Zur Geschichte der psychoanalytischen Bewegung - Sigmund Freud - E-Book

Zur Geschichte der psychoanalytischen Bewegung E-Book

Sigmund Freud

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Beschreibung

Sigmund Freuds Buch 'Zur Geschichte der psychoanalytischen Bewegung' taucht tief in die Ursprünge und Entwicklung der Psychoanalyse ein. Freud präsentiert eine detaillierte Analyse der Entstehung und Verbreitung seiner bahnbrechenden Theorien, die die Grundlagen für die moderne Psychologie legten. Mit einem klaren und prägnanten Schreibstil erzählt er von den Herausforderungen und Kontroversen, denen er auf seinem Weg begegnete, und reflektiert über die vielfältigen Auswirkungen der Psychoanalyse auf die Gesellschaft seiner Zeit. Durch Freuds persönliche Einsichten und historischen Einblicke bietet das Buch einen faszinierenden Einblick in die Anfänge der modernen Psychologie. Sigmund Freud, als Begründer der Psychoanalyse, bringt seine reiche Erfahrung und profunde Kenntnis des menschlichen Geistes in dieses Werk ein. Als einer der einflussreichsten Denker des 20. Jahrhunderts hat er mit diesem Buch einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der Psychoanalyse geleistet. Freud offenbart nicht nur die Entstehung seiner Theorien, sondern bietet auch einen Einblick in sein eigenes Denken und seine Motivationen. 'Zur Geschichte der psychoanalytischen Bewegung' ist ein unverzichtbares Werk für alle, die ein tieferes Verständnis der Entwicklung der Psychologie suchen und von Freuds einzigartigem Beitrag zur menschlichen Forschung beeindruckt sind.

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Sigmund Freud

Zur Geschichte der psychoanalytischen Bewegung

Books

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2017 OK Publishing
ISBN 978-80-272-0729-9

Inhaltsverzeichnis

I
II
III

I

Inhaltsverzeichnis

Wenn ich im Nachstehenden Beiträge zur Geschichte der psychoanalytischen Bewe­gung bringe, so wird sich über deren subjektiven Charakter und über die Rolle, die mei­ner Person darin zufällt, niemand verwundern dürfen. Denn die Psychoanalyse ist meine Schöpfung, ich war durch zehn Jahre der einzige, der sich mit ihr beschäftigte, und alles Mißvergnügen, welches die neue Erscheinung bei den Zeitgenossen hervorrief, hat sich als Kritik auf mein Haupt entladen. Ich finde mich berechtigt, den Standpunkt zu ver­treten, daß auch heute noch, wo ich längst nicht mehr der einzige Psychoanalytiker bin, keiner besser als ich wissen kann, was die Psychoanalyse ist, wodurch sie sich von an­deren Weisen, das Seelenleben zu erforschen, unterscheidet, und was mit ihrem Namen belegt werden soll oder besser anders zu benennen ist. Indem ich so zurückweise, was mir als eine kühne Usurpation erscheint, gebe ich unseren Lesern indirekten Aufschluß über die Vorgänge, die zum Wechsel in der Redaktion und Erscheinungsform dieses Jahrbuches geführt haben.

Als ich im Jahre 1909 auf dem Katheder einer amerikanischen Universität zuerst öf­fentlich von der Psychoanalyse reden durfte, habe ich, von der Bedeutung des Moments für meine Bestrebungen ergriffen, erklärt, ich sei es nicht gewesen, der die Psychoana­lyse ins Leben gerufen. Dies Verdienst habe ein anderer, Josef Breuer, erworben zu ei­ner Zeit, da ich Student und mit der Ablegung meiner Prüfungen beschäftigt gewesen sei (1880 bis 1882).1Aber wohlmeinende Freunde haben mir seither die Erwägung na­hegelegt, ob ich meiner Dankbarkeit damals nicht einen unangemessenen Ausdruck ge­geben. Ich hätte, wie bei früheren Veranlassungen, das »kathartische Verfahren« von Breuer als ein Vorstadium der Psychoanalyse würdigen und diese selbst erst mit meiner Verwerfung der hypnotischen Technik und Einführung der freien Assoziationen begin­nen lassen sollen. Nun ist es ziemlich gleichgültig, ob man die Geschichte derPsycho­analysevom kathartischen Verfahren an oder erst von meiner Modifikation desselben rechnen will. Ich gehe auf dieses uninteressante Problem nur ein, weil manche Gegner der Psychoanalyse sich gelegentlich darauf zu besinnen pflegen, daß ja diese Kunst gar nicht von mir, sondern von Breuer herrührt. Dies ereignet sich natürlich nur in dem Falle, daß ihnen ihre Stellung gestattet, einiges an der Psychoanalyse beachtenswert zu finden; wenn sie sich in der Ablehnung keine solche Schranke auferlegen, dann ist die Psychoanalyse immer unbestritten mein Werk. Ich habe noch nie erfahren, daß Breuers großer Anteil an der Psychoanalyse ihm das entsprechende Maß von Schimpf und Tadel eingetragen hätte. Da ich nun längst erkannt habe, daß es das unvermeidliche Schicksal der Psychoanalyse ist, die Menschen zum Widerspruch zu reizen und zu erbittern, so habe ich für mich den Schluß gezogen, ich müßte doch von allem, was sie auszeichnet, der richtige Urheber sein. Mit Befriedigung füge ich hinzu, daß keine der Bemühungen, meinen Anteil an der viel geschmähten Analyse zu schmälern, je von Breuer selbst ausgegangen ist oder sich seiner Unterstützung rühmen konnte.

Der Inhalt der Breuerschen Entdeckung ist so häufig dargestellt worden, daß deren aus­führliche Diskussion hier entfallen darf: die Grundtatsache, daß die Symptome der Hy­sterischen von eindrucksvollen, aber vergessenen Szenen ihres Lebens (Traumen) ab­hängen, die darauf gegründete Therapie, sie diese Erlebnisse in der Hypnose erinnern und reproduzieren zu lassen (Katharsis), und das daraus folgende Stückchen Theorie, daß diese Symptome einer abnormen Verwendung von nicht erledigten Erregungsgrö­ßen entsprechen (Konversion). Breuer hat jedesmal, wo er in seinem theoretischen Bei­trag zu den Studien ÜBERHysterieder Konversion gedenken muß, meinen Namen in Klammern hinzugesetzt, als ob dieser erste Versuch einer theoretischen Rechenschaft mein geistiges Eigentum wäre. Ich glaube, daß sich diese Zuteilung nur auf die Namengebung bezieht, während sich die Auffassung uns gleichzeitig und gemeinsam ergeben hat.

Es ist auch bekannt, daß Breuer die kathartische Behandlung nach seiner ersten Erfah­rung durch eine Reihe von Jahren ruhen ließ und sie erst wieder aufnahm, nachdem ich, von Charcot zurückgekehrt, ihn dazu veranlaßt hatte. Er war Internist und durch eine ausgedehnte ärztliche Praxis in Anspruch genommen; ich war nur ungern Arzt gewor­den, hatte aber damals ein starkes Motiv bekommen, den nervösen Kranken helfen oder wenigstens etwas von ihren Zuständen verstehen zu wollen. Ich hatte mich der physika­lischen Therapie anvertraut und fand mich ratlos angesichts der Enttäuschungen, welche mich die an Ratschlägen und Indikationen so reiche »Elektrotherapie« von W. Erb er­leben ließ. Wenn ich mich damals nicht selbständig zu dem später von Moebius durch­gesetzten Urteil durcharbeitete, daß die Erfolge der elektrischen Behandlung bei nervö- seti Störungen Suggestionserfolge seien, so trug gewiß nichts anderes als das Ausblei­ben dieser versprochenen Erfolge die Schuld daran. Einen ausreichenden Ersatz für die verlorene elektrische Therapie schien damals die Behandlung mit Suggestionen in tiefer Hypnose zu bieten, die ich durch die äußerst eindrucksvollen Demonstrationen vonLiébaultund Bernheim kennen lernte. Aber die Erforschung in der Hypnose, von der ich durch Breuer Kenntnis hatte, mußte durch ihre automatische Wirkungsweise und die gleichzeitige Befriedigung der Wißbegierde ungleich anziehender wirken, als dasmo­notone,gewalttätige, von jeder Forschung ablenkende suggestive Verbot.

Wir haben kürzlich als eine der jüngsten Erwerbungen der Psychoanalyse die Mahnung vernommen, den aktuellen Konflikt und die Krankheitsveranlassung in den Vorder­grund der Analyse zu rücken. Nun das ist genau das, was Breuer und ich zu Beginn un­serer Arbeiten mit der kathartischen Methode getan haben. Wir lenkten die Aufmerk­samkeit des Kranken direkt auf die traumatische Szene, in welcher das Symptom ent­standen war, suchten in dieser den psychischen Konflikt zu erraten und den unter­drückten Affekt frei zu machen. Dabei entdeckten wir den für die psychischen Prozesse bei den Neurosen charakteristischen Vorgang, den ich späterRegressiongenannt habe. Die Assoziation des Kranken ging von der Szene, die man aufklären wollte, auf frühere Erlebnisse zurück und nötigte die Analyse, welche die Gegenwart korrigieren sollte, sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen. Diese Regression führte immer weiter nach rückwärts, zuerst schien es, regelmäßig bis in die Zeit der Pubertät, dann lockten Mißer­folge wie Lücken des Verständnisses die analytische Arbeit in die dahinterliegenden Jahre der Kindheit, die bisher für jede Art von Erforschung unzugänglich gewesen wa­ren. Diese regrediente Richtung wurde zu einem wichtigen Charakter der Analyse. Es zeigte sich, daß die Psychoanalyse nichts Aktuelles aufklären könne außer durch Zu­rückführung auf etwas Vergangenes, ja daß jedes pathogene Erlebnis ein früheres vor­aussetzt, welches, selbst nicht pathogen, doch dem späteren Ereignis seine pathogene Eigenschaft verleiht. Die Versuchung, bei dem bekannten aktuellen Anlaß zu verblei­ben, war aber so groß, daß ich ihr noch bei späten Analysen nachgegeben habe.

In der 1899 durchgeführten Behandlung der »Dora« genannten Patientin war mir die Szene bekannt, welche den Ausbruch der aktuellen Erkrankung veranlaßt hatte. Ich be­mühte mich ungezählte Male, dieses Erlebnis zur Analyse zu bringen, ohne auf meine direkte Aufforderung jemals etwas anderes zu erhalten, als die nämliche kärgliche und lückenhafte Beschreibung. Erst nach einem langen Umweg, der über die früheste Kind­heit der Patientin führte, stellte sich ein Traum ein, zu dessen Analyse die bis dahin ver­gessenen Einzelheiten der Szene erinnert wurden, womit das Verständnis und die Lö­sung des aktuellen Konfliktes ermöglicht waren.

Man kann aus diesem einen Beispiel ersehen, wie irreführend die vorhin erwähnte Mah­nung ist, und welcher Betrag wissenschaftlicher Regression in der so angeratenen Ver­nachlässigung der Regression in der analytischen Technik zum Ausdruck kommt.

Die erste Differenz zwischeh Breuer und mir trat in einer Frage des intimeren psychi­schen Mechanismus der Hysterie zutage. Er bevorzugte eine sozusagen noch physiolo­gische Theorie, wollte die seelische Spaltung der Hysterischen durch das Nichtkommu- nizieren verschiedener seelischer Zustände (oder wie wir damals sagten: Bewußt­seinszustände) erklären und schuf so die Theorie der »hypnoiden Zustände«, deren Er­gebnisse wie unassimilierte Fremdkörper in das »Wachbewußtsein« hineinragen sollten. Ich hatte mir die Sache weniger wissenschaftlich zurechtgelegt, witterte überall Ten­denzen und Neigungen analog denen des täglichen Lebens und faßte die psychische Spaltung selbst als Ergebnis eines Abstoßungsvorgangs auf, den ich damals »Abwehr«, später »Verdrängung« benannte. Ich machte einen kurzlebigen Versuch, die beiden Me­chanismen nebeneinander bestehen zu lassen, aber da mir die Erfahrung stets das nämli­che und nur eines zeigte, stand bald seiner Hypnoidtheorie meine Abwehrlehre gegen­über.

Ich bin indes ganz sicher, daß dieser Gegensatz nichts mit unserer bald darauf eintreten­den Trennung zu tun hatte. Dieselbe war tiefer motiviert, aber sie kam so, daß ich sie anfangs nicht verstand und erst später nach allerlei guten Indizien deuten lernte. Man erinnert sich, daß Breuer von seiner berühmten ersten Patientin ausgesagt hatte, das se­xuale Element sei bei ihr erstaunlich unentwickelt gewesen und habe niemals einen Beitrag zu ihrem reichen Krankheitsbilde geliefert. Ich habe mich immer verwundert, daß die Kritiker diese Versicherung Breuers meiner Behauptung von der sexuellen Ätiologie der Neurosen nicht öfter entgegengestellt haben, und weiß noch heute nicht, ob ich in dieser Unterlassung einen Beweis für ihre Diskretion oder für ihre Unacht­samkeit sehen soll. Wer die Breuersche Krankengeschichte im Lichte der in den letzten zwanzig Jahren gewonnenen Erfahrung von neuem durchliest, wird die Symbolik der Schlangen, des Starrwerdens, der Armlähmung nicht mißverstehen und durch Einrech­nung der Situation am Krankenbette des Vaters die wirkliche Deutung jener Symptom­bildung leicht erraten. Sein Urteil über die Rolle der Sexualität im Seelenleben jenes Mädchens wird sich dann von dem ihres Arztes weit entfernen. Breuer stand zur Her­stellung der Kranken der intensivste suggestive Rapport zu Gebote, der uns gerade als Vorbild dessen, was wir »Übertragung« heißen, dienen kann. Ich habe nun starke Grün­de zu vermuten, daß Breuer nach der Beseitigung aller Symptome die sexuelle Motivie­rung dieser Übertragung an neuen Anzeichen entdecken mußte, daß ihm aber die allge­meine Natur dieses unerwarteten Phänomens entging, so daß er hier, wie von einem»untoward event«betroffen, die Forschung abbrach. Er hat mir hievon keine direkte Mitteilung gemacht, aber zu verschiedenen Zeiten Anhaltspunkte genug gegeben, um diese Kombination zu rechtfertigen. Als ich dann immer entschiedener für die Bedeu­tung der Sexualität in der Verursachung der Neurose eintrat, war er der erste, der mir jene Reaktionen der unwilligen Ablehnung zeigte, die mir später so vertraut werden sollten, die ich damals aber noch nicht als mein unabwendbares Schicksal erkannt hatte.

Die Tatsache der grob sexuell betonten, zärtlichen oder feindseligen Übertragung, die sich bei jeder Neurosenbehandlung einstellt, obwohl sie von keinem Teil gewünscht oder herbeigeführt wird, ist mir immer als der unerschütterlichste Beweis für die Her­kunft der Triebkräfte der Neurose aus dem Sexualleben erschienen. Dies Argument ist noch lange nicht ernsthaft genug gewürdigt worden, denn geschähe dies, so bliebe der Forschung eigentlich keine Wahl. Für meine Überzeugung ist es entscheidend geblie­ben, neben und über den speziellen Ergebnissen der Analysenarbeit.

Ein Trost für die schlechte Aufnahme, welche meine Aufstellung der sexuellen Ätiolo­gie der Neurosen auch im engeren Freundeskreis fand - es bildete sich bald ein negati­ver Raum um meine Person - lag doch in der Überlegung, daß ich für eine neue und originelle Idee den Kampf aufgenommen hatte. Allein eines Tages setzten sich bei mir einige Erinnerungen zusammen, welche diese Befriedigung störten und mir dafür einen schönen Einblick in den Hergang unseres Schaffens und die Natur unseres Wissens gestatteten. Die Idee, für die ich verantwortlich gemacht wurde, war keineswegs in mir entstanden. Sie war mir von drei Personen zugetragen worden, deren Meinung auf mei­nen tiefsten Respekt rechnen durfte, von Breuer selbst, von Charcot und von dem Gy­näkologen unserer Universität Chrobak, dem vielleicht hervorragendsten unserer Wie­ner Ärzte. Alle drei Männer hatten mir eine Einsicht überliefert, die sie, streng genom­men, selbst nicht besaßen. Zwei von ihnen verleugneten ihre Mitteilung, als ich sie spä­ter daran mahnte, der dritte (Meister Charcot) hätte es wahrscheinlich ebenso getan, wenn es mir vergönnt gewesen wäre, ihn wiederzusehen. In mir aber hatten diese ohne Verständnis aufgenommenen identischen Mitteilungen durch Jahre geschlummert, bis sie eines Tages als eine scheinbar originelle Erkenntnis erwachten.