde, du bist viel zu früh zurückgekommen.“

„Eher fast zu spät“, hielt Aleksi ihr vor. „Ich habe gehört, was du vorhast.“

„Dabei hatte ich verboten, dich mit Einzelheiten zu belästigen!“ Sie warf Kate einen giftigen Blick zu. „Lassen Sie uns allein!“, forderte sie. „Wir sprechen uns später. Das dürfte ich Ihnen zu verdanken haben.“

„Du verdankst es dir selbst“, stellte Aleksi klar. „Deine Geldgier hat meine Genesung beschleunigt. Du kannst gehen“, sagte er zu Kate.

Erleichtert folgte Kate der Anweisung. Die ganze Situation war erniedrigend.

Ehe sie die Tür schloss, hörte sie Nina gehässig sagen: „Rate deiner Assistentin, den Bügel abzunehmen, ehe sie den Rock anzieht.“

Die gehässige Bemerkung entlockte Lavinia hämisches Gelächter.

Kate floh in den Waschraum.

Dort fand sie auch keinen Trost, als sie sich von allen Seiten in den verspiegelten Wänden sah.

Das gut geschnittene graue Kostüm konnte ihre Rundungen nicht überspielen. Woanders wäre ihre Figur nicht weiter aufgefallen, doch im Hause Kolovsky war sie unmöglich. Wo sie ging, drehten Angestellte sich nach ihr um – und keineswegs bewundernd. Was immer sie mit ihrem Haar machte, wie sie es auch zu bändigen versuchte, gegen Abend hatte es sich in eine Lockenmähne verwandelt. Wie viel Mühe sie sich auch mit dem Make-up gab, schon mittags war davon nichts mehr zu sehen. Und mit ihrer Figur passte sie einfach nicht in die Modebranche.

Kate gab vor, sich die Hände zu waschen, als eine superschlanke Schöne hereinstöckelte, ihr Make-up auffrischte, den nicht vorhandenen Busen im BH leicht anhob, kurz mit ihrem Haar spielte und wieder ging.

Von Kate nahm sie keine Notiz, blickte nicht einmal in ihre Richtung.

Kate war keine Herausforderung. Keine Konkurrenz. Ein Nichts.

Wenn sie wüsste, dachte Kate und beobachtete im Spiegel, wie das Mädchen hüftschwingend davontänzelte.

Auch die anderen kannten ihr Geheimnis nicht.

Kate blickte in den Spiegel und lächelte geheimnisvoll.

Wenn sie wüssten, was sie und Aleksi manchmal taten …

Während Georgie bei den Großeltern war, ließ er die Glamourwelt hinter sich zurück und kam spätabends zu ihr.

Sie sprachen nie darüber. Am Morgen war er stets fort. Natürlich schliefen sie nicht miteinander. Eigentlich hatte er sie nur zwei Mal geküsst: Einmal nach Georgies Geburt. Und dann am Abend vor dem Autounfall.

Und ja, der Kuss eines Kolovsky bedeutete nicht viel. Er war eine Währung, mit der die Herrschaften zahlten. Schnell verdient, schnell ausgegeben. Doch für Kate war es der kostbarste Schatz der Welt.

Wenn die anderen wüssten, dass Aleksi Kolovsky nachts manchmal zu ihr kam …

„Du sollst reinkommen.“ Schmollend saß Lavinia da, als Kate zurückkehrte. Es ärgerte sie sichtlich, von der Besprechung ausgeschlossen zu sein.

Kate betrat das Büro. Wenn sie es nicht gewusst hätte, wäre ihr nie der Gedanke gekommen, Mutter und Sohn vor sich zu haben.

Die Spannung im Raum war erdrückend, die Luft hasserfüllt. Aleksi telefonierte auf Arabisch. Nachdem er aufgelegt hatte, kam er ohne Umschweife zur Sache.

„Nina ist bereit, dem Vorstand die offizielle Erklärung erst in zwei Wochen vorzulegen. Darin wird sie vorschlagen, Kolovsky zu übernehmen. Innerhalb von zwei Monaten soll der Vorstand darüber abstimmen.“

Kate konnte ihn nicht ansehen. Forschend blickte sie zu Nina, in deren botoxgestrafftem Gesicht kein Muskel zuckte.

„Meine Mutter meint, der Vorstand sei beunruhigt über mein Verhalten. Sie selbst sorge sich um meine Gesundheit wegen des ständigen Drucks, dem ich hier ausgesetzt sei.“ Aleksi betonte jede Silbe, doch Nina saß nur steif da. „Ich will, dass Kolovsky und Krasavitsa in der Abstimmung als voneinander unabhängige Firmen behandelt werden. Nina fordert alle Übergangsberichte für Krasavitsa und die neuesten Schätzungszahlen …“

Krasavitsa war eine russische Bezeichnung für schöne Frauen . Auch dieses Kleider- und Schmucksortiment war teuer, ausgefallen und stark nachgefragt, doch nicht so exklusiv wie Kolovsky.

Das Geschäftsmodell und seine Umsetzung war Aleksis Baby. Mehr noch, Krasavitsa war sein erstes Großprojekt gewesen, als er die Firmenleitung übernommen hatte. Die Einführung war sehr erfolgreich gelaufen. In Paris galt Krasavitsa als der letzte Schrei. Laut Statistik hatte jede junge, reiche Schöne mindestens ein solches Teil im Schrank oder in der Unterwäscheschublade.

Und als Erwachsene, so hatte Aleksi in Vorstandsvorsitzungen wiederholt argumentiert, würden sie sich zu markentreuen Kolovsky-Fans gemausert haben.

Somit war Krasavitsa tatsächlich Aleksis Baby. Doch jetzt schien Nina sich mit Kolovsky nicht zufriedenzugeben, sie wollte auch Krasavitsa an sich reißen.

„Alle erforderlichen Vorausschätzungen hat Nina bereits“, warf Kate ein.

Aleksis Mutter lachte abfällig. „Nur die getürkte Version. Ich will die wirklichen Prognosezahlen.“

„Das wird eine Weile dauern“, erwiderte Aleksi schroff. „Im Moment habe ich anderes im Kopf, als mich mit den Prognosezahlen abzugeben. Der Anruf von Scheich Amallahs Privatsekretärin eben …“

Nina befeuchtete sich die Lippen, ein Zeichen, dass sie nervös wurde.

„Für den Preis des Kolovsky-Brautkleids seiner Tochter müsstest du Tausende deiner billigen Allerweltsmodelle an die Braut bringen.“ Aleksi sprach leise, doch es war nicht zu überhören, dass er wütend war. „Dennoch hast du es nicht einmal für nötig gehalten, die Tochter des Scheichs am Flughafen abzuholen.“

„Ich habe Lavinia geschickt“, verteidigte Nina sich.

„Lavinia!“ Aleksi lachte abschätzig. „Du verstehst gar nichts, hast wirklich keine Ahnung.“ Er blickte zu Kate. „Arrangiere für heute Abend ein Essen und sage ihnen, Nina freue sich schon darauf.“

„Ohne mich!“, wehrte Nina entsetzt ab. „Du gehst hin, Aleksi“, bestimmte sie. „Schließlich sprichst du ihre Sprache.“

„Ich kann mir kaum vorstellen, dass der Scheich seiner jungfräulichen Tochter ein Abendessen mit mir gestattet!“ Fast schrie er seine Mutter jetzt an. „Noch bin ich hier der Chef, vergiss das nicht. Und da wird getan, was ich sage.“

„Ich will die Zahlen am Montag haben.“ Herausfordernd sah Nina ihn an. „Erst dann treffe ich meine Entscheidung.“

„Du kannst mir Kolovsky streitig machen“, trumpfte Aleksi auf, „aber bei Krasavitsa beißt du auf Granit!“

„Ohne den Namen meines Mannes wäre Krasavitsa nichts.“

Damit schien sie einen Nerv getroffen zu haben. Kate entging nicht, dass Aleksi die Lippen zusammenpresste. Ein offener Streit mit seiner Mutter berührte ihn wenig, aber die Anspielung, ohne Kolovsky ein Nichts zu sein, machte ihm zu schaffen.

„Du hast ja keine Ahnung, auf was du dich da einlässt.“ Drohend sah Aleksi seine Mutter an. „Wenn du deine Pläne umsetzt, ist der Name Kolovsky in wenigen Jahren bedeutungslos.“

„Die Zeiten sind rau, Aleksi.“ Steif stand Nina auf und wandte sich zum Gehen. „Um zu überleben, müssen wir das Erforderliche tun.“

Aleksi blieb reglos sitzen, bis sie das Büro verlassen hatte.

„Hat Kolovsky wirklich Probleme?“, fragte Kate vorsichtig.

„Vermutlich schon bald.“ Aleksi wurde ruhiger. „Wir stehen gut da, aber Nina versucht, Angst zu schüren.“ Er stützte die Ellenbogen auf den Schreibtisch und rieb sich die Schläfen. „Es war Belenki, der ihr die Prêt-à-porter-Brautkleider und das Bettwäschesortiment eingeredet hat. Als Einmalaktion für ein Jahr. Zehn Prozent der Gewinne sollen an beide Wohltätigkeitsorganisationen gehen: sein Kinderhilfswerk in Russland und die Waisenhäuser, für die meine Mutter als Schirmherrin zeichnet.“ Erwartungsvoll sah er Kate an. „Wie siehst du das?“

In Geschäftsdingen hatte Aleksi sie noch nie nach ihrer Meinung gefragt. Doch ehe sie etwas sagen konnte, nahm er ihr die Antwort ab.

„Die Idee mag gut klingen“, gab er zu. „Aber ich weiß, dass es für Kolovsky der Anfang vom Ende wäre. Und Belenki weiß es auch. Nur durch seine Exklusivität konnte Kolovsky sich so lange halten. Ich mag den Mann nicht …“ Er verstummte, als Kate nickte.

„Du hast damals schon gesagt, dass du ihm nicht traust.“

Nun wurde Aleksi hellhörig. „Wann?“

„Am Abend vor deinem Unfall.“ Kate errötete. „Als du zu mir gekommen warst.“

Erstaunlich schnell schaltete er wieder auf geschäftlich. „Stell mir die Zahlen zusammen“, sagte er. „Die echten Zahlen. Aber ich möchte sie vorher sehen, ehe du sie an Nina weiterreichst.“

„Sie wird merken, wenn du sie änderst.“

„Nina könnte DUMM nicht mal buchstabieren, wenn man es ihr meterhoch an die Wand schreiben würde“, winkte Aleksi ab. „Also stell mir die Zahlen zusammen.“ Als Kate sich zum Gehen wandte, sagte er. „Entweder du bist drinnen oder draußen.“

Verständnislos drehte sie sich um. „Wie bitte?“

„Du bist auf meiner Seite, oder du packst und gehst.“

Irritiert sah sie ihn an. „Aber du weißt doch, dass ich auf deiner Seite bin.“

„Gut.“ Aleksi beließ es nicht dabei. „Wenn du dich zum Bleiben entscheidest und ich auch nur gerüchteweise erfahre, dass du dich anderweitig umsiehst, feuere ich dich auf der Stelle.“

„Drohe mir nicht, Aleksi. Auch ich habe Rechte!“ Kate wurde verlegen, weil sie tatsächlich vorgehabt hatte, sich nach einem Job umzusehen. Aleksi hatte keine Ahnung, wie beängstigend es im Moment um ihre finanzielle Lage stand.

„Nimm deine Rechte wahr.“ Aleksi zuckte die Schultern. „Du sollst nur wissen, dass ich keine Skrupel kenne.“

„Deiner verdrehten Logik kann ich nicht folgen, Aleksi.“ Kate war wütend. „Du hättest mich einfach bitten können zu bleiben. Stattdessen kommst du mir mit Drohungen.“

„Das ist wirksamer.“ Er blickte zu ihr hinüber. „Du willst also nicht gehen?“

„Nein.“ Kate zögerte. „Aber falls Nina gewinnt …“ Sie schloss die Augen. „Ich glaube es zwar nicht, aber wenn …“ Meine Güte, sie würde keinen Treuepreis gewinnen, aber für sie lief es auf eine schlichte Wahrheit hinaus: „Schließlich muss ich meine Tochter durchbringen.“

„Dann rate ich dir, auf einen Gewinner zu setzen“, erklärte Aleksi ihr schonungslos. „Also? Bist du drinnen oder draußen?“

„Drinnen.“

„Gut“, sagte er nur. „Aber falls ich herausfinde …“

„Aleksi“, unterbrach Kate ihn gefasst, „ich bin drinnen und denke nicht daran, mich anderweitig umzusehen. Du musst mir vertrauen.“

Er lächelte grimmig. „Warum sollte ich?“

Manchmal hasste sie ihn fast.

Doch als Kate an ihrem Schreibtisch saß, war sie fast versucht, ein bisschen im Internet zu surfen. Um dem misstrauischen Kerl zu beweisen, dass ihr tatsächlich nicht zu trauen war.

Dann ging Aleksi an ihr vorbei, und sie sah, dass er das Bein leicht nachzog.