Commissario Conti und der Tote im See - Carlos Ávila de Borba - E-Book

Commissario Conti und der Tote im See E-Book

Carlos Ávila de Borba

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Beschreibung

Während einer morgendlichen Bootsfahrt zur Isola del Garda entdeckt eine Familie einen unter der Wasseroberfläche treibenden Körper. Offenbar handelt es sich bei dem Toten um einen Ranger aus Tignale, der im Naturpark Gardasena arbeitete. Zur gleichen Zeit wird am Brenner ein Transporter kontrolliert, der illegal eine riesige Trüffelmenge nach München liefern soll. Luca Conti, der gerade seinen letzten Lehrgang zum Kommissaranwärter absolviert, glaubt an eine Verbindung zwischen den Fällen und beginnt auf eigene Faust zu ermitteln …

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Carlos Ávila de Borba

Commissario Conti und der Tote im See

Kriminalroman

Impressum

Personen und Handlung sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

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Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt

Herstellung: Mirjam Hecht

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

unter Verwendung eines Fotos von: © MAURO / AdobeStock

ISBN 978-3-8392-7312-8

Widmung

Für Anninha

1. Kapitel

Als er die roten Fingerabdrücke seiner Hand auf der leuchtenden Wange seines Sohnes sah, wusste er, diese Ohrfeige würde er sein Leben lang nicht mehr vergessen.

Claudia stürzte sich auf ihren Mann und umklammerte von hinten seine Arme.

»Das darf doch nicht wahr sein, Walter! Spinnst du?«, zischte sie ihm wütend ins Ohr. »Ich kann es nicht fassen, dass du unseren Sohn gerade geschlagen hast. Bist du verrückt geworden, oder was ist los, du Vollidiot!«, schimpfte sie, während sich Benni die Wange hielt und laut zu schreien anfing:

»Ich hab ihn gesehen. Es stimmt! Der Papa glaubt mir nicht, aber ich hab ihn gesehen.«

»Mein Gott, was ist hier eigentlich los? Was hast du gesehen, Benni?«, fragte Claudia genervt.

»Ich hab ihn gesehen, ich schwör es!«, rief der kleine Benni aus und hielt sich mit der linken Hand die pulsierende Wange. »Ich hab ihn dort gesehen. Einen Mann unter Wasser. Er ist tot. Ich hab’s gesehen! Ich schwöre es«, rief er erneut und deutete mit dem Zeigefinger über das Heck des kleinen Beluga-Boots auf den See.

Der kühle Pelér wehte gleichmäßig aus nördlicher Richtung über den Gardasee und brachte Unruhe und starke Wellen mit sich, wodurch die unteren kälteren Wasserschichten an die Oberfläche gelangten. Claudia versuchte, auf dem Boot das Gleichgewicht zu halten, trat mit zwei unsicheren Schritten zu Benni und beobachtete nun an seiner Seite eine Gruppe größerer Wellen, denen kleinere mit gebrochenen Kämmen folgten. Die frühen Sonnenstrahlen erhellten bereits das Westufer des Sees.

»Benni, bist du dir sicher, dass du das gesehen hast?«, fragte sie erneut.

»Das ist doch nur wieder eine von seinen Fantasiegeschichten! Er soll endlich mit dem Lügen aufhören!«, warf Walter aufgebracht ein und wünschte sich, er könnte die letzte Minute ungeschehen machen. Für ihn war es unerträglich, dass bei seinem Sohn die Grenze zwischen Fantasie und Wirklichkeit manchmal nahezu nahtlos ineinander überging. Obwohl Benni schon in der Grundschule war, wurden seine Stofftiere regelmäßig lebendig, unsichtbare Freunde begleiteten ihn im Alltag und halfen ihm in schwierigen Situationen. Insgeheim warf Walter seiner Frau vor, dass sie die Fantasie ihres Sohnes zu lange gefördert und sich auf das Spiel mit den Märchenfiguren eingelassen hatte.

»Sei still, Walter!«, herrschte Claudia ihn an. »Ich will jetzt nichts mehr hören, du hast dich schon genug aufgeführt.«

»Es ist nicht gelogen, Mama, es ist wahr«, unterbrach Benni sie, den Tränen nahe. »Er war ungefähr zehn Zentimeter unter der Wasseroberfläche oder vielleicht auch ein bisschen tiefer – einen halben Meter oder so. Er hat einen grünen Pullover an, lange schwarze Haare und schaut nach unten.«

Marco, der Fahrer des Motorboots, war aufgrund seiner österreichischen Wurzeln für die deutschen Touristen zuständig. Er hatte das Gespräch verfolgt und zögerte nun. Fragend suchte er den Blick des Jungen. Dann prägte er sich mit einem schnellen Blick zwei Landmarken ein, kuppelte aus, legte das Steuerrad hart nach Backbord und führte eine langsame Kreisbewegung aus. Bereits in seiner Jugend hatte er mit seinem Vater in dessen kleinem Fischerboot viel Zeit auf dem See verbracht, und er erinnerte sich an die zahlreichen Fahrten, auf denen er an turbulenten Tagen Netze im See gesucht hatte, die die Strömung losgerissen hatte. Daher warf er sofort die kleine Boje ins Wasser, damit er in den Wellen des Sees eine Orientierungshilfe hatte. Marco, der erst seit diesem Sommer beim Bootsverleih der Ceccarellis arbeitete, versuchte zunächst, das Problem selbst zu lösen. Ohne die Stelle aus den Augen zu lassen, auf die der Junge gezeigt hatte, lenkte er das Boot dorthin, war sich aber beim Vorbeifahren nicht sicher, ob etwas im Wasser war. Ein mulmiges Gefühl beschlich ihn, als er in die dunklen Wellen blickte. Verunsichert funkte er nun doch das Büro des Bootsverleihs an.

Der Mann im Büro nahm sofort ab. »Ja, was ist los?«, tönte es am anderen Ende.

»Ich bin es, Marco, wir haben ein Problem. Hier treibt vermutlich ein toter Mann im See.«

»Was, ein toter Mann? Vermutlich? Bist du dir sicher, Marco, oder ist das ein schlechter Scherz?«

»Nein, Paolo, ich denke, da war gerade ein Mann in den Wellen, der kleine Junge hat ihn gesehen.«

»Der kleine Junge?«

»Ja«, antwortete Marco und suchte im Verhalten des Jungen nach Anzeichen, die Zweifel an seiner Aussage aufkommen lassen könnten.

»Wie alt ist der Junge?«, fragte Paolo.

»Beim Briefing vor der Abfahrt hat der Vater gesagt, er sei acht.«

Acht Jahre, dachte Paolo mit einem schelmischen Lächeln. Mit acht habe ich die größten Lügen in die Welt gesetzt, habe täglich neue Abenteuer erlebt, riesige Wellen gesurft, in zyklopischen Stürmen gesegelt und mit meinem Onkel grundsätzlich Fische gefangen, die mehr als einen oder zwei Meter groß waren. Er zögerte. »Okay«, sprach er dann ins Funkgerät, »ich hoffe, du bist dir sicher, Marco. Wir haben hier schon eine Top-10-Liste mit Fehlinformationen, auf der ein verblödeter Teenager den dritten Platz belegt, weil er geschworen hat, dass er im Wasser ein Ungeheuer gesehen hat, das wie Nessie vom Loch Ness aussah. Falls es nicht wahr ist, was der Junge sagt, gibt es gewaltigen Ärger.«

»Ich weiß, aber …«, unterbrach ihn Marco.

»Wir haben unsere Glaubwürdigkeit bei der Polizei noch nicht verspielt, aber Fehlinformationen können wir uns nicht mehr leisten.«

»Ich glaube dem Jungen, Paolo, er hat gerade eine Ohrfeige vom Vater bekommen, hält aber an seiner Story fest. Es muss ihm ernst sein, oder?«

»Okay, okay. Bleib ganz ruhig. Schick mir deine Koordinaten, ich informiere die Wasserpolizei. Und bitte, bleib, wo du bist, ja?«

»In Ordnung. Ich warte.«

Am Donnerstag hatte die Familie Schwarz in der Grundschule eine Entschuldigung für Benni abgegeben, dass er krankheitsbedingt zwei Tage fehlen würde, und sich dann von Holzkirchen in Richtung Gardasee aufgemacht, um ihre Rosenhochzeit zu feiern, das zehnjährige Bestehen ihrer Ehe. Sie wollten das verlängerte Wochenende in Garda verbringen. Inoffiziell sprachen die Schwarz’ vom Lago di Monaco, dem Münchner See, wodurch sie ihn einfach eingemeindeten, denn der See mit seinem mediterranen Klima und der reizvollen Landschaft war für sie das schönste Ausflugsziel für ein verlängertes Wochenende. Die Reise führte die Familie über Innsbruck, und sie machten einen kurzen Halt am Brenner und einen längeren in Trento. Auf der Fahrt plauderten sie und hörten Bennis Hörspiele, hatten aber auch Gelegenheit, ihre Pläne für die folgenden drei Tage noch einmal durchzugehen.

Walter, der vor Jahren auf der Fahrt nach Venedig einmal einen Abstecher nach Verona gemacht hatte, war ein wenig missmutig, weil es ihnen nicht gelungen war, diesen Ausflug drei Wochen früher, genau am Hochzeitstag, zu machen, da sich Claudias berufliche Verpflichtungen nicht verschieben ließen. Denn dann wäre er in die Zeit des Opernfestivals gefallen, und sie hätten am Samstag Aida von Giuseppe Verdi in der Arena von Verona hören können. Claudia war eine talentierte Klavierspielerin und Liebhaberin klassischer Musik, doch besonders die Musik von Verdi hatte es ihr angetan.

Bei der Einfahrt in den Ort fuhr Walter langsamer. Die kleine Stadt stand in lieblichem Kontrast zu den schroffen Berggipfeln. Vor seinen Augen taten sich rechts der blaue See und links die unverwechselbare Silhouette Gardas auf. Die sanften Hügel mit den venezianischen Palästen und dem verwinkelten Altstadtkern fielen zu dem breiten Seeufer hin ab. Claudia ließ das Autofenster herunter. Sie atmete tief ein und spürte den Duft von süßer Myrte und Oleander. Eine sanfte, warme Brise brachte den betörenden Geruch des Südens ins Wageninnere.

Besonders auf die Sonnenuntergänge, für die Garda bekannt war, freute sich Walter. Als sie kurz vor dem Abendläuten der Santo Stefano Kirche im Zentrum Gardas in ihrer kleinen Ferienwohnung ankamen, tauchten die letzten Sonnenstrahlen die Stadt in ein sanftes Licht, und Walter wollte nach der langen Autofahrt einfach nur den Seeblick in einem der vielen Restaurants oder Cafés genießen und sich dem Nichtstun hingeben.

Hinter dem Haus plätscherte der Torrente Gusa, ein schmaler Bach, und sie beschlossen, die wenigen Meter zur Uferpromenade zu gehen. Dort angekommen, sahen sie, wie die letzten weißen Wolkenfetzen in warmes Rot getaucht wurden und unzählige Wellen des Sees das letzte Tageslicht reflektierten. Froh, endlich am See zu sein, schlenderten sie die Promenade entlang, während sich langsam die Nacht über Garda legte. Die kleinen Lichter auf der gegenüberliegenden Uferseite wurden mit jeder Minute deutlicher, und über ihnen erblühte der gewaltige Abendhimmel mit seinen funkelnden Sternen. Benni, der schon seit geraumer Zeit über Hunger klagte, drängte Claudia und Walter schließlich, nach einem Restaurant Ausschau zu halten.

Am Morgen des folgenden Tages besuchten sie gleich den Wochenmarkt von Garda. Walter spürte sofort das Flair italienischer Lebensfreude. In dem allgemeinen Durcheinander und der Vielfalt an Farben und Gerüchen versuchte er, das eine oder andere Schnäppchen zu erwischen.

Als Ausgleich zu dem Stress in seiner Steuerkanzlei, die ihn mit ihren zehn Mitarbeitern ordentlich auf Trab hielt, empfand Walter am Nachmittag den Besuch im Weingut Lenotti als sehr wohltuend. Der Familienbetrieb, der seit 1906 den bekannten Rotwein Bardolino Classico herstellte, wurde bereits in der dritten Generation geführt, und Walter wollte sich die Verkostung der Rotweine und die geführte Weintour durch den direkt am Ufer des Gardasees gelegenen kleinen Weinberg Santa Cristina nicht entgehen lassen. Anschließend besichtigten sie auch noch den unterirdischen Fasskeller. Er kaufte einige Flaschen Grappa di Amerone, um sie zu gegebenem Anlass seinen Geschäftskunden in der Steuerkanzlei zu schenken.

Für Benni war es ein Abenteuer, dass er heimlich und unerlaubt zwei Tage in der Schule fehlen durfte, und er war furchtbar aufgekratzt und redete unablässig von den Fischen, die er im See fangen wollte.

Claudia, die Landschaftsarchitektin war, sah im Besuch der Isola del Garda den Höhepunkt des Wochenendes. Diese nur wenige 100 Meter vor dem Cap San Fermo malerisch im See gelegene Insel faszinierte die Besucher durch ihre Parkanlage, die eine einzigartige Mischung aus wilden englischen und streng geometrischen italienischen Gärten war. Claudia freute sich auf die Führung durch die Villa und den Spaziergang durch die Grünanlage, doch sie wusste nicht, dass sie auf der Terrasse ein Begrüßungsgetränk erwartete und sie zum Hochzeitstag einen Ring erhalten sollte, den Walter extra für sie besorgt hatte.

So stieg die Familie Schwarz also am Samstagmorgen fröhlich und bereits etwas erholt in das schicke Boot des Bootsverleihs Ceccarelli, das sie zu der privaten Führung auf der Isola del Garda bringen sollte. Walter ließ seinen Blick über den morgendlichen See schweifen und sah in das aufgeregte Gesicht seiner Frau, deren Haare im Fahrtwind wehten. Er konnte vor Freude kaum an sich halten, und es kostete ihn Mühe, die Überraschung, die er für seine Frau geplant hatte, nicht zu verraten.

Er genoss die Überfahrt mit dem Boot, die Vorfreude und das momentane Glück seiner kleinen Familie, bis Benni, der auf der Backbordseite des Bootes mit einem Bambusstock Angeln spielte, plötzlich aufmerksam ins Wasser starrte. Seit dem Beginn der 30-minütigen Bootsfahrt zur Isola hing Benni schon über dem Bootsrumpf, erzählte seine Fantasiegeschichten und hielt den Stock mit der Schnur ins Wasser, um die Carpione del Garda, die endemische und sehr seltene Gardaseeforelle, zu fangen, von der ihm der Bootsfahrer zuvor berichtet hatte. Walter freute sich, wie sein Sohn in der Rolle des Fischers aufging – bis zu dem Augenblick, als Benni ihn, wild mit der Hand herumfuchtelnd, am Ärmel zog und stotternd behauptete, einen toten Mann im Wasser zu sehen.

2. Kapitel

Aus dem Nichts erschien das Rettungsboot der italienischen Wasserpolizei. Vom Hafen in Bardolino kommend, teilte es mit erhobenem Bug das Wasser.

Es näherte sich der Stelle, an der Marco mit dem Beluga-Boot im Leerlauf um die Boje kreiste, die er zuvor als Orientierungsmarke ins Wasser geworfen hatte. Sie war nur eine Viertel Seemeile von der imaginären Linie in der Mitte des Sees entfernt, die die Provinzen Venezien im Osten und Brescia im Westen trennte. Obwohl Marco nach außen einen ruhigen Eindruck machte, klopfte sein Herz laut, und er versuchte, die verzweifelt durcheinander diskutierende Familie Schwarz zu beruhigen:

»Bitte, bleiben Sie ruhig, die Wasserpolizei ist ja schon da. Machen Sie sich keine Sorgen, ich verspreche Ihnen, es wird alles gut!«

Benni tat zwei Schritte auf die Mittelkonsole zu, wo Marco mit einer Hand auf dem Steuerrad und der anderen auf der Gangschaltung die Fahrtrichtung des Boots kon­trollierte, und schrie ihn aufgeregt an:

»Du bist so fies! Wie kannst du so was versprechen? Da liegt ein toter Mann im Wasser, und du sagst, wir sollen uns keine Sorgen machen? Und alles wird gut? Du bist gefahren und hast den Mann gar nicht gesehen! Ich habe ihn entdeckt! Nicht du!«

»Halt den Mund, Benni«, ging sein Vater schnell dazwischen. »Es reicht. Schau dir das Chaos an, das du angerichtet hast.«

Benni drehte sich wütend um. »Ich hasse dich, nie glaubst du mir!«, gab er zurück und bewegte sich unsicheren Schrittes auf seine Mutter zu.

Claudia empfing ihn mit beiden Händen und zog ihn in eine Umarmung. Seinen Kopf streichelnd, flüsterte sie ihm zu:

»Bleib bei mir, Benni, sei einfach still und mach dir keine Sorgen. Die Wasserpolizei ist jetzt da und kümmert sich um alles.«

»Körperumrisse südlich der Markierungsboje des Beluga-Boots!«, rief der kommandoführende Polizist, der auf dem Deck des Polizeiboots an der Metallbalustrade lehnte und Ausschau hielt, zum Cockpit herunter. Er bemerkte durch sein Fernglas etwas Dunkles in dem grünblauen Wasser, das knapp über oder unter der Wasseroberfläche trieb.

»Wie weit entfernt?«, fragte Guido aus dem Cockpit.

Der Polizist blickte sofort auf den Kompass und das kleine Display mit den technischen Informationen des Fernglases und nannte die Distanz: »50 Meter! Langsam, Guido!« Das Boot verlangsamte seine Fahrt und verursachte Bugwellen, die das kleine Beluga-Boot durchschüttelten, weshalb Claudia Benni noch fester an sich drückte.

»Der Körper schwimmt südlich der Beluga im Wasser. 50 Meter!«, wiederholte der Polizist, während er sich an die Taucher wandte und ihnen mit dem Zeigefinger signalisierte, dass einer von ihnen ins Wasser musste. »Pietro, du tauchst! Bei diesem Wind wird es besser sein, wir bereiten den Bergekran auf der Backbordseite vor.« Nach diesen Kommandos blickte er noch einmal auf sein Team und vernahm einen bestätigenden Chor:

»Alles klar, Chef!«

Guido schätzte den Wind ab, verlangsamte die Fahrt und leitete das Manöver ein, sodass sie behutsam an dem Beluga-Boot vorbeiglitten. Vom oberen Deck funkte der Polizist zur Polizeizentrale nach Bardolino: »Bestätige: lebloser Körper im Wasser.«

»Verstanden. Alles okay mit den Leuten im kleinen Boot?«

»Ich denke schon. Außer dem Fahrer vom Ceccarelli-Verleih ist es nur ein Paar mit einem kleinen Jungen. Lassen wir sie weiterfahren?«

»Nein, auf keinen Fall. Schick sie sofort zurück ins Hauptkommissariat nach Bardolino. Wir können jetzt keine Touristen brauchen, die die Nachricht verbreiten, ehe die offizielle Meldung raus ist.«

»Gut, wird gemacht. Wir holen jetzt den Mann aus dem Wasser.« Er formte die Hände vor dem Mund zu einem Trichter und rief in Richtung Beluga-Boot: »Alles klar bei euch?«

»Ja, ich denke schon«, antwortete Marco und blickte auf Walters verärgertes Gesicht. »Sie wollten auf die Isola del Garda …«

»Tut mir leid, aber das ist nicht möglich! Fahr sofort zurück. Ihr werdet im Hafen erwartet. Und nimm die Markierungsboje wieder mit. Nach der Befragung durch die Polizei könnt ihr wieder los. Danke, du hast einen guten Job gemacht!«

»Was, wieder zurück nach Bardolino?«, beschwerte sich Walter und gestikulierte in Richtung Marco. »Das darf doch nicht wahr sein! Wir haben seit langem eine Privatführung auf der Insel gebucht, die können wir nicht einfach verpassen.« Und er fügte in abwertendem Ton hinzu: »Wenn ihr hier tote Leute im Wasser rumschwimmen habt, ist das doch nicht unser Problem!«

Marco startete kopfschüttelnd den Motor. Er fischte die Boje aus dem Wasser, schwenkte langsam den Bug des Beluga-Bootes in Richtung Bardolino und fuhr los.

»Das ist nicht der Grund, Herr Schwarz, bitte beruhigen Sie sich«, versuchte Marco zu vermitteln. »Die Polizei macht doch nur ihre Arbeit, wenn sie Sie befragt. Das Beste, was wir tun können, ist, mit ihnen zu kooperieren. Und ich verspreche Ihnen, nach der Befragung bringe ich Sie wieder auf die Insel.«

»Was! Was soll der Sch…«

»Sei still, Walter!«, unterbrach Claudia ihn verärgert. »Wie führst du dich nur wieder auf! Du benimmst dich wie ein totaler Egoist. Das ist kein Witz hier. In so einem Fall hast du als Bürger die Pflicht, auszusagen.« Sie schüttelte den Kopf, entsetzt über Walters Benehmen.

»Mama, ich will nach Hause!«, jammerte Benni. Er umklammerte die Hüfte seiner Mutter. Die Frau sah ihren Mann enttäuscht an. Walter wusste keine Antwort, schüttelte nur ebenfalls den Kopf und starrte aufgewühlt ins dunkle Wasser, als das Polizeiboot vorsichtig auf den Schatten im Wasser zufuhr.

»Mach dir keine Sorgen, mein Schatz!«, beruhigte Claudia ihren Sohn. »Ich verspreche dir, dass wir gleich heimfahren, wenn wir an Land mit der Polizei gesprochen haben.«

Walter war außer sich. Statt sich zu beruhigen, machte er es noch schlimmer, weil er Benni auf eine Art anstarrte, dass dieser sich absolut schuldig fühlte. Frustriert ließ er sich auf die kleine Bank im Boot fallen und fragte:

»Und jetzt, Claudia? Was machen wir?« Claudia verdrehte die Augen. Sie antwortete nicht und gab Marco mit einer beruhigenden Handbewegung zu verstehen, dass Walter nicht ernst zu nehmen sei. Dann umarmte sie Benni, der sich wortlos auf ihren Schoß gesetzt hatte.

»Oh Mann«, stöhnte Walter auf, als er seine beleidigte, ihn völlig ignorierende Frau sah. »Auch das noch!«

Auf dem Boot der Wasserpolizei zog der Taucher den Reißverschluss des Anzugs zu, setzte seine Flasche und die Vollmaske auf und postierte sich auf dem Bootsrand. Sein Partner klickte mithilfe eines Schraubkarabiners die gelbe Leine ein und befestigte das freie Ende am Boot. Als der Motor des Boots stoppte, gab der Taucher seinem Signalmann, der ihn vom Boot aus an der Leine führte, ein Zeichen und rollte sich vorsichtig rückwärts ins kalte Wasser ab. Die Wucht des Aufpralls wurde von der Taucherflasche gut abgefangen, weshalb er sich kontrolliert und mit langsamen Schwimmbewegungen im See fortbewegen konnte. Kurz war er noch unter der wogenden Oberfläche zu sehen, dann tauchte er im Dunkel des Sees ab. Während der Signalmann aufmerksam das Abtauchen überwachte und anhand der Luftblasen den Aufenthaltsort des Tauchers überwachte, kontrollierte Guido vorsichtig die Bewegung des Boots.

Für einen Samstagmorgen war auf dem See wenig los. Der Polizist auf dem oberen Deck verfolgte gespannt die Bergung und war froh, dass sich die Wellen ein bisschen beruhigten, denn so konnten sie ungestört vorgehen. Doch plötzlich vernahm er von oben ein leises Summen. Er richtete seinen Blick zum Himmel und sah eine silberglänzende Drohne näher kommen, die ganz leicht im Wind hin und her schwankte. Frustriert sah er sich um und griff dann zum Funkgerät:

»Zentrale, bitte kommen!«

»Ja, hier Zentrale. Was gibt es?«

»So ein Mist. Über unserem Boot fliegt eine Drohne und macht bestimmt Bilder, Videos oder sonst was. Der Taucher ist gerade im Wasser. Kannst du dich darum kümmern? Aber sofort, bitte!«

»Ach du Scheiße!«, entfuhr es dem diensthabenden Polizisten im Kommissariat. »Okay, gut. Alles klar. Mach weiter und sei vorsichtig. Ich kümmere mich darum!«

»Aber pronto! Beeil dich!«, rief der Polizist nochmals in sein Gerät. »Wir haben jetzt keine Zeit für so was!«

Luigi, der den Funkspruch in der Zentrale entgegen- genommen hatte, sprang auf und winkte seinen Partner heran. »Übernimm hier bitte und halte die Stellung! Ich muss kurz weg.«

Der Kollege nickte erstaunt: »Kein Problem! Wann kommst du …«, doch Luigi hörte die zweite Hälfte des Satzes schon nicht mehr. Er rannte aus der Zentrale auf den Parkplatz zum Einsatzwagen, zögerte kurz, drehte dann um und entschied sich lieber für seinen blauen Fiat. Er wusste, dass man für die Steuerung einer Drohne eine gute Übersicht brauchte, und mit diesem Wissen stieg er ins Auto und fuhr eilig los. Die Punta Cornicello, etwas nördlich von Bardolino gelegen, war ein solcher Platz mit hervorragendem Ausblick über den See, und während er über die Seestraße bretterte, hoffte er, dass er mit seiner Vermutung richtiglag. Als er wenige Minuten später auf den Parkplatz an der Punta Cornicello einbog, bemerkte er den kleinen Golf, der am hinteren Rand parkte und auf dessen Tür in geschwungenen Lettern ›Il Gazzettino di Garda – Sempre informato!‹ stand.

Wusste ich’s doch! Die Journalisten, dachte Luigi und freute sich, dass ihn seine Intuition nicht getäuscht hatte. Diese Plagegeister ließen sich immer neue Tricks einfallen. Er stellte seinen Wagen ab und rannte zur Aussichtsplattform. Dort sah er einen lässig gekleideten, eher unsportlich wirkenden Mann, der sich über eine kleine Konsole beugte. Sein Rücken zeigte Anzeichen einer beginnenden Verkrümmung. Luigi verlangsamte seinen Schritt, bis sein Gang einem gemütlichen Schlendern glich. Vorsichtig näherte er sich dem Unbekannten.

»Hi. Was für ein toller Vormittag!«, sprach er den Mann an. Der blickte nur kurz auf, nickte zustimmend und konzentrierte sich dann wieder auf seine Konsole.

»Und die Aussicht ist überragend, nicht wahr?« Luigi ließ sich nicht beirren: »Wow! Die Konsole sieht ja gut aus. Ich habe mir auch schon überlegt, so was zu kaufen, zum Fotografieren. Es ist schon toll, was man heutzutage alles machen kann.«

Der Mann verzog sein Gesicht zu einem kurzen Lächeln: »Das ist eine DJI Mavic 2 Pro. Coole Sache!«

»Ist die schwer?«, hakte Luigi nach.

»Nein, die ist federleicht!«, entgegnete der Mann und betrachtete Luigi über die dicken Gläser seiner Brille hinweg. »Sehen Sie!«, fuhr er stolz fort und bewegte den Kontrollkasten leicht auf und ab.

»Tatsächlich. Das gibt’s doch nicht, und wo steuert man?«, fragte der Polizist und deutete auf den linken Joystick.

»Nein, der linke ist für die Kamera!«, entgegnete der Fremde. »Mit dem rechten steuert man.«

»Gut zu wissen«, antwortete Luigi. Er erkannte auf dem kleinen Display das perfekte Bild vom Einsatz der Wasserpolizei. Mit einer schnellen Bewegung griff er nach dem Kontrollkasten und drückte den rechten Joystick komplett nach unten durch.

»Hey!«, brüllte der Mann vom Gazzettino und versuchte, Luigi die Konsole zu entreißen. Doch der Polizist sah ihm direkt in die Augen, umfasste den Joystick fester und riss ihn komplett heraus.

»Figlio di puttana! Bist du völlig übergeschnappt?«, schrie der Mann. »Ich werde dich verklagen! Bastardo! Die Drohne gehört der Redaktion, was mach ich jetzt? Bist du verrückt geworden?«

Luigi grinste: »Du bist hier der Drecksack. Deine Sensationsgier kennt wohl gar keine Grenzen, was?«

»Pezzo di merda! Dir werde ich’s zeigen!«, rief der Mann vom Gazzettino und stürzte sich auf Luigi, der jedoch ausweichen konnte.

»Hau ab, du Idiot!«, fauchte Luigi. »Und wenn du mich verklagen willst, dann nur zu!« Er warf die Konsole auf den Boden, holte eine Polizei-Visitenkarte aus der Tasche und drückte sie dem anderen in die Hand. »Genieß weiter die Aussicht und hab einen schönen Tag!« Mit diesen Worten wandte er sich um und lief zurück zu seinem Auto.

Auf dem Boot der Wasserpolizei hievte inzwischen der Bergekran ein schweres, merkwürdiges Gebilde an Bord. Der Tote krümmte sich um eine Alufelge, an der man ihn festgebunden hatte. Zusammen mit der Alufelge machte er einen trostlosen Eindruck, als er triefend an Bord geholt wurde. Betroffen sahen sich die Männer an.

»Was zum Teufel …«, verschlug es dem leitenden Polizisten die Sprache.

»Sollen wir ihn losbinden?«, fragte der Signalmann unsicher. Der leitende Polizist auf dem Deck schüttelte den Kopf.

»Nein, legt ihn hier auf der Plastikfolie ab und fasst ihn nicht weiter an. Alles bleibt, wie es ist. Das ist sicher kein Selbstmord!«, sagte er und betrachtete die beiden merkwürdigen Löcher am Hals des Toten. »Das muss sich die Forensik anschauen.«

»Chef!«, meldete sich Guido. »Ich glaube, ich kenne ihn!«

»Was?«, fragte der leitende Polizist ungläubig.

»Ja, ich weiß, wer das ist«, sagte der Fahrer. »Das ist Fabrizio. Fabrizio Leone. Wir spielen zusammen in der Fußball-Hobbyliga. Er ist der Linksaußen vom FC Tignale. Ich weiß, dass er mit seinem kleinen Boot immer zwischen dem Porto di Tignale und Navene hin- und herpendelt, da er drei- oder viermal die Woche als Ranger im oberen Naturpark arbeitet.«

»Woher weißt du das alles?«, forschte der leitende Polizist.

»Er lässt sich gern in Garda mit Touristinnen in den Kneipen sehen, und auch im Nachtleben von Verona ist er ein bekanntes Gesicht. Ein paar meiner Freunde hatten schon Missverständnisse mit ihm.«

»Verstehe«, nickte der leitende Polizist. »Dann kommst du nachher mit mir ins Kommissariat, okay?«

Der Fahrer des Boots nickte betroffen und betrachtete den leblosen, um die Felge gefesselten Körper, bevor er den Motor startete und das Boot auf den Weg nach Bardolino brachte. Wer hat ihn nur so zugerichtet? Was mag da passiert sein, dass er so sterben musste, fragte er sich entsetzt. Ein unheimliches Gefühl beschlich ihn, als ihm bewusst wurde, wie wenig er über die Menschen aus seiner Heimat wusste.

Familie Schwarz fuhr gleich nach der Befragung nach Hause zurück, auf der E45, ohne eine Pause einzulegen und ohne in Trient oder am Brenner anzuhalten. Claudia saß mit dem schlafenden Benni, der nicht mehr mit Walter hatte reden wollen, auf der Rückbank. Walter war frustriert. Dieser Ausflug zum Hochzeitsjubiläum war anders verlaufen als geplant.

3. Kapitel

Mit seinem milden, eigentlich schon maritimen Klima gilt der Luftkurort Tignale mit der sagenumwobenen Wallfahrtskirche Madonna di Montecastello als eine der angenehmsten Ortschaften der Provinz Brescia. Die Aussicht von der 500 Meter über dem See gelegenen Ebene ist atemberaubend. Für die rund 1.500 Einwohner, die inmitten unberührter Natur in absoluter Ruhe über dem Westufer des Sees leben, ist das spätsommerliche Trüffelfestwochenende – besser bekannt als La Sagra del Tartufo – der Höhepunkt des Jahres.

Doch dieses Jahr war am letzten Sonntag des Festes, am 29. September, alles anders. Statt der geplanten Wanderung mit dem Trüffelsucher, die sonst im Zentrum des Interesses der Touristen stand, zog die Sonntagsausgabe des Gazzettino di Garda sämtliche Aufmerksamkeit auf sich. Auf der Titelseite prangte links ein Bericht über das renommierte Restaurant La Traviata aus Verona, das zum zweiten Mal am Trüffelfest teilnahm und mit seiner ambitionierten Aufmachung alle anderen schlug. Und rechts war eine gestochen scharfe Luftaufnahme des toten, um eine Alufelge gewickelten Fabrizio Leone zu sehen, der gerade triefend von einem Bergekran der Wasserpolizei aus dem Gardasee gezogen wurde. Das Foto war überschrieben mit der Schlagzeile »Toter ins Netz gegangen«.

Dem Besitzer des La Traviata war es gelungen, den Hauptweg des Trüffelfestes mit einem roten Teppich um 25 Meter zu verlängern, der, flankiert von goldenen Messingständern und roten Absperrkordeln, durch einen doppelten Rosenbogen führte und in dem raffiniertesten 200-Mann-Partyzelt endete, das jemals im Norden Italiens aufgestellt worden war. Nur wer eine Einladung oder Reservierung hatte, wurde eingelassen. Die edle Atmosphäre und der elegante Service waren wie aus vergangenen Zeiten: Die Köche trugen weiße Kochjacken mit Doppelknopfleiste und steife Kochmützen, und die Kellner schwirrten in dunklem Frack und roter Fliege beflissen um die perfekt eingedeckten Tische herum. Das Restaurant gehörte dem bekannten Marco Casella, einem ehemaligen Sänger und Prominenten aus der zweiten Reihe, dessen Berühmtheit seit vielen Jahren auf seinem einzigen Schlager »Pizza, Pasta e Mamma mia« gründete. Die Einwohner regten sich darüber auf, dass das neue Zeltrestaurant, das sich im ersten Jahr noch recht bescheiden als Verkaufszelt in die Reihen der anderen Zelte eingefügt hatte, nun im zweiten Jahr mit übertriebenem Glanz und Pomp auftrumpfte. Es gab das Gerücht, dass es nur durch den Zuspruch Maurizio Scalis gelungen sei, dem Restaurant aus Verona die Tür zum Trüffelfest zu öffnen. Der war nämlich ein Tignalesi, lebte aber in Verona und arbeitete dort als Geschäftsführer für die Brüder Montavani in deren renommiertem Feinkostladen Fratelli Mantovani – Italien Gourmet. Maurizio Scali hatte seine Beziehungen zum Bürgermeister spielen lassen. In einem Vieraugengespräch und mit einem profita­blen Angebot hatte er ihn davon überzeugt, dass ein professionelles Restaurant wie das La Traviata mit seinem guten Service und dem national bekannten Sänger Marco Casella unbedingt ein Mehrwert für das Trüffelfest und den Bürgermeister wäre.

Mit einem Auftrag des Kommissars Manchini aus Bardolino stiegen die beiden Streifenpolizisten der Gemeinde Tignale am letzten Tag des Festes in ihren kleinen weiß-grünen Fiat. Sie fuhren eine kurze Strecke und parkten ihren Dienstwagen pünktlich um 8 Uhr in der Via Giovanni Tonoli am Straßenrand. Der Beifahrer stieg aus, sah sich kurz um und klingelte schließlich zweimal am Haus von Fabrizio Leone. Dann wartete er. Nach einer kurzen Weile kurbelte der Fahrer des Polizeifahrzeugs sein Fenster herunter und bedeutete dem Kollegen, es noch einmal zu versuchen. Dieser klingelte erneut, doch es rührte sich nichts. Offensichtlich war niemand zu Hause. Die beiden Polizisten schauten sich ratlos um und wollten schon aufgeben, als sich ein kleines Fenster im Nachbarhaus öffnete und ein Frauengesicht im Rahmen erschien.

»Signora Lucia ist nicht zu Hause.«

»Guten Morgen«, entgegnete der Polizist freundlich. »Haben Sie eine Ahnung, wo wir sie finden können?«

»Ja, das ist ganz einfach. Sie ist auf dem Trüffelfest und arbeitet am Stand Nummer fünf. Man kann ihn nicht verfehlen. Es ist der einzige Stand, der keine Trüffel verkauft, sondern andere Produkte aus der Region.«

»Vielen Dank für die Auskunft!« Nach einem fragenden Blick zum Fahrer des Polizeiwagens, der zustimmend nickte, fuhr er fort: »Darf ich Sie noch etwas fragen? Wann haben Sie Herrn Leone das letzte Mal gesehen?«

Die Nachbarin der Familie Leone überlegte ein paar Sekunden, knöpfte den obersten Knopf ihres Schlafanzugs zu und antwortete, während sie das Fenster bereits schloss und damit jede weitere Frage unterband: »Ich weiß es nicht. Er ist wie der Wind. Manchmal ist er hier und manchmal in Garda. Haben Sie noch einen schönen Tag!«

Die Vorbereitungen für den letzten Tag des Trüffelfests waren in vollem Gange, als der Polizeiwagen auf Höhe des Standes Nummer fünf, über dem ein Schild mit der Aufschrift »Pelucci – salumeria regionale« prangte, auf der anderen Straßenseite anhielt. Die Polizisten stiegen aus. Einer von ihnen blieb neben der geöffneten Beifahrertür stehen, während der andere sich durch die Menschen auf der Straße schlängelte, auf den Stand zuging und sich der Frau näherte, die mit lustlosem Gesichtsausdruck verschiedene Waren auf der Ausstellungsfläche ausbreitete.

»Guten Morgen!«, begrüßte der Polizist sie. »Sind Sie Signora Lucia Leone?«

»Ja, das bin ich!«, antwortete sie überrascht. »Ist etwas passiert? Wenn es wegen der Lizenz für den Stand ist, dann warten Sie besser auf meinen Chef, der müsste gleich hier sein.«

»Nein, das ist es nicht.« Er zögerte. »Hätten Sie ein paar Minuten Zeit? Es ist wichtig.«

»Zeit hätte ich, aber wer bleibt dann hier am Stand und passt auf die Sachen auf? Bald kommen auch schon die Leute und wollen bedient werden.«

»Ja, ich verstehe, aber …«

»Es tut mir leid, aber bevor mein Chef nicht da ist, kann ich hier nicht weg«, sagte sie in etwas spitzem Ton. »Worum geht es überhaupt?«

So vorsichtig und höflich, wie er nur konnte, schlug der Polizist vor: »Wenn es für Sie in Ordnung wäre, würde mein Kollege hierbleiben und aufpassen.«

Lucia warf einen prüfenden Blick auf den Polizisten, der am Dienstwagen lehnend im Gazzettino blätterte, und schüttelte den Kopf.

»Maria!«, rief sie laut zum Nachbarstand Nummer vier hinüber, wo weniger los war. »Kannst du bitte kurz ein Auge auf meine Sachen werfen? Ich bin gleich wieder da.«

»Kein Problem«, war die Antwort. »Nimm dir die Zeit, die du brauchst! Aber was ist denn los?«, fragte Maria.

Doch ihre Frage blieb unbeantwortet.

Der Besitzer des Standes, ein stattlicher Mann mit Schnurrbart und rundlichem Bauch, der die Gabe besaß, seine regionalen Produkte mit unaufdringlicher Überzeugungskraft anzupreisen, bemerkte den Streifenwagen vor seinem Zelt, beschleunigte seinen Schritt und mischte sich laut reklamierend ein:

»Was ist hier los? Das darf doch nicht wahr sein. Es tut mir leid, aber so früh am Morgen ist das nicht die richtige Zeit für eine Lizenzüberprüfung. Sie sollten lieber am Abend kontrollieren, wenn unsere gute Ware nur noch Gottes Schutz untersteht.«

»Guten Morgen, der Herr!«, antwortete der Polizist und las erneut den Namen »Pelucci« auf den Schildern des Stands. »Herr Pelucci, das ist keine Lizenzüberprüfung. Aber nur für den Fall, dass Sie es noch nicht wissen: Wir stellen hier auf dem Markt von 21 bis 7 Uhr eine Nachtwache auf, und wenn ich mich recht entsinne, ist dieses Jahr auch noch nichts gestohlen worden.«

»Dieses Jahr – Gott sei Dank – nicht, aber letztes Jahr …«

»Okay. Lassen wir es gut sein, Herr Pelucci. Wir wollen uns kurz mit Signora Lucia unterhalten.« Er richtete seinen Blick auf Lucia. »Kommen Sie bitte mit.«

Der Polizist am Wagen faltete die Zeitung zusammen, klemmte sie sich unter den Arm und half Lucia auf der Beifahrerseite beim Einsteigen, während sein Kollege in dem kleinen Zweitürer auf der Rückbank Platz nahm. Er fragte Lucia, die nervös auf ihrem Platz hin und her rutschte:

»Sie sind die Ehefrau von Fabrizio Leone, nicht wahr?«

»Ja, das bin ich. Was ist los?«

Ohne zu antworten, fragte der Polizist weiter: »Wann haben Sie Ihren Mann zuletzt gesehen?«

Verunsichert ließ sich Lucia für die Antwort etwas mehr Zeit, als eigentlich nötig war. »Gestern!« Sie zögerte. »Gestern Abend.«

Der Polizist bemerkte die Verlegenheit und die Schweißtropfen, die sich auf ihrem rundlichen Gesicht bildeten. »Gestern Abend? Überlegen Sie bitte ganz genau. Sind Sie sich da sicher?«

»Nun ja, vielleicht war es nicht gestern … sondern eher am Donnerstag. Ja, am Donnerstagvormittag war es«, antwortete sie bestätigend und atmete lange aus, wodurch die Anspannung ein wenig aus ihrem Körper wich. »Ist etwas passiert?«

»Nun«, sagte der Polizist auf dem Fahrersitz und verlangsamte sein Sprechtempo. Er senkte den Blick. »Es tut mir leid, dass ich Ihnen das mitteilen muss. Ihr Mann ist tot. Wir haben ihn gestern im See gefunden.«

Ein Moment der Stille trat ein, den Lucia mit einem plötzlichen Schrei unterbrach. »Neiiiiiin!« Der verzweifelte Schrei war so laut und durchdringend, dass er die Aufmerksamkeit der Touristen auf sich zog, die sich in der Nähe des Wagens befanden.

»Es tut mir wirklich leid«, sagte der Polizist betroffen. »Aber Sie müssen mit uns kommen, wir haben eine Anweisung von Kommissar Manchini erhalten, Sie müssen Ihren Mann identifizieren. Die Wasserpolizei wartet.«

Lucia knetete an ihren gefalteten Händen herum, ohne die Stille zu unterbrechen, die wieder entstanden war. Sie nickte stumm. Der Polizist verließ den Wagen erneut, trat auf den Standbesitzer zu und informierte ihn ohne weitere Erklärung, dass sie Lucia mitnehmen und später zurückbringen würden.

Sie fuhren mit dem Polizeiwagen die steile Straße und durch den Tunnel hinunter zu dem kleinen Fischerhafen Porto di Tignale, wo ein Boot der Wasserpolizei aus Bardolino mit seinem 200 PS starken Motor wartete, das die Fahrt nach Bardolino in kürzester Zeit zurücklegen würde. Doch Lucia lehnte es ab, mit dem Boot zu fahren: »Nein. Auf keinen Fall. Nur über meine Leiche.«

»Bitte, kommen Sie doch an Bord«, sagte der Fahrer, »unser Boot ist sicher, und das ist die schnellste Möglichkeit, nach Bardolino zu kommen.«

»Nein, das mach ich nicht«, rief sie laut aus. »Nie im Leben!«

»Bitte, machen Sie jetzt keine Schwierigkeiten. Es dauert doch nur 15 Minuten. Nach der Besprechung im Kommissariat bringe ich Sie wieder hierher zurück.«

»Bringen Sie mich bitte wieder ins Dorf hoch!«, schrie Lucia.

Da sie sich so resolut weigerte, hielt der Polizist kurz Rücksprache, ob er sie die 75 Kilometer nach Bardolino mit dem Auto bringen sollte, was sofort bestätigt wurde. So fuhren sie also die Strecke Richtung Süden um den halben See herum, bis sie 90 Minuten später das Polizeikommissariat in Bardolino erreichten. Die Polizisten aus Tignale begleiteten Lucia Seite an Seite auf die Wache, wo ein absolutes Durcheinander herrschte, und brachten sie in das Büro des leitenden Kommissars. Dieser lief gerade hektisch in seinem Büro auf und ab und schrie:

»Haben wir diese Drohne jetzt runtergebracht oder nicht?«

»Ja, schon, aber …«, sagte der Assistent.

»Was, aber? Wie kann es sein, dass die Idioten vom Gazzettino die Bilder haben? Wer kann mir das erklären?«

Ein junger Polizist sah von seinem Laptop auf und gab schüchtern zurück: »Ich kann mir gut vorstellen, dass das alles schon in der Cloud war, als Luigi das Gerät versenkt hat, Kommissar.«

»In der Cloud? Was soll das?« In diesem Moment klingelte das Telefon. Er ging ran. »Du schon wieder, Sabbione!«, rief er in den Hörer. »Ja, genau so! Stichpunktartige Kontrollen aller Verdächtigen und Überprüfung jedes 100. Autos! Mann, gibt’s da oben bei euch an der Grenze nur Neulinge oder was? Man könnte meinen, ihr macht das zum ersten Mal. Habt ihr den Lehrgang über Rauschgift, Sprengstoff und Geruchsspuren etwa nur angenommen, damit ihr den Zuschuss vom Staat bekommt?« Er bemerkte Lucia.

»Und ruf nur wieder an, wenn ihr was Wichtiges habt!«, befahl er und warf das Handy auf den Schreibtisch, auf dem Lucia das Titelbild des Gazzettino erblickte und in einen Sessel sank.

»Wasser! Wasser! Bringt schnell Wasser! Na los!«, schrie der Kommissar die beiden Polizisten aus Tignale an, die wie angewurzelt stehen geblieben waren. »Bewegt euch! Steht hier nicht rum wie die Ölgötzen!«

Schließlich rannte einer nach Wasser und brachte es Lucia. Nur ein paar Minuten später bestätigte sie nochmals, dass sie ihren Mann zuletzt am Donnerstagvormittag gesehen hatte.

»Wissen Sie, wer etwas gegen Ihren Mann haben könnte?«, fragte der Kommissar und versuchte, seinen momentanen Frust zu verbergen.

»Nein. Seine Freunde habe ich immer nur zu heiteren Anlässen getroffen. Ich weiß wirklich nicht, wer ihm Böses wollte. Er hatte da seine Sachen am Laufen, aber im Grunde seines Herzens war er kein schlechter Mensch.«

»Was meinen Sie genau mit ›Sachen am Laufen‹?«

Lucia schluckte trocken und erwiderte: »Na ja, seit drei Jahren blieb er manchmal nach der Arbeit im Naturpark in Garda über Nacht.«

»Hmm«, brummte der Kommissar verwundert, ohne sie zu unterbrechen.

»Am Anfang hatte ich keine Ahnung, was los war, aber da ich keinen Streit wollte, habe ich seine Ausreden gelten lassen. Eine Freundin, die in Garda arbeitet, hat mir dann berichtet, dass er da Affären mit Touristinnen sucht und sich im Nachtleben rumtreibt«, gestand sie, und Tränen traten in ihre Augen.

Der Kommissar schob ihr das Wasserglas zu. Nachdem sie kurz ihre Lippen befeuchtet hatte, ohne zu trinken, fuhr sie fort: »Er war kein schlechter Mensch. Und in letzter Zeit wirkte er sogar sehr zufrieden mit seiner Arbeit und schien froh zu sein, dass er mit dem Extrajob im Restaurant La Traviata am Trüffelfest etwas Geld dazuverdienen konnte. Bis auf unsere Probleme sah es in letzter Zeit sogar sehr gut aus.«

»Was meinen Sie mit ›unseren Problemen‹?«

»Na ja, wissen Sie, wir haben keine Kinder, und ich bin acht Jahre älter als er. Ich habe mich in den vergangenen zwei Jahren etwas gehen lassen und bin in Traurigkeit verfallen, ohne Kinder, so ganz allein«, sagte sie. »Kein Wunder, dass er mit der Zeit das Interesse an mir verlor.«

»War er Ihnen gegenüber aggressiv?«, fragte der Kommissar überraschend.

»Was meinen Sie mit ›aggressiv‹?«, fragte sie verunsichert zurück. »Er hat mich schon mal mit Worten runtergemacht, aber geschlagen hat er mich nur ein einziges Mal.«

»Und was war der Anlass?«, hakte der Kommissar nach.

Sie zögerte: »Ich weiß es nicht mehr, aber mein Vater hat danach mit ihm geredet, und dann ist es nie wieder vorgekommen«, entschuldigte sie ihn.

Der Kommissar bemerkte, dass diese Frage ihr unangenehm war, und wollte vorerst nicht weiterbohren. Diese Art Fragen mussten zu einem späteren Zeitpunkt weiterverfolgt werden.

»Und Sie haben nie über eine Trennung nachgedacht?«, fragte er deshalb.

»Trennung, wieso? Damit wir noch mehr Probleme bekommen? Wir haben gelernt, damit umzugehen. Ich kann Ihnen sagen, viele Leute zeigen nach außen hin eine heile Fassade, obwohl sie große Probleme haben.« Lucia konnte ihre Tränen nicht mehr zurückhalten und wiederholte: »Er war kein schlechter Mensch. Ich weiß, dass er kein schlechter Mensch war. Er hat es nicht verdient, so zu sterben.«

Der Polizist reichte ihr ein Papiertaschentuch und sagte: »Es tut mir leid, dass Ihnen das passiert ist, und bestimmt werden wir in den nächsten Tagen noch ein paar Fragen an Sie haben, aber jetzt würde ich Sie bitten, mir in die Forensik zu folgen, um Ihren Mann zu identifizieren«.

Sie verließen das Büro, traten durch einen Bogen in einen langen, dunklen Korridor, der an einer metallenen Tür endete. Auf einem länglichen Seitentisch lag, in einen Plastiksack verpackt, die Alufelge. Von dem Tisch in der Mitte des Raums hingen seitlich Fabrizios Haare herab und gaben den Blick auf sein Tattoo an der linken Schulter frei. Lucia tat zwei Schritte auf den Tisch zu und erkannte über dem vertrauten Schriftzug ›per sempre il tuo‹ das dunkelrote Herz mit dem Namen ›Lucia‹ in der Mitte. Sie schwankte, trat einen Schritt zurück und brach ohnmächtig auf den kalten Fliesen des Raums zusammen.

Wie jeden Sonntag drängten sich die Autos vom Gardasee in langen Schlangen Richtung Deutschland. Doch diesmal schien es besonders langsam voranzugehen. Wie ein langer, in der sonntäglichen Sonne glitzernder Wurm schlängelten sie sich den See entlang, um auf die nach Norden führende E45 zu gelangen. Am Grenzübergang Brenner wurde der Auftrag des Kommissars aus Bardolino bereits ausgeführt und jedes verdächtige Auto angehalten sowie jedes 100. Auto kontrolliert. Eine Sechs-Mann-Besatzung überprüfte mit zwei Polizeiwagen die Fahrzeuge. Luca Conti war der Einzige, der nervös war. Der Neffe von Kommissar Manchi­­ni absolvierte im Zuge seiner Ausbildung zum Kommissar dort gerade den Lehrgang für den Einsatz von Spürhunden. Es war seine letzte Station als Kommissar Anwärter, die er noch zu meistern hatte. Das Ende der Ausbildung war in Sicht, doch sein Dienst hatte erst begonnen.

4. Kapitel

Kurz nach Mittag nahm der aus dem Süden kommende Verkehr vom Gardasee zu. Autos, Lastwagen, Motorräder und Wohnwagen wurden langsamer und drängelten sich über die Europastraße 45 auf die vier Fahrspuren, die für die Grenzkontrollen reserviert waren. Für die ungeduldigen Touristen war die öde Wartezeit im Stau am Grenzübergang ein Ärgernis und Grund für Streit und Diskussionen. Für Bruno Sabbione aber, den Polizeichef, der den Einsatz leitete und inzwischen mehr Stunden an der Grenze verbrachte als zu Hause bei seiner Familie, war die Order des Tages einfach: »Stichpunktartige Kontrolle aller Verdächtigen und Überprüfung jedes 100. Autos.«

»Conti!«, rief Sabbione Luca zu, der gerade liebevoll einen schwarzen Schäferhund mit rotbrauner Zeichnung tätschelte, der speziell für Geruchsspuren ausgebildet war. »Du bleibst bei mir!«

Luca antwortete nicht. Er steckte seinen Ausweis in die linke Hemdtasche und dachte, dass er diese spezielle Betreuung durch den Chef seinem Onkel Mauro Manchini zu verdanken hatte, dem Leiter des Polizeikommissariats in Bardolino. Er zog den Hund, der auf den Namen Rosso hörte, auf circa ein Meter Leine zu sich heran und ging zur Kontrollstelle.

Der Wagen, der als Nächstes an der Reihe war, hatte ein österreichisches Kennzeichen und wurde von einem älteren Herrn gefahren. Er hatte die ruhige Ausstrahlung eines Menschen, der sich gut auskannte in der Gegend und vielleicht in der näheren Umgebung wohnte. Polizeichef Sabbione schüttelte den Kopf, und Luca winkte den Wagen durch. Im nächsten Wagen, der kontrolliert werden sollte, saß ein älteres Ehepaar. Die Frau fuhr den Wagen, ihre eine Hand lag auf dem Lenkrad und mit der anderen gestikulierte sie wild zu dem neben ihr sitzenden Mann, der sein Kinn auf den Griff eines Gehstocks stützte und sie einfach ignorierte. Luca hob die Hand, der Wagen wurde langsamer, doch der Hund, der bis zu diesem Moment ruhig gewesen war, zog an der Leine in Richtung des nächsten Fahrzeugs. Es handelte sich um einen olivgrünen Mercedes Benz Sprinter 313 CDI, einen Kastenwagen mit italienischem Kennzeichen. Sabbione, der die Reaktionen des Schäferhunds gut kannte, gab dem Fahrer des Transporters ein Zeichen zum Anhalten und sagte:

»Conti, kontrolliere du den Mercedes da drüben, ich kümmere mich um den hier.«

Der Hund, der heftig an der Leine zerrte, zog Luca bis zu dem Mercedes. Luca lotste den Wagen ein Stück weiter an den Straßenrand. Der Fahrer kurbelte das Fenster zur Hälfte herunter und grüßte gleichgültig:

»Guten Morgen.«

»Guten Morgen«, antwortete Luca und betrachtete den Transporter von außen. »Öffnen Sie das Fenster bitte vollständig und schalten Sie den Motor ab.«

»Wird gemacht. Gibt es ein Problem?«

Luca ignorierte die Frage und sagte:

»Ihre Papiere, bitte!«

Der Fahrer beugte sich hinüber auf die Beifahrerseite, öffnete das Handschuhfach und holte die Fahrzeug- und Versicherungsunterlagen heraus. Er reichte Luca die Dokumente und blickte verächtlich auf den Hund, der immer noch an der Leine in Richtung des hinteren Teils des Wagens zog.

»Haben Sie auch Ihren Personalausweis und den Führerschein dabei?«