Der dunkle König - Eckhard Lange - E-Book

Der dunkle König E-Book

Eckhard Lange

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Beschreibung

Was wir im 1. Samuelbuch lesen, ist kein historischer Bericht. Noch streiten die Gelehrten, was daran Legende, was späterer Nachtrag, was tendenzielle Überarbeitung ist und wo sich geschichtliche Tatsachen herausschälen lassen. Aber wie der Streit auch ausgehen mag: Diese Erzählung von Saul, dem ersten König Israels, beschreibt zugleich wohl erstmals in der Menschheitsgeschichte ein besonderes Krankheitsbild. Wir würden es heute eine bipolare Störung nennen, eine Reihung manisch-depressiver Schübe, hervorgerufen durch mancherlei äußere Umstände, aber wohl auch genetisch bedingt. Zugleich aber begegnen wir in dieser Geschichte jenem ewig neuen Gegensatz zwischen Bewahrung des Alten und dem Glauben an den Fortschritt, dem Konflikt zwischen rationaler Politik und religiös motivierter Intoleranz. Dem allen wollen wir nachgehen, den Stimmen der verschiedenen Akteure lauschen, dem Reiz einer wunderbaren Erzählung nachspüren.

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Eckhard Lange

Der dunkle König

Eine Roman-Collage über König Saul

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

ERSTES KAPITEL: DAS ENDE

ZWEITES KAPITEL: DER GEIST JAHWES

DRITTES KAPITEL: DIE PLÄNE DES KÖNIGS

VIERTES KAPITEL: DAS OPFER DES KÖNIGS

FÜNFTES KAPITEL: DER SIEG DES KÖNIGS

SECHSTES KAPITEL: DER BANN ÜBER AMALEK

SIEBENTES KAPITEL: DIE KRANKHEIT

ACHTES KAPITEL: DER ZWEIKAMPF

NEUNTES KAPITEL: DER VERRAT

ZEHNTES KAPITEL: DIE FLUCHT

ELFTES KAPITEL: DIE WÜSTE

ZWÖLTES KAPITEL: DIE NACHRICHT

DREIZEHNTES KAPITEL: DER UNTERGANG

Impressum neobooks

ERSTES KAPITEL: DAS ENDE

I

Die Königshalle: Dunkles, haarlos gegerbtes, miteinander verwobenes, vernähtes, verzahntes Ziegenleder, ausgespreizt an Zeltstangen, mit Seilen verankert im steinigen Boden, Schutz vor der gleißenden Glut der Sonnenstrahlen, Schutz auch vor dem Wind, der den Sand der Wüste von fern herantreibt, die Sonne verdunkelnd, den Gaumen austrocknend urplötzlich das Land überfällt: das Zelt der Nomaden, rasch errichtet und wieder abgebaut, auf Wanderschaft bedacht, auf unstetes Sein, wechselndes Dasein, dem immer Neuen, Anderen unterworfen.

Darin der Thron: Ein Hocker nur mit klappbarem Gestell aus hartem Olivenholz, braungewittert, das Leder zerkratzt, zerfaltet, zerfurcht. Auch er ohne Gründung, ohne Dauer, aufgeschlagen wie zur Rast auf der Flucht. Dort sitzt er: der König. Die Rechte hat er schützend vor die Augen gelegt, obwohl Dämmerung herrscht unter dem ledernen Dach; die Linke stützt sich gegen die heilige Lanze, das Zeichen seiner Würde, seines Heerführertums.

Er hat die Augen geschlossen hinter den zusammengepreßten Fingern, denn er wünscht sich nichts sehnlicher als Dunkelheit um sich her wie in mondloser Wüstennacht, dunkel wie das gebrochene Auge des erlegten Widders - jene Dunkelheit, die auch in ihm ist, wieder und wieder und auch jetzt, wo doch Klarheit gefordert ist und Entschlußkraft und umsichtiges Führen der Truppen. Dort, in der Dunkelheit, sieht er es - klar und doch wider Willen, erkennt er die Bilder des kommenden Tages, als hätte jener sich schon zur Nacht geneigt.

Er schaut das Schlachtengewirr, erkennt die schwirrenden Pfeile, die herabsausenden Schwerter, er hört das Geschrei der Kämpfenden, das Stöhnen der Verwundeten, das Seufzen der Sterbenden. Und er schaut, was kommen wird: das Ende, den Untergang seines Heeres, die Flucht der Männer, die er zum Sieg führen sollte.

Er sieht sich selbst: umringt von Feinden, die die Räder seines Streitwagens hemmen, das Pferd zu Fall gebracht haben; er spürt den Haß, der ihn anweht aus ihrem Atem, ansprüht aus ihren Blicken, eingebettet ist in den Fäusten, die den Schwertgriff umklammern.

Ja, er weiß es, weiß es schon jetzt: Er wird das Volk ins Verderben führen, die Männer und sich selbst dem Tod anheimgeben - er, der einst von Gott Gerufene und nun so furchtbar endgültig von Gott Verlassene. Und die Philister werden Freudengesänge anstimmen zu Ehren der Baalim. Sie werden sagen: Unsere Götter haben uns den Sieg geschenkt über Israel und seinen Gott Jahwe, der sein Volk nicht schätzen konnte. So reden Sieger. Aber sie haben Unrecht. Jahwe, Herr der Heerscharen, ist und bleibt auch Herr dieser Schlacht, aber er wird gegen sein Volk entscheiden um seines Königs willen. Denn des Königs Schuld wird es sein, daß Israel erneut in Knechtschaft gerät, aus der er sie doch einst befreit hat. Seine Schuld ist diese Dunkelheit, die ihn tatenlos macht, die wie schwarzer Nebel sich über ihn breitet und alles verschwimmen läßt, die sein Herz einengt und seinen Willen lähmt.

Seine Schuld? Hat er nicht alles getan, was Verstand und Gewissen ihn lehrten? Hat er sich nicht zwingen lassen in dieses Amt, das er nicht gewollt? Ja, hat nicht Gott ihn einst überwältigt, jene geheimnisvolle Gewalt ihn ergriffen - ihn, den Ahnungslosen, den Arglosen, der nur seinen Acker bestellte und seine Gaben darbrachte nach Väterart? Und hat dieser Gott ihn nicht dann alleingelassen mit seinem Auftrag, bis er ihn in jene Dunkelheit stürzte, diese Einsamkeit, diese Weglosigkeit auf ihn lud, gnadenlos, erbarmungslos?

Nein, nicht er hat Gott verraten, sondern Gott ihn. Doch sei es dies oder das andere - es machte ihn hilflos und machtlos und lieferte ihn der Dunkelheit aus, die nun sein Leben bestimmte. Und sie hatten ihn alle verlassen wie einen Gezeichneten, wie einen, den der Aussatz befallen - der Seher und der jugendliche Freund, und dann auch der eigene Sohn, der nun mit ihm sterben würde. Sie wollten nicht teilhaben an seiner einsamen Dunkelheit, seiner dunklen Einsamkeit, seiner Gottverlassenheit. Er hat es ganz allein tragen müssen wie ein Kainsmal, wie eine nimmerschließende Wunde, und zuletzt hat das Leiden ihn süchtig gemacht nach dieser furchtbaren Dunkelheit in ihm, ohne die er nicht mehr leben konnte. Ja, komm, süßer Vogel Traurigkeit, breite deine schwarzen Schwermutsschwingen aus, überschatte mich. Schuld, Schuld ist es, sagen sie alle. Schuld ist es, sagte schließlich auch er selbst - gegen sein Wissen, das sich verloren hatte in diesen Schatten.

Und so werden sie von ihm erzählen, später, an den Feuerstätten der Hirten, in den Toren der Städte, so werden es die Kanzlisten schreiben und die Chronisten verkünden, wenn der andere König sein wird, der Strahlendhelle, der Gotterwählte, dem seine Schuld nicht zugerechnet wird in ihren Berichten und sein Verrat. Er wird den Vorgänger auslöschen im Gedächtnis des Volkes, wird ihn brandmarken und die Dunkelheit zeitlos machen, die seinen Namen umgibt: Saul, der verlorene, der dunkle König, der nicht würdig war und zum Zeichen wurde für einen Gott, der erwählt und verwirft, der grausam ist und doch der Einzige, der Licht und Schatten verteilt und ihm - ihm allein nur den Schatten ließ.

Auch das sah der König in dieser Stunde, klarer als je zuvor, und er sagte Ja zu allem, weil es seine Trauer ins Unermeßliche steigerte und weil diese Trauer das einzige war, was ihm blieb - sein ganzes Ich, so zärtlich-grausam eingehüllt in das Dunkle. War also Dunkelheit das einzig Wirkliche, war Helligkeit nicht nur Einbildung, Phantom, wesenlos? Gott selbst ist allein das Dunkle, und wer in diesen Abgrund stürzt, in Trauer versinkt, in Nacht sich verirrt - ist nicht er allein Gott nahe?

II

Der König fröstelte, er raffte den Mantel zusammen. Die Zelttür wurde aufgeschlagen, Abner trat ein, der Heerbannführer, blieb einen Augenblick stehen - nicht aus Ehrfurcht, sondern weil sein sonnengewohnter Blick sich erst in die Schatten fügen mußte, in denen sein König schwermütig saß. Das Metall auf seinem Brustpanzer klirrte, und der König nahm die Hand von den Augen, blickte, aus der weiten Ferne seiner Gedanken zurückfindend, fragend dem Eingetretenen entgegen. "Die Männer warten auf den König," sagte dieser. "Du mußt dich zeigen, ihnen Mut zusprechen, ihnen den Sieg verheißen und Jahwes Beistand im Kampf."

Der König lächelte, unmerklich fast, aber er ließ seinen Gedanken keine Zeit zum Widerspruch. Schwer stützte er sich auf die Königslanze, als er sich erhob. "Die Priester haben den Altar geschichtet aus dem Gestein, die Opferflamme entzündet. Sie warten auf deine Gegenwart, mein König."

Und wieder lächelte der König - dieses unendlich traurige Lächeln, das seine Gefolgschaft so oft schon verwirrt hatte. War es nicht eben dieses Opfer vor dem Kampf, das einst Anlaß zum Schuldspruch wurde gegen den König, als er noch kämpfen wollte und konnte? War es nicht dieser Kampf vor dem Kampf, den er gewinnen wollte gegen sie alle, die nur das Alte, das Hergebrachte wollten, die ihrem Gott nichts Neues zutrauten, die keine Einsicht kannten in das Notwendige, sondern nur ihre Pflicht gegenüber dem Vertrauten? Er hatte diesen Kampf verloren - jenen, der vor dem Kampf auf dem Schlachtfeld stand. Er hatte streiten wollen für Offenheit, für Vernunft - für einen anderen Gott, an den er damals noch glaubte. Und er hatte verloren - gedemütigt von den Bewahrern des Alten, getroffen vom Fluch des Sehers, der nur den alten Gott kannte, weil der ihm die Macht verhieß und nicht dem König. Und aus dem Opferrauch wuchs ihm die Dunkelheit zu.

Damals: Er hatte nicht warten wollen auf den angestammten Vollzieher des heiligen Ritus, weil die Vernunft es gebot und die Logik des Krieges, weil die Verantwortung es verlangte, die ihm auferlegt war als Heerführer und König, und weil die Berater ihn drängten. So hatte er selber das Opfer vollzogen, an jenem Tage, als eine Schlacht bevorstand wie heute. Er hatte nur den Auftrag erfüllt, den Gott ihm aufgebürdet mit dem Königsamt, aber sie nannten es Anmaßung, Lästerung Gottes, weil er tat, was allein dem Seher zustand. Und der Seher entzog ihm die Nähe Gottes mit seinem Spruch.

Er wußte es wohl: Es war ein Kampf um die Herrschaft über die Seele des Volkes, der da zwischen den beiden entbrannt war - dem von Gott erwählten König und dem von Gott berufenen Seher. Und es war ein höchst menschlicher Kampf, aber einer auf Leben und Tod, und er - Saul - hatte ihn verloren. Er hatte sich dem Spruch des Sehers gebeugt, das Urteil angenommen, statt einen anderen, neuen Gott zu verkünden. Das, nur das, war seine Schuld, und er hat sie nun zu tragen für immer.

Der König blickte auf: "Es ist gut." Er stützte sich schwer auf die Lanze, trat aus dem höhlenhaften Dunkel des Zeltes hinaus in das Licht, das ihn ansprang, wie der Löwe sich auf seine Beute stürzt, und winkte den Priestern, daß sie das Opfer vollziehen möchten nach altem Brauch.

ZWEITES KAPITEL: DER GEIST JAHWES

I

Die Stadt lag wie viele israelitische Siedlungen auf der Höhe des Bergrückens, den das Kalkgestein des ephraimitischen Gebirges geformt hatte. Nur eine niedrige Mauer umgab die weißgekalkten Häuser, die Höfe und Gemüsegärten. Gibea war keine bedeutende Stadt wie etwa Mizpa oder Gilgal, die ein Heiligtum Jahwes, ihres gemeinsamen Gottes, beherbergten und Treffpunkt der Stämme waren, wenn hohe Feste oder auch wichtige Versammlungen die Männer dorthin riefen. Es war eher ein befestigtes Dorf, denn seine Bewohner waren Bauern, die ihr Erbteil aus fernen, vergangenen Zeiten bewirtschafteten, das das heilige Los damals ihrer Sippe zugewiesen hatte.

Ölbaumhaine zogen sich die Hänge hinab, der Boden darunter war steinig und wenig ertragreich, reichte kaum, daß dort Ziegen und Schafe weideten. Aber weiter entfernt im Tal wurde der Acker rötlich, und dort ernteten die Männer von Gibea ihr Getreide, dorthin zogen sie mit ihren Ochsengespannen, um den hölzernen Pflug in den Boden zu drücken.

Längs des Weges, der nach Beth-El führte, pflügte an diesem Nachmittag ein hochgewachsener Mann. Die dunklen Locken hatte der Schweiß an Stirn und Schläfen geklebt, ein kurzer Bart bedeckte die Oberlippe, das energische Kinn und die Wangen, die sich über zwei vorspringende Backenknochen spannten. Er trug den ungefärbten Leinenkittel des Bauern, mit dem Gürtel hochgeschürzt, um beim Ausschreiten nicht hinderlich zu sein. Die kräftigen Hände drückten die hölzernen Bügel des Pfluges, damit die bronzene Spitze den Boden tief genug aufreißen konnte. Die Zügel des Ochsengespanns hatte er lose über die Schulter geworfen, denn die Tiere kannten ihren Auftrag und zogen das Gerät Furche um Furche durch das Erdreich, während sich die Sonne tiefer und tiefer auf den Höhenzug im Westen herabsenkte. Endlich war der Acker umgebrochen, der Mann spannte den Pflug aus und schnalzte den Rindern, die sich in Erwartung einer gefüllten Krippe gemächlich auf den Weg zurück nach Gibea machten.

Der Pflüger schritt hinter ihnen, sein Blick wanderte über das Feld, und er nickte zufrieden. In den nächsten Tagen konnte er die Saat einbringen und auf den Frühregen warten. Inzwischen hatte er die Ölbaumhaine erreicht, prüfend suchte er an den Zweigen die noch grünen Früchte, die eine gute Ernte verhießen. Plötzlich aber stutzte er und blickte spähend voraus: Von Gibea klang ein langgezogener Klageton herüber. Aber es waren nicht die Frauen, die einen Toten beweinten, wie es Sitte war seit alters, es waren Männerstimmen.

Eine schlimme Nachricht mußte die Stadt erreicht haben, und beunruhigt schritt der Mann nun schneller aus, um das Tor zu erreichen, in dessen Geviert sich die Einwohner zu versammeln pflegten, wenn gemeinsame Anliegen zu besprechen waren. Die meisten Männer Gibeas waren schon dort, und erregtes Stimmengewirr wechselte immer wieder in lautes Klagen. Zwei Fremde standen in ihrer Mitte, der Staub auf ihren Kleidern verriet, das sie einen weiten Weg hinter sich gebracht hatten. Sie mußten diese böse Nachricht überbracht haben, die solches Klagen bewirkte. Der Mann hatte nun das Tor erreicht, er band seine Tiere an einen Maulbeerbaum, der neben der Ringmauer wuchs, und trat auf die Versammelten zu.

"Jabesch ist verloren, wenn Israel nicht zu Hilfe kommt," so sagte gerade einer der Fremden. "Aber niemand ist bereit, zu den Waffen zu greifen." "Und was sagen die Ältesten der Stämme, was sagt der Seher?" fragte ein grauköpfiger Bauer. "Sie haben keinen Rat, sie fürchten den Krieg, wo jedermann jetzt auf den Feldern arbeitet. Sie klagen um Jabesch, aber sie sind nicht bereit, Entsatz zu schicken." "Und der Seher?" "Er schweigt, keine Weisung Jahwes weiß er zu melden." Der Mann, dem wir hierher gefolgt waren, fragte nun nach, ließ sich noch einmal erzählen, was die Boten berichtet hatten.

Schweigend hörte er zu, und vor seinem inneren Auge sah er auf einmal, wie Jabesch eingenommen wurde vom Feind, er sah, wie die Alten, wie Frauen und Kinder grausam niedergemetzelt wurden, er sah, wie Brand in die Häuser fiel, Flammen in den Gassen wüteten und wie jene, die sich vor der Grausamkeit der Gegner geflüchtet hatten, im Feuer verbrannten. Und er hörte das trunkene Siegesgeschrei der Ammoniter, die den Gott Israels schmähten, weil er ohnmächtig war, sein Volk zu schützen vor dem Schwert ihrer mächtigen Götzen. Er sah das alles, hörte das alles, erschrocken und zornig zugleich.

Aber dann war da noch etwas anderes, wie eine Stimme in ihm selbst, befehlend, alles übertönend, gewaltig und machtvoll, laut und zugleich doch leise und dringlich, drängend, besitzergreifend. Er zitterte, wollte sich wehren, wollte sich dem Befehl entziehen, aber die Stimme war da, ließ ihn nicht los, erfüllte ihn, machte ihn willenlos und zugleich voller Willen, voller Drang zur Tat. Es war, als hätte ein fremder Geist Einzug gehalten in seiner Seele, in seinem Herzen, in seinem Denken, und er zwang ihn, zwang ihn zu handeln. Einfach und sicher erschien ihm alles in diesem Augenblick, und offen lag der Weg, den er gehen mußte.

Der Mann stöhnte laut, und dann war da ein Schrei, der alle erstarren ließ; hochaufgerichtet stand er da zwischen den Männern von Gibea, und seine Stimme war mächtig, war voller Gewißheit, als er sagte: "Jahwe wird Jabesch nicht in die Hand der Ammoniter fallen lassen. Auf, Israel, zu den Waffen! Jahwe ist mit dir!"

Erschrocken erst blickten die Männer, hörten den Ruf, und plötzlich war alle Klage verstummt, sie schauten auf den Mann, den sie alle kannten als ihren Nachbarn, Saul, Sohn des Kis aus der Sippe Abiëls, doch nun war er ihnen zum Führer geworden, wie es so manches Mal geschehen war in vergangenen Zeiten, wenn Jahwe sich einen Mann aus Israel erwählte, um sein Volk zu retten; nun spürten sie den Geist Jahwes, der aus ihm gesprochen, und alle Furcht, alle Bedenken waren gewichen. "Zu den Waffen," riefen sie, "Jahwe ist mit uns!"

Saul aber griff nach einer Axt, die neben den hölzernen Torbalken hing für den Wächter; wie unter einem Zwang stürzte er auf die beiden Rinder zu, die draußen warteten, tötete sie mit einem einzigen stumpfen Schlag, und dann zerteilte er sie mit mächtigen Hieben, riß große Stücke blutenden Fleisches heraus, gab es den Männern in die Hand und befahl: "Tragt dies in die anderen Städte und sagt: „So wird es auch eurem Vieh ergehen, wenn ihr dem Ruf Jahwes nicht folgt!“ Und sagt ihnen weiter: „Versammelt euch in Besek, der ganze Heerbann Israels, zum Krieg Jahwes!“"

Und so geschah es, denn ganz Israel erkannte, daß Jahwes Geist aus Saul sprach, und die Männer gehorchten seinem Befehl.

Bericht Elischamas aus Jabesch

Ich, Elischama, Sohn des Benaja, ein Ältester im Rat der Stadt Jabesch im Lande Gilead, gebe Kunde von der wunderbaren Rettung unserer Stadt durch die Hand Jahwes, der sich Israel erwählt hat zu seinem Volk und Erbteil auf ewig.

Unsere Stadt liegt im Gebirge Gilead, jenseits des Jordan, aber sie ist Erbteil des Stammes Manasse, ihm zugefallen durch Los, als Jahwe seinem Volk das verheißene Land gab zu immerwährendem Besitz. Dicht an der Grenze zu Ammon ist sie gelegen, zum Land der Ungläubigen, die fremde Götter verehren und Jahwe nicht kennen. Darum umgeben feste Mauern unsere Stadt wegen der Gefahren, denen wir oft ausgesetzt sind, denn die Ammoniter sind uns oft feindlich gesonnen, und die Hilfe der Brüder aus Israel von jenseits des Jordan ist weit.

Eines Tages nun zog Nahasch herauf, der König von Ammon, Beute zu machen im Lande Gilead, und er kam vor die Tore von Jabesch und fand sie verschlossen. Er aber ließ nicht ab von uns, lagerte sich und sein Heer rings um die Stadt und schloß sie ein, so daß niemand zur Ernte hinauskonnte und die Vorräte schwanden. Da sandte der Rat der Ältesten von Jabesch Botschaft an Nahasch, König von Ammon, und ließ ihm sagen: "Wir wollen einen Bund schließen mit dir und dir Tribut entrichten und dich anerkennen als unseren Herrn, wenn du abziehst und die Stadt verschonst."

Nahasch aber, der die Ohnmacht der Stämme westlich des Jordan wohl kannte und ihre Unterdrückung durch die Philister, höhnte nur der Gesandten und sprach: "Das ist der Bund, den ich euch anbiete: Ich will allen Männern in Jabesch ein Auge ausstechen lassen, daß die Stämme Israels erschrecken und Schmach über sie kommt, weil sie unrein geworden sind vor ihrem Gott."

Da sprachen die Gesandten von Jabesch erneut zu Nahasch, dem König von Ammon: "Gib uns sieben Tage Zeit, damit wir Boten senden zu den Stämmen Israels, unseren Brüdern, daß sie uns Hilfe leisten. Wird aber niemand uns entsetzen, so wollen wir die Tore öffnen und waffenlos herauskommen vor dein Angesicht und uns dir ergeben ohne alle Bedingung." Der König lachte darauf voller Hohn, und im sicheren Gefühl seiner Stärke, aber wohl auch, um das Leben seiner Männer zu schonen, das eine Erstürmung der Stadt gefährdet hätte, gewährte er die Frist und befahl, die Boten ziehen zu lassen.

Überall aber, wohin die Abgesandten von Jabesch auch kamen, ward ihnen Mitgefühl zuteil, und es erhob sich Jammern und Klagen in ganz Israel über das Schicksal der Stadt, das unvermeidlich schien, denn niemand war da, der Israel zum Kampf rief. Alle Stämme des Westens fürchteten, daß die Philister einen solchen Kriegszug nutzen könnten, in das ungeschützte Land einzufallen. So blieb es beim Klagen.

Es war aber ein Mann im Stamme Benjamin mit Namen Saul, ein Sohn des Kis, der war bei der Feldbestellung und pflügte mit seinen Rindern seinen Acker. Der hörte das Klagegeschrei in Gibea, als er heimkehrte von der Arbeit, denn die Boten berichteten dort von dem, was mit Jabesch geschah. Da kam der Geist des Herrn über ihn, und Zorn ergriff ihn über die Verzagheit in Israel, und er sandte Boten in die Städte auf dem Gebirge Ephraim und in Juda und ließ sagen: "Zu den Waffen, Israel! Wer dem Ruf Jahwes nicht folgt, den wird er strafen mit seinem Zorn."

Da erkannten die Männer das Gebot Jahwes, und als die Posaunen erschallten, versammelten sie sich wie ein Mann zu Belek, wohin Saul sie beschieden hatte nach dem Willen des Herrn der Heerscharen, daß er vor ihnen herziehe wie zu alten Zeiten. Und die Männer Sauls fielen über das Lager der Ammoniter her und schlugen sie mit der Schärfe des Schwertes, und was nicht umkam, floh in großer Angst, denn der Schrecken Jahwes war über sie gekommen wie in alten Zeiten, wenn der Herr selber voran zog. So wurde Jabesch gerettet vor Schmach und Knechtschaft durch die Hand Jahwes und seines Erwählten.

II

Besek im Stamm Manasse lag dort, wo sich die Hänge des Gebirges gegen die Jordanebene neigten. Auf einer kleinen, kaum bewachsenen Ebene vor der Stadt sammelten sich die Männer und lagerten auf dem wenigen Gras, das dort sproßte. Eine merkwürdige Stimmung herrschte im Heerlager: Waren die Israeliten vorher von Verzagtheit und Kleinmut bestimmt, so hatten nun plötzlich Kampfesmut und Siegesgewißheit sie ergriffen. Es war, als hätte dieser machtvolle Geist, der über Saul gekommen war, auch sie verändert.

In wenigen Tagen nur waren vor allem aus den nördlichen Stämmen immer wieder Gruppen Bewaffneter zu ihnen gestoßen, und sie wurden von den bereits Wartenden freudig begrüßt. Plötzlich erhob sich Gemurmel im Lager: Mit einer kleinen Karawane aus Rama war auch der Seher Samuel gekommen, seit vielen Jahren Richter in Israel und zugleich Künder der Weisungen Jahwes an sein Volk. Der Alte mit dem schlohweißen, aber noch immer vollen Haar und einem ebenso weißen Bart bot eine imponierende Erscheinung, auch wenn er weder zur Rede ansetzte noch ein Opfer vorbereitete, sondern sich still zu den Lagernden setzte. Auch er wartete auf den Mann, den so offensichtlich Jahwe selbst zum Retter Israels bestimmt hatte, wie es seit alters immer wieder geschehen war.

Und dann traf Saul ein, zusammen mit den waffenfähigen Männern aus Gibea. Abner, sein Vetter und Nachbar, gehörte ebenso dazu wie Jonathan, sein ältester Sohn. Beide waren sie zunächst erschrocken gewesen über die Wandlung, die Saul vor ihren Augen erfahren hatte, aber sie erkannten darin das Handeln Gottes und beugten sich unter seinen Willen. Saul, damals eine stattliche Erscheinung, ausnehmend groß und hager und mit wachen, hellen Augen, sprang schon am Rande des Lagers von seinem Reittier und schritt zögernd in die Mitte. Noch immer waren seine Gefühle im Zwiespalt: Widerstrebend nur fügte er sich in die Rolle, in die Jahwes Ruf ihn gedrängt hatte, aber nüchtern überlegend plante er zugleich, wozu er berufen war.

Sauls Blick wanderte in die Runde, während die Männer herandrängten und die Hände zum Gruß erhoben. Er nickte ihnen freundlich zu, aber zunächst suchte sein Auge nach Samuel, und ehrfürchtig ging er auf den Alten zu, der ihn aufmerksam musterte. "Jahwe sei mit dir, ehrwürdiger Seher," begann Saul grüßend und erbat dann von ihm Gottes Segen für das, was ihm und den Männern bevorstand. Der Seher hörte es mit Wohlwollen, dann befahl er, einen Altar zu errichten und nach Besek um ein Opfertier zu schicken. Danach rief er Jahwe an und legte seinen Segen auf das versammelte Heer und seinen Anführer Saul, denn er erkannte wohl, daß dieser Mann aus Gibea dazu berufen war, den Kampf gegen die Ammoniter zu führen.

Als die heiligen Riten vollendet waren, trat Saul in die Mitte und hob die Hand als Zeichen, daß er zu reden gedächte. Mit knappen Worten gab er seine Anweisungen, als wäre er von Jugend auf das Kriegshandwerk gewöhnt. Sein Plan war ebenso einfach wie geschickt. Er teilte zunächst die Männer in drei gleichstarke Haufen. Getrennt sollten sie den Jordan durchqueren und ins Gebirge Gilead hinaufsteigen. Den Befehl über die erste Gruppe übertrug er seinem Vetter Abner, der schon mehrfach bei den Kämpfen gegen die Philister Verantwortung übernommen hatte. Für den zweiten Haufen bestimmte er Jonathan als Führer, obwohl sein Sohn noch zu den jüngsten Männern im Heerbann zählte; den dritten befehligte er selber.

"Es besteht kaum die Gefahr, daß Nahasch Späher ausgesandt hat, wie es die Philister tun," sagte er. "Dennoch sollen die drei Haufen nur in kleinen Gruppen wandern, als wären es reisende Händler, so werden sie niemand auffallen. Erst oben auf den Bergen von Gilead, wenn sie den Karawanenweg überschritten haben, der von Ägypten nach Damaskus führt, sammeln sie sich wieder. Dann wird es Abend sein. Wir warten, bis der Mond aufgegangen ist, dann ziehen alle auf Jabesch zu. Abner, du wirst mit deinen Männern den weitesten Weg haben: Ihr umgeht das Lager der Ammoniter und verbergt euch östlich davon in den Berghängen. Jonathan, ihr werdet im Westen bleiben, dem Feind gegenüber. Ihr wartet dort, wo die Olivenhaine euch Schutz bieten. Ich selbst werde mit meinem Haufen südlich stehen, im Rücken des Lagers, an der Straße, die von Jabesch nach Ammon führt. Für euch alle gilt: Kein Geräusch darf unsere nächtliche Ankunft verraten. Ihr haltet still, bis euch die Trompeten zum Angriff rufen.

Die Boten von Jabesch aber ziehen noch während des Tages allen sichtbar zurück und geben den Eingeschlossenen Kunde von unserem Plan. Dann geht ihr mit untergehender Sonne hinaus zum König von Ammon. Richtet Nahasch aus: „Morgen früh werden wir aus der Stadt heraus dir entgegenziehen.“ Das wird ihn sicher machen, und es ist auch die Wahrheit: Beim ersten Strahl der Sonne werden die Männer von Jabesch das Tor öffnen und hinausziehen. Achtet sorgfältig darauf, daß keine Waffe sichtbar ist. So werden die Ammoniter arglos sein, all ihre Aufmerksamkeit wird sich gegen die Stadt richten, und sie werden keinerlei Kampf erwarten von den wenigen Männern, die ihnen dort entgegenkommen, und schon gar nicht werden sie mit einem Angriff von hinten und von den Seiten rechnen. Dann wird auf meinen Wink hin die Trompete ertönen. Das ist für alle das Zeichen: Unsere drei Haufen stürmen in den Rücken des Feindes, sobald der Kampf dort beginnt, greifen auch die Männer von Jabesch zu den verborgenen Waffen. So schließen wir einen Ring um die Ammoniter, trennen sie von ihrem Lager und den Waffen dort, und Jahwes starker Arm wird mit uns sein und sie in Schrecken versetzen.

Und nun ruht euch aus und rüstet euch für den Kampf, zu dem Jahwe uns berufen hat. Enthaltet euch allen berauschenden Getränkes, und niemand lasse eine Frau in seine Nähe, damit keiner sich unrein mache vor Gott, denn geheiligt seid ihr zum Krieg und Helfer nur des Herrn der Heerscharen, der mit erhobener Hand vor euch herziehen wird. Morgen ist der letzte Tag der Frist, die König Nahasch den Leuten von Jabesch gewährt hat. Morgen soll er die Botschaft erhalten, und mit dem neuen Tag wird Ammon in die Hand Jahwes fallen und Jabesch wieder frei sein."

Schweigend hatten die Männer zugehört, und schweigend gingen sie zurück zu ihren Lagerplätzen. Schweigend schritt auch der Seher davon, nachdem er noch einmal Saul gesegnet hatte. "Jahwe hat ihn gerufen," murmelte er vor sich hin, "Jahwe hat ihm Mut und Siegesgewißheit verliehen. Aber er ist auch ein guter Stratege und kluger Taktierer, mit Jahwes Hilfe wird er siegen, so wie seit alters her Gottes Geist über die Männer kam, die er sich als Retter Israels erwählt hat."

Bericht Netanjahus, des Vertrauten Samuels

Dies geschah in den Tagen, nachdem die Söhne Israels Jabesch entsetzt hatten unter Führung Sauls. Da versammelten sich die Ältesten der Stämme zu Rama, um mit dem Seher Rat zu halten. Und sie sprachen zu Samuel: Wir werden bedrängt von den Völkern ringsumher, den Ammonitern und Moabitern, den Bewohnern des Südlandes und vor allem von den Philistern. Gewiß hat uns der Herr so manches Mal errettet von ihrer Hand, aber oft hat er uns auch unter ihre Herrschaft getan um unserer Sünde willen.

Darum rede du mit Jahwe, dem Herrn der Heerscharen, daß er uns einen König bestimme, wie ihn die anderen Völker haben, einen Herrscher, der uns in den Krieg führt, der aber auch Recht spricht und Jahwes Bund durchsetzt in den Stämmen, daß das Volk nicht versucht wird, anderen Göttern zu dienen und von Jahwe abzufallen, der uns erwählt hat als sein Eigentum.

So redeten die Ältesten, Samuel aber mißfielen diese Worte, war doch Jahwe allein König in Israel. Und gab es nicht ihn, Samuel, den von Gott zum Seher bestellten, damit er den Willen Jahwes schaue und verkünde? War er nicht Richter über die Stämme, falls entschieden werden mußte nach den Weisungen des Herrn, wie es seit alters her Brauch war in Israel?

Rede Samuels vor den Ältesten der Stämme

Erwählt hat sich Jahwe, der Herr der Heerscharen, die Söhne Israels zu seinem Volk und Eigentum, und er hat sie aus der Sklaverei Ägyptens herausgeführt mit starkem Arm und großen Wundern und ihnen dieses Land gegeben, daß sie darin leben mögen nach den Geboten seines Bundes, den er mit ihnen geschlossen hat durch Mose, seinen Diener. Herr und König ist Jahwe allein, daß er herrsche über Israel.

Oft aber sind die Söhne Israels abgefallen von Jahwe und haben seinen Bund gebrochen, darum sandte der Herr ihnen große Bedrängnis durch ihre Feinde. Wenn sie sich aber bekehrten zu Jahwe und zu ihm schrien in ihrer Not, siehe, hat er ihnen dann nicht stets einen Retter erweckt aus ihrer Mitte, der von seinem Geist ergriffen die Posaune blasen ließ und die Männer zum heiligen Krieg sammelte und den Feind schlug mit der Schärfe des Schwertes und mit großem Schrecken von Jahwe, so daß Israel wieder in Frieden wohnen konnte, ein jeder unter seinem Feigenbaum, ohne daß ein König herrschte im Land Israel?

Ihr aber habt nun Jahwe verworfen, daß er nicht mehr König sein soll über euch, denn einen Herrscher fordert ihr, wie die anderen Völker haben, die Jahwe nicht kennen und die er nicht erwählt hat. Frei habt ihr bislang gelebt auf dem Erbteil, das der Herr euch zugewiesen hat in diesem Land. Wenn aber ein König sein wird über euch, siehe, dann wird er eure Söhne fordern von euch für seinen Dienst, ein Heer wird er unterhalten und Abgaben erheben, und ihr werdet Frondienste leisten für seinen Palast, daß der König die Hauptleute, die Schreiber und Bediensteten unterhalten kann, denn das ist das Recht eines Herrschers, wie ihr ihn verlangt.

Aber wenn ihr dann klagt über die Lasten und über die Willkür des Königs, so wird Jahwe euch nicht erhören und helfen. Siehe, ich habe euch heute vorgelegt, was euch erwartet. Es ist nun an euch, wie ihr entscheidet.

Rede des Joas, des Ältesten aus Manasse

Ihr Brüder aus Israel, Älteste der Stämme nach Herkunft und Wahl! Wir haben die Worte des Sehers gehört, aber ich bleibe bei unserer Bitte, einen König zu erwählen für unser Volk. Daß Jabesch gerettet wurde, war ein Wunder, und wäre nicht Saul uns erstanden als Retter, wären Schmach und Schande über Israel gekommen, und König Nahasch hätte Jahwe gelästert. Aber es geht nicht allein um Jabesch, es geht um die Gesamtheit der Stämme, die von den Philistern bedroht werden Jahr für Jahr. Da nützt uns kein Retter, der den Heerbann zum Krieg ruft. Denn dieser Kampf mit Philistäa wird nicht in einer einzigen Schlacht entschieden, er wird Generationen dauern, ein ständiger Konflikt um den Besitz des Berglandes.

Und Israels Kraft erlahmt, während die Küstenstädte erstarken kraft ihrer aufblühenden Wirtschaft, dank ihres straff organisierten Gemeinwesens, auch wenn wir die totalitäre Herrschaft der Stadtkönige verabscheuen mögen. Die Fürsten der Philister haben stehende Heere, Berufssoldaten und Streitwagen stehen ihnen alle Zeit zur Verfügung, und wenn sie ihre Bündnisse in Zukunft weiter festigen, statt einander zu bekriegen, werden sie nicht nur unser Land immer häufiger verheeren, sie werden nicht nur Zwingburgen errichten und Garnisonen verlegen ins Grenzland Israels, wie es ja bereits vielfach geschehen ist, sie werden eines Tages die Stämme gänzlich vertreiben aus dem Bergland, oder uns doch so unterjochen, daß wir gezwungen sind, ihre Lebensweise, ihre Kultur, ihre Religion anzunehmen und der Glaube an Jahwe und seine Erwählung erlischt, wenn Israel nicht handlungsfähig wird und planvoll und machtvoll dieser Bedrohung begegnet. Das aber kann nur ein Herrscher leisten, der Regierungsgewalt besitzt und den Heerbann aufbieten kann, ja der ebenfalls Männer dauerhaft unter Waffen hält und Burgen an der Grenze errichtet und mit Soldaten besetzt.

Brüder, ihr wißt es im Grunde alle: Der Bund unserer Stämme ist viel zu lose, der Rat ihrer Ältesten viel zu unbeweglich, unsere Ordnung ist viel zu veraltet und hält nicht mit, wo unsere Nachbarn sich fortentwickelt haben, aufgerüstet und schlagkräftig sind sie uns längst weit überlegen. Darum kann unsere Antwort auf die Bedrohung nur sein, daß wir einen aus unserer Mitte zu unserem König bestimmen und ihm die notwendige Vollmacht übertragen. Möge es das Los sein, möge uns der Seher einen Mann nach dem Herzen Jahwes benennen, mögen wir selbst darüber entscheiden - durch Zuruf und Wahl - es sei mir alles recht. Jahwe wird unsere Entscheidung lenken, und wie er Saul zum Retter erwählt hat gegen Ammon, so wird er auch einen Mann wissen für dieses Amt. Ja, das wage ich noch zu sagen: Hat er mit Saul nicht schon einen berufen, der sich als geschickter Feldherr und trefflicher Führer erwiesen hat?

Laßt uns darum die Beratung beenden und abstimmen, ob Israel künftig von einem König regiert wird. Dann möge der Seher bestimmen, wo und wie solches geschehen kann, und er möge ihn salben mit heiligem Öl, wie einst die Retter Israels für ihren Dienst gesalbt wurden von Jahwes Propheten.

Bericht Nethanjahus