Zur Beteiligung Deutschlands an den ersten Olympischen Spielen der Neuzeit - Christian Werth - E-Book

Zur Beteiligung Deutschlands an den ersten Olympischen Spielen der Neuzeit E-Book

Christian Werth

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Beschreibung

Masterarbeit aus dem Jahr 2010 im Fachbereich Sport - Sportgeschichte, Note: 2,3, Bergische Universität Wuppertal, Sprache: Deutsch, Abstract: „Citius, altius, fortius“ oder im Deutschen „schneller, höher, stärker“ – dieser Leitspruch des französischen Barons Pierre de Coubertin aus dem Jahr 1891 drückt den Grundgedanken der modernen Olympischen Spiele aus und ist auch noch heute nach wie vor Leitbegriff für die Olympische Bewegung. Diese Komparative standen zum Ende des 19. Jahrhunderts in engem Zusammenhang mit dem allgemeinen sozialen, wirtschaftlichen und kolonialistischen Rekord- und Expansionsstreben der führenden Industriestaaten und sollten in der Folgezeit eben auch für die Sport- und Olympia-Bewegung des 20. und 21. Jahrhunderts zum Grundsatz werden. Die modernen Olympischen Spiele sind in den vergangenen 114 Jahren zu einem fest etablierten Bestandteil des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens geworden. Für die Völkerverständigung und Annäherung der unterschiedlichsten Kulturen haben die Olympischen Spiele eine große Bedeutung erlangt. Die Olympische Bewegung expandierte vor allem seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in rasantem Ausmaß, was sich auf Teilnehmer, Zuschauer, Wettbewerbe, Medieninteresse sowie auch die sportliche Leistung bezieht. Die Olympischen Spiele erlebten vor allem durch die Medialisierung der Gesellschaft einen erheblichen Aufstieg und haben inzwischen eine enorme kulturelle, soziale sowie wirtschaftliche Bedeutung erlangt. Bei den insgesamt 46. Olympischen Spielen und 29. Sommer-Spielen im Jahr 2008 in Peking nahmen 11.126 Sportler aus 204 Nationen an insgesamt 302 Wettbewerben in 28 Sportarten teil. Weltweit verfolgten das Ereignis etwa 4,7 Milliarden Zuschauer im Fernsehen, was rund 70 Prozent der Weltbevölkerung entspricht. Die Einnahmen des Internationalen Olympischen Komitees aus Fernsehrechten und Sponsorengeldern betrugen für die Spiele im Jahr 2008 rund drei Milliarden Euro . Die Olympischen Spiele hatten zudem einen entscheidenden Einfluss auf die „Versportlichung“ der Gesellschaft im 20. Jahrhundert. Die Expansion der Olympischen Spiele bewirkte einen weltweiten „Sport-Boom“, der vor allem seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in den Industriestaaten zu verzeichnen ist. Dies bezieht sich sowohl auf den Aktivensport, als auch auf den Zuschauersport. Hierbei hat die Entwicklung der Olympischen Spiele einen entscheidenden Anteil. Darüber hinaus hatten die Olympischen Spiele seit jeher große politische Bedeutung. Bereits die Entstehungsgeschichte der ersten Olympischen Spiele war von erheblichen politischen Widerständen geprägt. [...]

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Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Themeneinführung
1.2 Inhalt und Untersuchungsziele
2. Pierre de Coubertins Olympische Idee
2.1 Bedeutung der ersten Olympischen Spiele
2.2 Ziele der Olympischen Idee
2.3 Deutschlands Bedeutung in der Entstehungsgeschichte der Olympischen Idee
3. Willibald Gebhardt und seine Bedeutung für die deutsche Olympia-Beteiligung
3.1 Biographie Gebhardts
3.2 Gebhardts Engagement für eine Olympia-Beteiligung Deutschlands
3.3 Gründung des deutschen Olympia-Komitees
4. Einladung Deutschlands zu den Olympischen Spielen
4.1 Der olympische Kongress in der Sorbonne
4.2 Sport-politische Differenzen als Folge des Deutsch-Französischen Krieges
4.3 Coubertins Zwiespalt zwischen nationalen Interessen und Olympischer Idee
4.4 Die „Gil-Blas-Affäre“
5. Innerdeutscher Konflikt um die Beteiligung Deutschlands
5.1 Reaktion der Deutschen Turnerschaft
5.2 Reaktion von Zentralausschuss und Sportbund
5.3 Konflikt zwischen Turnen und Sport
5.4 Reaktion der deutschen Politik
5.5 Reaktion der deutschen Bevölkerung
5.6 Absage der oppositionellen Sportverbände
6. Maßnahmen des deutschen Komitees zugunsten einer Olympia-Beteiligung
6.1 Innerdeutsche Diplomatiebestrebungen des deutschen Komitees
6.2 Kontakte zu Coubertin
6.3 Diplomatische Beziehungen zum griechischen Organisationskomitee
6.4 Vermittlungsbestrebungen mit Frankreich
7. Die Aufstellung einer deutschen „Achtungsvertretung“
7.1 Gewinnung einer Turnmannschaft
7.2 Protest der Deutschen Turnerschaft und Gegenströmungen
7.3 Vorbereitungen der deutschen Olympia-Mannschaft
7.4 Das Abschneiden Deutschlands
8. Fazit

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1. Einleitung

1.1 Themeneinführung

„Citius, altius, fortius“ oder im Deutschen „schneller, höher, stärker“ - dieser Leitspruch des französischen Barons Pierre de Coubertin aus dem Jahr 1891 drückt den Grundgedanken der modernen Olympischen Spiele aus und ist auch noch heute nach wie vor Leitbegriff für die Olympische Bewegung. Diese Komparative standen zum Ende des 19. Jahrhunderts in engem Zusammenhang mit dem allgemeinen sozialen, wirtschaftlichen und kolonialistischen Rekord- und Expansionsstreben der führenden Industriestaaten und sollten in der Folgezeit eben auch für die Sport-und Olympia-Bewegung des 20. und 21. Jahrhunderts zum Grundsatz werden. Die modernen Olympischen Spiele sind in den vergangenen 114 Jahren zu einem fest etablierten Bestandteil des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens geworden. Für die Völkerverständigung und Annäherung der unterschiedlichsten Kulturen haben die Olympischen Spiele eine große Bedeutung erlangt. Die Olympische Bewegung expandierte vor allem seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in rasantem Ausmaß, was sich auf Teilnehmer, Zuschauer, Wettbewerbe, Medieninteresse sowie auch die sportliche Leistung bezieht. Die Olympischen Spiele erlebten vor allem durch die Medialisierung der Gesellschaft einen erheblichen Aufstieg und haben inzwischen eine enorme kulturelle, soziale sowie wirtschaftliche Bedeutung erlangt. Bei den insgesamt 46. Olympischen Spielen und 29. Sommer-Spielen im Jahr 2008 in Peking nahmen 11.126 Sportler aus 204 Nationen an insgesamt 302 Wettbewerben in 28 Sportarten teil. Weltweit verfolgten das Ereignis etwa 4,7 Milliarden Zuschauer im Fernsehen, was rund 70 Prozent der Weltbevölkerung entspricht. Die Einnahmen des Internationalen Olympischen Komitees aus Fernsehrechten und Sponsorengeldern betrugen für die Spiele im Jahr 2008 rund drei Milliarden Euro1.

Die Olympischen Spiele hatten zudem einen entscheidenden Einfluss auf die „Versportlichung“ der Gesellschaft im 20. Jahrhundert. Die Expansion der Olympischen Spiele bewirkte einen weltweiten „Sport-Boom“, der vor allem seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in den Industriestaaten zu verzeichnen ist. Dies bezieht sich sowohl auf den Aktivensport, als auch auf den Zuschauersport. Hierbei hat die Entwicklung der Olympischen Spiele einen entscheidenden Anteil. Darüber hinaus hatten die Olympischen Spiele seit jeher große politische Bedeutung. Bereits die Entstehungsgeschichte der ersten Olympischen Spiele war von erheblichen politischen Widerständen geprägt. Im deutschen Nationalsozialismus wurden die Olympischen Spiele im Jahr 1936 in Berlin zum Instrument der „Nazi-Propaganda“. Auch in den 80er Jahren, bei den Spielen 1980 in Moskau und 1984 in Los Angeles, wurden sie zu einem Politikum, das aufgrund des „Kalten Krieges“ in Boykottierungen mündete. Nicht nur die Olympischen Spiele, sondern überhaupt ist Sport im Laufe der Jahrhunderte immer wieder instrumentalisiert worden. Hier sind die römischen Gladiatorenkämpfe als Kaiserpropaganda, der italienische „Calcio“ als Popularitätssteigerung der „Medici“, die

1Zahlen bei http://www.olympic.org, 04.08.2010

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mittelalterlichen Ritterturniere als Stärkung der Ritter-Position oder die deutsche Turnbewegung als Verbesserung der Militärtüchtigkeit zu nennen.

Die rasante Entwicklung der Olympischen Spiele hätte wohl auch ihr Initiator, der französische Baron Pierre de Coubertin, nicht für möglich gehalten, als er im Jahr 1880 die Idee zur Wiederbelebung der antiken Olympischen Spiele hatte. Diese Idee des Pariser Pädagogen und Historikers, der von 1863 bis 1937 gelebt hat, stand im engen Zusammenhang mit den archäologischen Ausgrabungen der antiken olympischen Sportstätten der Jahre 1875 bis 1881, einer steigenden Mobilität sowie einer weltweit aufstrebenden Sportbewegung gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Die antiken Olympischen Spiele, die sich über eine Zeitspanne von knapp 1.200 Jahre erstreckten und im griechischen Olympia zwischen 776 vor Christus und 393 nach Christus stattfanden, sollten wiederbelebt werden, sodass Coubertin daher auch Athen als Austragungsstätte für die ersten neuzeitlichen Olympischen Spiele auserkoren hatte. Die Renaissance der Olympischen Idee erfuhr in den Folgejahren jedoch große Widerstände, die in großem Maße auch die Frage nach einer Beteiligung Deutschlands mit sich brachte. Protektionistische, nationalistische und chauvinistische Gründe spielten dabei eine wesentliche Rolle. Hinzu kamen finanzielle, strukturelle und inhaltliche Bedenken der Olympia-Gegner.

1.2 Inhalt und Untersuchungsziele

Diese Master-Thesis mit dem Thema „Zur Beteiligung Deutschlands an den ersten Olympischen Spiele der Neuzeit“ bezieht sich auf die Vorgeschichte der ersten Olympischen Spiele der Neuzeit im Jahr 1896 in Athen. Dabei wird hauptsächlich der Zeitraum zwischen den Jahren 1894 und 1896 berücksichtigt. Im Fokus der Arbeit steht die Situation in Deutschland im Hinblick auf eine Teilnahme an den ersten Olympischen Spielen. Deutschland beteiligte sich letztlich an den Spielen, doch war das deutsche Mitwirken bis kurz vor Beginn der Olympischen Spiele ungewiss und das Ergebnis eines langwierigen, äußerst problematischen Prozesses. Diese Arbeit untersucht die politischen Hintergründe des deutschen Olympia-Konflikts. Sie zeigt die Positionen Deutschlands und Frankreichs auf und erklärt, warum der deutsch-französische Konflikt zur vorläufigen Absage Deutschlands geführt hat. Die Arbeit untersucht, was die Reaktionen Deutschlands auf Coubertins Olympische Idee waren und warum die Teilnahme Deutschlands zu scheitern drohte. Im Anschluss daran wird untersucht, wie es schließlich doch gelingen konnte, die Teilnahme Deutschlands durchzusetzen.

Zu Beginn der Arbeit werden die Inhalte Coubertins Olympischer Idee skizziert. Die Bedeutung Deutschlands für die Vorgeschichte der Olympischen Spiele im Hinblick auf die deutschen Olympia-Ausgrabungen, der Sportbewegung in Deutschland sowie dem Bedeutungszuwachs für die Olympischen Spiele durch eine deutsche Teilnahme werden anschließend thematisiert. Im darauf folgenden Kapitel beschäftigt sich die Arbeit mit Willibald Gebhardt und skizziert dessen Lebensweg

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sowie seine Bedeutung für die deutsche Olympia-Beteiligung und die Gründung des deutschen Olympia-Komitees. Daraufhin werden die Olympia-Einladung Coubertins an Deutschland und deren Hintergründe analysiert. Hierbei werden die Kontaktaufnahme zu Deutschland, die sogenannte „Gil-Blas-Affäre“ sowie Coubertins Zwiespalt zwischen nationalen und internationalen Interessen beleuchtet. Im Anschluss an die Darstellung der außenpolitischen Kontroversen wird der innerdeutsche Olympia-Konflikt thematisiert. Dazu beleuchtet die Arbeit die Gründe für die vorläufige Absage Deutschlands, wobei die anti-olympische Grundeinstellung und der deutsch-französische Konflikt analysiert werden. Anschließend beschreibt die Arbeit die Reaktionen auf die Olympia-Einladung Deutschlands, wobei hier die Argumente der Deutschen Turnerschaft, des Zentralausschusses und des Sportbundes für eine Boykottierung der Spiele sowie die Reaktionen von Politik und der Bevölkerung in Deutschland erläutert werden. Darüber hinaus wird der Konflikt zwischen Turnen und Sport analysiert. Im nachfolgenden Kapitel werden die Aktivitäten des deutschen Olympia-Komitees zugunsten einer Abwendung des Olympia-Boykotts dargestellt, indem sowohl die innen-, als auch die außenpolitischen Vermittlungsversuche und diplomatischen Bestrebungen Willibalds Gebhardts skizziert und bewertet werden. Im Anschluss daran werden die unmittelbaren Vorbereitungen auf die Olympia-Teilnahme einer deutschen „Achtungsvertretung“, die kurzfristige Gewinnung einer deutschen Turnmannschaft und der daraus resultierende Protest durch die Deutsche Turnerschaft thematisiert. Hierbei wird analysiert, wie das deutsche Komitee sein Vorhaben trotz der Widerstände durchsetzen konnte und woraus die letztliche Schwächung der Turnerschaft resultierte. Anschließend wird das Abschneiden der deutschen Mannschaft bei der Olympia-Premiere beschrieben. Die Arbeit endet mit einem abschließenden Fazit, das Untersuchungen und Erkenntnisse zusammenfasst und in ein Gesamtresümee münden lässt.

Die Untersuchungen dieser Arbeit bedienen sich zahlreicher Quellen sowie Literatur, die aufgeführt und miteinander verglichen wurden. Sämtliche Zitate und Verwendungen von Quellen und Literatur wurden gekennzeichnet und in Fußnoten angeführt. Bei den Quellen handelt es sich zum einen um Autobiographien von Pierre de Coubertin, in denen er zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Geschehnisse im Vorfeld der ersten Olympischen Spiele aufgearbeitet hat. Darüber hinaus dienten diverse Briefwechsel Pierre de Coubertins als Quellen, die vor allem den von Coubertin herausgegebenen Werken „Olympische Erinnerungen“, „Der Olympische Gedanke“ und „21 Jahre Sportkampagne“ entstammen. Zudem lagen zahlreiche Briefe und Stellungsnahmen von deutschen Presseinstitutionen, Sportvereinen, Sportverbänden, vor allem der Deutschen Turnerschaft sowie von Willibald Gebhardt und dem deutschen Olympia-Komitee zugrunde, die insbesondere in Willibald Gebhardts Werk „Soll Deutschland sich an den Olympischen Spielen beteiligen?“, Ferdinand August Schmidts Publikation „Die Wiederbelebung der Olympischen Spiele“ sowie in den Quelleneditionen des Carl-Diem-Instituts „Dokumente zur Frühgeschichte der Olympischen Spiele“, „Ewiges Olympia“ und „Der Olympische Gedanke“, zu finden sind. Nicht nur die Quellenlage, sondern auch sekundärliterarische Veröffentlichungen zu diesem Thema sind recht ergiebig. Hier sind vor allem

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Karl Lennartz Werke „Die Beteiligung Deutschlands an den Olympischen Spielen 1896 in Athen“ sowie „Langlauf durch die olympische Geschichte“, Andreas Höfers Publikation „Der olympische Friede“ und „Olympia - Geliebt und Gehasst“ von Klaus Ulrich zu nennen, die ebenfalls in die Untersuchungen dieser Arbeit eingeflossen sind.

2. Pierre de Coubertins Olympische Idee

2.1 Bedeutung der ersten Olympischen Spiele

Der französische Baron Pierre de Coubertin, ein adeliger Historiker und Pädagoge, hatte Ende der 70er Jahre des 19. Jahrhunderts erstmals die Idee von der Wiederbelebung der Olympischen Spiele, nachdem er die antike Olympia-Kultur der Hellenen mit großer Akribie und voller Faszination studiert hatte und sich davon begeistern ließ.2Mit dem Hintergrund von pädagogischen sowie sportpolitischen Zielen entwickelte Pierre de Coubertin seine Olympische Idee, die im Gegensatz zu den antiken Olympischen Spielen eine internationale Wettkampfform mit Teilnehmern aus den unterschiedlichsten Ländern vorsah. Gemeinsam mit dem französischen Dominikanerpater Henri Didon, der ihn in seinen Planungen unterstütze, schuf der Baron das olympische Motto „Citius, altius, fortius“ oder im Deutschen „höher, schneller, stärker“.3Durch den aufkommenden Sportgedanken und der zunehmenden Bedeutung von immer mehr Sportarten sah Coubertin die Zeit als geeignet für eine Renaissance der Olympischen Spiele. Auch die Ausgrabungen der olympischen Wettkampfstätten Ende der 70er Jahre des 19. Jahrhunderts und die damit verbundene Renaissance der hellenischen Kultur bestätigten Coubertins Vorhaben und verstärkten seine Hoffnung auf die Erfolgsaussichten seiner Idee. Zu dieser Zeit war die Neuentdeckung Olympias durch den weit verbreitetenPhilhellenismus des 19. Jahrhunderts befruchtet worden.4Daher trat er im Jahr 1880 erstmals an die Öffentlichkeit heran und propagierte fortan in Frankreich die Olympische Bewegung. Im Jahr 1892 hielt Coubertin in der Pariser Sorbonne vor großem französischem Publikum einen Vortrag zu seinem Vorhaben und bezeichnete sein „Olympisches Manifest“ dabei selbst als „großartiges und heilsames Werk“5, nachdem er die nationalen sowie internationalen Vorteile und positiven Wirkungen herausgestellt hatte. Zur Verbreitung seiner Idee machte es sich Coubertin zu Nutze, dass er zu vielen Vertretern von Sportverbänden aus zahlreichen Ländern gute Kontakte hatte und über ausgezeichnete diplomatische Beziehungen verfügte. Im Jahr 1894 rief Pierre de Coubertin erstmals zu einem internationalen Sportkongress in der Pariser Sorbonne auf, zu der er Teilnehmer aus vielen verschiedenen Ländern einlud und in der er seine Olympische Idee erstmals einem internationalen

2Vgl. Frenzen: Olympische Spiele, S. 9 f.

3Vgl. Malter: Olympismus, S. 4 f.

4Vgl. Müller: Internationale Olympische Akademie, S. 5

5Coubertin: Der Olympische Gedanke, S. 1

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Publikum vorstellte. Im Rahmen dieses Kongresses am 23. Juni 1894, der Geburtsstunde der modernen Olympischen Spiele, gründete man das Internationale Olympische Komitee und beschloss die Durchführung der ersten Olympischen Spiele der Neuzeit.6Pierre de Coubertin war ein Anhänger des modernen Humanismus, dessen Lebenswerk die Olympischen Spiele darstellten und der für die Durchsetzung seiner Idee eine unermüdliche Schaffenskraft entwickelte.7Pierre de Coubertin wollte durch die Olympische Bewegung sämtliche Menschen an seiner Idee beteiligen und sie dafür begeistern. So sollten die Spiele nicht nur eine Angelegenheit für Hochleistungssportler und die Olympia-Teilnehmer sein, sondern darüber hinaus für überhaupt alle sporttreibenden Menschen existent sein und die Leute dazu animieren, Sport zu treiben.8Die Bedeutung der ersten Austragungen der Olympischen Spiele war im Verhältnis heutiger Maßstäbe jedoch sehr klein. Die Spiele waren nicht mehr als gesellschaftliche Ereignisse mit lokalem Volksfestcharakter. Die zweiten und dritten Spiele in Paris 1900 und St. Louis 1904 fanden im Rahmen von Weltausstellungen statt und bildeten daher nur das Rahmenprogramm. Die Messebesucher begutachteten lieber das Messegelände, als dass sie die olympischen Wettkämpfe besuchten. In der Bevölkerung maß man den Spielen keine allzu große Bedeutung zu. Sie waren eine Nischenattraktion, was letztlich auch bei der olympischen Premiere 1896 nicht anders war. Die Spiele waren „sehr zum Unmut Pierre de Coubertins unzeremonielle Attraktionsveranstaltungen“9. Es war keine Massenattraktion, sondern vielmehr ein Randprogramm, zu dem die Griechen keinen allzu großen Bezug hatten. Was für uns heute völlig normal und anerkannt ist, war damals vielfach als eine Angelegenheit für Exoten verpönt. Während wir heutzutage den Sinn von sportlichen Höchstleistungen und Rekord- und Wettkampfbestrebungen als gegeben ansehen, erkannten die Menschen diesen Sinn damals noch nicht. Das Streben, in einer Sportart besser zu sein als Andere, ohne dabei einen finanziellen, wirtschaftlichen oder politischen Nutzen zu verfolgen, war damals eine unbekannte Größe, die man nicht nachvollziehen konnte. Sport war nicht Teil der Gesellschaft, wie es heute der Fall ist. Hinzu kam, dass die Berichterstattung der ersten Spiele mangelhaft war. Es gab nur wenige Sportberichterstatter, die die Ergebnisse häufig verspätet, fehlerhaft oder auch gar nicht in der Presse veröffentlichten. Auch die Chancengleichheit, die Coubertin ursprünglich als eines der wichtigsten Ziele der Spiele angesehen hatte, war in der Praxis der ersten Olympischen Spiele nicht gegeben. Offiziell durften zwar nur Amateure an den Start gehen, wie es Coubertin auf Druck der Öffentlichkeit beschlossen hatte, doch war der Grad eines Amateurstatus in der Praxis oftmals nur schwer abzugrenzen und zudem häufig nicht zweifelsfrei nachprüfbar. Das führte dazu, dass auch mehr oder minder professionelle Athleten starteten und anderen Sportlern keinerlei Chance ließen. Damit waren riesige Leistungsunterschiede und oftmals eindeutige, spannungslose Wettkampfverläufe verbunden. Genau wie es der Charakter der Industrialisierung sowie des aufstrebenden Imperialismus suggerierte, galten auch die ersten Olympischen Spiele als „Symbol der Erfolgsgesellschaft und ihrer

6Vgl. Schöbel: Olympia und seine Spiele, S. 134 f.

7Vgl. Müller: Olympische Studien, S. 26

8Vgl. Frenzen: Olympische Spiele, S. 11

9Soziologie der Olympischen Spiele, S. 100

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Leistungshierarchie“10, was in Bezug auf Sport zu diesem Zeitpunkt eine Neuerscheinung darstellte, für die die überwiegende Bevölkerung noch keinerlei Verständnis hatte. Das IOC um Pierre de Coubertin hatte sich im Vorfeld der Spiele bewusst dazu entschieden, die Sportler unter der Flagge ihres jeweiligen Landes und nicht nationenunabhängig starten zu lassen, auch wenn die politische Brisanz dadurch erst ihren Nährboden erhalten hatte. Trotz der daraus resultierenden Probleme, vor allem im Hinblick auf den deutsch-französischen Konflikt, hielt Coubertin diese Entscheidung für den Fortbestand der Olympischen Spiele für unerlässlich, da durch die Nationenzugehörigkeit verstärkte Motivation und ein zusätzlicher Anreiz sowohl für die Sportler, als auch für die Zuschauer geschaffen werden konnten, was für Bedeutung und Begeisterungsfähigkeit der Olympischen Idee essentiell waren. Diesen Zwiespalt sah auch der Historiker Helmut Schelsky, indem er in seinem Werk „Friede auf Zeit“ einen nationenunabhängigen Wettbewerb zwar mit einer unproblematischeren Entpolitisierung verband, darin jedoch den Nachteil eines geringeren Identifizierungsgrades und schlechterer Möglichkeiten für Völkerverständigung und

Friedensbestrebungen erkannte.11Trotz der politischen Probleme und der relativ geringen Bedeutung war die Olympia-Premiere ein wichtiger Grundstein und für den späteren Erfolg der Olympischen Spiele eine wichtige Voraussetzung. Auch wenn Coubertin im Vorfeld der Spiele mit wesentlich mehr Teilnehmernationen, Sportlern und öffentlichem Interesse gerechnet hatte, so ist die erste Austragung der Olympischen Spiele angesichts der großen politischen Widerstände letztlich als Erfolg zu werten, zumal es gelang, immerhin Athleten aus 13 verschiedenen Nationen zu einer gemeinsamen Sportveranstaltung und einem friedlichen Wettstreit zusammenzuführen.

2.2 Ziele der Olympischen Idee

Pierre de Coubertins Olympische Idee unterstand zwei Zielrichtungen. Zum einen verfolgte er damit soziale Ziele und zum anderen politische Intentionen. Coubertin erhoffte sich von der Olympischen Bewegung erzieherische Einflüsse. Durch eine Sporterziehung wollte er die sportliche Betätigung bei der Bevölkerung vorantreiben, was sich auch auf den Schulsport mit Sport als erzieherischem Gut beziehen sollte. Sport sollte nach der Ansicht Coubertins den Charakter sowie die Persönlichkeit stärken und auch die Sittlichkeit und Tugenden der Menschen wie Fleiß, Ordnung und Disziplin fördern, was durch regelmäßiges Training gefördert würde. Außerdem sollte der Sport laut Coubertin eine Stärkung des Körpers und Gesunderhaltung bewirken. Durch die Olympischen Spiele sollte der Sport in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt werden. Menschen sollten sich dadurch für sportliche Betätigung sensibilisieren und begeistern lassen. Sie sollten sich durch die Olympische Idee faszinieren lassen und trainieren, um ähnliche Leistungen vollbringen zu können. Coubertin war ein Anhänger des Strebens nach sportlichen Höchstleistungen, was er jedoch auf Druck der

10Winkler: Sport und politische Bildung, S. 24

11Vgl. Schelsky: Friede auf Zeit, S. 24

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protestierenden, den professionellen Sport ablehnenden Öffentlichkeit relativieren musste, indem er die Teilnahme an den Spielen für professionelle Sportler verbieten musste, sodass nur Amateursportler daran teilnehmen durften.

Außerdem sah Pierre de Coubertin in der Olympischen Idee auch einen politischen Nutzen, was er in seiner ersten großen Rede, dem „Olympischen Manifest“12, im Jahr 1892 in der Pariser Sorbonne erstmals der Öffentlichkeit erläuterte. Coubertin war Pazifist und beabsichtigte, durch die Olympischen Spiele das Zusammenwachsen der Welt zu beschleunigen. Er beabsichtigte mit diesem Internationalisierungsprozess eine verbesserte Völkerverständigung und eine Entwicklung hin zu einer friedlicheren Welt, was durch ein friedliches und harmonisches Wettkämpfen erreicht werden sollte.13Coubertin beschrieb den Friedensgedanken seiner Olympischen Idee in seinem „Olympischen Manifest“ in der Pariser Sorbonne am 25. November 1892 folgendermaßen: „An dem Tag, an dem es in die Sitten des alten Europa eingedrungen sein wird, wird der Sache des Friedens eine neue und mächtige Stütze erwachsen sein.“14Durch diesen Begegnungsprozess sollten den Menschen laut Coubertin fremde Völker und Kulturen näher gebracht und Vorurteile abgebaut werden. Coubertin war der Meinung, dass der Zeitpunkt einer Wiederbelebung der Olympischen Spiele gekommen sei, da die steigende Mobilität durch die Erfindungen der Eisenbahn und des Telegraphs bereits zu einem erheblichen Zusammenwachsen der Welt geführt habe und dass sich die Sportbeziehungen zwischen den Ländern in Form von internationalen Wettkämpfen durch bessere Kommunikation und schnelleres Reisen enorm vereinfacht hätten. Der französische Baron formulierte diesen Gedanken im Vorfeld der Spiele folgendermaßen: „Die Idee der Wiederbelebung […]war das vernünftige Ergebnis einer großen Bewegung. Das 19. Jahrhundert hat überall die Neigung zu den Leibesübungen wiedererstehen sehen. […] Zu gleicher Zeit haben die großen Erfindungen […] die Entfernungen aufgehoben und die Menschheit hat ein neues Leben zu führen begonnen.“15Coubertin bezeichnete die Olympische Idee im Jahr 1892 in seiner Rede über das „Olympische Manifest“ als „Freihandelssystem der Zukunft“16und hegte die Hoffnung, dass die Olympische Bewegung die Welt im Sinne der Völkerverständigung zusammenwachsen lassen und Frieden schaffen könne. Die Beziehungen zwischen verschiedenen Ländern verbessert werden, womit Coubertin vor allem das verfeindete Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich meinte.

Eine weitere Absicht Coubertins war die Gleichheitsidee des Sports. Er sah den Sport als einzige neutrale und objektive Institution an, die sich durch Chancengleichheit für jeden Sportler sowie durch eine konforme Bewertung auszeichnet. Der Sport implizierte einen Gleichheitszustand. Während die Schere zwischen Armen und Vermögenden sowie Unterprivilegierten und Mächtigen außerhalb des Sportwesens im Zuge der Industrialisierung immer größer wurde, sorgte der Sport immerhin für einen vorübergehenden Abbau sozialer Hierarchien. Zwar zielten die zahlreichen, neu gegründeten

12Vgl. Coubertin: Le Manifeste Olympique, S. 66 f.

13Vgl. Lenk: Wirklichkeit der Olympischen Spiele, S. 11 f.