Aus, Äpfel, Amen! Mia, die Feder - Mia May - E-Book

Aus, Äpfel, Amen! Mia, die Feder E-Book

Mia May

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Beschreibung

Mia May erzählt die Geschichte und Erlebnisse einer deutschen Familie – vor, während und unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg – aus der Sicht eines Kindes, das all die Grauen einer Kriegskindheit, aber auch die schönen Dinge, vorwiegend im Dorf Lenting in der Umgebung von Ingolstadt , erlebte – ein beispielhafter Bericht für unzählige Schicksale.

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Mia May

AUS, ÄPFEL, AMEN!

Mia, die Feder

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2015

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Copyright (2015) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte bei der Autorin

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2015

www.engelsdorfer-verlag.de

12.04.09 Beginn der Aufzeichnungen

VORWORT

Dieser Roman enthält zum großen Teil meine persönlichen Lebenserinnerungen.

Ich bin Jahrgang 1939 und habe daher alle Zeitabschnitte erlebt – den Krieg – das Kriegsende – den Aufschwung – das Wirtschaftswunder – neue weltweite Finanzkrise – bis jetzt der angekündigte neue Aufschwung. Meine Aufzeichnungen erheben keinen Anspruch auf politische, zeitliche oder allgemein gültige Richtigkeit, sondern einfach, wie das Frauen in meiner Familie, mit Rückblick auf meine Urgroßmutter, meine Großmutter (Mama), meine Mutter (Mutti), meine Tante, meine Cousine Beate und schließlich mein Leben. Wie ich das alles erlebt, empfunden oder von anderen gehört habe.

Mein Leben ist nicht spektakulär verlaufen. Ein Leben ganz einfach, mit Höhen und Tiefen, das fette Leben einer Dicken, ein Leben in Deutschland, das viele andere Frauen genauso gelebt haben.

Meine Cousine Beate meint, der Titel

„Dicke Mary, dumme Kuh“ ist zu drastisch.

Der erste Band trägt den Titel:

Mia, die Feder

Nun habe ich noch einen Titel im Kopf:

Schattentage und Abendrot

Dieser Titel ergibt sich aus meinem Leben.

Ich bin eine Rothaarige mit einer sehr empfindlichen Haut.

Wegen dieser kann ich die Sonne kaum genießen.

Auch im Leben ergeht es mir so.

Wenn ich mich zur Sonne des Lebens durchkämpfe, erleide ich Verbrennungen.

Jetzt am Abend des Lebens kann ich wenigstens die milde Abendsonne genießen.

Aber jetzt habe ich den passenden Titel:

Aus, Äpfel, Amen!

Dieser Ausspruch gilt in Bayern und auch in meiner Familie für etwas, was feststeht und wenn an einer Sache nicht mehr zu rütteln ist.

Mia, die Feder

Von Anno dazumal bis 1947

RUNDER GEBURTSTAG 8.3.2009

Ein stechender Schmerz fährt durch meine Schulter und zwingt mich zum Wachwerden.

Ich schlage die Augen auf. Das Licht fällt hell durch die Ritzen der Jalousien. Langsam kann ich meine Gedanken sammeln. Heute ist ja ein besonderer Tag mit drei relevanten Ereignissen.

1. Es ist Sonntag.

Ich mag Sonntage, weil normal niemand kommt, keine Post, kein außerprivater Telefonanruf, kein Vertreter usw.

2. Heute ist Internationaler Frauentag.

Frauen, das starke Geschlecht. Frauen waren in meiner Familie meist stark. Nein, keine prominenten Frauen, keine Frauen, die in der Öffentlichkeit standen, keine studierten oder politisch organisierten Frauen. Sie sind eigentlich niemandem aufgefallen, aber sie waren stark. In den vergangenen Jahrzehnten gab es viele starke Frauen. Sie überlegten sich nicht, ob sie stark waren oder nicht. Sie kannten den Frauentag nicht mal und doch waren sie diese kraftvollen Frauen, für die der Frauentag geschaffen wurde. Natürlich gibt es diese Frauen auch heute noch und es wird sie immer geben.

Und …

3. Ich habe heute Geburtstag.

Einen runden. Die Jahre sind so schnell verflogen! Ich komme mit dem Zählen nicht nach.

Ich denke, es sind 60 Jahre.

Wenn mir aber meine gesundheitliche Situation bewusst wird, dann fühle ich 80.

Wie bei der Wettervorhersage: „Gefühlte Temperatur“.

Ja, ich bin gefühlte 80, aber dem Kalender nach bin ich heute 70.

Ich drehe mich um und quäle meinen übergewichtigen Körper aus dem Bett. Nun spüre ich auch den Schmerz, den meine Gleitwirbel verursachen. Während ich mich erhebe, macht sich ebenfalls mein kaputtes Kniegelenk bemerkbar.

Ich setze mich wieder auf die Bettkante zurück, schließe die Augen und bete mein Morgengebet. Heute dauert es etwas länger, weil ich mich für die vergangenen 70 Jahre beim Herrgott bedanke.

Ja, ich bin gläubig. Keine gläubige Katholikin, keine gläubige Protestantin, keine gläubige Muslima, nein, einfach eine gläubige Frau, die an einen Gott glaubt. Ich bin zwar katholisch getauft und in einem katholischen Dorf aufgewachsen.

Ich mag den wulstigen, barocken Kult der katholischen Kirche, mag ein mit Weihrauch geschwängertes Hochamt mit viel Orgelmusik. Dies bedeutet aber nicht, dass es meinen Glauben in eine Richtung festlegt.

Mein fetter Kater Bazzi (wie der Herr, so sein Gscherr), jammert, denn er will sein Frühstück haben. Er lässt sich nicht besänftigen. Er jammert und klagt. Er will mir weismachen, dass er kurz vor dem Verhungern steht. Also wird erstmal er versorgt.

Ich schleppe mich zum Fenster und ziehe die Jalousien hoch. Das Wetter scheint nicht so besonders zu werden. Dieses Jahr, der lange Winter, von dem ich nun wirklich die Nase voll habe.

Mein Blick fällt in den Spiegel. Ein graues, fahles Gesicht, von ungekämmten Haaren umgeben, schaut mich an. Ich ziehe die Mundwinkel hoch, es soll ein Lächeln werden. Mit dieser Übung werden siebzehn Muskeln in Bewegung gesetzt. Dies soll sich auch positiv auf die Laune auswirken.

Ich begebe mich in das kleine Bad und zwänge mich in die enge Dusche. Das sprühende Wasser wirkt sich belebend auf mich aus. Erfrischt und wach „springe“ ich aus der Kabine. Ha … ha … ha … „springen!!“ Wer hat schon eine alte lahme Ente springen sehen?

Ich bin froh, dass ich es schaffe, meine Beine über den Beckenrand zu heben. Aber um das zu verbessern, mache ich meine morgendliche Tele-Gymnastik. Das beruhigt auch mein unsportliches Gewissen etwas. Ich pflücke imaginäre Bananen, die ganz hoch oben hängen, trainiere meine Schultern usw. Ich bin froh, als ich mein Pensum erfüllt habe.

Gerade als ich mit der Morgengymnastik und Toilette fertig bin, das Bad verlasse, mich entsprechend angezogen und den Kater gefüttert habe, läutet auch schon das Telefon.

Ich werfe einen Blick auf meine Pseudo-Rolex. Die hat ein großes Zifferblatt, so sehe ich die Uhrzeit auch ohne Brille. Es ist 7:30 Uhr.

Ich plumpse auf meinen Bürostuhl und hebe das Telefon ab. „Hallo“ melde ich mich. Natürlich weiß ich, es ist unhöflich, sich nicht mit dem Namen zu melden. Im Büro machte ich dies natürlich „richtig“. Privat ist das wieder anders. Außerdem kennen alle meine Stimme, die nach Jahrzehnten Leben in Franken immer noch eine starke bayerische Färbung hat.

Am Telefon ist Hans, der Mann meiner Cousine. Er ist ein früher Vogel, der immer den Wurm findet. Er hat in seinem Leben viele Würmer gefunden. Obwohl er schon sechs Jahre in Pension ist, sucht er immer noch nach den frühen Würmern.

Jetzt aber gratuliert er mir. Auch ich spreche ihm meine Glückwünsche aus, denn auch er hat heute Geburtstag, aber er ist ein Jahr älter. Nach ein paar heiteren Sätzen, dass ich ihn trotz aller Bemühungen nicht einholen kann, übergibt er das Telefon an meine Cousine Beate.

Ihr Atem hört sich kurz und ihre Stimme etwas hektisch an.

„Bist du schon auf? Ich habe dem Hans gesagt, so früh kannst du nicht anrufen. Aber du kennst ihn ja.“ Nun folgen liebe Glück- und Segenswünsche.

Meine Cousine, mehr meine Schwester, ist ein Jahr jünger. Wir sind zusammen aufgewachsen und haben ein herzliches Verhältnis zu einander. Obwohl wir nicht immer einer Meinung sind, machen wir uns gegenseitig nichts vor, aber das wirkt sich nie störend aus. Wir ratschen etwas und besprechen kurz auch meine Geburtstagsfeier, die erst am kommenden Samstag stattfinden soll, bis das zweite Telefon läutet.

Es ist meine allerbeste Freundin Melitta.

Ich habe Freundinnen, gute Freundinnen und mehrere beste Freundinnen. Melitta ist meine allerbeste. Sie hat mir im letzten Jahr in jeder Beziehung sehr viel geholfen, d.h. mit Rat und Tat, eigentlich mehr mit Tat als Rat. Ratschläge bekommt man im Leben viele, Ratschläge, brauchbare und unbrauchbare, manchmal wird einfach nur der Senf dazu gegeben.

Es geht um Ratschläge, wie man den schweren Koffer des Lebens leichter tragen kann. Aber Melitta hilft tragen, das ist der gravierende Unterschied.

Auch ihre Tochter Nina übermittelt mir ihre Glückwünsche.

Nun brauche ich erst mal eine Tasse Kaffee. Ich gieße mir einen Schnellkaffee auf. Kuchen habe ich auch nicht da. Den wird mein Sohn bringen. Vorerst tut es ein altes Brötchen. Andy, mein Sohn, wird aber erst später kommen. Er ist am Wochenende im Osten bei seiner Freundin Marion, die in der Nähe von Magdeburg wohnt.

Gerade tauche ich meine alte Semmel in den Kaffee – ein Relikt aus der Kindheit (damals jedoch Brot) – als das Telefon erneut läutet. Es ist Andy, mein Sohn.

„Bist du schon auf dem Weg?“, frage ich ihn.

„Nein, ich bin schon in Nürnberg. Ich bin schon um fünf Uhr weggefahren.“

Seine Glückwünsche freuen mich besonders. Andy will Essen vom „Mongolen“ holen, Torte in der Konditorei kaufen, dann kommen. Ich habe einen sehr lieben Sohn. Was würde ich ohne ihn machen? Er hat zwar manchmal auch seine Mucken und Launen, aber welcher Mann hat die nicht?

Er ist ein lieber, intelligenter, sehr fleißiger Bub. Er ist nun fünfundvierzig Jahre alt, aber er schaut noch viel jünger aus. Auf Wunsch von Marion trägt er sein Haar lang. Er hat äußerlich nicht viel Ähnlichkeit mit mir. Gott hat ihn davon bewahrt. Außer meinen Sohn habe ich noch zwei Neffen.

Robert, der wie ich auch ziemlich übergewichtig und Ludwig, der zwar rank und schlank ist, aber rote Haare wie ich hab, d.h. wie ich hatte.

Wenn diese drei jungen Männer bei mir stehen und ich frage, welcher von ihnen mein Sohn ist, dann tippen alle entweder auf Robert oder auf Ludwig, aber niemand kommt auf die Idee, Andy für meinen Sohn zu halten.

Er schaut auch seinem Vater nicht sehr ähnlich, sondern mehr meiner Mutter.

Das Telefon läutet wieder und reißt mich aus meinen Gedanken.

Es ist Marion, meine Schwiegertochter. Ihre Glückwünsche sind sehr herzlich. Sie ist eine ganz Liebe. Sie ist ein kleines, zierliches, hübsches Persönchen, voller Kraft und Energie, eine Powerfrau. Sie hat sich ein sehr jugendliches Aussehen bewahrt.

Der nächste Anruf kommt von meiner Freundin Hermine.

Seit 1955 sind wir befreundet. Ihre gesundheitliche Lage ist meiner sehr ähnlich und wir tauschen uns fast täglich aus.

Nun läutet es. Ich erschrecke und fahre in die Höhe. An dieses schrille Läuten kann ich mich einfach nicht gewöhnen.

Andy kommt. Die Tortenstücke – aber bitte mit Sahne – hat er schon dabei. Gleich fährt er nochmals los und kommt kurz darauf mit den mongolischen Gerichten zurück.

Das Essen schmeckt; wir lassen es uns gut gehen.

Nach dem wir unsere Portionen verzehrt haben, wollen wir noch einen Kaffee trinken. Diesmal gefilterten.

Zu einer gemütlichen Unterhaltung kommen wir nicht, denn dauernd klingelt das Telefon. Unser Gespräch wird ständig unterbrochen.

Andy sitzt auf dem kleinen Sofa. Er wirkt müde. Er ist in der Früh um fünf Uhr wegfahren, das ist schon anstrengend. Unterhalten können wir uns wegen der laufenden Gratulationsanrufe sowieso nicht.

„Na ja“, meint Andy, „ich geh dann.“

„Ja, hast recht. Du siehst ja, dass ich dauernd am Telefon bin.“

Die telefonischen Glückwünsche dauern noch bis zum Abend um neun an. Jetzt mache ich mich aber schnell „bettfein“ (von Marion gehört) und falle erschöpft in die Kissen.

Endlich kann ich meinen Gedanken freien Lauf lassen.

Wenn all die heutigen Glückwünsche in Erfüllung gehen, dann werde ich glücklich, in bester Gesundheit, schlank und rank, mindestens 100 Jahre alt, ein vitaler, liebenswürdiger Lebensgefährte wird mich durch das Leben und auf Reisen begleiten, Andy und Marion werden liebevoll um mich rumwuseln, meine Finanzen werden bestens sein. Wenn ich wirklich einmal sterben muss, dann bei bester Gesundheit und auf Grund meiner Gutheit werde ich sofort ins Paradies eingehen.

Hoffentlich hat der liebe Gott alle Anrufe mitgehört und wird seinen Engeln entsprechende Anweisungen erteilen.

DIE HEUTIGE DURCHSCHNITTLICH 70-JÄHRIGE

Ich denke über all die guten Wünsche nach. Eine „normale“ 70-jährige bin ich nicht. Wie ist denn in der heutigen Zeit die „durchschnittliche“ 70jährige Frau, die in der „Norm“ ist? Na ja, demnach müsste ich eine „glückliche“ Witwe sein, deren Mann sich für die Familie geopfert und mit einem Herzinfarkt das Zeitliche gesegnet hat.

Statistiken belegen, dass auf drei Frauen in meinem Alter ein Mann trifft.

Als Normfrau würden mir die Witwenrente, die Betriebsrente des Verblichenen und meine Altersrente mein Dasein großzügig finanzieren. Ich lebe alleine in einem viel zu großen Haus, Eigentumswohnung oder zumindest in einer geräumigen Mietwohnung. Die Kinder sind schon lange ausgezogen, sind verheiratet. Sie haben ihr eigenes Heim nach ihrem Geschmack.

Ich halte mich mit „nordic walking“ fit, übe im Fitnesscenter am Crossover-Gerät (lt. Melitta), gehe mindestens einmal in der Woche zum Schwimmen, in die Sauna und ins Sonnenstudio.

Natürlich gehören zwischendurch auch aufbauende Wellness-weekends dazu.

Ich nehme am Morgen meine Tabletten gegen Bluthochdruck ein; achte auf meinen Cholesterin- und Blutzuckerspiegel, damit es mir eines Tages nicht so ergeht, wie meinem verstorbenen Ehemann.

Selbstverständlich gehören auch Antiaging sowie 50plus-Produkte zu meinem Programm.

Einmal in der Woche fahre ich zum Friedhof, denn das muss sein. Was würden wohl die Leute sagen, wenn nicht immer frische Blumen auf dem Grab liegen würden?

Außerdem treffe ich mich einmal in der Woche mit meinen Freundinnen zum Kaffeeklatsch.

Da werden bei Kaffee Latte Macchiato (der ist nach Espresso und Cappuccino einfach „trendy“) und Sahnetorte alle Neuigkeiten und jeder Tritsch und Tratsch besprochen. Natürlich wird viel über ungelegte Eier gegackert (lt. Melitta) „Frau“ ist doch in!

Zuerst geht es um die, welche heute nicht kommen konnten.

„Was sagt ihr zu dem Rock, den Gaby das letzte Mal an hatte? Doch viel zu kurz! In deeem Alter soll man doch nicht mehr sooo auf jung machen!

Vielleicht hat sie mal wieder einen jüngeren Verehrer an der Angel.

Und Jutta, die will heuer wieder in die Dominikanische Republik fliegen.

Die war doch schon in der Schule eine ganz ‚Gspinnerte‘.

Und die Martha, die sitzt jetzt alleine da! Ihr Mann hat sie nach vierzig Jahren Ehe wegen einer jungen Russendeutschen hocken lassen. Vielleicht trägt sie auch etwas Schuld. Sie hat ja wenig auf ihr Äußeres geschaut.

Aber dann die Gerdi. Meine Güte, die pflegt ihre neunzigjährige, bettlägerige Mutter zu Hause.

Wie kann man sich nur so was antun!“

Als Nächstes geht es um die erfolgreichen Kinder. Sie sind verheiratet, leben in gesicherten, gehobenen Positionen und bieten ihrer Familie ein sorgenfreies Leben.

Billig ist das nicht! Besonders die Enkelkinder sind überaus teuer und wichtig. Jetzt werden Fotos ausgetauscht. Oh, wie hübsch, wie süß, wie lieb, wie gescheit die heute alle sind.

Ich mag Kinder, leuchtende Kinderaugen, und Kinderlachen, solange diese Kinder nicht verzogen sind.

Heute ist die Erziehung antiautoritär. Man hat keine dressierten Affen mehr, die Gedichte vortragen oder „Danke“ sagen, wenn sie etwas bekommen.

Für was auch bedanken? Das steht ihnen doch zu!

Nur wollen, wollen, bekommen, bekommen, haben, haben! Aber „Geben“ Fremdwort!

Nein, die wissen selbst alle, was sie wollen. Sachen von C&A! Um Gottes Willen!!! Das kann man doch den Kindern heute nicht mehr zumuten! Das müssen schon Designer-Klamotten sein, Schuhe von Adidas oder Nike. Sie haben farbige, gegelte Haare und die Mädchen kennen sich mit Make-up aus. Gegessen wird nur, was die Werbung vorgibt. Ein Gang zu McDonald gehört zu den Gepflogenheiten.

Bereits im Kindergarten wissen sie alles über Sex und Kinderkriegen. Ich wundere mich da nur, wie sich die Menschheit ohne diese Frühaufklärung oder überhaupt ohne Aufklärung bisher fortpflanzen konnte.

Die Kinder werden von den Müttern hin und her geschleppt.

Zum Tennis, Fußball, Ballett, Eisläufen, zum Singen (sie haben ja schon mal beim Karaoke-Auftritt so erfolgreich abgeschnitten), zum Proben von Theateraufführungen und zum Musikunterricht.

Es gefällt auch mir, wenn Kinder ein Instrument spielen lernen. Aber hier sollen nur Wunderkinder heranwachsen, kleine Mozarts, Lang Langs oder zumindest Konkurrenten für David Garrett. Wenn es dazu nicht reicht, dann gibt es doch auch noch den Dieter Bohlen, der das Supertalent sucht. Ein TV-Auftritt gehört einfach dazu.

Ja, die Enkelkinder sind alle „siebengescheit“, beherrschen alles, können alles, wissen wirklich über alles Bescheid. Über Computer, Fernsehen, Gameboy, Handy und was es noch alles an Neuigkeiten in der heutigen Zeit gibt.

Aber frag doch mal einen Zehnjährigen wieviel 6x 7 ist, dann erfolgt erstmal der Griff zum Taschenrechner, der auch auf dem Handy installiert ist.

Aber wenn ich ehrlich bin, ist da bei mir nicht ein bisschen Neid dabei, wenn ich so kritisch über die heutigen Kinder schreibe?

Wenn ich also ganz, ganz, ganz ehrlich bin, hätte ich doch auch gerne so einen Wunderkind-Enkel oder -Enkelin, die bei einem Fernsehauftritt in die Kamera winken und sagen: „Ich will meine Omi grüßen, denn sie ist die beste Omi der Welt“.

Mich stört es auch nicht, wenn die Kids Strähnchen in den Haaren haben, die Mädchen die Fingernägel lackieren und Lippenstift benutzen.

Warum sollen sie diese harmlosen Freuden nicht genießen?

Wenn ich genau überlege, sind diese Kinder nicht auch zu bedauern?

Wird ihnen nicht eine unbeschwerte Kindheit gestohlen?

Diese stressigen Tage mit Terminen vollgestopft!

Was helfen da Computerspiele, wenn man nicht mal unbeschwert auf die Dorfstraße laufen, sich in den Staub setzen und mit anderen Kindern „schussern“ „Häusl oder Strick hüpfen“ „Reifen- oder Kreiseltreiben“ (diese Spiele waren wenigsten in meiner Kindheit angesagt) kann, ohne dass sich ein alter Mann über das Kinderlachen beschwert oder darüber, dass ein Ball auf den gepflegten Rasen, dessen Betreten verboten ist, gefallen ist, oder ohne dass ein Kind von einem vorbei rasenden Auto verletzt oder gar von einem Verrückten entführt wird?

ICH BIN NICHT IN DER NORM 2009

Wohin haben sich nun meine Gedanken wieder verirrt? Ach ja, über die „Normfrau“ bin ich mal wieder vom Hundertsten ins Tausendste gekommen.

Wirklich, in der Norm bin ich nicht.

Bereits bei meiner Geburt hat mich das Leben dazu verurteilt, nicht zur Norm zu gehören.

Ich habe mich daher schon frühzeitig entschlossen, dass ich einfach nicht zur Norm gehören will.

Und so ist mein Leben auch verlaufen. Außer der Norm … außer der Form …

Ja, das habe ich nun von meinem ungenormten Leben! Ich kann nicht mehr angepasst, nicht mehr eingepasst, nicht mehr brauchbar gemacht werden.

Verfallsdatum schon lange abgelaufen! Für mich ist auch keine Abwrackprämie mehr zu beanspruchen. Zu erwarten? Nichts … nichts … nichts! Nur noch Entsorgung!

Ich dreh mich im Bett hin und her. Jetzt habe ich mir genug Gedanken über meine norm- und formlose Gegenwart gemacht.

Recht erfreulich fällt diese Bestandsaufnahme meines Lebens nicht aus. Das Ergebnis ist ziemlich desolat.

An so einem Tag, wie es der 70. Geburtstag nun mal ist, soll man aber vorwärts blicken.

Was heißt vorwärts?

Es ist doch nichts mehr zu erwarten. Was soll denn da noch kommen?

Auch eine sehr positive Lebenseinstellung lässt, wie schon erwähnt, im Moment keine großen Erwartungen zu.

Vor mir steht nur eine undurchsichtige Nebelwand.

Vorwärts sehe ich nichts.

Ein Rückblick fällt mir schon leichter. Wie ist denn mein Lebensweg verlaufen, welche Stationen hat es gegeben, bis ich nun zwar noch nicht an der Endstation angekommen bin, aber knapp davor stehe?

MEINE EXISTENZ VOR MEINER GEBURT

Es heißt, man kann sich frühesten ab dem 3. Lebensjahr an die Vergangenheit erinnern.

Was war aber vor meiner Geburt? Habe ich vor dem Aufenthalt im Bauch meiner Mutter schon gelebt? Ich meine, haben mein Geist, meine Seele schon vorher existiert?

Aus meinem Unterbewusstsein steigt eine Geschichte empor und ich glaube, so war das wirklich. Und so erinnert sich mein Unterbewusstsein: Bevor Kinder auf die Welt kommen, sind sie kleine Seelen, die den Engeln verwandt sind. Sie halten sich im Paradies auf und bleiben dort, bis sie auf die Erde geschickt werden. Sie tummeln sich auf rosa und weißen Wölkchen, sie beten, musizieren, singen, lachen, unterhalten sich, fliegen umher und treffen sich mit anderen Seelchen.

Sie lesen Engels- und Erdgeschichten und natürlich tratschen sie auch unter- und übereinander.

Es gibt auch Freundschaften unter ihnen. Ich bin mit Ra sehr eng befreundet.

Wir unterhalten uns oft darüber, wie wohl unser Leben auf Erden sein wird. Wir werden wohl wie hier auch unten auf der Welt ein schönes Leben führen. Davon sind wir jetzt schon überzeugt. Wir werden Mittel und Wege finden, denn wir sind doch zwei Supergescheite.

Besonders gern blicken wir durch Wolkenfenster und beobachten die Menschen. Das Erdentreiben ist so interessant für uns, weil wir doch eines Tages runter und auch dort leben müssen. Was es da alles zu sehen gibt! Wir können nicht genug schauen.

Die Menschen lernen, studieren, arbeiten, feiern Feste, sind lustig und traurig, gesund und krank, dumm und gescheit, sie lachen und weinen, kämpfen, siegen, gewinnen und verlieren, sie hassen und sie lieben sich.

Ra hat eine rosa Brille, die sie zwischen den Wolken versteckt hält, denn offiziell ist diese nicht erlaubt. Aber wenn wir die Welt durch diese Brille anschauen, sieht man alles nur schön und so fehlerlos wie hier im Paradies und dieser falsche Eindruck soll laut Paradiesvorschriften nicht vermittelt werden.

Ra will deshalb die Brille an der Paradiespforte abgeben, aber ich bitte sie darum, denn die Benutzung gefällt mir und Ra schenkt sie mir.

Eines Tages, als wir uns wieder unseren Beobachtungen hingeben, sehen wir eine frühere Seele, die Joh, die sich nun auf Erden aufhält.

Ich kann mich noch genau erinnern, welche Wünsche Joh vor ihrer Sendung Gott gegenüber äußerte.

„Ich will schön, reich, gesund, erfolgreich und berühmt sein. Ich will immer viel Geld haben.“

Gott meinte darauf lakonisch: „Wenn es sonst nichts ist, das kann dir alles erfüllt werden. Aber willst du keine Liebe?“

„Ach, wenn sich alle meine Wünsche erfüllen, dann kann ich mir alles kaufen, alles was ich will.“

Und nun sehen wir plötzlich Joh.

Joh wurde als Mann auf die Erde geschickt. Und wirklich, Gott hat all seine Wünsche erfüllt. Wunderbar so ein Leben! Er muss einfach glücklich sein!

Doch dann zoome ich mir das Gesicht von ihm her. Die Augen sind ohne Glanz und wirken leer.

Er ist unglücklich. Er hat alles, alles erreicht, aber die Menschen lieben ihn nicht. Natürlich heucheln ihm die Menschen um ihn herum Freundschaft und Liebe vor, aber all das nur, um sich Vorteile durch ihn zu sichern.

Das werde ich mir merken, wenn ich mal nach meinen Wünschen gefragt werde.

Eines Tages ist es soweit, dass ich zu Gott dem Vater gerufen werde.

Ich bin schon ganz aufgeregt und flattere hin und her. Wie wird das Gespräch verlaufen?

Ein großer Engel geleitet mich zu Gott.

Er, Gott ist in ein strahlendes Licht gehüllt und schaut mich liebevoll an.

„Nun Ma, (dies ist mein Name hier), bist du bereit für die Erde?“ Ich kann nur nicken, denn zu groß ist meine Ehrfurcht vor dem Schöpfer.

„Ich sehe, du bist eine weiche, weibliche Seele und so werde ich dich in einem Mädchenkörper zur Erde senden.“ Ich habe keinen Einwand.

„Was wünscht du dir denn von deinem Erdendasein Ma? Willst du eine schöne Schauspielerin sein? Oder vielleicht eine begnadete Sängerin? Oder eine berühmte Tänzerin?“

Eigentlich möchte ich all diese Vorteile bei mir wahrnehmen. Besonders das Schönsein würde mir schon gefallen, aber wenn ich an Joh denke, nein, nein, nein!

Ganz zurückhaltend meine ich: „Ich will gar nicht viel und ich habe nur ganz bescheidene Wünsche.“

„Und die wären?“

„Ich will eigentlich nur, dass ich Menschen lieben kann und dass die Menschen mich lieben, ohne dass ich besonders gescheit, berühmt, reich oder schön bin.“

Oh Gott, das mit dem Nicht-schön-sein ist mir zu schnell rausgerutscht. So ernst habe ich das nicht gemeint. Aber nun habe ich das schon gesagt. Ich setze meinen Wunsch fort: „Die Menschen, das heißt nicht alle Menschen, aber wenigstens einige, sollen mich einfach lieben, so von ganzen Herzen und einfach so, weil ich es bin.“

Da schmunzelt Gott und meint: „Du denkst, dass deine Wünsche bescheiden sind?“ Er streichelt mir über die Wange. „Glaub mir, dein Wunsch ist der größte, den Menschen haben können. Lieben und geliebt werden, so aus tiefem Herzen, das ist das größte Glück, das man auf Erden erreichen kann. Dieses Glück zu finden ist gar nicht einfach und oft mit vielen Opfern und auch Leid verbunden. Aber wenn du dich anstrengst, kann es sein, dass du dieses Ziel erreichen wirst. Und noch etwas, lass die rosa Brille hier.“

Dann bin ich entlassen.

Auf die rosa Brille will ich aber nicht verzichten und verstecke sie schnell in einer Seelenfalte.

Der Engel geleitet mich zur Paradiespforte, klopft mir noch auf die Schulter, „Mach es gut, Ma!“ und ich schwebe meinem irdischen Leben entgegen, die rosa Brille fest an mich gedrückt.

Ist es der Wind oder höre ich die Stimme Gottes flüstern: „Wer nicht hören will, muss fühlen.“

Dann schwinden meine Sinne und die Erinnerung an das Paradies ist ausgelöscht.

MEINE WURZELN, VORFAHREN, URGROSS- GROSS- UND ELTERN, UND VERWANDTE - CA. 1850 FF

Natürlich bin ich im irdischen Leben daran interessiert, wo ich herkomme, wo meine Wurzeln liegen, wo, was, wie, wer die Vorfahren waren.

Soweit meine „Vorderen“ während meiner Kindheit noch am Leben sind, lausche ich ihren mündlichen Überlieferungen und ihren Geschichten.

Vielleicht gibt es da doch ganz „Große“, vielleicht gehen meine Wurzeln bis zu Friedrich I, dem Barbarossa zurück, wo doch in meiner Familiengeschichte immer wieder Rothaarige auftauchen?

Es kann aber auch sein, dass meine Wurzeln auf die Wittelsbacher zurückgehen, weil ich mich ja auch so echt, ganz echt bayerisch fühle, wie die Wittelsbacher.

Ich suche, frage und finde???

Die Urgroßeltern

Nichts! Gar nichts! Überhaupt nichts!!

Keine Kaiser, Könige, Königinnen, Prinzen und Prinzessinnen, Grafen und Barone, keine edlen Ritter, keine Burgfräuleins. Na ja, damit muss und kann ich auch leben.

Nun gut, meine Vorfahren haben also keine Leibeigenen gehabt, keine Soldaten befehligt, in den Krieg geschickt und Menschen Unglück gebracht.

Dagegen lese ich bei meinem fränkischen Urgroßvater „Taglöhner“, ein Armer also, der sich um das tägliche Brot für seine Familie abrackern musste.

Niemand in der Familie ist an Hunger gestorben und er und seine Frau erzogen ihre Kinder Gretl, Peter und Georg (mein Großvater) zu anständigen Menschen. Bestimmt war ihr Lebenswerk größer als das der damaligen Großen.

Gerade will ich meine geistige Forschungsakte schließen, da blitzt eine kurze Anmerkung auf, die lautet: „Von Heuschneider – kleiner Landadel“.

Ich bin fündig geworden! Ich hab’s doch gewusst! Sofort hole ich mein virtuelles Mikroskop und überprüfe mein Blut, ob es auch blaues enthält.

Das Ergebnis zeigt nur ganz kleine hellblaue Restspuren, die keineswegs für „adelsfähig“ verwertet werden können. Aber wo liegt der Ursprung dieser mehr als mageren Spuren, die ich gefunden habe?

Nach den Erzählungen meiner Altvorderen liegt das Schloss in der Oberpfalz. Leider lebt keiner mehr, der mir dazu was berichten könnte.

Der Schlossherr, ein großer, stattlicher Mann, herrscht dort etwas rücksichtslos. Seine Frau, eine kleine, zierliche Person, deren rote, lange Haare bis zum Boden reichen, hängt mit Liebe an ihrem Mann. Dieser trinkt gerne mal über seinen Durst. Wenn er dann seinen Alkoholpegel erreicht hat, zieht er seine Frau aus dem Bett, packt sie an den Haaren und schleift sie so durch das ganze Schloss.

Wie wäre es da mir ergangen?

Bei meinem Gewicht wäre ich sicher ohne Haare, skalpiert auf der Strecke geblieben.

Dies ist also die Geschichte, die in der Erinnerung am weitesten zurück liegt.

Meine Oma hat nach ihren Berichten in ihrer Kindheit den letzten „Von Heuschneider“ noch gesehen. Er hat keine männlichen Nachkommen und das Geschlecht „derer von Heuschneider“ ist damit ausgestorben. Natürlich gibt es der Gegend Pfatter und Wiesent Heuschneider, aber keine „von“. Der letzte „von“ hat aber eine Tochter, die Anna. Diese heiratet einen angesehenen Bürgerlichen mit dem Namen Gottfried Fuchs.

Das Ehepaar Fuchs bekommt zwei Töchter,

Maria (*29.01.1857), mal wieder eine Rotblonde,

und

Anna (* 24.06.1858) eine Dunkelhaarige.

Maria ist meine Urgroßmutter.

Sie wird von meinem Urgroßvater

Johann Rettinger(*10.05.1852)

einem Zimmermann, geehelicht.

Das Ehepaar bekommt zwölf Kinder.

Das vorletzte Kind, die Tochter

Theresia, ist meine Großmutter.

Sie wird in Kelheim geboren (13.10.1896).

Meine Urgroßmutter ist also fast vierzig Jahre alt, als sie dieses Kind bekommt..

Den Dutzend-Reigen schließt noch eine Tochter, die

Rosa.

Meine Urgroßmutter ist damals fast fünfzig!

Meine Urgroßeltern verfügen zunächst über etwas Vermögen. Leider schwindet dieses für Arztkosten meiner Urgroßmutter und den Kindern schnell dahin. Daher übersiedelt die Familie von Wiesent nach Kelheim, als dort mein Urgroßvater einen Posten in der Forstverwaltung erhält.

Später zieht die Familie nochmals um, wohnt nun in Ingolstadt.

ERSTKOMMUNION MEINER GROSSMUTTER

Bei der vorletzten Tochter Theresia wird schon in der Kindheit eine akute Herzschwäche festgestellt. Als sie mit neun Jahren an der 1. Hl. Kommunion teilnehmen soll, darf sie das nicht. Ihr Herzmuskel ist entzündet. Sie weint und will trotzdem unbedingt mitmachen. Der Pfarrer kommt ins Haus. Er will ihr die Erstkommunion zu Hause feierlich gestalten. Nein, nein und nochmals nein, sie will im weißen Kleid in der Kirche teilhaben. Theres ist aber zu schwach und der Doktor lehnt dies kategorisch ab.

Der Pfarrer verspricht ihr dann, dass sie extra eine Erstkommunion bekommen soll, sobald es ihr wieder besser geht. Damit ist die selbstbewusste Kleine endlich einverstanden.

Wirklich, als sich im Herbst ihr Zustand stabilisiert hat, wird für sie die Feier in der Oberen Pfarr angesetzt. Überglücklich sitzt sie in der Kirche.

Dann eine Überraschung! Alle Mädchen, mit denen sie Kommunion gefeiert hätte, kommen in ihren weißen Kleidern und begleiten sie zum Tisch des Herrn. Zu Hause ist sie an diesem Tag der große Mittelpunkt.

Sogar ihre Tante Anna, die Schwester ihrer Mutter ist angereist. Diese Feier bleibt Theres ihr Leben lang in wunderschöner Erinnerung.

Außerdem macht ihre elegante Tante Anna wieder großen Eindruck auf sie.

Was die alles für Geschichten zu erzählen weiß. Am liebsten würde sie mit ihr fahren!

DIE KAMMERZOFE ANNA FUCHS

Die Schwester meiner Urgroßmutter, die Anna, denkt nie daran, zu heiraten.

Auf Empfehlung kommt sie an den Kaiserhof in Wien und dient der Kaiserin Elisabeth, genannt Sisi (*24.12.1858), als Kammerzofe.

Die Kaiserin ist mit ihrem Cousin, König LudwigII. (*25.08.1845, †13.06.

DIE KINDER MEINER URGROSSELTERN

Meine Urgroßeltern klagen nie, auch als der 1. Weltkrieg Elend und Hungersnot über die Familie bringt. Natürlich setzen die erwachsenen Söhne und Töchter, soweit es ihnen möglich ist, alles daran, die Familie zu unterstützen.

Ein Sohn, der Gottfried II, verliert im 1. Weltkrieg beide Beine.

Gottfried wird nach einem Bruder benannt und getauft, den sie schon im Kindesalter verlieren.

Gottfried I

(der erste) ist ein aufgeweckter Bub. Die Mutter mag ihn besonders gern. Seine leuchtenden Augen, sein Lachen, seine Fröhlichkeit helfen ihr oft über die anstrengenden, arbeitsreichen Tage. Und auch Gottfried hängt mit seiner herzlichen Kinderliebe an seiner Mutter. Er ist eigentlich ein folgsamer Sohn.

Nach der Schule wird die Schulkleidung ausgezogen. Eine alte Hose mit Flicken genügt zum Spielen.

Nach dem Mittagessen verbringt Gottfried die Zeit meist draußen mit Freunden. Sie springen, lachen, wieseln hin und her, spielen Räuber und Gendarm, Fangermandl, Schussern, und was den Buben eben einfällt.

So auch heute wieder.

Jetzt kommt gerade ein Stadtbauer mit seinem Pferdefuhrwerk, das mit einem Odelfass beladen ist.

Die Kinder laufen auf das Fuhrwerk zu. Sie wollen alle ein Stück mitfahren, indem sie sich auf die Deichsel setzten oder sich sonst wie anhängen.

Natürlich rennt auch Gottfried mit um sich auf oder an dem Fuhrwerk einen Platz für eine kurze Mitfahrt zu sichern.

Seine Mutter hat dies immer wieder untersagt. Aber nun schlägt er die warnenden Worte seiner Mutter in den Wind. Er will ja nur ein ganz kleines Stück bis zum Elternhaus hin mitfahren, dann abspringen und heimgehen. So schnell fährt ein Pferdefuhrwerk ja auch nicht.

Schon hängt er an der Seite des Leiterwagens. Er freut sich. Die Mutter wird schon nicht gerade jetzt einen Blick aus dem Fenster auf die Straße werfen und ihn sehen, denn er will hernach ihre ermahnenden und tadelnden Worte nicht hören. Gleich fährt das Fuhrwerk am Haus vorbei.

Gottlieb will schnell auf die Straße hüpfen. Doch irgendwie bleibt er hängen.

Der geplante Sprung klappt nicht. Gottfried fällt, landet auf der Straße, aber ganz unglücklich zwischen die mit Eisen beschlagenen Räder. Eines dieser rollt über seinen schmächtigen Kinderkörper.

Sofort entsteht ein Tumult, die Kinder schreien. Der Bauer ruft, ein Doktor soll schnell geholt erden, ein Nachbar läuft gerade hinaus und hilft, den verunglückten Buben unter dem Fuhrwerk herauszuziehen.

Die Mutter drinnen im Haus hört das Geschrei, geht an das Fenster, um einen Blick hinauszuwerfen. Ihre Augen weiten sich im Entsetzen, das Blut weicht aus ihrem Gesicht, der Boden schwankt unter ihren Füßen, sie muss sich am Schrank festhalten, um nicht umzufallen.

Gottfried war doch gerade noch lachend und fröhlich hier beim Essen und nun schleppen sie ihr Kind in eine Decke eingewickelt, sterbend ins Haus.

Sie öffnet die Türe. Sie braucht keine Erklärung, sie weiß, was passiert ist. Sie hilft, den Bub auf das Sofa zu legen.

Gottfried ist bei Bewusstsein.

„Mutter, ich bin vom Wagen gefallen, bitte schimpf nicht.“

„Nein, mein Kind, das tu ich nicht.“

Obwohl sie sieht, dass keine Hilfe mehr möglich ist, soll der Doktor schnell kommen. „Heilige Maria Mutter Gottes, vom siebenfachen Schwert durchbohrt, steh mir bei!“ Sie wischt Gottfried das leichenblasse Gesichtchen ab. Der kalte Schweiß steht ihm auf der Stirn. „Jetzt kommt gleich der Doktor. Dann geht es dir schnell wieder besser.“

„Ja, Mutter, aber ich hab Durst. In meinem Bauch brennt es so heiß.“

Die Nachbarin, die auch hier im Haus Bescheid weiß, bringt ein Glas Apfelsaft. Die Mutter hebt seinen Kopf und hält ihm das Glas an die zitternden Lippen. Mit gierigen Zügen leert Gottfried das Glas, sein Köpfchen gleitet auf das Kissen zurück.

„Mutter, jetzt muss ich bieseln.“

Schnell holt die Nachbarin ein Nachthaferl herein. Die Mutter hebt die Decke auf und schiebt es unter das stöhnende Kind. Gottfried muss nicht bieseln, es ist alles Blut, das so aus seinem sterbenden Körper heraus läuft.

Es zerreißt ihr fast das Herz. Sie schiebt ihren Arm unter das Kopfkissen und hält das Kind, so an sich gedrückt, fest.

Kurz darauf meint er wieder: „Mutter, ich muss schon wieder.“

„Mach dir da jetzt keine Sorgen. Lass es einfach laufen. Später werde ich das alles waschen.“ Sie schaut in das Gesicht ihres Kindes. Ist das Näschen nicht schon ganz weiß und spitz?

„Mutter, wenn ich jetzt sterbe, komme ich dann in die Hölle, weil ich nicht gefolgt habe?“

„Ach, mein Lieber, du kommst nicht in die Hölle. Du bist doch ein braver Bub.“

„Du, Mutter, wenn ich sterbe, komme ich dann in den Himmel?“

„Herzerl, freilich kommst du in den Himmel.“

„Du, Mutter, wenn ich jetzt sterbe, komme ich dann gleich in den Himmel?“

„Du kommst freilich gleich in den Himmel.“

„Du Mutter, spielen dann die Engel mit mir?“

„Ja, Liebling, die Engel spielen dann mit dir.“

„Du, Mutter, ich sehe Engel, die winken mir schon zu und wollen mit mir spielen … Mutter, komme ich wirklich gleich in den Himmel?“

„Du kommst ganz, ganz schnell in den Himmel.“

„Mutter, ich seh in den Himmel. Es schaut so schön aus. Bin ich jetzt gleich dort?“

„Ja, du bist gleich dort.“

„Mutter, die Engel fliegen zu mir her und holen mich jetzt.“ Gottfried hebt seine Händchen den Engeln, die er sieht, entgegen. Ein seliges Lächeln umspielt seine Lippen. „Sie sind da und ich bin gleich im Himmel.“

Seine Ärmchen fallen zurück und mit einem verzückten Lächeln im Gesicht macht er einen tiefen Atemzug, dann ist es vorbei.

„Oh Herr, gib ihm die ewige Ruhe …“

Die Mutter schließt ihm die Augen, dann verliert sie das Bewusstsein.

Diesen Schicksalsschlag kann Urgroßmutter Maria ihr Leben lang nicht verarbeiten und oft vergießt sie heiße Tränen. Doch das Leben geht weiter … weiter … weiter …

Alle Kinder hängen an ihren Eltern, auch wenn diese streng sind.

Theresia liebt ihre Mutter sehr. Als mal die Rede auf das Sterben kommt, meint sie: „Mutter, wenn du mal stirbst, dann will ich auch nicht mehr leben.“

„Ach Kind.“

„Doch, Mutter, wenn du stirbst, dann springe ich in dein Grab.“

Die Mutter lächelt mild: „Ach Kind, wenn ich sterbe, dann wird es dir schon sehr wehtun. Aber glaub mir, ein Jahr später wirst du wieder singen, lachen und springen. Glaub mir das!“

Ja, das Leben geht immer wieder weiter …

INHALT

Cover

Titel

Impressum

Vorwort

Runder Geburtstag 8.3. 2009

Die heutige durchschnittlich 70-jährige

Ich bin nicht in der Norm 2009

Meine Existenz vor meiner Geburt

Meine Wurzeln, Vorfahren, Urgroß- Groß- und Eltern, und Verwandte - ca. 1850 ff

Erstkommunion meiner Großmutter

Die Kammerzofe Anna Fuchs

Die Kinder meiner Urgroßeltern

Die Schwestern

Meine Großeltern und Eltern Die rauchende Großmutter

Das Brautpaar

Das Ehepaar

Die Kinder

1927 Das Leben geht weiter

Der Diebstahl

Und wieder geht das Leben weiter

Das Schusterehepaar

1927 Der Geburtstag von Georg steht bevor, aber

Ab 1927 Die Witwe

1927 Folgejahre Witwe Theres und wie geht es weiter?

1932 Kommt er doch?

Der Prinz wird gegangen, aber

Der folgenschwere Besuch

Familie Weber (baierisch Wewa) und Lenting

Der Prinz ändert sich

1936 Thea und Kurt

1937 Thea und Fritz

Das Fiasko

Thea in Heidelberg

Die Frauenklinik

Frau Heller

Die Entbindung

1939 ich, ich, ich, ich

Ich bei den Hellers

Ich will aber Zuwendung!

Ich bekomme Besuch

Ich komme nach Lenting

1939 Mein Vater, die Liebe, das Kind und die Vaterschaft

Der Liebeskummer und das schriftliche Versprechen

Das freie Wochenende im Juli 1939

Muttis nächster Besuch und das Fräulein Babette (Bairisch Bawett)

Der Rupert

November 1939 Mutti gibt ihre „Auslandstätigkeit“ auf und kehrt heim

Maria und Ludwig heiraten und Männer an die Front

Ich bin immer noch nicht anerkannt

Meine nächste Zeit

Die nächste Zeit in Lenting in der Familie und Verwandtschaft

Das Weihnachtsfest 1939

Das neue Jahr 1940 beginnt

Tante bekommt ihr Kind, ihre Beate Maria

Die Taufe

Mutti heiratet

Das Leben im Dorf geht weiter

Mama schlägt mich

1941 Die Fotos

1941 Nachwuchs kommt – nämlich mein Bruder Robert

Ostern

Wieder Fotos

Das Leben geht weiter

Der Rupert geht

Das Jahr 1942

Mein Geburtstag

Papa hat Heimaturlaub

Der Kindergarten

Onkel Hans und Onkel Ludwig

Das Jahr 1943 Die Verwandten

Mutti und Onkel Hans heiraten und

… bald darauf kommt mein Bruder Ludwig

Uns Kindern passt alles

In Nürnberg

Der Friseurbesuch

Neuigkeiten im Dorf

Das Jahr 1944 beginnt

Mutti findet eine „Wohnung“

Wir Kinder

Die Ohrringerl

Die Kriegsjahre, die Mütter und das Leben im Dorf

Das Jahr 1945 das Jahr der Ereignisse

1945 weiter

Zwei deutsche Soldaten kommen

Luftangriffe

Die Angriffe werden immer schlimmer

Ende April Der Krieg ist verloren und

… die Amerikaner kommen

Ein schlechtes Ereignis

Die Hausdurchsuchungen

Ausgangssperre und krank

Dann werde ich krank!

Die Amerikaner

Der Namenstag

Der Schulanfang

Die neue Zeit... Die folgenden Tage... Wochen... Monate... Jahre

Das Überleben

Kartenlegen

Schöne Dinge

Der Clinton

Und sonst?

Die Strampelpuppe

Die „Flüchtlinge“ kommen

Die Frau Schiller

Der Herr Diez

Die Frau Gößl

Der Herr Meixner

Die junge Frau Klabeck

Die alte Frau Klabeck

Die Protestanten

Die Gerlinde

Die Schwestern

Das Waisenkind

Der Herr Baldauf

Der Baumeister

Pr.-Bub

Trauriges zum Schmunzeln

Der Onkel Gustl

1946 Die Entnazifizierung

1946 Die Ferien

1946 Schulbeginn

Der 50. Geburtstag 13. Oktober 1946

Der kalte Winter 46/47

1947 Frühling – Sommer – Herbst

1947 Lausige Zeiten

Der Onkel Xaver geht, er verlässt uns

1947 Der Papa kommt

Wirklich! Wir sind alle glücklich!