Zweites Drittel - Alex Gfeller - E-Book

Zweites Drittel E-Book

Alex Gfeller

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Beschreibung

Dass endlich auch das als eher lästig und unangenehm empfundene Sterben reglementiert worden ist und somit sauber und klar geordnet und sogar zeitlich steuerbar, will heissen, voraussehbar und vorausberechenbar, also planbar und terminierbar gemacht worden ist, wird allseits freudig begrüsst. Endlich wird nämlich geplant und geordnet gestorben, also zeitlich berechenbar und formal kontrolliert. Alex Gfeller, Schriftsteller und Landschaftsmaler, geboren 1947 in Bern, lebt in Biel.

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für Hermann Burger

„Die Luftpumpe“, wie der örtliche Führer, der Große Verheizer der FB, der Freiheizlichen Bewegung, der Große Steuermann, der Große Leitbildler, der Große Postbote von seinen allerdings nur noch sehr wenigen und allmählich endgültig verstummenden, doch nach wie vor erbitterten Gegnern, also von seinen neidischen Postkollegen auf der Hauptpost genannt wird, wo er seit jeher als Postbote arbeitet, weil er angeblich nur warme Luft pumpt, der Große Kommunikator also, das lebenslange Ehrenvorstandsmitglied des örtlichen IFFE, also des BIFFE, ist gleichzeitig der unbestrittene Ideologe der örtlichen FB, ein wahres Genie der Ausrede, ein schlau berechnender Kontorsionist, ein dialektischer Slalomfahrer, ein geschickter Prestidigitateur und zudem, was unumgänglich ist, ein leidenschaftlicher Selbstdarsteller. Er ist immer gut für jeden öffentlichen Zirkus, denn öffentliche Auftritte sind seine einzige und wahre Leidenschaft.

Er stellt als ideologischer Leitplankler der FB den klassischen Prototypen eines mental zu kurz gewachsenen, dafür enorm ehrgeizigen, von sich selbst unerhört voreingenommenen und deshalb geradezu erschreckend skrupellosen, doch gleichzeitig auch völlig ungeeigneten Aufsteigers und Angebers dar, der bereits dann hemmungslos von seinen spitzen Ellenbogen und platten Füßen Gebrauch macht, wenn es nur ums gewöhnliche und belanglose Rechthaben gegangen ist, und der, wie alle kleinen Leute, die sich eher unlauter hochgemogelt, denn strebsam hochgearbeitet haben, also recht eigentlich hochgeschlängelt und ganz besonders gnadenlos nach unten strampelt haben, und dies nicht nur, weil ihm diese bewährte Methode tatsächlich weitergeholfen hat, sondern auch deshalb, weil sie ihm zusätzlich viel Spaß, enorme Genugtuung und größte persönliche Befriedigung bereitet hat, und zwar reinste Selbstbefriedigung, wie wir durchaus zu Recht vermuten dürfen. Genau das braucht die FB, genau das macht sie so populär, weil an ihrem sicheren Busen das geistige Wichsen alle, wirklich alle nachvollziehen und verinnerlichen können. Kurz, der Halbtags-Postbote mag es einfach, andere Leute in tiefste Verzweiflung stürzen zu können, denn das entzückt ihn auch sexuell, nicht nur ideell, und so kann er in seinen zahllosen Interviews durchaus wahrheitsgetreu vermelden: „Ich bin von meiner verantwortungzvollen Aufgabe völlig erfüllt, und ich bin ihr mit jeder Fazer meinez Körperz treu ergeben. Biz in den Tod!“

Genau dieses emotionale Engagement bestätigt ihn jedes Mal von neuem in seiner schon lange gehegten, überaus kleinlichen und natürlich völlig falschen, aber nachhaltigen Annahme, als wahrhaft außergewöhnlicher Auserwählter zu etwas Besonderem, zu etwas Besserem, nämlich zu etwas Höherem, ja, zu Historischem berufen zu sein. Er bedauert es allerdings insgeheim sehr, dass er weder in der Öffentlichkeit, noch im beruflichen Bereich, ja, nicht einmal bei internen Veranstaltungen der FB, auch nicht in geschlossener Gesellschaft außer in seiner ausgetragenen, simplen, lächerlich saloppen und geradezu peinlich modernen Postbotenuniform nicht auch in einer anderen, nämlich in einer eindrücklicheren Uniform, also in einer klassischen Partei-, Parlaments- oder gar Staatsuniform auftreten darf. Er mag nun mal Uniformen, denn Uniformen geben ihm fühlbar Halt. So eine prächtige Admiralsunifom mit vielen goldenen Streifen, silbernen Tressen und einem schönen Federbusch, wie sie zum Beispiel italienische Gala-Carabinieri tragen dürfen oder wie sie bei großen Umzügen vor dem Buckingham Palast bewundert werden können, oder aber, als Kontrast interessanter dazu, eine schwarze Bomberjacke mit vielen geheimnisvollen Emblemen, hohen, weiß geschnürten Schaftstiefeln und gefleckten Kampfhosen mit großen Seitentaschen für den Alltag, das würde er schon sehr gerne tragen wollen, bestimmt, denn das würde in seinen Augen für die ganze Bewegung gewaltig etwas hergeben, rein optisch, rein auftrittsmäßig, von wegen Corporate Identity, sagt er sich in seinem tiefsten Innersten immer wieder – wenn er denn nur dürfte. Er ist halt der geborene Propagandamensch.

Doch ausgerechnet dieser tiefe und innige Uniform-Wunsch muss vorderhand sein privates, also ganz persönliches Geheimnis bleiben, denn man hat ihm in der Werbeabteilung der FB eindringlich davon abgeraten. Es ist zwar nicht ausdrücklich verboten, Uniformen zu tragen, solange es sich nicht um fremde, also um ausländische Uniformen handelt, behüte, denn sogar die organisierten Marsch- und Blasmusiken tragen ja welche, die Heilsarmisten tragen welche, die Pfadfinder tragen welche, die Kontrolleure in Bahn und Bus tragen welche, die Zöllner tragen welche, die Hotelportiers tragen welche, die Museumswärter tragen welche, die Billettabreißer und Platzanweiser in den Theatern, Kabaretts, Konzerten und selbst in älteren Kinos tragen welche, und natürlich die Polizisten, die Politessen, welche die Parkbußen verteilen, die Zählerableser, die Armeeangehörigen und die Gaskontrolleure.

Auch betont komische, gar lustige Uniformen wie am Karneval sind nicht verboten, bewahre! Bunte Seeräuberuniformen, pompöse Segelschiffkapitänsuniformen, aber auch völlig übertriebene Polizeiuniformen, gestreifte Sträflingsuniformen, historische Feuerwehruniformen oder altertümliche Kavallerieuniformen sind alle erlaubt, aber eben leider nur am Karneval und nur in den diversen Swingerklubs in Benne-les-Bains drüben, wenn dort einer dieser überaus beliebten FKK-Maskenbälle angesagt ist, oder wenn die Tunten Party feiern.

Aber genau hier liegen seines Erachtens die schreiende Ungerechtigkeit und die ganze Unlogik der ihm nach wie vor unverständlichen, öffentlichen Uniformunwilligkeit. Sich nämlich mit etwas Derartigem in aller Öffentlichkeit außerhalb des Karnevals lächerlich zu machen, musste er sich von den PR-Betratern der Bewegung und vom Schwänzelbolzen von der PR-Agentur immer wieder sagen lassen, wäre genau das Gift, wäre genau die Zyankalikapsel, die ihm seine zwar mehrheitlich nur eingebildeten Widersacher im Ausland schon seit langem wünschen. Nur deshalb verzichtet er zerknirscht, wenn auch schweren Herzens, auf das öffentliche Tragen von hierzulande eigentlich unüblichen Parteiuniformen, und er beschränkt sich in seiner knappen Freizeit auf einen schweren, schwarzen, fast knöchellangen Ledermantel aus alten Gestapobeständen, den er auf dem Flohmarkt des beiler Stadttheaters nach einer seinerzeit polizeilich abgebrochenen Brecht-Matinée wegen Volksverhetzung („Furcht und Elend des Dritten Reiches“) günstig erworben hat und den er bei schlechtem Wetter vorzugsweise mit hochgeschlagenem Kragen trägt, zusammen mit hohen Schaftstiefeln, was ihm ein deutliches Gefühl von Sicherheit, wenn nicht gar ein gutes, solides, also richtig körperhaftes Gefühl von Macht verschafft, die Hände trotzig in die tiefen, etwas ausgebeulten Seitentaschen gesteckt.

Auf diesen Mantel ist er aus rein sentimentalen Gründen mächtig stolz, weil er authentisch ist, und er fühlt sich auch dementsprechend gut, wenn er in diesem abgewetzten Uniformstück seine vier schwulen Deutschen Schäferhunde Heinrich, Adolf, Hermann und Joseph zum Scheißen ausführt. Denn seinen geheimsten Wunsch, der Wunsch nach einer richtigen Uniform also, erfüllt er sich trotzdem ab und zu, wenn auch nur in ganz und gar privatem Rahmen, wenn er nämlich zu Hause bei abgeschlossener Haustür und zugezogenen Vorhängen vor dem großen Wandspiegel seine Rednerposen übt, wie er sie seinerzeit als Jungfreiheizlicher im internen Weiterbildungskurs „Öffentliche Auftritte für Jungfreiheizliche leicht gemacht“ erlernt hat. Dann stellt er sich in der schmucken Galauniform mit den goldenen Streifen und Tressen, die er sich aus Überschuss-Beständen der alten Beiler Marsch- und Blasmusikgesellschaft selbst geschneidert hat, vor dem deckenhohen Spiegel in Pose und hält, ganz für sich alleine und nur übungshalber, Brandreden gegen alles und jedes, was seiner und natürlich auch der freiheizlichen Meinung nach einem prosperierenden Fortkommen hinderlich sein könnte, nämlich gegen das übermächtige Ausland und das omnipräsente Quartett der Schein, der Pseudo, der Angeblichen und der Sogenannten. Ihnen gibt er rundweg die Schuld an allem, was ihm einfällt und nicht gefällt, und es gibt vieles, was ihm nicht gefällt, vor allem aber die Schein, die Pseudo, die Angeblichen und die Sogenannten selbst, versteht sich, also die Scheinscheinländer, die Pseudinvaliden, die Angeblichen Freiheizlichen und die Sogenannten Arbeitslosen. Sie sind seine klassischen Zielobjekte und seine bevorzugten Prügelknaben, denn sie können sich praktischerweise nicht oder bereits nicht mehr wehren.

Nemesis will jetzt nicht an all seine schäbigen und kläglichen Bubenstücke, an all seine bösartigen und hinterhältigen Machenschaften und an all seine üblen und verdeckten Missetaten erinnert werden, die sich immer und ausschließlich gegen Arme und Wehrlose gerichtet haben, gegen Schutzlose, Hilflose und Rechtlose, weil dies seine einzige politische Praxis ist, die er konkret drauf hat und beherrscht; sie will nur noch möglichst bald herausfinden, wie man einen dreckigen Wicht wie ihn effizient entfernt, denn anders kann sie diesen ihren göttlichen Auftrag, also ihr gegenwärtiges Vorhaben, nicht umschreiben. Sie ist ganz besonders befriedigt darüber, dass es ausgerechnet ihr obliegt, diesen üblen und fiesen Typen, von denen es leider in dieser Gesellschaft seit jeher immer viel zu viele gegeben hat, wenigstens in der widerlichen Person von Mister Luftpumpe, oder, nach anderer Lesart, nämlich nach der Lesart seiner zahllosen männlichen und weiblichen Bewunderer in Beil-Ben-ne, in der Person des Großen Steuermannes, des Großen Führers, des Großen Freiheizlichen, des Großen Vorsitzenden, des Großen Verheizers, des Großen Postboten oder des Großen Kommunikators möglichst endgültig und dauerhaft von der übrigen Menschheit entfernen zu dürfen, und sie wird sich, so nimmt sie sich jetzt schon fest vor, eine ganz besonders exquisite Methode ausdenken, um ihn, den genialen Verfasser des epochalen Werkes „Beiler Leitlinien und Leitideen der freiheizlich-demokrazischen Leitkultur“, den sog. „Leizlinien“, wie die Leute sagen – alle Einwohner von Beil und Benne haben diese „Leitlinien“ seinerzeit auf Kosten der Stadt zugesandt bekommen – unwiderruflich und restlos von der Erdoberfläche und somit vom Angesicht der geplagten Menschheit wegzuputzen.

Der Große Verheizer ist ein ganz gewöhnlicher uniformierter, aber schlecht bezahlter Postbote, also ein „Briefträger“, wie man hierzulande sagt, obschon er hauptsächlich Pakete verteilt, ein Postmann also, ein Paketbote, einer von Hunderten, die sich jeden Morgen bei jedem Wetter mit ihrem gelben Anhänger oder mit ihrem gelben Lieferwagen missmutig auf den Weg machen und den Wetterkapriolen und der schlechten Morgenlaune der Leute schutzlos ausgesetzt sind, bis er eines Tages rein zufällig auf die „Grunzwerte der Freiheizlichen Bewegung“ gestoßen ist. Dieser eine Tag hat sein ganzes Leben „grunzlegend verändert“, wie er immer wieder betont, doch er besteht aus einem scheinbaren Spleen nach wie vor darauf, auch als der berühmte Große Führer und als Präsident der Freiheizlichen Bewegung von Beil an der Schuss und Benne-les-Bains und Umgebung weiterhin mit seinem verbeulten Lieferwagen mindestens einmal täglich, stets verfolgt von einigen Reportern der Beiler Tagblattes und von einem kompletten Kamerateam des lokalen Fernsehens, aus praktischen und wirkungsvollen Publizitätsgründen stets exakt zur selben Zeit seinen gewohnten, bescheidenen, übersichtlichen Block im Zentrum der Stadt abzuklappern und dort vorwiegend die Paketpost auszuliefern.

„Ich bin und bleibe einen von euch!“ erklärt er immer wieder. „Da könnt ihr zicher zein! Einen echten und abzolut reinrazzigen Beiler! In mir ztrömt echtez beiler Blut! Und einen aufrechten, wahren Demokrazen, wo immer bezcheiden geblieben izt! Auch im Erfolg, auch im grözzten Triumpf! Zo wie auch ihr, liebe Beiler und Benner, alle jeden Tag zo überauz vorbildlich, bezcheiden und ohne jemalz zu klagen euren vaterländischen Pflichten nachkommen und erfüllen tutet! Beil den Beilern! Und Benne den Bennern!“

(Seine Hochsprache ist leider nicht ausreichend elaboriert, wie wir aus diesem Originalzitat aus den Archiven von „Radio Schisswelle“ leicht ersehen können, wie übrigens bei ausnahmslos allen Insassen; wir behalten uns indessen vor, unter gewissen formalen Voraussetzungen und stilistischen Umständen eine weniger bemühende, dafür eher hochdeutsche, wenn auch sprachlich nicht immer makellose Transkription zu verwenden.)

Der Große Vorsitzende kennt jedoch dadurch, dass er auch als Führer der beiler FB aus umständehalber uneingestandenen Einkommensgründen (wir werden noch darauf zu sprechen kommen müssen) weiterhin halbtags seine Post verteilt, rundweg alle 60’000 Bewohner der kleinen Stadt, zumindest im Zentrum, wenn auch nicht alle persönlich, versteht sich, so wie auch ihn jedermann auf der Straße sofort erkennt, denn jedes Kind in Beil-Benne weiß, wer er ist; sein markanter Hundekopf mit den engstehenden Hundeaugen, den abstehenden Ohren und dem knappen, aber sauberen Heinrich-Himmler-Hochwasser-Haarschnitt erscheint zwingend täglich auf den lokalen Bildschirmen, ausgestrahlt vom Lokalfernsehen, zwischen mehreren sehr umfangreichen Werbeblöcken und jeweils in zwölfmaliger täglicher Wiederholung.

Zu allem Geschehen und zu jedem Thema hat er immer etwas Grundsätzliches beizutragen, ganz egal, worum es sich handelt, nämlich „die grunzätzliche Haltung der Freiheizlichen Bewegung“, die zu jeder Frage eine Haltung zu haben hat, versteht sich, denn er selber bestimmt ja als ideologischer Kopf der Bewegung weitgehend die Haltung der Freiheizlichen selber; er ist diese Haltung sozusagen in Person, er ist die personalisierte Bewegung, die Inkarnation der freiheizlichen Ideologie in Beil-Benne, jedenfalls im theoretischen Bereich, wo er sich seit Jahren festgebissen hat; er stellt sie dar und lebt sie gewissermaßen aus, diese freiheizlich-demokrazische Theorie, kurz, er ist die veritable Verkörperung der freiheizlich-demokrazischen Bewegung an und für sich.

Deshalb äußert er sich systematisch und konsequent in allen lokalen Massenmedien nahezu pausenlos zu allem und jedem, jeden Tag, und zwar derart ungehemmt und ausführlich, dass er sich vom Lokalfernsehen und vom Lokalblatt sogar ein eigenes Medienteam erzwängt, erzwungen und erschlichen hat, einen wahren Journalisten-Tross, der ihn von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang wie eine Gruppe Leibwächter ständig praktisch überallhin begleitet.

Somit kommt er als Präsident, Vorsitzender und Fraktionsführer der FB in Beil-Benne immer frei zu Wort und wird gezwungenermaßen von einer ganzen, wenn auch nur kleinen Stadt praktisch ohne Unterbrechung wahrgenommen.

Er hat dank seines umfassenden Nichtwissens oder Unwissens zu allem und jedem seine prägnante Meinung und Haltung, die anschließend von allen Mitgliedern seiner FB dankbar und widerspruchslos übernommen wird, versteht sich, ohne jede Ausnahme, denn dieser einfache Mechanismus erübrigt das anstrengende Denken auf elegante und vor allem gefahrlose Weise. Jeder ist froh, dass er sich nicht selbst etwas ausdenken, resp. formulieren, d.h. aus den Fingern saugen muss, und es kommt erleichternd hinzu, dass ja alles, was nicht unmittelbar dem Geldverdienen dient, so oder so völlig bedeutungslos ist, also auch all die langatmigen und langfädigen Führertheorien über alles und jedes, was die Welt nicht bewegt.

Das sagen jedenfalls all diejenigen Bürger der Stadt, die den Führer zwar nicht mögen, aber immerhin dulden, wenn Sie so wollen, auch wenn ihnen gar keine andere Wahl bleibt. Sie sagen: „Wir müzzen mit ihm leben. Ez bleibt unz keine andere Wahl. Und vielleicht hat er ja doch recht.“

Nichts kann ihn also daran hindern, seine Meinung zu äußern und seine „Leizlinien“ zu zitieren, auch seine eigene Dummheit nicht – die schon gar nicht; die lokalen Medien hat er jedenfalls fest im Griff und nutzt sie praktisch ununterbrochen, ausschließlich zu seinen Gunsten, versteht sich. Seine berüchtigte Medienpräsenz bleibt deshalb landesweit unerreicht, wie die Statistiken eindeutig beweisen, weil er im lokalen Fernsehen praktisch immer zu sehen ist, und er ist zudem auch täglich zu lesen, wenn auch nur im Beiler Tagblatt, und zu hören ist er natürlich auch jeden Tag, nämlich im Lokalradio „Schisswelle“. Dort hat er seinen beliebtesten angestammten Auftritt, so dass viele Hörerinnen und Hörer seit jeher der festen Überzeugung sind, er sei bei Radio Schisswelle als Redaktor oder als was auch immer angestellt und somit rein beruflich zuständig für die Kommentare zum Tagesgeschehen, denn all diese Medien sind natürlich auch fest in freiheizlicher Hand. In welcher denn sonst?

Aber gleichzeitig liefert er am Morgen im Stadtzentrum immer noch pro forma Pakete und Briefe bei Privaten, in Firmen, Betrieben und Büros ab, wie gesagt, füllt die abgegriffenen Briefkästen der alten, schlecht unterhaltenen Wohnblöcke im Zentrum mit überflüssigen Postwurfsendungen, Rechnungen, Mahnungen, Betreibungen und amtlichen Verfügungen, bringt geradezu unnachahmlich gönnerhaft und beispiellos großspurig die kümmerliche Rente zu den wenigen alten Leuten, die in den letzten verwohnten Wohnungen bis jetzt ausgeharrt und somit überlebt haben, und zwar jeweils derart theatralisch, als ob er das Geld für die Renten großzügigerweise direkt von seinem eigenen, bescheidenen Gehalt als gewöhnlicher Postbote abgezweigt hätte, das heißt, er vermittelt bei den alten Leuten den Eindruck, als ob er ihre bescheidenen Renten gleich selber, also aus eigener Tasche bezahlen würde und als ob diese Überbringung ein Geschenk von ihm persönlich wäre, nicht ohne immer wieder nachdrücklich zu betonen, wie viele schwer verdiente Millionen und Milliarden insgesamt der Unterhalt all dieser völlig wertlosen Alten, Gebrechlichen und sonstigen Überflüssigen und Überzähligen die Gesellschaft koste, schon gekostet habe und noch kosten werde.

Genau dies erklärt er unter den Wohnungstüren den erschrockenen Rentnern unermüdlich, und hartnäckig fragt er bei den alten Leuten immer wieder nach: „Haben Zie zich nicht zchon mal Gedanken über eine Anmeldung im BIFFE gemacht? Gerade Zie in Ihrem hohen Alter zollten daz jetzt endlich tun! Noch haben Zie die Möglichkeit, den Zeitpunkt ihrez eigenen Ablebenz zelber zu beztimmen! Ez izt höchzte Zeit für Zie, glauben Zie mir! Und ez izt beztimmt nie zu früh dafür! Entscheiden Zie zelbzt und entscheiden Zie jetzt, dann müzzen zpäter nicht andere für Zie entzcheiden!“

Vor der unbestechlichen Linse einer Kamera des Lokalfernsehens der örtlichen Television hantiert er dazu überaus wichtigtuerisch mit seinem postalischelektronischen Taschen-Computer-Material herum, als ob er vermöge seiner grenzenlosen Intelligenz dieses elektronische Kontrollmittel selber erfunden und persönlich für das Postfinanzwesen und für das Wohlergehen der alten, staunenden Leute entwickelt hätte, so wie er jederzeit und überall einige druckfrische Exemplare seiner stadtbekannten „Beiler Leitlinien und Leitideen“ in einer der vielen Seitentaschen seiner Postbotenuniformjacke bei sich hat, um sie gegebenenfalls jemandem, der oder die unvorsichtigerweise eine diesbezügliche Frage zu äußern wagt, sofort aufschwatzen zu können. („Daz müzzen Zie lezen! Daz bringt Zie weiter! Daz bringt Zie nämlich direkt inz BIFFE! Zie werden mir noch auf den Knien danken dafür! Wie zo viele Beiler und Benner vor und nach Ihnen!“)

Die wenigen verbiesterten Rentner in Beil-Benne, die sich immer noch hartnäckig und völlig uneinsichtig in ihren Altwohnungen verschanzt halten und bislang das „Institut für forensische Euthanasie“, das „Institut des leichten Todes“, wie der griechische Volksmund trefflich, poetisch und wortgetreu sagen würde, noch nicht von innen kennen gelernt haben können, oder die es vielleicht einzig aus krankhaftem Altersstarrsinn oder aus purer, altersdebiler Renitenz noch nicht haben kennen lernen wollen, überlassen ihm deswegen fast immer, in der vagen Hoffnung, noch einmal, ein allerletztes Mal vielleicht, ungeschoren davonzukommen und ihr an sich unausweichliches Schicksal noch ein wenig hinausschieben zu können, regelmäßig großzügig und angeblich aus reiner Dankbarkeit ihre Wählerstimme in Form ihres bereits vorunterzeichneten Blanko-Stimmausweises zu Händen seiner eigenen, also der Freiheizlichen Bewegung, versteht sich.

So läppert sich das zusammen. Mit System. Mit Beharren. Mit Hartnäckigkeit. „Auch Hühner geben Mizt“, würde man auf dem Lande draußen dazu sagen.

„Ihr könnt auf mich zählen, gute Leute. Ich werde daz für euch erledigen, denn ich bin einen echten, reinrazzigen Inländer und einen wahren, aufrechten Freiheizlichen dazu!“ pflegt er den staunenden Alten bedeutungsvoll augenrollend zu erklären. „Ich halte immer Wort! Und ich weizz, dazz wir unz verztehen, denn in unzeren Adern fliezzt dazzelbe freiheizliche Beilerblut!“

So erklärt sich auch, warum er seit fast dreißig Jahren regelmäßig wiedergewählt wird, denn er holt als Postbote die nötigen Wählerstimmen immer gleich selber an den Wohnungstüren ab, und er hätte seinen ganz persönlichen, festen Sitz als allmächtiger Präsident der FB und als Fraktionsführer im Stadt-parlament wohl bis an sein Lebensende auf sicher, wenn er jetzt nicht Kraft eines spontanen Entschlusses der griechischen Götterübermuttergottes Artemis und mit Hilfe von Nemesis, der Göttin der gerechten Vergeltung, schon bald dran glauben und den Löffel definitiv abgeben müsste, was er selber allerdings gar nicht wissen und nicht einmal ahnen kann.

Er kann ja nicht annehmen, ja, nicht einmal vermuten, dass er jetzt an der Reihe ist, dass er also unausweichlich geliefert ist, weil er auf der göttlichen Liste steht, denn er ist gleichzeitig, geblendet von seiner eigenen Bedeutung in der Stadt und von der reinen, freiheizlich-demokrazischen Lehre, erstaunlicherweise ziemlich blind für eminente und relevante Entwicklungen, wie alle verbohrten Ideologen, auch wenn sie ganz in sei-ner Nähe stattfinden, sozusagen unter seinen Augen, denn seine einzige wirkliche Feindin ist die Wirklichkeit, wie wir schon einmal vielleicht etwas gar umständlich dargelegt bekommen haben. Aber die Wirklichkeit ist wirklich, und das ist irgendwie schön, wenn zuweilen auch fast unwirklich, nicht wahr?

Dabei bleibt er als der Große Führer der Freiheizlichen zu ausnahmslos allen Leuten, also auch zu den öffentlich verpönten Ausländern, Asylanten, Behinderten und Andersfarbigen, zu den Schein, den Pseudo, den Sogenannten und den Angeblichen, stets ausgesucht freundlich und auch überaus zuvorkommend, wenn er nicht gerade in Rage geraten ist und emotional überreagiert, wie wir noch erleben werden, wie alle bösen, weil falschen und dummen Menschen, wie ausnahmslos alle, die immer ein tadelloses Benehmen an den Tag legen wollen und auch legen müssen, aber nicht immer legen können, weil da sonst gar nichts ist, weil da außer dem tadellosen Benehmen ansonsten nur Leere herrscht, das Nichts, nebst der ganzen Bösartigkeit, ausgefüllt mit allerlei Schutt und Dreck, weil sie, anders gesagt, ganz einfach nur aus lauter Bosheit und Falschheit bestehen, diese Leute – und sonst aus gar nichts.

An ihm ist folglich nichts Echtes zu finden, also nichts Persönliches, nichts Menschliches, nichts Authentisches, nichts Eigenes und auch nichts Ursprüngliches, denn das Einzige, was die Luftpumpe, also den Großen Führer wirklich umtreibt, ist sein abgrundtiefer Hass, ohne dass man ihm dies auf den ersten Blick anmerken könnte – und solange er nicht den Mund aufmacht. Auf den zweiten allerdings schon, und wie! (Wir werden noch zu verstehen die Gelegenheit haben, warum dieser vertrackte Mechanismus nur so funktioniert und gar nicht anders sein kann.)

Deshalb ist der Große Fraktionsvorsitzende gleichzeitig immer auch leicht und fast unmerklich aufdringlich, doch nie frontal, sondern immer von der Seite her, von schräg unten herauf, gewissermaßen aus den Augenwinkeln heraus oder, eben, aus der typischen Hundeoptik hervor, aus der Hundeperspektive herauf, mit einem unverkennbar steten Hang zu stiller Nötigung und zu sanfter Erpressung, also stets zum Beissen, zum Ablecken oder aber zum Bespringen bereit, eine überaus eigenartige, jedenfalls verstörende Mischung, wie man sie ansonsten nur bei Automobilverkäufern, Versicherungsvertretern, Polizeispitzeln, Bankenaquisiteuren, Päderasten, Pfarrern, Sektenmitgliedern, Arbeitskollegen, Denunzianten und Nachbarn kennt, nicht aber bei Abgeordneten, erstaunlicherweise. Es sieht in den Augen von fast allen Gewählten immer so aus, als würden sie sich womöglich eine ansteckende Krankheit namens soziales Verständnis holen, falls sie sich jemals zu zugänglich zeigten oder sich gar unters Volk begäben und zu viele Volkskontakte pflegten, also nicht nur in wohlinszenierten, standardisierten, also inszenierten Volksschauspielen mit allerlei volkstümlichem Volksbrauchtum wie das Kampffluchen, das Weitbrunzen oder das Wettrülpsen.

Wir betonen: Von fast allen Gewählten, denn wir werden gleich anschließend zeigen, dass es in Beil an der Schuss und Benne-les-Bains und Umgebung, wie eben angedeutet, gleich zwei herausragende Ausnahmen von dieser an sich eisernen Regel gibt, die nicht nur aus strategischen Gründen gerade das Gegenteil, also ein völlig gegenteiliges Verhalten zu ihrem politischen Stilmittel gewählt haben, also den blanken Volkskontakt an sich, den nackten Volkskontakt für sich, und das erst noch mit überwältigendem Erfolg, denn das gibt es tatsächlich auch, und zwar als besonders raffinierten Trick, als besonders schlaue Variante, die mediale Aufmerksamkeit dauerhaft auf sich zu ziehen und somit seine eigene Popularität wahltechnisch erfolgreich zu befördern.

Die Luftpumpe ist eine solche Rampensau, wie wir vermutet haben und jetzt wissen, allerdings eine nur wenig Achtbare und wohl kaum eine vorbildliche, doch gerade sie ist ein ausnehmend gutes Beispiel für die zerstörerische Allmacht des breit ausgelebten Populismus. Der Große Fraktionsvorsitzende und freiheizliche Steuermann ist also auch diesbezüglich die stilistische Ausnahmeerscheinung unter den Freiheizlichen, die sich ansonsten eher verklemmt, vermurkst und verkorkst geben, wie wir erwarten dürfen, zusammen mit einer anderen Ausnahmeerscheinung des lokalen Geschehens, auf die wir noch zu sprechen kommen müssen, und zwar unausweichlich, weil auch diese komische Figur auf der artemisischen Liste steht. Wir werden sehen.

Der Große Verheizer hat den direkten und intensiven Wählerkontakt zu seinem ureigenen, durchaus originellen, weil äußerst seltenen Stil- und Druckmittel erhoben, freilich auf diese seine doch eher unangenehme Art und Weise, was er aber weder selbst wissen, also selbst beurteilen, noch selbst beeinflussen kann und auch nicht selbst zu ändern wünscht. Er ist persönlich und beruflich, aber auch privat und gesellschaftlich rundweg im Reinen mit sich und mit seiner kleinen Welt in Beil-Benne, und es fällt ihm einfach ausgesprochen leicht, diese generelle, billige Anbiederung im Umgang mit dem gemeinen Volk öffentlich zum Ausdruck zu bringen, und wäre es auch nur als deren ewiger Über-Postbote und ständiger Über-Briefträger; sie gefällt ihm persönlich, diese Anbiederung, sie ist sein selbstgebasteltes Markenzeichen. Er hat damit sichtlich Erfolg.

Doch dem unbestechlichen Beobachter (falls es hier in Beil-Benne überhaupt noch welche geben sollte), also dem Außenstehenden, verrät gerade diese nur ungeschickt und mangelhaft verdeckte Schleimigkeit die ganze, dreckige Unaufrichtigkeit und die widerwärtige, grundlegende Verschlagenheit des Großen Verheizers, versteht sich, und angesichts dessen wünscht man sich geradezu Abgeordnete, die sich ganz generell vom Volke fernhalten, was ansonsten zur allgemeinen und gegenseitigen Erleichterung durchaus die Regel ist, denn diese gemeine Hinterhältigkeit, die nur notdürftig durch die vorgeschobene, unangenehm aufdringliche und unaufrichtig wirkende Zuvorkommenheit übertüncht wird, die alle Abgeordnete in der Regel kennzeichnet, prägt auch sein zwiespältiges Wesen bis in die hinterste und letzte Faser.

„Man kann zich heute wieder etwaz erlauben; man gönnt zich ja zonzt nichz“, erklärt die Luftpumpe bei jeder sich bietenden Gelegenheit stolz und in der ihm eigenen Überheblichkeit. Er hat ein Faible für Plattitüden, und das hat sich politisch bisher rundum ausbezahlt, denn man kann beim politischen Publikum nie tief genug baggern. Schalten wir doch einmal völlig unverbindlich das beliebte beiler Lokalradio „Schisswelle“ an einem ganz beliebigen Werktag ein, also zum Beispiel heute! Schon stoßen wir nach etwas lüpfiger Volks- und populärer Tanzmusik auf folgende informative Sendung, die zwölfmal täglich zu jeder vollen Stunde wiederholt wird (hier in einer phonetisch gemäßigten und schriftsprachlich einigermaßen korrekten Abschrift):

DER MODERATOR

„Liebe Hörerinnen, liebe Hörer! Auch heute haben wir in unserer täglichen Informationssendung ‚Sie fragen, wir antworten’ die große Ehre, den bekannten und beliebten Fraktionsvorsitzenden der Freiheizlichdemokrazischen Bewegung unserer schönen Stadt bei uns in unserem Studio begrüßen zu dürfen. Wen haben wir am Telefon? Frau Dummermuth aus Benneles-Bains? Hallo Frau Dummermuth! Wie lautet Ihre Frage an den Großen Vorsitzenden der Freiheizlichen Bewegung?“

FRAU DUMMERMUTH

„Hallo! Ich bin so aufgeregt, dass ich endlich mit ihm selbst sprechen darf! Ich möchte vom Großen Steuermann gerne wissen, was denn Freiheiz ist.“

DER GROSSE VORSITZENDE

„Das ist eine hervorragende Frage, Frau Donnermuth! Das ist eine Frage, die sich viele Bürgerinnen und Bürger unserer schönen Stadt immer wieder stellen oder schon immer gestellt haben. Um es kurz zu fassen: Freiheiz ist mehr als Freiheit. Freiheiz ist, rein historisch gesehen, eine geniale Weiterentwicklung von Freiheit. Freiheit, nicht wahr, beinhaltet ja nichts anderes, als dass jedermann frei ist, was natürlich nicht der Fall ist und auch gar nicht der Fall sein kann. Denn Freiheit ist sehr relativ, nicht wahr? Ein Witz. Nehmen wir mal einen Busfahrer. Der ist nicht frei. Er muss mit seinem Bus von Beil an der Schuss nach Benne-les-Bains hinüberfahren und wieder zurück. Achtzehn Stunden am Tag, ohne Unterbruch. Das ist nun mal seine Aufgabe, und dafür wird er bezahlt. Was würde jetzt geschehen, wenn sich dieser Busfahrer plötzlich sagen würde: ‚Ich bin frei, ich fahre heute nicht nach Benne-les-Bains hinüber, ich fahre heute in unsere Landeshauptstadt!’ Sie haben es erraten, Frau Donnerkeil, die Passagiere würden sich beschweren, und zwar völlig zu Recht. Sie haben eine Fahrkarte nach Benne-les-Bains gekauft, und sie wollen nach Benne-les-Bains gelangen, und nicht in die Hauptstadt, denn in der Hauptstadt haben sie ja gar nichts zu suchen. Was will ich damit sagen, Frau Dummersturm? Nun, nichts anderes als das: Erstens: Der Busfahrer ist ein Arbeitnehmer, und als Arbeitnehmer hat er sowieso gar keine Freiheit. Nicht wahr? Wozu sollte denn ein Arbeitnehmer frei sein? Das wäre noch schöner! Er hat gefälligst zu tun, was man ihm befiehlt, Punktum. Er hat anzutreten, wenn man es ihm sagt, und er hat abzutreten, wenn die Zeit dafür gekommen ist, genauso, wie auch ich das jeden Tag als treuer Mann unserer geliebten Post mache. Das ist einfach und verständlich, und das ist völlig in Ordnung. Das versteht jeder, denn das ist ja schon immer so gewesen. Das ist völlig selbstverständlich, wenigstens hier bei uns. Das hat also mit Freiheit nichts zu tun, denn ein Arbeitnehmer braucht gar keine Freiheit. Ein Arbeitnehmer braucht Arbeit, und sonst nichts. Habe ich nicht recht? Das ist im Übrigen vertraglich geregelt. Das ist doch gut so, und das wollen wir doch so belassen, nicht wahr? Weil wir von den Freiheizlichen nun mal auf Ordnung bestehen. Und genau hier tritt unsere Freiheiz auf den Plan, Frau Dummergut. Der Busfahrer genießt zwar keine Freiheit, einverstanden, er hat dafür aber die Freiheiz, und das ist doch viel besser so, nicht wahr? Die Freiheiz ersetzt die Freiheit, und zwar für alle, die gar keine Freiheit brauchen. Und das sind ja praktisch alle. Lieber die Freiheiz in der Hand, als die Freiheit auf dem Dach, sage ich immer. Aber jetzt ernsthaft, Frau Stummerhut: Die Freiheiz ist die Freiheit, sich im geeigneten Moment verheizen zu lassen. Jawohl! Das ist der Ursprung des Gedankens! Die freie Verheizung, wann immer man will! Da weiß man, was man hat! Und zweitens: Freiheit ist, rein historisch gesehen, nichts als ausländische Bullenscheiße. Entschuldigen Sie mir bitte dieses sehr deutliche Wort. Freiheit taugt bei uns nichts und ist überdies, wie schon gesagt, nur eine ausländische Erfindung. Liberté? Na, hören Sie! Klingt das einheimisch? Liberty? Ist das unsere schöne, eigene, inländische Kartoffelstocksprache? Ist das reines, reinrassiges Kartoffelstockisch? Ist das unser originales, insassisches Gedankengut? Wir müssen gestehen: Nein, Frau Sturmflut. Deshalb haben gerade wir von den Freiheizlichen die nutzlose und letztendlich sinnlose Freiheit genial weiterentwickelt und unseren eigenen Bedürfnissen in unserem geliebten Vaterlande angepasst. Das ist völlig legal und korrekt und auch sonst absolut logisch. Das machen nämlich alle. Alle machen das, Frau Pfundergut, alle! Wir haben sie geschickt überarbeitet, die an sich sinnlose, weil völlig uneinheimische Freiheit, die hier bei uns gar nichts zu suchen hat, haben daraus etwas Brauchbares gemacht, und so ist schließlich unsere gute, alte Freiheiz entstanden, so wie wir sie heute alle kennen, schätzen und lieben. Und wir dürfen stolz auf das freie Verheizen sein, denn darum beneidet uns die ganze Welt, Frau Stummermuth! Die ganze Welt! Ich weiß, wovon ich rede! Ich schon! Andere weniger!“

FRAU DUMMERMUTH

„Wie Sie das erklären! So einfach und so klar! Jetzt verstehe ich endlich, was gemeint ist! Was haben Sie mir weitergeholfen! Ich bin so was von entzückt, lieber Vorsitzender!“

DER GROSSE VORSITZENDE

„Was beinhaltet die Freiheiz, Frau Hundemut? Folgendes: Man darf sich als echter Einheimischer oder als echte Einheimische ein Leben lang im Rahmen der persönlichen Möglichkeiten relativ freiheizlich bewegen und freiheizlich arbeiten, freiheizlich entfalzen, wie wir sagen, immer im Rahmen unserer freiheizlichen Traditionen und althergebrachten, demokrazischen Bräuche, und zwar exakt so lange, bis man verheizt wird. Das mag jetzt etwas gar knapp formuliert sein, das gebe ich unumwunden zu, aber diese unsere Freiheiz entspricht unserer Realität mehr als, sagen wir mal, eine französische, eine amerikanische oder gar eine englische Freiheit, denn unsere Freiheiz ist unsere eigene Freiheiz. Verstehen Sie, was ich meine, Frau Wonnegut? Unsere eigene Freiheiz! So was kann man gar nicht mehr toppen! Denn die kann uns niemand mehr wegnehmen!“

DER MODERATOR

„Ja, wen haben wir denn als nächstes am Telefon? Herr Affentranger aus Beil selbst! Hallo Herr Affentranger! Fassen Sie sich kurz. Wie lautet Ihre Frage?“

HERR AFFENTRANGER

„Ja, hallo auch. Ich möchte vom Großen Vorsitzenden und Fraktionsführer der FB gerne wissen, was denn Demokrazie im Vergleich zur Demokratie ist. Ich habe schon eine Menge Leute gefragt, aber niemand hat mir richtig Auskunft geben können. Jetzt habe ich die Gelegenheit beim Schopf …“

DER GROSSE VORSITZENDE

„Das ist eine ausgezeichnete Frage, Herr Waffelraspel, eine ganz ausgezeichnete Frage! Eine Frage, die sich viele unserer Bürger unseres schönen Landes sicher schon oft gestellt haben! Und es ist mir eine Ehre, gerade auf diese Frage eingehen zu dürfen! Ihre interessante Ausführung zeigt mir, dass immer noch gewisse Missverständnisse bestehen, trotz unserer unermüdlichen, nie erlahmenden Bemühungen um Aufklärung und Abklärung. Nun, die klassische Demokratie ist doch eine Art Wettstreit der verschiedenen Meinungen, nicht wahr? Ein friedlicher Wettstreit der Interessen, sagte man früher. Einverstanden, Herr Affensattler? Ich frage Sie jetzt: Wo kämen wir da hin? Ich meine, wo kämen wir hin, wenn alle möglichen Meinungen ständig und ungefragt, wenn vielleicht auch durchaus friedlich, so doch völlig unnötig, unwirksam und unerwünscht aufeinanderprallen würden? Da könnte jeder kommen! Sogar Ausländer! Und ich frage Sie zudem: Wozu wäre das gut? Was würde das dem Lande helfen? Na, also! Die Geschichte lehrt uns doch deutlich, dass so etwas nur ins Chaos führt. Und deshalb haben wir von den Freiheizlichen auch hier wiederum die dringend nötig gewordenen Anpassungen vorgenommen, und zwar solche, die der Eigenart unseres geliebten Landes zu hundert Prozent entsprechen. Statt dass auch heute noch die verschiedensten Parteien sinnlos gegeneinander agieren und intrigieren, wie in den dunkelsten Zeiten der Demokratie, und dadurch jeden Fortschritt behindern und jede Aufgeschlossenheit und Abgeklärtheit verunmöglichen, arbeiten sie heute in der FB in aller Eintracht zusammen. Hand in Hand. Zum Wohle des ganzen Landes. Das löst Synergien aus, Herr Zeckenwärter! Synergien, das kann ich Ihnen flüstern! Das ist die wahre demokrazische Lösung, um die uns alle Welt beneidet, das kann ich Ihnen hiermit umgehend versichern und bestätigen! Wir wissen zwar, dass es hie und da immer noch abwegige und absurde Meinungen gibt und dass es sie auch immer geben wird, solange nicht alle Gegner der freiheizlichen Demokrazie endgültig verheizt sind. Absurde Meinungen von gefährlichen Perverslingen und Pseudoeinheimischen, von Vaterlandsverrätern und eindeutigen Ausländern, die sowieso nichts anderes wollen als unser geliebtes Land vernichten! Die Beweise sprechen da eine eindeutige Sprache! Die Fakten liegen auf dem Tisch. Doch ich kann Sie an dieser Stelle persönlich beruhigen. So etwas haben wir nicht nötig! Wir nicht! Aber gar nicht nötig, Herr Affenzahn! Nicht wir! Wir brauchen das nicht! Jetzt muss ich aber einen Schluck Wasser haben, Herr Moderator. Haben wir Wasser im Haus? Haben wir noch gutes, altes benner oder beiler Trinkwasser aus der Heiligen Quelle?“

HERR AFFENTRANGER

„Jetzt verstehe ich! Sie haben mir endlich die Augen geöffnet! Was bin ich Ihnen zu Dank verpflichtet! Ich glaube, ich werde der Freiheizlichen Bewegung mein ganzes Vermögen spenden, bevor ich mich im BIFFE melden werde!“

DER GROSSE VORSITZENDE

„Das ist eine hervorragende Idee, Herr Kameltreiber, denn die Feinde der demokrazischen Freiheiz zeigen uns höchstens, wie recht wir haben! Verstehen Sie? Man muss das positiv sehen. Demokrazie heißt also nichts anderes, als dass alle einvernehmlich am gleichen Strick ziehen, und das ist gut so, das hat sich bestens bewährt, denn nur das bringt unser Land weiter, und das wollen wir doch füglich so beibehalten, Herr Wurzelholzer. Konstruktive Kritik! Und wer das nicht einsehen will, der muss halt die Konsequenzen tragen. So sehen wir das! Da müssen Konsequenzen her! Wir von der FB stehen für Sauberkeit, Verständlichkeit, Gradlinigkeit und Klarheit!“

DER MODERATOR

„Und jetzt noch eine letzte Frage an unseren Vorsitzenden, bevor er sich wieder an seine verantwortungsvolle Staatsarbeit eines wahren Staatsmannes machen muss, nämlich die Geschicke unserer geliebten Stadt zu leiten, bevor er sich also wieder seiner edlen Aufgabe zuwenden muss, die zum Glück unserer Elite vorbehalten ist, wie sie unser Steuermann vertritt und mit Leib und Seele selbst darstellt. Wen haben wir am Telefon? Ah? Jemand aus der Landeshauptstadt selbst! Donnerwetter! Ein Anruf aus der weiten Welt, sozusagen! Herr Zwischenzeiler? Wo sind Sie? Hallo Herr Zwischenzeiler! Melden Sie sich unumwunden! Wie lautet Ihre Frage? Was möchten Sie von unserem geliebten Führer wissen?“

HERR ZWISCHENZEILER

„Ein Hallo erst mal! Ein Hallo an das idyllische, liebliche, alte Schoristädtchen dort drüben am Fuße unseres schönen Schorisüdfußes! Ich möchte Ihnen erst mal sagen, dass ich alle Ihre Sendungen mit Begeisterung verfolge! Seit Jahren schon verfolge ich Ihre Übertragungen jeden Tag und möchte sie nimmer missen! Ich kenne keine andere Sendung, die so instruktiv …“

DER MODERATOR

„Wie lautet Ihre Frage, Herr Zwischenzeiler? Wir haben nicht mehr viel Zeit.“

HERR ZWISCHENZEILER

„Ach so, meine Frage. Da kommt sie: Ist das Verheizen denn ein Menschenrecht?“

DER GROSSE VORSITZENDE

„Das ist eine ganz einmalig intelligente Frage, Herr Zwischenzweiler! Sie zeigt uns, dass Sie sich etwas überlegt haben! Ich kann Ihnen zu dieser Frage nur gratulieren! Diese überaus interessante Frage nach unseren Menschenrechten stellt sich uns von der Freiheizlichen Bewegung nämlich täglich! Ja, stündlich! Wir von den Freiheizlichen beschäftigen uns nämlich intensiv mit unseren Menschenrechten, im Gegensatz zu den andern! O ja! Wir schon! Und unsere Antwort lautet denn auch ganz klar und deutlich und unmissverständlich: Selbstverständlich ist das Verheizen ein Menschenrecht! Jeder Mensch hat unserer Ansicht nach das Recht, verheizt zu werden. Verstehen Sie, was ich meine, Herr Zischenmeiler? Das Verheizen ist ein fundamentales Recht eines jeden einzelnen! In diesem Punkte sind und bleiben wir unerschütterlich! Jeder anständige Mensch, also zumindest jeder echte und aufrechte Einheimische, also Hiesige, was ja zum Glück meist ein und dasselbe ist, jeder Insasse also hat ein unveräußerbares, verfassungsmäßiges Anrecht auf Verheizung, Herr Zwischenmahlzeit, nachdem er diesem seinem und unserem Lande durch seiner Hände Arbeit ausreichend und zufriedenstellend gedient hat! Wir von den Freiheizlichen verhelfen allen Insassen, ganz unabhängig von Geschlecht, Religion, Nationalität, Kontostand oder Haarfarbe, zu diesem seinem fundamentalen Menschenrecht! Nur wir von den Freiheizlichen! Verstehen Sie, was ich meine, Herr Schlangenzischer? Niemand, wirklich niemand, ob groß, ob klein, ob alt, ob jung, ob schön, ob hässlich, ob krank, ob gesund, ob arm oder ganz arm wird bei uns von einer ordnungsgemäßen, prompten, schonungsvollen und umweltverträglichen Verheizung ausgeschlossen! Niemand! Das ist wahre Gerechtigkeit! Das nenne ich ein Menschenrecht!“

HERR ZWISCHENZEILER

„Was bin ich erleichtert! Es ist fast nicht zu glauben! Ich freue mich schon auf meine Verheizung!“

DER GROSSE VORSITZENDE

„Auch wenn die Verheizung auf freiwilliger Basis erfolgt, Herr Zeilenschinder, ist es doch so, und das muss einmal gesagt sein, das muss ein für alle Mal gesagt sein: Alle wollen sie verheizt werden, praktisch alle, früher oder später, denn in fast allen Fällen gibt ja erst eine angemessen feierliche Verheizung einem in treuer Pflichterfüllung vollbrachten Lebensdienst einen endgültigen Sinn, und zwar den einzig richtigen Sinn, wenn Sie verstehen, was ich meine, Herr Zweiteiler! Das ist nämlich der Sinn des Lebens!“

DER MODERATOR

„Rufen Sie nicht mehr an, liebe Hörerinnen und liebe Hörer! Denn mit diesen eindrücklichen Worten unseres Großen Verführers und Vorsitzenden beenden wir die heutige Informationssendung ‚Sie fragen, wir antworten’. Wir wünschen Ihnen eine baldige Verheizung! Und nun hören Sie althergebrachte Volkslieder aus Feld, Wald und Wiese, dargeboten vom Vereinigten Gemischten Chor der Verheizten von Beil an der Schuss und Benne-les-Bains und Umgebung.“

Der Weg ist manchmal das Ziel, und in diesem Falle der postalische Weg, denn jedesmal, wenn der Große Postbote seinen gelben Lieferwagen demonstrativ mitten auf dem belebten Gehsteig anhält, um mit überaus wichtiger Miene die spärlichen Pakete und Briefe auszutragen und abzuliefern, steht sie in außerordentlich auffälliger Kleidung unbeteiligt daneben und schaut gleichgültig weg.

Die Reporter des Tagblattes und das Kamerateam des Lokalfernsehens versuchen zunächst routiniert, die ungewöhnliche Erscheinung einfach zu ignorieren und aus dem Bild zu schneiden, also fernzuhalten, doch da die unbekannte Person immer ganz nahe am Großen Postbeamten dran ist, müssen sie sich entscheiden: Entweder nehmen sie die üblichen Reality-Bilder für die perpetuelle Home-Story, Life Show und Street-Parade des Großen Vorsitzenden, Großen Verheizers und Großen Steuermannes der Freiheizlichen Bewegung mitsamt der komischen Erscheinung auf, oder sie lassen es für einmal sein.

Dies würde allerdings unweigerlich bedeuten, dass sie in ihren Redaktionen wegen des Ausbleibens des täglichen Bildmaterials Rede und Antwort stehen müssten, und das wäre nur eine unerwünschte Komplikation mehr im ganzen medialen Routinepropaganda-Geschäft mit den örtlichen Platzhirschen, also mit der so genannten Cervelat- oder Kartoffelstock-Prominenz, also mit den lokalen Größen, den ansäßigen Zelebritäten, den regionalen Stars und den ortsüblichen Sternchen. Dies würde sicher nichts als Ärger mit den eigenen Redaktionen, aber auch und vor allem mit dem Sekretariat und der Werbeabteilung der Freiheizlichen Bewegung bedeuten, welche die ganze Bilddokumentation via TV-Konzessions-Erteilung und TV-Zuschüssen aus der Stadtkasse überhaupt erst ermöglicht und finanziert, also steuert.

Nur deshalb wickeln sie ihre tägliche Routinearbeit mit der Luftpumpe, der lokalen Prominenz schlechthin, die natürlich auf eine lückenlose Dokumentation ihrer unersetzlichen Arbeit pocht und eifersüchtig auf täglich aktualisiertes Bild-, Ton- und Textmaterial besteht, halt weiterhin wie üblich ab, für einmal mitsamt dieser merkwürdigen Hungerfigur daneben. Soll doch die Redaktion entscheiden, was sie mit diesem komischen Material machen will, sagen sie sich gleichgültig und machen einfach weiter wie bisher, machen achselzuckend weiter wie immer. Was sollten sie denn sonst tun? Sie sind auch nur gewöhnliche Arbeitnehmer, die ihre Kleinkredite abstottern müssen.

Diese fortlaufende, fortdauernde und ununterbrochene Medienpräsenz gehöre nun mal zu ihrem Berufsbild, zu ihren Berufsanforderungen, zu ihren beruflichen Voraussetzungen und zu ihrer Berufskompetenz, behauptet die personifizierte Bonsai-Wichtigkeit hartnäckig, weil sie als die weitaus berühmteste Persönlichkeit der Stadt (größerer Bekanntheitsgrad als z.B. der Stadtpräsident, der sowieso ständig ausgewechselt wird) berufsbedingt in der Öffentlichkeit zu stehen habe. Eine so bedeutungsvolle Person der Öffentlichkeit, wie sie der oberste Freiheizliche, Fraktionsvorsitzende und Opinionleader darstelle, sei somit auf ein gut eingespieltes Zusammengehen mit den wichtigsten Medien angewiesen, mehr noch als der Stadtpräsident; das sei eine professionelle Voraussetzung für jede Betätigung schlechthin und zudem das tägliche Brot der Journaille, die sich seinen Anweisungen gefälligst zu fügen habe. Er, der bedeutende Vorsitzende der bedeutendsten, weil einzigen politischen Bewegung der Stadt und auch des ganzen Landes, bestehe auf lückenlose Medienpräsenz, denn er habe seinen Job zu machen, und der sehe nun mal vor, pausenlos in der Öffentlichkeit zu stehen. Die Medienprofis seien auch Profis und hätten auch ihren Job zu machen, und der wiederum schreibe ihnen vor, ihm diese Öffentlichkeit medial zuverlässig, professionell und lückenlos zu verschaffen, bitte sehr, das sei ein harmonisches gegenseitiges Geben und Nehmen, das sei eine mediale Selbstverständlichkeit, und beide würden ja davon profitieren, nicht wahr? Eine win-win-Situation: Er habe dadurch seine Öffentlichkeit, das heißt, seine öffentliche Aufmerksamkeit, und sie hätten dadurch ihren Job, also ihr Ein- und Auskommen. Was will man mehr? Somit sei allen gedient. Das gehe nun naht- und fugenlos auf.

Nun, Journalisten sind in der Tat auch nur Arbeitnehmer, auf die zu Hause Stapel von Rechnungen, Mahnungen, Zahlungsaufforderungen, Betreibungen und Stundungen warten, wie gesagt, und auch sie müssen gefälligst tun, was man ihnen zu tun aufträgt, Journalismus hin oder her. Sie dürfen nicht zimperlich sein, was ihre Berufsethik betrifft, das haben sie schnell einmal gemerkt, und deshalb machen sie auf Anordnung wirklich jede Scheiße mit, denn das ist immer noch hundertmal besser als arbeitslos zu sein und schließlich im BIFFE zu stranden. Ist es nicht so? Denn einmal im BIFFE gelandet, schreibt einer keine einzige Zeile und knipst kein einziges Bild mehr, nie mehr, das ist allen klar; im BIFFE ist für alle endgültig ausgeknipst und ausgetippt. Nur deshalb machen sie auch heute achselzuckend und wie üblich ihre Aufnahmen, diesmal halt mitsamt dieser offensichtlich irren Komikerin, mitsamt dieser geistesgestörten Witzfigur, mitsamt dieser unverschämten Provokation, holen die üblichen Bilder der Luftpumpe mitsamt dieser sichtlich verrückten Ische in den Kasten. Man soll ihnen später nicht vorwerfen können, sie hätten etwas ausgelassen oder gar verpasst, sagen sie sich kopfschüttelnd und wieder einmal ziemlich angewidert von ihrer beschämend entwürdigenden Routine-Arbeit.

Nemesis trägt eine viel zu große, viel zu weite, weiß und blau gestreifte, fadenscheinige Sträflingsuniform mit Sträflingsnummer, also genau das, was der Große Verheizer seit jeher an allen seinen imaginären Feinden so gerne sehen möchte. Genau so gekleidet möchte er z.B. alle Ausländer sehen, alle Arbeitslosen, alle Rentner, alle Andersrassigen und Andersgläubigen, alle Kranken und Invaliden, alle Aussassigen und natürlich auch alle seine persönlichen Gegner, sofern es überhaupt noch welche gibt, die sich aus ihren Verstecken wagen. (Die meisten von ihnen sind ja längst im BIFFE gelandet.)