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"Pulp Fiction" in der Hauptstadt Es läuft schlecht für Nicki Sommer: Erst dreht sein Vater ihm den Geldhahn zu, dann verliert er seinen Job als Barkeeper und muss sich als Versuchskaninchen für Medikamententests über Wasser halten. Als er zufällig die Bekanntschaft von Melisa Rakowska macht und sich Hals über Kopf in sie verliebt, lässt Nicki sich auf ein zwielichtiges Angebot ein: Er soll Melisa zum Schein entführen, um ihrem Liebhaber, einem erfolgreichen Schönheitschirurgen, ein saftiges Lösegeld abzuknöpfen. Doch dieser hat bereits einen Privatdetektiv auf seine Freundin angesetzt – und dann beginnen die Probleme.
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Seitenzahl: 487
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Patrick Lorenz wurde 1980 in Franken geboren und hat sich nach knapp achtjährigem Berlinaufenthalt inzwischen mit Kind und Kegel in ruhigere Gefilde zurückgezogen. Nach vorübergehendem Germanistik- und Journalistikstudium zog es ihn in die TV-Branche, wo er zunächst als Regieassistent und Aufnahmeleiter arbeitete, später als Drehbuchautor für erfolgreiche TV-Formate wie »Küstenwache«, »SOKO Köln« oder »SOKO Wismar«.
Dieses Buch ist ein Roman. Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind nicht gewollt und rein zufällig.
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© 2019 Emons Verlag GmbH
Alle Rechte vorbehalten
Umschlagmotiv: iStockphoto.com/pictureimpressions, iStockphoto.com/stevanovicigor
Umschlaggestaltung: Nina Schäfer, nach einem Konzept von Leonardo Magrelli und Nina Schäfer
Umsetzung: Tobias Doetsch
Lektorat: Lothar Strüh
eBook-Erstellung: CPI books GmbH, Leck
ISBN 978-3-96041-542-8
Originalausgabe
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Dieser Roman wurde vermittelt durch die Arrowsmith Agency, Hamburg.
Man kann heutzutage nicht vorsichtig genug sein.Du machst irgendwas und denkst, das ist völlig korrekt, aber dann wird einer wegen gar nichts sauer, und du sitzt in der Scheiße.
»Schöne Scheiße«, sagte Nicki.
Eddie, der mit vollem Namen Ehsan Reza Khalilzadeh hieß, sah ihn vorwurfsvoll an und legte seinen gebräunten Unterarm, auf dem nicht ein Härchen spross, auf die hölzerne Theke.
»Du willst mir also sagen, der Chris, der hat sich das alles nur ausgedacht?« Eddie, den manche auch Perser-Eddie nannten, machte eine Pause. »Und die Dörte, die auch, ja?«
Seine Stimme klang nicht direkt weinerlich, aber ein wenig zu hoch für einen Mann, der aussah wie Anfang vierzig. Doch sie passte ganz gut zu seinem schwarzen, dauergewellten Haar, das ölig auf seinen Schultern lag und das er etwa alle zwei Sekunden in einer halben Kopfdrehung nach hinten warf.
Nicki war überzeugt, dass Eddie sich für ziemlich gut aussehend hielt, für eine Art persisches Männermodel oder so.
Und natürlich hatten sich Dörte und Chris, seine beiden Kollegen im »Rodeo«, der schäbigen Kneipe, die Eddie in Kreuzberg betrieb, den Müll nur ausgedacht.
Chris hatte Nicki von Anfang an nicht leiden können, wahrscheinlich, weil er begriffen hatte, dass Nicki ihn für eine Lachnummer hielt. Allein wie er den Rauch seiner Zigarette ausstieß – mit faltiger Stirn und gespitzten Lippen –, als wäre er der Marlboro-Mann persönlich. Fehlte nur, dass er sich zum Qualmen einen Cowboyhut aufsetzte.
Und dass Dörte ihn in die Pfanne hauen wollte – okay, das war ’ne andere Geschichte. Nach neulich Abend konnte er ihr das in gewisser Weise nicht mal übel nehmen. Aber woher hätte er wissen sollen, dass »Netflix and chill« neuerdings der Code für Sex war? Warum hatte sie ihm nicht klar und verständlich mitgeteilt, dass sie einen DVD-Abend machen wollte? Das hätte er kapiert. Und Kondome statt M&Ms mitgebracht.
Aber das konnte er Eddie so nicht verklickern. Deswegen sagte er: »Keine Ahnung, Eddie. Ich weiß nicht, was der Chris so denkt. Ob er überhaupt ab und zu denkt. Ich bin nicht ohne Kohle hier reinspaziert und hab Drinks bestellt. Und ich bin auch nicht davon ausgegangen, dass ich was für umsonst bekomme.«
Eddie nahm einen Schluck von seinem Ginger-Ale und schlug die Beine über dem Barhocker übereinander. »Also hattest du Geld dabei?«
»Ähm …« Nicki zögerte. »Nein, hatte ich nicht.«
Eddie glotzte doof.
Nicki ärgerte sich. Es ging hier wohl kaum um die Sache. Konnte es nicht. Meine Güte, sie soffen während ihrer Arbeitszeit ständig auf Eddies Kosten. Oft genug sah der dabei sogar zu. Oder trank ein Ginger-Ale mit. Hier ging’s um was anderes.
Nicki sagte: »Aber das hab ich dem Chris und der Dörte ja gesagt. ›Leute, wir sind abgebrannt‹, hab ich gesagt.«
»Und dann hast du trotzdem was bestellt.« Frage und Vorwurf zugleich von Eddie.
»Ja. Nein. Mann, Eddie. Mein Kumpel und ich, wir waren unterwegs, wir hatten was getrunken, okay? Dann torkeln wir hier rein – zugegeben, nicht mehr ganz nüchtern – und setzen uns an die Bar. Es ist mitten in der Nacht, fast drei oder so, und ich sag zum Chris: ›Hey, Marlboro-Mann, wo is ’n dein Hut?‹ Und was macht er? Spitzt die Lippen, zieht an seiner Kippe und fragt mich, ob wir was trinken wollen.«
»Und darauf hast du gesagt: ›Ja, klar Mann, geht aufs Haus‹.«
»Wer sagt das?«
»Der Chris.«
Was für ein Oberarsch, dachte Nicki und sagte: »Nein, ich hab gesagt: ›An sich gern, Chris, aber ich bin pleite.‹ Und dann hat er seine Marlboro weitergeraucht.«
»Der Chris sagt aber was anderes. Er sagt, das ist anders gelaufen. Und die Dörte, die sagt das auch. Die erzählen eine andere Geschichte als du, Nicki. Wie kann das sein? Ich versteh das nicht. Verstehst du das?«
Nicki verstand das. Die beiden waren Freunde, hingen ständig miteinander rum. Vielleicht lief da manchmal sogar was. Nicki hatte das Verhältnis der beiden nie ganz durchschaut, aber es interessierte ihn auch nicht sonderlich.
Er stöhnte. »Warum sitzen wir überhaupt hier und quatschen, wenn du mir sowieso kein Wort glaubst?«
Eddies Miene verfinsterte sich. »Weil du das Chili aus dem verdammten Eimer gefressen hast.«
»Ah so«, sagte Nicki.
»Oder hat sich der Michael das auch nur ausgedacht?«
Damit war Nickis Frage beantwortet, noch bevor er sie sich gestellt hatte: Der Koch hatte gepetzt.
»Kommt ganz drauf an, was der Michael so erzählt«, sagte er und tat cooler, als er war.
»Er erzählt, dass er dich erwischt hat, wie du im Lager über dem Chili con Carne gesessen und das Zeug in dich reingeschaufelt hast.«
Die Lage war jetzt klar. Nicki saß hier, um sich einen Anschiss abzuholen und gefeuert zu werden.
Er sagte: »Das könnte eventuell so gewesen sein.«
»Was denkst du dir dabei? Bist du noch ganz dicht? Ich will den Leuten das Chili verkaufen. Und du, du wühlst mit einem Löffel drin rum.« Eddie verzog angewidert das Gesicht. »Mit einem Löffel, an dem dein Speichel klebt.«
Am Anfang, als er sich die ersten Male das Chili »reingeschaufelt« hatte, wie Eddie sich ausdrückte, hatte er noch die Hände benutzt. Genau genommen konnte Eddie also dankbar sein, dass er sich später an seine gute Erziehung erinnert und Besteck benutzt hatte.
»Mal ehrlich, Eddie«, sagte Nicki, »das Zeug steht da am Boden rum, in ’nem versifften Eimer.«
»Versifft? Warum ist der Eimer versifft? Das ist ein ganz normaler, handelsüblicher Plastikeimer, wie man ihn in jedem Großmarkt kriegt. In dem vorher Crème fraîche war. Oder irgendwas. Der Michael spült ihn aus, und dann kommt da das Chili rein. Aber … was spielt das verdammt noch mal für ’ne Rolle?«
»Ja, du hast recht, der Eimer ist super. Und Alufolie ist ja auch drüber.«
»Großzügig von dir, Nicki. Echt großzügig, dass wir deinen hohen Hygieneansprüchen gerecht werden. Das bedeutet mir viel. Und dem Michael sicher auch. Ich schick ihm gleich ’ne Nachricht. Aber weißt du, was nicht okay ist, Nicki? Weißt du’s?«
Nicki mochte es nicht, wenn Eddie theatralisch wurde.
»Sag’s mir, Eddie«, sagte er in gelangweiltem Ton.
»Dein Verhalten ist nicht okay. Du bist nicht okay.« Eddie zeigte mit dem Finger auf ihn und wiederholte, betonte jedes Wort: »DU. BIST. NICHT. OKAY.«
»Hm«, machte Nicki.
»Das hier ist kein Selbstbedienungsladen, und wenn, dann ist’s immer noch mein verdammter Selbstbedienungsladen. Nicht deiner. Und ich –« Eddie unterbrach sich, als er sah, wie Nicki wortlos vom Hocker glitt. Er staunte: »Was denn? Wo, wo willst du hin? Ich, ich bin noch nicht fertig.«
»Weiß noch nicht«, sagte Nicki. »Vielleicht geh ich gegenüber ’n Bier trinken.«
Er fühlte sich entspannt wie selten.
Eddie blaffte: »Du bist gekündigt. Verschwinde! Und lass dich nicht wieder blicken. Ich will dich nie wieder in meinem Laden sehen, ist das klar? Haben wir uns verstanden?« Er konnte nicht im Ansatz verbergen, wie wichtig es ihm war, sich überlegen zu fühlen.
Nicki sagte: »Alles klar.«
Und dann brach er auf. Das Schulterzucken sparte er sich Eddies Seelenleben zuliebe.
Aber als der ihm mit bebender Stimme »Ist das alles, was du dazu zu sagen hast?« nachrief, da konnte Nicki nicht anders, er blieb stehen. Er drehte sich um und sah einen hageren Mann, der ihn böse anfunkelte. Er kam ihm schon jetzt wie ein Fremder vor. Und Nicki wurde klar, dass der schöne Perser-Eddie mit den öltriefenden Haaren und den rasierten Unterarmen niemals mehr sein würde als der Besitzer einer heruntergekommenen Happy-Hour-Bar.
Und dann zuckte er doch mit den Schultern.
Fletscher hatte den Tipp bekommen, dass Deniz ihm wegen des Testarossas demnächst einen Besuch abstatten werde. Als er schon am nächsten Vormittag in sein Büro marschierte und sich, beide Daumen in den Hosenbund geklemmt, vor seinem Schreibtisch aufbaute, war er also gewappnet.
»Selamlar, Deniz«, empfing Fletscher ihn mit einem Zahnpastalächeln. Er deutete auf den Stuhl, der auf der anderen Seite des Schreibtisches stand, und sagte: »Lüften, yerine otur.«
Deniz, der mit vollständigem Kampfnamen Stahlplatten-Deniz hieß, sah ihn gereizt an. »Was willst du von mir?«
Fletscher hatte in der Vergangenheit so manche Geschichte über die Titanplatte gehört, die Deniz’ Schädel zusammenhielt. Im Grunde erzählten aber alle dasselbe, nämlich, dass Deniz seit seinem Motorradunfall zu einer gewissen mentalen Instabilität neigte. Es gab Leute, die waren der Meinung, er habe ’ne Schraube locker. Und es gab welche, die fanden, das sei schon vor dem Crash so gewesen. Aber keine einzige Story, die um das Metall in Deniz’ Rübe kreiste, besagte, dass es ihn debil gemacht habe. Folglich kamen nur zwei mögliche Schlüsse in Betracht: Entweder war Fletschers Aussprache so dürftig, dass Deniz seine eigene Sprache nicht verstand, oder aber es war überhaupt nicht seine Sprache.
»Ich sagte: ›Setz dich, mein Freund.‹ Und zwar auf Türkisch«, erklärte Fletscher.
Deniz reckte das Kinn. »Ich bin Deutscher. Und ganz sicher nicht dein Atze.«
So viel zum Plan, das Eis mit ein wenig Gastfreundschaft zu brechen.
Fletscher ließ sich nicht beirren und lächelte einfach weiter, nachdem er sich eine Dimitrino angesteckt hatte. »Dann bitte, nimm Platz, Deniz.«
Deniz pflanzte sich und schickte einen warnenden Blick über den Schreibtisch. »Du weißt, warum ich hier bin.«
Fletscher sah den feinen Schwaden seiner Zigarette zu, wie sie zur Decke aufstiegen. Deniz betrieb irgendwo in Neukölln einen Imbiss mit seiner Verwandtschaft, in seiner Freizeit war er Geldeintreiber. Möglich auch, dass es genau andersherum war. Unbestreitbar war hingegen, dass seine Funktion als mobiles Inkassobüro ihn hierhergeführt hatte.
Fletscher nickte. »Ich kann’s mir denken.«
Deniz streckte die offene Hand aus. »Na, dann lass mal endlich die Wagenschlüssel oder hundertfünfzig Riesen rüberwachsen.«
»Ich fürchte fast, Deniz, das ist derzeit beides nicht machbar.« Fletschers Lächeln bat um Nachsicht.
Aber Deniz war offensichtlich nicht hier, um Nachsicht walten zu lassen. Er zog einen Kimber K6 DCR aus dem Hosenbund und legte ihn vor sich ab. »Vielleicht willst du noch mal in dich gehen.«
Fletscher nahm einen Zug an seiner Zigarette. Sein Blick glitt über den Revolver hinweg zu Deniz. »Wer schickt dich? Tommy Tick-Tock?«
Statt zu antworten, sah Deniz ihn mit ausdruckslosem Blick an.
»Ich würde gerne was klarstellen, Deniz«, warf Fletscher ein. »Mir ist bewusst, du machst nur deinen Job, aber der Ferrari, der da unten parkt, der gehört Tommy nicht.«
»Sehe ich aus, als würde mich das jucken?«
Fletscher schüttelte den Kopf. Deniz’ Erscheinungsbild erfüllte ganz das Klischee des tumben Brutalos. Die Oberarme zum Platzen angeschwollen, als wären Eiweißriegel seine Leibspeise, die Haare, die unter der beigen Gucci-Baseballkappe hervorlugten, raspelkurz geschoren, an seinem Hals hing ein Goldkettchen, und auf seiner Hüfte ruhte die unvermeidliche Bauchtasche mit grün-rot-grünen Streifen.
»Ich denke, du siehst aus wie jemand, der weiß, was er tut«, sagte Fletscher. »Gleichzeitig, und verstehe mich bitte nicht falsch, siehst du aber auch aus wie jemand, der keinen gesteigerten Wert auf gründliche Recherche legt.«
Deniz drehte den Kopf ein wenig zur Seite und griff nach dem Revolver. »Willst du damit irgendwas andeuten?« Er klopfte sich mit dem Lauf seitlich an den Hinterkopf. »Klingt das, als hätte ich Blech da drin?«
Ein erneutes Kopfschütteln von Fletscher.
»Ich nehme an, du weißt, wie sie mich nennen?«, fragte Deniz.
Fletscher nickte.
»Dann ist dir ja sicher auch zu Ohren gekommen, dass ich manchmal so ein klein wenig die Kontrolle verliere. Schuld ist das Scheiß-Metall.« Deniz legte auf Fletscher an. »Mir brennen die Sicherungen einfach zu schnell durch.«
»Immer mit der Ruhe.« Fletscher wich zurück, kam aber nicht weiter als bis zur Lehne seines Stuhls. »Was ich damit sagen wollte«, sagte er, »hättest du deine Hausaufgaben gemacht, dann würdest du jetzt nicht dasitzen und mir deine Knarre unter die Nase halten.«
Deniz lachte trocken. »Du hast Nerven, Schnüffler, das muss ich dir lassen.«
Fletscher hob beschwichtigend die Hände. »Lass es mich kurz skizzieren.«
Deniz schob sich mit dem Lauf der Pistole die Mütze ein Stück weit aus der gekräuselten Stirn und wartete offenbar auf die Skizze.
»Ich hab den Ferrari für eine Klientin besorgt, die zufällig gleichzeitig eine gute Bekannte von mir ist. Wobei ›besorgt‹ das falsche Wort ist. ›Zurückgestohlen‹ trifft es besser. Bevor ich ihn gestohlen habe, war es nämlich ihr Ferrari, der ihr gestohlen wurde. Und zwar von einem ihrer zahlreichen Ex-Liebhaber. Ich hab ihr schon zigmal gesagt, dass sie bei der Auswahl ihrer Lustknaben vielleicht etwas wählerischer sein sollte. Aber … anderes Thema.« Fletscher winkte ab. »Lange Rede, kurzer Sinn: Bei deinem Auftraggeber und dem Ex meiner Klientin, die gleichzeitig eine gute Bekannte ist, dürfte es sich um dieselbe Person handeln: Tommy Tick-Tock. Und wie ich das sehe, hat er keinen Anspruch auf den Ferrari. Er hat ihn gestohlen, ich hab ihn zurückgestohlen, und inzwischen gehört er ganz legal mir. Ich kann dir sogar die Papiere zeigen.«
Fletscher legte die Hand an die Schublade, aber Deniz bremste ihn umgehend ein. »Hände auf die Bettdecke.«
Fletscher gehorchte und legte die Hände auf die Tischplatte.
Deniz sagte: »Ich hab keinen Schimmer, was du da gerade für ’n Vortrag gehalten hast.«
»Es ist eigentlich nicht kompliziert. Meine Klientin hat mir den Ferrari als Zeichen ihrer Dankbarkeit günstig verkauft, und ich beabsichtige, ihn weiterzuverkaufen und ’ne schöne Stange Geld zu machen.« Fletscher lächelte gewinnend. »Und somit schließt sich der Kreis, denn mit diesem Geld werde ich meine Schulden bei Tommy begleichen.«
Deniz starrte ihn an, als fühlte er sich von ihm verarscht. »Ich kenne keinen Tommy Tick-Tock.«
Fletschers Augenbrauen hoben sich. »Nicht?«
»Die Schlüssel für die Karre, na los. Ich wiederhole mich echt ungern.« Deniz spannte den Hahn des Revolvers.
»Okay, gut.« Fletscher deutete mit dem Kinn zum Regal. »Er ist in der Schatulle.«
Deniz’ Blick wanderte zur hölzernen Schatulle und wieder zurück. Er gab Fletscher mit einem Nicken zu verstehen, dass er sich bewegen durfte. »Bring die Schachtel her und stell sie auf den Tisch. Und zwar langsam und geschmeidig. Nicht, dass ich am Ende noch nervös werde und aus Versehen mit dem Finger zucke.«
Fletscher machte die zwei Schritte zum Regal, kehrte mit der Schatulle zurück und stellte sie mit der gewünschten verzögerten Bewegung ab. Dann sah er zu Deniz auf. »Darf ich?«
»Gib das her«, sagte Deniz und riss die Schatulle an sich. »Für wie blöd hältst du mich?«
Die Wahrheit war, für ganz normal durchschnittlich blöd. Die Sache war die, Deniz’ Achillesferse lag zwar in seinem Kopf, aber mit Metall hatte sie nichts zu tun. Deniz’ Schwachpunkt, den er nicht gut genug verbarg – sonst hätte Fletscher wohl kaum in einem Tresengespräch davon erfahren –, nannte sich Batrachophobie. Er hatte panische Angst vor Fröschen.
Was das im Detail bedeutete, erlebte Fletscher, als Deniz die Schatulle öffnete. Er schlug die Augen auf, weiter, als Fletscher es anatomisch für möglich gehalten hätte, stieß einen Schrei aus, man musste es Mädchenkreischen nennen, ließ die Schatulle fallen, sprang auf und stolperte rückwärts aus dem Stuhl, der dabei umkippte. Und das alles in einer Geschwindigkeit, dass Fletscher nicht mal dazu kam, »Quak!« zu sagen, wie er es sich fest vorgenommen hatte.
Nachdem es Deniz schließlich gelungen war, seinen Blick vom Frosch zu lösen, der geduldig auf dem Fußboden hockte, und er zu Fletscher sah, dauerte es von da an noch eine ganze Weile, bis er realisierte, dass seine Waffe den Besitzer gewechselt hatte.
Jetzt konnten sie vernünftig plaudern.
»Für wen arbeitest du?«, fragte Fletscher.
Deniz stand der Angstschweiß auf der fahlen Stirn, während er den grünen Hüpfer nicht aus den Augen ließ. »Für Claahsen. Claahsen schickt mich.«
Fletscher war verwirrt. »Dirk Claahsen?«
Deniz nickte.
»Perücken-Dirk?«
Ein weiteres Nicken.
»Scheiße, was soll das? Wir hatten uns geeinigt, dass er sein Geld in Raten zurückkriegt.«
Deniz reagierte nicht, sein Blick klebte weiterhin auf dem Frosch.
Fletscher seufzte angestrengt. »Deniz, könnte ich vielleicht kurz um deine Aufmerksamkeit bitten?«
Deniz blickte blass zu ihm auf.
»Richte Dirk aus, er soll mich nächstes Mal anrufen, wenn er wieder mal kalte Füße kriegt. Spart allen viel Stress. Er bekommt sein Geld wie abgemacht. Ich halte mein Wort.«
»Wenn du alt genug wirst.«
»Hm?«, machte Fletscher, weil er nicht ganz mitkam. »War das ’ne Drohung? Weil, wenn ja, dann muss ich dir sagen, ganz schlechte Idee. Ich hab nämlich ’ne Drohphobie. Ist ganz ähnlich wie dein Ding mit den Fröschen.«
Deniz durchleuchtete Fletscher. »Du weißt es nicht?«
»Was weiß ich nicht, Deniz?«
In Deniz’ Augen trat etwas Fieses, etwas Schadenfrohes. »Schalako kommt raus.«
Fletscher fühlte sich mit einem Mal so, wie der Geldeintreiber aussah – zum Kotzen.
»Es macht die Runde, dass er Bewährung kriegt«, sagte Deniz. »Und wenn das passiert, dann wird von dir nicht viel übrig bleiben, Schnüffler. Claahsen hat einfach Muffensausen, dass er in die Röhre glotzt, wenn du die Radieschen von unten zählst.«
Fletscher nickte mit düsterer Miene und legte auf ihn an. »Zieh Leine, Deniz, bevor ich den Froschkönig auf dich hetze.«
Eineinhalb Stunden später sprang draußen vor der Tür ein Motor an. Erst dachte Fletscher sich nichts dabei, aber nach einer Weile wurde ihm klar, dass es der Motor einer Kettensäge war.
Als er auf den Parkplatz trat, hatte Stahlplatten-Deniz sein Werk soeben vollendet. Die Kiefer neigte sich zur Seite wie der schiefe Turm von Pisa und dann noch etwas weiter, bis sie umfiel wie das, was sie war: ein zwei Tonnen schwerer Baum.
Der rote Testarossa wurde regelrecht zermalmt. Der Baum knallte mit einer solchen Wucht aufs Dach, dass es bis runter zur Handbremse eingefaltet wurde, gleichzeitig zerbarsten die Scheiben des Ferraris, und die Splitter verteilten sich um die zerknautschte Karosserie, zwei Reifen zerplatzten mit einem lauten Knall.
Deniz nahm den Gehörschutz ab und wandte sich mit dem Strahlen eines Siegers im Blick zu Fletscher um. Er hatte den Wagen tiefergelegt.
So sah es also aus, wenn Deniz die Sicherungen durchbrannten. Nun ja, für Beschattungen wäre der Ferrari ohnehin ungeeignet gewesen.
Das Taxi rollte über die A 100 in östlicher Richtung.
Auf Höhe der Ausfahrt Beusselstraße in Moabit sah der Fahrer die rot aufleuchtende Lichterkette vor sich – der Verkehr staute sich von der Seestraße zurück auf die Stadtautobahn. Er setzte den Blinker, warf einen Blick in den Seitenspiegel und schob sich rüber auf die Abbiegerspur.
Melisa saß auf der Rückbank. Den Ellbogen an den Türrahmen gestützt, den Kopf in die rechte Hand gelegt. In der anderen hielt sie ihr iPhone.
»Warte mal kurz«, sagte sie ins Gerät und neigte sich zum Fahrer vor. »Äh … wohin fahren Sie?«
»Seestraße ist dicht. So ist schneller«, antwortete der Taxifahrer mit ausländischem Akzent, ohne seinen Blick von der Fahrbahn zu lösen.
Melisa hob die Brauen. »Und Sie wissen, was Sie tun?«
Der Mann nickte ihr eifrig über den Rückspiegel zu. »Weg ist schnell. Seestraße nur für Leute, die nicht auskennen.«
»Na schön. Aber wenn Sie einen Umweg fahren, dann zahle ich das nicht.«
Er schüttelte den Kopf. »Kein Umweg, kein Umweg.«
Melisa war nicht überzeugt, aber sie hatte im Moment andere Sorgen. Größere Sorgen.
Sie ließ sich zurücksinken und legte das Handy wieder ans Ohr. »Okay. Wo waren wir?«
Sie versuchte, ihm zuzuhören, aber sie hatte schnell genug. »Dein Mann für gewisse Angelegenheiten«, stellte sie klar. »Das hast du wirklich grandios verbockt. Großes Kino.« Es folgte ein Beschwichtigungsversuch, aber Melisa war nicht in Stimmung. »Erinnerst du dich, was ich gesagt habe?« Seine Antwort führte dazu, dass sie angestrengt ausatmen musste. »Jetzt versuch bitte nicht, witzig zu sein. Ich hab gesagt: Such einen anderen.«
Sie legte eine kurze Pause ein. »Der Commander …« Sie presste Luft durch ihre Zähne. Es zischte und war genauso abschätzig gemeint, wie es klang. »Es ist so lächerlich, dass es nicht mehr lustig ist.« Während sie der Stimme am anderen Ende der Leitung zuhörte, wurde sie immer fassungsloser. »Oh come on, Mister«, sagte sie. »Es gibt zwei Kategorien von Idioten. Die einen sind die, die nichts kapieren, aber immerhin tun, was man ihnen sagt. Mit solchen Leuten kannst du arbeiten. Und die zweite Kategorie, das ist die, zu der dein Buddy offensichtlich gehört. Das sind die Typen, die sich für clever halten. Von der sollte man sich fernhalten. Es ist eigentlich ganz einfach. Nur du hast’s nicht kapiert.« Sie nahm mit einem Nicken zur Kenntnis, was der andere sagte, verdrehte jedoch bald genervt die Augen. »Okay, ich hab’s verstanden. Er ist nicht dein Buddy. Wie auch immer, wir brauchen Ersatz. Und zwar schnell.«
Melisa wechselte das Handy ans andere Ohr und hatte alle Mühe, sich zu zügeln, als sie fragte: »Was soll das wieder heißen?« Sie erhielt eine Antwort, aber auch die gefiel ihr nicht. »Verschieben? Hast du gerade wirklich ›verschieben‹ gesagt?« Sie hörte für einen Moment zu, ehe ihr Unterkiefer sich von selbst aufklappte. Sie war bestenfalls eine Schrittweite von einer Nervenkrise entfernt. »Gar nichts wird verschoben«, stellte sie klar. »Was ist, wenn er übermorgen wieder einen Notfall hat? Ich verlasse mich nicht auf den Konjunktiv eines Vollidioten. Du weißt selbst, wie eng alles getaktet ist. Der Plan stammt von dir.«
Sie bekam abermals eine Antwort, und ihre Antwort darauf lautete: »Nein. Ich ruf dich später an. – Hörst du, was ich sage, Fletscher? Ich. Ruf. Dich. An. Ich muss jetzt erst mal in Ruhe nachdenken.«
Melisa legte auf.
Sie musste nicht in Ruhe nachdenken. Sie musste sich mit aller Macht davon abhalten, hysterisch zu werden. Sie setzte sich aufrecht, schloss die Augen und atmete tief in den Bauch ein. Und wieder aus. Hatte sie’s doch gleich geahnt. Es war keine gute Idee gewesen, sich auf den aufgeblasenen Gockel einzulassen.
Melisa öffnete ihre Make-up-Dose und betrachtete sich. Es war an der Zeit, sich einzugestehen, dass sie ihren Glow verloren hatte. Da half auch die teuerste Foundation nicht. Weg war weg. Nur, was konnte eine Frau in dieser Welt bewirken, wenn ihr der Glow nicht länger zur Seite stand? Melisa wusste es nicht. Aber viel konnte es nicht sein.
Sie schloss das Döschen und sah mürrisch auf. Als der Fahrer in den Rückspiegel schielte, fing Melisa seinen Blick. Der Mann war immerhin diskret genug, so zu tun, als würde er nicht vor Neugierde platzen.
***
Eine halbe Stunde später hielt das Taxi in Prenzlauer Berg vor dem mehrstöckigen Gebäude mit den mintgrünen Fensterrahmen am Ende der Schönhauser Allee. Es war höchste Zeit, Melisa brauchte dringend ihre Massage.
»Sechsunddreißig Euro und sechzig Cent, bitte sehr«, sagte der Fahrer, als er sein Kinn neben seine Schulter legte.
Sie sah an ihm vorbei zum Taxameter, griff ihre rote Handtasche, fischte das Portemonnaie hervor und reichte vier klein gefaltete Zehn-Euro-Scheine nach vorn. Sie sagte: »Der Rest ist für Sie«, und wollte los.
»Ich danke Ihnen, danke«, sagte der Fahrer, während er wiederholt nickte. »Brauchen Sie Quittung?«
»Oh ja.« Melisa stoppte. Sie hatte es schon wieder vergessen. Und am Monatsende hätte es wieder Stress gegeben. »Bei deinen Belegen fehlen vierzig Euro, Lissi«, würde er sagen. In diesem Ton, der typisch für ihn war und den sie nicht ausstehen konnte.
Sie sagte: »Können Sie bitte ›vierzig‹ draufschreiben?«
Sie sah noch, wie der Fahrer einen Quittungsblock hervorkramte, ehe sie in Gedanken versank.
Er nannte sich selbst »Der Commander«. Seinen echten Namen kannte sie nicht. Sie wusste nur, dass er ein Idiot war und dass der Idiot einen Idioten-Notfall hatte. Und das nicht mal zwei Tage vor ihrem Tag. Vor ihrem Tag! Wie dämlich konnte man sein? Jetzt stand sie da – vermutlich war der Ausdruck noch nie treffender gewesen – wie bestellt und nicht abgeholt. Was nutzte ein Plan, wenn das Personal fehlte, um ihn umzusetzen?
Die Zeit rannte ihr davon. Ende der Woche würde »TweetSheet« an die Börse gehen. Bis dahin musste Cash her. Die Nummer war ja angeblich bombensicher. Der Kurs würde binnen weniger Tage durch die Decke gehen, hatte ihr der Investment-Typ versichert, bevor er sich mit der Hand durch die schmierigen Haare gefahren war. Die Aktie werde ihren Wert im Handumdrehen verzehnfachen. Wer einen Teil vom Kuchen abhaben wolle, müsse schnell sein. Kaufen, verkaufen, zack, zack, zack. Der frühe Vogel fängt den Wurm. Bla, bla, bla. Und er kam sich ja so unglaublich smart und unwiderstehlich vor in seinem Maßanzug samt Einstecktuch. Fest stand: Sie brauchte das Geld. Sie brauchte es schnell.
»Vierzig Euro. Bitte sehr«, sagte eine Stimme mit Akzent.
Melisa blinzelte und sah nach vorn. Der Fahrer streckte ihr die Quittung entgegen. Sie nahm sie, öffnete die Tür und stellte ihre High Heels auf den Asphalt.
»Schönen Tag Ihnen«, sagte der Fahrer und grinste durch die Zahnlücke unter seinem buschigen Schnauzer.
»Ja, danke«, sagte Melisa, obwohl sie wusste, dass der Tag längst ruiniert war.
Sie glitt aus dem Wagen, schlüpfte in ihre silbern funkelnde Paillettenjacke, strich den Minirock glatt und wischte sich eine Strähne aus der Stirn. Dann gab sie der Tür einen Stoß und trippelte los.
Sie musste sich nicht extra umdrehen, um zu wissen, dass der Fahrer auf ihren Hintern starrte.
Sie trat in die Drehtür des Ärztehauses, im Inneren des Gebäudes wieder heraus und steuerte auf den Aufzug zu, der zwar noch auf der anderen Seite der Halle wartete, dessen Türen sich aber langsam in Bewegung setzten.
»Halt, warten Sie«, rief sie, und legte einen Schritt zu.
***
Nicki trug eine verwaschene Jeans, darüber schlabberte ein T-Shirt, dazu die ausgetretenen, ehemals blauen Sneakers mit den aufgeplatzten Nähten und dem gelben N an der Seite. Seine Haare waren ungewaschen, und in seinem Gesicht wucherte ein Vierzehn-Tage-Bart.
Er lehnte in der Ecke und hörte, wie das Klacken ihrer Absätze näher kam. Im Vorbeugen drückte er den Türöffner. Als er wieder aufsah, trat sie zu ihm in die Kabine.
»Danke«, sagte sie und schickte ein flüchtiges Lächeln hinterher. Auf ihrer Wange formte sich dabei eines dieser Grübchen, die meistens ziemlich sexy waren.
»Bitte«, sagte Nicki und richtete sich instinktiv auf.
Er beobachtete, wie sie ihren Finger mit dem lackierten Nagel auf die Taste mit der Drei bewegte, die Vier leuchtete bereits.
Sie hatte ausgeprägte Wangenknochen, dunkelbraune, fast schwarze Haare, die ihr in etwa bis zur Brust hingen. Die Augen leuchtend grün und schwarz umrandet. »Smokey Eyes« nannte sich das, wie Nicki seit Kurzem wusste. Ihre Nase war stupsig, mit einer ganz leicht angedeuteten Knolle an der Spitze, die, so kam es ihm vor, ziemlich vorlaut nach oben zeigte. Eine sehr geschmackvolle Nase, wie Nicki fand. War sicher nicht billig gewesen. Sie hatte volle, blassrosa geschminkte Lippen, und unter ihrer Bluse verbarg sich ein kleiner, runder Busen. Nur seine Form verriet er, und die machte einen kecken Eindruck.
Ihre Hüften waren schmal, die Beine filigran – soweit das von Nickis Platz aus zu erkennen war. Ohne ihre hohen Schuhe musste sie um die eins fünfundsiebzig sein, schätzte er. Gerade überragte sie ihn jedoch um einige Zentimeter. Alles in allem war nicht viel dran an ihr. Sie war wahrscheinlich Ende zwanzig, gut möglich aber auch, dass sie zu der Sorte Frau gehörte, die geschminkt deutlich älter wirkte. So wie fast alle jungen Frauen, wenn man’s genau nahm. Vielleicht war sie also gerade auch erst neunzehn geworden.
Aber welche Rolle spielte das, fragte Nicki sich. Sie waren zwei Fremde in einem Aufzug, deren Wege sich für die Dauer einer Fahrt über drei Etagen kreuzten. Er vergrub die Hände in den Hosentaschen und wartete sehnsüchtig, dass sie zu ihm sah.
Sie tat es erst, als der Aufzug zwischen der zweiten und dritten Etage mit einem Ruck stehen blieb, Nicki gegen die Fahrstuhlwand schwankte und er etwas lauter, als ihm lieb war, dachte: »Scheiße, sterben wir jetzt?«
Sie war scheinbar vollkommen ungerührt, hielt die Griffleiste fest und sah ihn mit ihren grünen Knopfaugen an.
Nicki war durcheinander. Ob allein deswegen, weil er bei ihrem Anblick – vom Todesgedanken mal abgesehen – plötzlich nur noch an Sex denken konnte, oder ob der stecken gebliebene Aufzug dabei auch eine Rolle spielte, vermochte er in diesem Moment nicht zu beurteilen.
Sein Blick wanderte zur Bedienungskonsole, wo er den Alarmschalter entdeckte, einen gelben Knopf mit einem Glockensymbol. Er sagte: »Müssen wir … Wir sollten jemanden verständigen, oder?«
»Können wir«, entgegnete sie scheinbar gleichgültig. »Aber die werden uns auch nur sagen, dass es gleich weitergeht.«
Nicki hatte ihren Mund beobachtet. Es waren wirklich sehr schöne Lippen. Vielleicht auch gemacht. Aber vor allem hatte sie eine Strenge an sich, die ihrer Mundpartie entsprang und alles andere als unattraktiv war.
»Bleibst du öfter im Aufzug stecken?«, fragte er.
»Eigentlich nur in dem hier. Aber das dafür ständig.« Sie fischte ein Schminkdöschen aus ihrer Handtasche und klappte es auf. »Ich denke mir immer, nächstes Mal, da nimmst du die Treppe. Aber was mache ich stattdessen beim nächsten Mal?«
»Du nimmst den Aufzug.«
Nicki grinste, weil er glaubte, er hätte mit Humor gepunktet, aber sie reagierte nicht. Das Offensichtliche zu kommentieren, war offenbar nicht ihre Art.
Er sah auf sein Telefon und stellte fest, dass er spät dran war. Als er seufzte, deutete sie den Laut falsch. Sie hob genervt die Brauen und sagte zu ihrem Abbild im Spiegel der Make-up-Dose: »Trust me, es geht gleich weiter.«
Dann schloss sie das Döschen, packte es weg und beachtete ihn nicht mehr. Die Unterhaltung schien beendet.
Nicki wandte seine Aufmerksamkeit dem Plakat zu, das an der Wand neben ihm hing. »Jeder kann Proband sein!«, war darauf zu lesen. Daneben eine Telefonnummer.
Es klingelte bestimmt eine Minute, bis jemand abnahm.
Nicki sagte: »Nicki Sommer, hallo. Ich hab einen Termin bei Ihnen. – Vor zwanzig Minuten. – Warum ich erst jetzt …? – Weil ich im Aufzug festsitze. – Ja, die Treppe, ja, ich weiß. – Vielleicht wär’s am besten, wir machen einen neuen Termin aus? – Was? In einem Monat erst? Können Sie nicht …? – Ja, okay. Wiederhören.« Er legte auf. »Scheiße.«
Nicki steckte sein Handy weg, und als er wieder zu ihr schaute, stellte er fest, dass sie das Plakat musterte. Es schien, als würde sie ihn erst jetzt als Person wahrnehmen, als sie ihn fragenden Blickes ansah und sagte: »Du testest Medikamente?«
Nicki nickte betreten. »Aber heut nicht mehr.«
»Ist das nicht creepy?«
»Du meinst, wie viel Bedeutung Pünktlichkeit in diesem Land zugemessen wird?«
»Ich meine, irgendwas zu schlucken und nicht zu wissen, was passiert.«
Nicki zuckte mit den Achseln. »Ist schon okay. Meistens zumindest.«
»Aber manchmal nicht?«
Nicki wunderte sich, was er von dem Frage-Antwort-Quiz halten sollte. Und woher es so plötzlich kam.
»Kann schon mal sein, dass sich da was entwickelt, was dann später unter ›Nebenwirkungen‹ steht«, sagte er und grinste wieder.
Sie verzog auch dieses Mal keine Miene. »Machst du das regelmäßig?«
»Na ja. Ich mach das, wenn ich Kohle brauch. Meine Karriere ist aber noch ganz am Anfang. Ich hab bisher nur ein Krebsmittel getestet.«
Sie hob erneut die Brauen an. »Du hast Krebs?«
»Nein.«
»Warum testen sie’s dann an dir?«
»Weil sie rausfinden wollen, wie man’s am besten verabreicht.«
»Und? Wie?«
»In Tablettenform, würd ich sagen.«
Sie nickte, dann fragte sie: »Kannst du denn nichts Richtiges? Hast du nichts gelernt? Nicht mal BWL studiert?«
Nicki fühlte, wie sein ohnehin nicht gerade aufgeblasenes Ego noch weiter schrumpfte.
»Es muss doch irgendwas geben, womit du ein bisschen Geld verdienen kannst«, sagte sie. »Medikamentenexperimente sind echt creepy.«
»Also wenn du ’ne bessere Idee hast …«, erwiderte Nicki, und sein Blick sagte: Nur raus damit.
»Ich hab ungefähr hundert bessere Ideen.«
Als sie lächelte, spürte Nicki, dass etwas Seltsames in ihm vorging. Er hatte Schmetterlinge im Bauch.
»Versuchshäschen spielen«, sagte sie, »das ist so strange.«
Nicki runzelte die Stirn. »Heißt das nicht Kaninchen? Versuchskaninchen?«
»Nein, Hasipups, es heißt Häschen«, erwiderte sie. Ihre Gesichtszüge waren jetzt weicher. Sie wirkte überhaupt nicht mehr streng. Sie holte kurz Luft und sagte: »Das ist sicher was Psychologisches bei dir. Hat deine Mommy dir die Brust gegeben?«
»Was hat das denn jetzt damit –«
Weiter kam er nicht. Es ging erneut ein Ruck durch den Aufzug, und sie setzten sich wieder in Bewegung. Diesmal hatte Nicki sich auch festgehalten.
»Du hast recht gehabt«, sagte er mit einem vorsichtigen Lächeln.
»Ich weiß.« Sie strahlte ihn an.
Der Lift stoppte in der dritten Etage.
»Also dann, farewell, Mr. Proband.« Sie zwinkerte ihm zu, klemmte sich ihr Täschchen unter den Arm und brach auf.
Nicki sah ihr nach. Es fühlte sich ganz und gar falsch an, sie einfach so gehen zu lassen. Flammen des Verlangens schlugen in ihm hoch, und es kam ihm vor, als wäre ein Gurt um seine Brust gespannt, der sich eng und enger zog.
Er machte einen Schritt aus dem Lift. »Und, wie lauten sie?«
Sie drehte sich mit fragendem Gesicht zu ihm um.
»Deine hundert Ideen«, erklärte er, während sich die Aufzugtüren hinter ihm schlossen.
Sie guckte ihn an. Länger, als man das normalerweise tat, und länger, als sie es bisher getan hatte. »Wie wär’s mit ’nem richtigen Job? Mit einem, bei dem auch was rumkommt.«
»Ich hatte einen – hab in ’ner Kneipe gearbeitet. Abgefuckter Laden. Rumgekommen ist nicht viel, aber es war ein richtiger Job, schätze ich. ›Rodeo‹, kennst du wahrscheinlich nicht.«
Sie schüttelte stumm den Kopf.
»War eh nur vorübergehend«, fuhr er fort. »Mit der Gastro bin ich durch.«
»Weil du jetzt ja was Besseres hast.«
Der bissige Unterton kam Nicki bekannt vor. Er fragte sich, ob es ihn beunruhigen sollte, dass sie ihn an seine Mutter erinnerte. Bevor er den Gedanken loswerden konnte, hörte er ihre Stimme. »Ich will noch mal runterfahren.«
Sie drückte den Rufknopf und schaute ihm tief in die Augen.
»Wohin denn?«, sagte er, bemüht, ihrem Blick standzuhalten, obwohl er bohrend war.
»Einfach runter. Ich fahre viel lieber runter. Es macht so ein Gefühl …«
Er hatte keinen Schimmer, wovon sie sprach. »Ach ja?«
»Ja, im Bauch, wenn der Aufzug losfährt.« Sie deutete auf ihr Brustbein. »Da.«
Nickis Blick folgte ihrem Fingerzeig und verweilte auf ihrem Dekolleté. Ihr Busen war wirklich keck. Sie war keck. Er mochte sie sehr.
Sie sagte: »Es ist einfach nicht dasselbe, wenn’s nach oben geht. Verstehst du? Wie in der Achterbahn.«
Nicki ahnte, welches Gefühl sie meinte, als sie ihm im Vorbeigehen zuzwinkerte. Er folgte ihr in die Kabine, und die Aufzugtüren schlossen sich hinter ihnen.
»Kann’s losgehen?«, fragte sie vorfreudig.
Nicki nickte, obwohl er ahnte, dass er nicht bereit war.
Sie griff seine Hand. Furchtbar zart. Wie ein Stück warme, feste Butter.
Sie drückte auf das E für Erdgeschoss und lächelte. Sie schien erregt zu sein. Als der Aufzug losfuhr, öffneten sich ihre Lippen, und sie zerquetschte ihm beinahe die Hand.
Nicki sah sie an und sagte: »Nach unten fühlt sich’s wirklich anders an.«
Und dann musste er sich darauf konzentrieren, keinen Ständer zu bekommen.
Um ihn herum herrschte absolute Stille, als würden Raum und Zeit nicht mehr existieren.
Er sah ihre smaragdgrünen Augen. Bemerkte, dass er es mochte, dass ihr Kinn nicht ganz symmetrisch war, sondern zu einer Seite leicht abfiel. Sah, wie ihr wunderschöner Mund sich bewegte.
Erst als sie ihm zuwinkte und dabei ein verwundertes Gesicht machte, wurde ihm klar, dass sie mit ihm sprach.
Er hörte sie: »Hallo? Jemand da? Ich glaube, das ist deine Etage.«
Sie schielte zur Seite, Nicki folgte ihrem Blick und sah in die menschenleere Empfangshalle. »Ja. Richtig.«
Er trat abwesend aus dem Lift, wollte etwas sagen, irgendwas im Sinn von, dass er gern mal wieder mit ihr Aufzug fahren würde oder so. Er wollte sie wiedersehen. Er wollte, dass sie ihn mochte. So, wie er sie mochte. Er sagte: »Also dann …«
Sie lächelte breit. »War nett, dich kennengelernt zu haben, Nicki Sommer.«
»Ja, dich auch.«
Obwohl er eigentlich nicht wollte, drehte Nicki sich um und lief los. Er hatte ohnehin keine Chance bei ihr.
In dem Moment sagte sie hinter ihm: »Weißt du schon, wo du heute zu Abend isst?«
Nicki blieb stehen und blickte sie mit großen Augen an. »Ähm … nein.«
»Es gibt Pierogi. Magst du?«
Sie wirkte mädchenhaft, fast verletzlich und ganz und gar unschuldig, fand er. Aber er hatte keine Idee, was Pierogi sein könnten.
Auch als sie anfügte: »Ich mach die mit Erdbeerfüllung und Vanillesoße«, änderte sich daran wenig.
»Klingt gut.«
»Klingt nicht nur gut, sondern schmeckt auch gut. Wir Polinnen sind gute Köchinnen. Um acht bei mir?«
»Okay«, sagte er und versuchte zu verbergen, dass er nicht glauben konnte, dass sie es ernst meinte.
Sie nannte ihm ihre Adresse, und als kurz darauf die Fahrstuhltüren zufuhren und sie sich mit einem zuckersüßen »Bis später, ich freu mich« verabschiedete, da fiel ihm gerade noch rechtzeitig ein, dass er ihren Namen noch gar nicht kannte.
»Wie heißt du eigentlich?«, fragte er.
***
»Ich heiße Melisa.« Sie lächelte. Er hatte angebissen.
Nicki war frisch geduscht. Er hatte ein blaugraues Hemd angezogen, darüber den speckigen Sommerparka. Die löchrigen, aber unheimlich bequemen Sneakers hatte er gegen Chelsea-Boots ohne Löcher getauscht. Er besaß nur zwei Paar Schuhe. Rasiert hatte er sich nicht, dazu war keine Zeit gewesen.
Er erreichte zeitgleich mit der U2 das Gleis. Da er keine Lust hatte, zum zweiten Mal am Tag in ein Ticket zu investieren, und wie immer spät dran war, ließ er es sein. Er stieg in die U-Bahn Richtung Alexanderplatz und bereute seine Entscheidung schon, als die Türen sich schlossen.
An jeder der folgenden Stationen stand er sprungbereit am Ausgang und beobachtete nervös, wer am Bahnsteig wartete und wer den Waggon betrat, um notfalls im letzten Moment zu verduften, sollten es Kontrolleure sein, die zustiegen. Sie waren in der Regel leicht zu erkennen, die meisten von ihnen sahen so aus, als hätten sie selbst noch nie für eine Fahrkarte bezahlt.
Kurz vorm Alex stieg ein Mann zu, der die neueste Ausgabe der Obdachlosenzeitung »motz« anpries und um eine »kleine Spende« bettelte, indem er einen auswendig gelernten Text runterratterte. Nicki hörte dem Mann nur mit einem Ohr zu und musterte dessen verwahrlostes Äußeres.
Obwohl der Fremde ihm leidtat, breitete sich Unbehagen in ihm aus. Er kannte das Gefühl inzwischen bestens. In den zurückliegenden Wochen, seit sein Vater ihn nicht mal mehr finanziell unterstützte und er im »Rodeo« rausgeflogen war, war es zu einem stetigen Begleiter geworden: Es war die Angst. Die Angst davor, gegen das Leben zu verlieren. Nicki wollte nicht als Verkäufer der »motz« im Berliner Nahverkehr enden.
Eine Minute später erreichten sie den Alex.
Nicki wühlte sich durch die herumschwirrende Menschenmasse in Richtung S-Bahn und löste ein Ticket am Automaten – um seinen Nerven eine Ruhepause zu gönnen. Als er in der S-Bahn Nummer sieben saß, bemerkte er, dass sich unter seiner Achsel ein dunkler Fleck gebildet hatte. Er war nach wie vor angespannt. Diesmal aber nicht wegen einer möglichen Fahrscheinkontrolle.
***
Nicki stieg am S-Bahnhof Grunewald aus. Die letzten anderthalb Kilometer musste er zu Fuß durch einen Stadtteil, in dessen Nähe er bis dahin noch nicht mal gekommen war. Er schien nichts verpasst zu haben. Abgesehen von den teuren Wagen, die in den Auffahrten der teuren Häuser mit ihren gepflegten Vorgärten standen, gab es in dieser spießbürgerlichen Gegend nicht viel zu entdecken.
Es erinnerte ihn alles stark an den Ort, wo er aufgewachsen war, an sein Elternhaus und an seinen Vater, Hans-Jürgen, der gerade entweder im Büro hinter einem schweren Schreibtisch saß oder auf dem Golfplatz stand, die lächerliche Sonnenschildmütze tief in die Stirn gezogen. Aber ganz egal wo er sich aufhielt, er würde unwahrscheinlich zufrieden mit sich selbst sein und jedem, der es hören wollte oder auch nicht, stolz von seiner Tochter Miriam erzählen, die an der Columbia University in New York studierte und sich vor den Scharen von Headhuntern förmlich verstecken musste.
Miriam war schon immer sehr ehrgeizig gewesen, würde er sagen, sie kam eben ganz nach ihm. Und dann würde jemand nach seinem Sohn fragen. Studierte Niklas nicht auch? Medizin war es doch, nicht wahr? Und Hans-Jürgens Gesicht würde dann nicht mehr so strahlen.
Sein Vater würde die lächerliche Mütze abnehmen und grummeln, dass es in jeder Familie eben bedauerlicherweise auch ein schwarzes Schaf gebe. Und dann würde er sich daran erinnern, dass er über Jahre hinweg monatlich tausend Euro in seinen Sohn investiert hatte, in der Hoffnung, er würde ein erfolgreicher Chirurg werden. Oder falls das nicht möglich war, dann wenigstens ein solider Orthopäde. Ihm würde wieder einfallen, wie er vor einem Jahr zufällig durch ein Schreiben der medizinischen Fakultät der HU erfahren hatte, dass sein Sohn bereits vor vier Semestern exmatrikuliert worden war. Er würde sich an ihren anschließenden Streit erinnern, daran, wie Niklas es gewagt hatte, ihm allen Ernstes ins Gesicht zu sagen, dass er einfach nicht geschaffen sei für ein Leben, das aus nichts weiter als Karriere, Eigenheim und Urlaub an möglichst weit entfernten Sandstränden bestand. Daran, dass sein eigener Sohn ein noch weit größerer Nichtsnutz und Versager war, als er bisher zu wissen geglaubt hatte.
Anschließend fiele ihm dann sicher noch ein, wie er Nicki gesagt hatte, er solle sich bloß nie wieder zu Hause blicken lassen. Und konsequenterweise noch am selben Tag den Dauerauftrag stornierte.
Und dann würde er sich wie immer selbst bemitleiden. Schließlich wollte er stets nur das Beste für seine Kinder. Und an Miriam sehe man ja, dass er sich nichts vorzuwerfen habe, was seine Erziehungsmethoden anging.
Er würde die lächerliche Mütze wieder aufsetzen, sie zweimal korrigieren, vermutlich, damit sie auch wirklich lächerlich aussah, und dann wäre das Thema beendet.
Nicki hatte nicht die geringste Lust, sich diesen Scheiß vorzustellen, und tat es trotzdem immer wieder. Er bereitete dem ein Ende, indem er sich darauf konzentrierte, in den Straßen, die alle gleich aussahen, nicht die Orientierung zu verlieren.
***
Es dämmerte schon, als er sein Ziel erreichte: eine dreistöckige neoklassizistische Villa, wie sie oft am Rand von Großstädten zu finden war. Mit spitzem Giebel über dem Eingangsbereich, weiß und grau gestrichener Fassade und hohen Fenstern. Diese hier war so weit von der Straße zurückgesetzt, dass man im Vorgarten ohne Probleme ein weiteres Einfamilienhaus hätte unterbringen können. Um das Grundstück herum führte eine zwei Meter hohe Mauer mit einer eisernen Eingangstür. Auf den rechtwinkligen Säulen, die die Einfahrt rahmten, standen Lampen im Stil alter Straßenlaternen. Alles war so sauber, dass Nicki glaubte, Chlor zu riechen.
In das vergoldete Klingelschild neben dem Gartentor war »Dr. Dr. D. Dietze« eingraviert.
Nicki warf einen Blick auf die Notiz, die er sich gemacht hatte. Er war hier richtig, kein Zweifel. Da Melisa ihren Familiennamen nicht verraten hatte, war dieser Dr. Dietze bestimmt ihr Vater. Sie wohnt eben noch zu Hause, erklärte Nicki sich selbst und betätigte die Klingel.
Nach einer Weile meldete sich eine männliche Stimme über die Gegensprechanlage: »Ja?«
»Ich bin’s, der Nicki«, sagte Nicki. Er klang nicht cool. »Niklas Sommer«, schob er nach, um zu retten, was zu retten war. »Ich bin mit Melisa verabredet.«
Nachdem das Tor sich mit einem Summen geöffnet hatte, folgte er dem gepflasterten Weg, der schnurstracks zur Villa führte. In der Auffahrt parkten eine steingraue S-Klasse und ein Range Rover Vogue in derselben Lackierung. Nicki fragte sich, ob der Porsche Boxster, der draußen auf der Straße stand, wirklich nur zufällig dieselbe Farbe wie die anderen beiden Wagen hatte.
Als er die Stufen erreichte, die hinauf zur Haustür führten, kam ihm ein dicker Mann in einer schwarzen Cordhose und einem beigen Pullover entgegen. Auf seiner Nase saß eine Brille mit schmalem Metallrahmen, durch die er Nicki unverhohlen abschätzig musterte.
Nicki streckte die Hand aus. »Hallo.«
Der andere rührte sich nicht. »Sie sind unpünktlich.«
»Echt? Waren wir …?« Nicki zog die Hand zurück und warf einen Blick auf die Uhr seines Telefons. Es war nicht mal zwanzig nach acht.
Unterdessen sagte der Mann: »Kommen Sie rein.« Es klang nicht wie eine höfliche Einladung.
Als Nicki neben ihn trat, merkte er, dass der Fremde einen halben Kopf kleiner war als er selbst. Außerdem zog sich ein Seitenscheitel durch sein lichtes graublondes Haar, das am Ansatz verschwitzt war. Er wog geschätzt um die hundertzwanzig Kilo und wirkte wie Mitte sechzig.
Der Dicke schloss die Tür hinter ihm. »Hier entlang.«
Als Nicki ihm folgte, fiel sein Blick unweigerlich auf die ausladenden Hüften und das speckige Hinterteil, das in der zu engen Cordhose vor ihm hin- und herwackelte.
Sie durchquerten eine Eingangshalle auf eine imposante Treppe zu. Die mündete etwa nach der Hälfte in einen weitläufigen Treppenabsatz und teilte sich dort. Zwei separate Treppen, eine nach links, eine nach rechts geschwungen, führten nach oben. Der Anblick erinnerte Nicki an alte Schwarz-Weiß-Filme, die an der Ostküste der USA spielten.
Der Dicke ging weiter, trat durch eine Flügeltür, hinter der sich ein weiterer Raum auftat – offenbar das Wohnzimmer. Er deutete auf einen von mehreren weißen Sesseln, die einem riesigen Sofa gegenüberstanden. »Nehmen Sie Platz.«
Nicki setzte sich und verfolgte, wie der andere auf eine Minibar am Ende des Raumes zusteuerte und dort nach einer Whiskyflasche griff. »Für Sie auch einen?«
»Nein danke«, sagte Nicki und sah sich interessiert um. Weiß verputzte Wände, weiße Stuckdecken, ein weißer Teppich unter dem Sofa und weiße Stehlampen, weiße Regale, weiße Beistelltische … Nur die Stiele der weißen Tulpen, die in einer weißen Vase auf dem weißen Esstisch neben ihm standen, waren grün.
Der Dicke drehte sich, Flasche und Glas in der Hand, zu Nicki, hob dabei den zwei Fingerbreit gefüllten Tumbler. »Ihnen entgeht was, das ist ein Jahrhundert-Scotch. Ein Highland Malt, der seinesgleichen sucht.« Sagte es und kippte das Zeug in einem Schluck hinunter. Anschließend machte er »Ahh!«, als wäre Nicki sein Publikum.
Er ließ sich in einen Sessel sinken, von dem von da an nichts mehr zu sehen war, und stellte das leere Glas und die Flasche ab. »Ich habe die letzten zehn Flaschen ersteigert und mir selbst zum Geburtstag geschenkt.«
Nicki tat ihm den Gefallen und lächelte höflich. Insgeheim fragte er sich, wie lange es noch dauerte, bis der Sessel unter der Last zusammenbrach.
Der Dicke sagte: »Lissi liegt mir schon seit Monaten in den Ohren. Ich bin ja nach wie vor dagegen. Sie haben es lediglich der Tatsache zu verdanken, dass Sie um einiges günstiger als Ihre Kollegen sind, dass ich mich habe überreden lassen. Wobei ich grundsätzlich der Meinung bin, wer etwas von sich und seiner Arbeit hält, der verlangt auch einen entsprechenden Preis. Das hier wird jedenfalls nur ein unverbindliches Beratungsgespräch. Das hat sie Ihnen hoffentlich im Vorfeld mitgeteilt.«
Nicki schüttelte kaum merklich den Kopf. Wovon redete der Typ?
Der Dicke betrachtete zufrieden den Inhalt seines Glases und tat nicht mal so, als interessierte er sich für eine Antwort. Als er fortfuhr, wurde Nicki schnell klar, dass er einer von jenen war, die es liebten, sich selbst beim Reden zuzuhören. Der Dicke brauchte keine Antworten, alles, was er brauchte, war ein Zuhörer, der nicht weglief.
Er sagte: »Ich persönlich kann der Farbe Weiß ja einiges abgewinnen. Ich fühle mich wohl in weißer Umgebung. Ich mag die Reinheit, die von Weiß ausgeht. Es ist makellos. Es beruhigt meinen Drang nach Perfektion. Ähnlich wie es symmetrische Gesichtszüge und perfekte Körper tun. Wussten Sie, dass Ärzte bis Ende des 19. Jahrhunderts Schwarz trugen?«
Nicki machte offenbar ein recht dummes Gesicht, denn der andere sah sich zu einer Erklärung veranlasst. »Ich bin Schönheitschirurg. Es wurde erst kürzlich über mich berichtet. Eigentlich wird ständig über mich berichtet. Sie haben bestimmt schon von mir gehört.«
Er deutete hinter sich, auf eine nicht zu übersehende goldene Statue, die mit ausgebreiteten Flügeln im Regal posierte. »Das ist die Beauty Trophy 2017«, erläuterte er. »Sie wurde mir verliehen, weil ich eine innovative Methode zur Brustvergrößerung mit Eigenfett entwickelt habe.«
Nicki nickte freundlich, um beeindruckt zu wirken, und sah zu, wie der Dicke sich ein weiteres Glas Jahrhundert-Scotch eingoss. »Sagen Sie, Herr Sommer, wie finden Sie Melisas Busen?«
»Was?« Ein ungläubiges Augenblinzeln von Nicki.
»Ihr Busen. Ich habe ihn vergrößert. Zu einem vollen B-Körbchen.« Der Dicke nahm noch einen Schluck und sah ihn erwartungsvoll an.
»Ich … fand ihn … keck«, sagte Nicki.
Der Dicke musterte ihn skeptisch, und Nickis Gefühl, das bis zu diesem Augenblick zwar beharrlich, aber leise protestiert hatte, rief ihm mit ganzer Kraft zu, dass hier irgendetwas so gar nicht stimmte. Nicki sagte: »Wir haben uns noch gar nicht … Sind Sie … sind Sie Melisas Vater?«
Ein Grinsen breitete sich im Gesicht des Fremden aus, das zu einem lauten, unangenehmen Lachen anwuchs und sein speckiges Doppelkinn wabbeln ließ.
»Ja, Herr Sommer«, grölte er, »ich bin ihr Sugardaddy.«
Der Dicke lachte noch immer speckwurmmäßig vor sich hin, als in Nickis Rücken die Tür aufschwang. Er wandte sich um und erblickte Melisa, die wie ein Engel in den Raum schwebte. Es war ihm im Aufzug nicht aufgefallen, aber durch die hohen Absätze ihrer Schuhe hatte sie nicht nur unwahrscheinlich sexy Beine, sie wirkte auf gewisse Weise auch gefährlich. Das gefiel ihm.
Nicki erhob sich instinktiv aus dem Sessel.
»Das Weiß, ich weiß.« Melisa winkte entschuldigend, während sie näher kam. Als sie ihn erreichte, blieb sie dicht vor ihm stehen und gab ihm Küsschen links und rechts auf die Wangen.
Nicki atmete Melisa ein. Sie roch nach zarten Orangenblüten, frisch gemahlenem, kräftigem Kaffee und süßlicher Vanille.
Sie machte einen halben Schritt rückwärts und sah sich um. »Ätzend, oder? Ich wollte längst alles rauswerfen.«
Sie bedachte den Dicken, der stumm in seinem Sessel hockte und am Whisky schnüffelte, mit einem abschätzigen Seitenblick.
Nicki war froh, sie zu sehen. Auch weil sie ihm hoffentlich gleich erklären würde, was hier warum schieflief.
Doch bevor er seine Frage formulieren konnte, meldete sich der Dicke zu Wort: »Melisa gibt leidenschaftlich gern das Geld anderer Leute aus, müssen Sie wissen. Vornehmlich meins.« Er fixierte sie. »Aber wer könnte diesem hübschen Köpfchen einen Wunsch ausschlagen? Nicht wahr, Lissi?« Er grinste widerlich.
Melisa grinste nicht, als sie sagte: »Disgusting, Diederich, disgusting.«
Er nahm es mit einem gleichgültigen Schulterzucken hin und nippte an seinem Drink.
»Was willst du trinken?«, fragte Melisa Nicki.
»Er will nichts, hat er gesagt«, mischte sich der Dicke ein, während er seinen bernsteinfarbenen Edeldrink im Gegenlicht schwenkte.
Melisa und Nicki taten beide so, als hätten sie nichts gehört.
»’ne Cola«, sagte Nicki.
Melisa sah ihn schräg von der Seite an. »Ernsthaft, ’ne Cola?«
Unterdessen hatte der Dicke den restlichen Scotch in sich hineingekippt. »Ich muss los, Rotarier-Treffen«, sagte er, während er sich abmühte, seine Hose mit beiden Händen über seinen Wanst zu ziehen. »Würde mich sehr wundern, wenn wir uns wiedersehen.«
Als der Dicke schwerfällig loswalzte, glaubte Nicki zu spüren, wie der Boden unter seinen Füßen vibrierte.
»Goodbye, Mr. Sommer« – und weg war der dicke Diederich.
Nickis Befürchtung, dass der Dicke zurückkehren könnte, nur um ihm zu widersprechen oder ins Wort zu fallen, war vielleicht irrwitzig, aber durchaus begründet. Und so wartete er ab, bis die Haustür ins Schloss fiel, ehe er es wagte, den Mund wieder aufzumachen. »Was stimmt hier nicht?«
»Was soll nicht stimmen, Hasipups?«, erwiderte Melisa.
»Kam mir irgendwie so vor, als dachte der Dicke, ich würde das Haus einrichten wollen.«
Draußen sprang ein Motor an, ein Auto fuhr aus der Auffahrt.
Melisa sagte: »Ja, klar.«
Nicki wartete eine Zeit lang, aber es kam nichts mehr von ihr.
»Er … er ist dein Freund, oder?«, fragte er schließlich.
Sie blickte ihn ungläubig an. »Was dachtest du? Mein Vater?«
»Um ehrlich zu sein –« Nicki unterbrach sich selbst. Er hatte nicht nachgedacht, als er es hätte tun sollen – was zu einem Zeitpunkt gewesen wäre, als es noch hilfreich hätte sein können. Inzwischen war dieser Zug abgefahren. »Versteh mich nicht falsch, aber ich glaub, ich hau ab.« Er stand auf. »Ich find allein raus.«
Melisa hielt ihn fest, und er spürte ihre butterweichen Hände. Sie cremte sie sicher mehrmals täglich ein. Und mit einem Herzensbrecherlächeln zwitscherte sie: »Komm, wir gehen schwimmen.«
Nicki sagte nichts, aber er blickte wohl ziemlich blöd aus der Wäsche, denn Melisa ahmte ihn nach, indem sie den Mund öffnete und die Augen weit aufschlug. Halb fragte sie, halb bestimmte sie: »Du kannst doch schwimmen.«
Er nickte, und sie zog ihn mit sich.
***
»Ich zieh mir nur schnell was Passenderes an. Du kannst schon ins Wasser.«
Nicki sah sie entgeistert an. »Ich hab keine Badehose dabei.«
Melisa stemmte die Hand in die Hüfte, knickte ein Bein ein – eine herausfordernde Pose mit dazugehörigem Blick. »Und?«
»Ohne Badehose kein Baden«, sagte Nicki.
Sie schüttelte den Kopf, als hätte er etwas durch und durch Abwegiges von sich gegeben, und verschwand hinter einem Paravent, der sich am Rande der Terrasse befand.
Nicki blieb zurück. Einige Strahler, die im Boden steckten, warfen schwaches Licht auf die Sandsteinplatten. Der mit hellblauem Wasser befüllte Pool, der sich an die Terrasse anschloss, war ein reizvoll schimmerndes Versprechen. Ansonsten nur Dunkelheit ringsum. Als säße Nicki auf einer Insel in einem Meer aus Schwarz. In der Ferne erhellte ein Schleier, der sich Nacht für Nacht um das erleuchtete Berlin hüllte, den Horizont. Die Stadt, in der es niemals Nacht war.
Melisa kam zurück, es hatte wirklich nicht lange gedauert. Sie trug ein winziges Höschen und ein nicht minder winziges Bikinioberteil.
»Du stehst ja immer noch da«, sagte sie. Lief mit tanzenden Hüften und durchgestrecktem Rücken zum Pool, tauchte in das glitzernde Nass ein und schwamm bis zum gegenüberliegenden Ufer.
Sie hielt sich mit einer Hand am Beckenrand, mit der anderen strich sie sich die wassergetränkten Haare aus dem Gesicht. »Das Wasser ist herrlich, komm rein.«
»Nee, lass mal.«
Sie nahm es hin und stieß sich mit den Beinen vom Beckenrand ab. Nicki beobachtete sie, wie sie geschmeidig durch den Pool glitt.
Einige Bahnen später kletterte sie über die Leiter aus dem Pool. Das Wasser rann über ihren Rücken, nahm die Kurve über ihren runden Po und lief schließlich ihre schlanken, aber muskulösen Beine hinab. Melisa hielt auf der letzten Sprosse inne, griff die äußere Naht ihres wirklich sehr sparsamen Höschens und zog es auf beiden Seiten nach außen, dorthin, wo es hingehörte. Fehlte wirklich nur, dass sie ihr Haar in Zeitlupe schleuderte. Leider tat sie es nicht.
Stattdessen ging sie zu einer Liege, von denen zwei auf der Terrasse standen, griff ein Handtuch, steckte ihren Kopf hinein und rieb sich das Haar.
Sie war vollkommen. Ihre Proportionen, die Form ihres Körpers, wie sie sich bewegte – Melisa war der fleischgewordene goldene Schnitt. Nicki konnte sich nicht vorstellen, dass eine griechische Statue existierte, die auch nur annähernd so perfekt war.
Als sie sich auf die Liege setzte und ein Bein anwinkelte, sah Nicki die Innenseite ihres feuchten Oberschenkels. Das war zugleich der Moment, in dem er seine schweißnassen Hände bemerkte. Er hatte sich lange nicht mehr so unsicher gefühlt.
Melisa winkte ihn lächelnd herbei. »Setz dich, chillax dich, nimm dir ’nen Keks.«
Nicki blieb stehen und sagte: »Melisa, ganz ehrlich, ich weiß nicht, was das soll.«
Ihr Lächeln verflog. »Hasipups, warum bist du jetzt so?«
»Warum ich so bin? Im Ernst?«
Sie machte ein ahnungsloses Gesicht.
»Erst lädst du mich zum Essen ein und dann … Ich meine, nur weil ich irgendwelche Pillen schlucke, heißt das nicht, dass ich … Und wann wolltest du mir eigentlich sagen, dass du ’nen Freund hast?«
Das ahnungslose Gesicht verschwand, ein vorwurfsvolles nahm seinen Platz ein. »Verstehe«, sagte sie. »Du dachtest, wir ficken.«
Nicki zögerte.
Sein Schweigen schien ihr Antwort genug. »Und ich blöde Kuh hab gedacht, du bist anders.« Ihr Blick wanderte in die Dunkelheit.
Nicki fühlte sich schlecht. Aber er wusste, egal was er jetzt sagen würde, es würde alles kaputt machen.
»Ich hab gleich was gespürt im Aufzug«, sagte Melisa in die Nacht hinein. »So ein Gefühl, dass das kein Zufall ist, weißt du, sondern Schicksal. Wir sollten uns begegnen.«
»Ich glaub nicht an Schicksal«, erwiderte Nicki.
»Ich dachte, du bist der, der mich rettet.« Sie lächelte ihn traurig an. »Da hab ich mich wohl geirrt. Schönen Abend noch.«
»Ich soll dich retten?« Er klang genauso ahnungslos, wie er war. Jedenfalls in seinen eigenen Ohren.
Sie stand von der Liege auf und stellte sich dicht vor ihn. Er presste die Lippen fest aufeinander. Es kam ihm vor, als würde eine unsichtbare Anziehungskraft von dieser Frau ausgehen, die ihn mit aller Macht auf sie zuschob.
Sie sagte: »Schau mir in die Augen.«
Nicki sah in ihre grünen Augen.
»Diederich ist eifersüchtig. Hochgradig eifersüchtig. Es ist krank. Ich will weg von ihm. So schnell es geht und so weit wie möglich.« Sie sagte es mit einer Schwermut, die er ihr nicht zugetraut hätte.
»Warum verlässt du ihn nicht?«, fragte er.
»Er lässt mich nicht gehen.«
»Er kann dich ja schlecht gegen deinen Willen festhalten.«
Melisas Blick verriet ihm, wie falsch er lag.
»Du verstehst das nicht. Du kennst ihn nicht. Du kannst dir nicht vorstellen, wozu er fähig ist.« Sie machte eine Pause. »Ich weiß, was du denkst. Du denkst, die spinnt, was will die überhaupt, hat doch alles – wohnt in einer Villa, hat Schmuck, teure Klamotten, einen noch teureren Körper, fährt einen Porsche … Aber die Wahrheit ist, ich bin die im goldenen Käfig. Obwohl, nein, das stimmt nicht, das nehme ich zurück. Es ist mehr als ein Gefängnis. Ich lebe im Traum des Traums eines Geisteskranken. Auch bekannt als: die Hölle.«
Sie setzte sich mit schlaffen Schultern zurück auf den Rand der Liege. »Selbst wenn ich es irgendwie schaffen würde, von hier wegzukommen, ich wüsste ja gar nicht, wohin. Oder was ich dann machen soll.« Eine Träne fand den Weg auf ihre Wange. »Ich könnte den Schmuck verticken, klar, aber was dann? Das Geld wäre nach ein paar Monaten aufgebraucht. Nein, ich bräuchte mehr. Ich bräuchte so viel, dass ich davon leben könnte. Irgendwo im Ausland.«
Nicki hockte sich ihr gegenüber auf die zweite Liege. »Also wenn’s um Geld geht, bin ich der falsche Ansprechpartner.« Er versuchte sich an einem aufmunternden Grinsen.
Melisa schniefte. »Manchmal stelle ich mir vor, wie eine Flutwelle mich wegreißt, mich wegspült und ans andere Ende der Welt trägt. Weit weg von Berlin, weit weg von Diederich Dietze.«
Nicki wusste nicht, ob er sie richtig verstand. »Und du dachtest, ich könnte diese Flutwelle sein, die dich wegträgt?«
Sie sah zu ihm. »Würdest du?«
Auf einmal lag ein Strahlen in ihren Augen, das er lange nicht gesehen hatte.
Er wusste noch immer nicht, wovon sie redete, tat aber erst mal so, um ihr die Hoffnung nicht sofort wieder zu nehmen. »Wenn ich wüsste, wie ich es anstellen soll. Vielleicht, wer weiß?«
»Das ist ganz einfach, das kann ich dir sagen.«