Herz und Totschlag - AJ Sherwood - E-Book

Herz und Totschlag E-Book

AJ Sherwood

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Beschreibung

Verrückte Fälle bin ich gewohnt, denn seien wir doch mal ehrlich: Die Polizei zieht mich nur hinzu, wenn sie vor einem Rätsel steht und sich nicht mehr anders zu helfen weiß. Unser neuer Fall ist so ein Rätsel. Jemand greift Frauen auf dem Heimweg von der Arbeit an und verpasst ihnen von hinten einen Schlag auf den Kopf. Und dann passiert der erste Mord, doch dabei bleibt es leider nicht. Inzwischen gibt es fünf Verletzte, drei Tote und null Hinweise auf den Täter - die Polizei braucht also dringend einen Durchbruch. Aber dieser Fall bringt uns alle an unsere Grenzen, und nun muss ich auch noch befürchten, dass mein Partner und Anker Donovan Amok läuft, wenn wir den Fall nicht bald lösen ...

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AJ SHERWOOD

HERZ UND TOTSCHLAG

JONS ÜBERNATÜRLICHE FÄLLE 2

 

Aus dem Amerikanischen von Johanna Hofer von Lobenstein

 

 

Die englische Ausgabe erschien 2019 unter dem Titel »Jon’s Crazy Head-Boppin’ Mystery«.

Deutsche Erstausgabe November 2020

 

© der Originalausgabe 2019: AJ Sherwood

© für die deutschsprachige Ausgabe 2020

Second Chances Verlag

Inh. Jeannette Bauroth, Steinbach-Hallenberg

 

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch auszugsweise –

nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

 

 

Umschlaggestaltung: Frauke Spanuth

Umschlagmotive: Adobe Stock

Hintergrund: Golubovy, Blut: Nasirktk, Glas: Kinomaster

 

Lektorat: Judith Zimmer

Korrektorat: Julia Funcke

 

 

ISBN 978-3-948457-15-0

 

www.second-chances-verlag.de

Über das Buch

Verrückte Fälle bin ich gewohnt, denn seien wir doch mal ehrlich: Die Polizei zieht mich nur hinzu, wenn sie vor einem Rätsel steht und sich nicht mehr anders zu helfen weiß. Unser neuer Fall ist so ein Rätsel. Jemand greift Frauen auf dem Heimweg von der Arbeit an und verpasst ihnen von hinten einen Schlag auf den Kopf. Und dann passiert der erste Mord, doch dabei bleibt es leider nicht. Inzwischen gibt es fünf Verletzte, drei Tote und null Hinweise auf den Täter – die Polizei braucht also dringend einen Durchbruch. Aber dieser Fall bringt uns alle an unsere Grenzen, und nun muss ich auch noch befürchten, dass mein Partner und Anker Donovan Amok läuft, wenn wir den Fall nicht bald lösen …

Über die Autorin

AJ steckt voller Ideen. Deshalb arbeitet sie meist an mehreren Projekten und Büchern gleichzeitig. Unter einem weiteren Pseudonym verfasst sie Fantasy-Romane, doch sie wollte unbedingt auch für die LGBTQ+-Gemeinde schreiben. Glücklicherweise war ihre Lektorin sofort damit einverstanden.

In ihrer Freizeit verschlingt AJ Bücher, isst viel zu viel Schokolade und verreist gern. Ihre erste größere Reise führte sie nach Japan, und das hat ihr so gut gefallen, dass sie sich fest vorgenommen hat, so bald wie möglich noch viel mehr von der Welt zu sehen. Bis dahin recherchiert sie weiterhin via Google Earth und schreibt über die Welten in ihrem Kopf.

 

Inhaltsverzeichnis

Titel

Impressum

Über die Autorin

#Hashtags

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Weitere Bücher von AJ Sherwood

#HashtagsExplizite homoerotische Szenen • Beziehungen • Kontrollverlust • Verletzte Gefühle/Trost • Häuslichkeit • Zärtlichkeit • Zahngefährlicher Flauschinhalt (ich wusste bisher nicht mal, dass das ein Tag ist) • Wechselnde Perspektive • Tolle Frauen • Beschützerinstinkt • Der fluffigste Krimi, den du je lesen wirst, ich meine, wirklich unglaublich fluffig • Bisexualität • Größenunterschied • Kommunikation • Händchenhalten • Gesunde Beziehungen • Pansexuelle Person • Donovan ist so was von Boss • Jon ist so verknallt, dass es schon peinlich ist • Fürsorge • Jon, was machst du nur? • Gewalt • Na ja, sie sind Ermittler, was habt ihr erwartet? • Ein bisschen Schmerz • Klingt schlimmer, als es ist • Und dauert auch nicht lange, versprochen • Kuscheln macht einfach alles wieder gut • Na ja, das meiste • Ein bisschen jedenfalls? • Jon muss damit leben, dass ihn alle knuddeln wollen • Knuddel-Porno

KAPITEL 1

JON

»Ich schwöre«, sagte ich zu meinem Lover und Anker, als wir aus der Agentur traten, »wenn wir auch nur einen einzigen weiteren Fall bekommen, bei dem Fremdgehen mit einem Mord endet, werde ich nicht mehr an mich halten können.«

Donovan brummte zustimmend. Mein extrem geduldiger Partner war heute ausnahmsweise selbst am Ende seines Geduldsfadens angekommen. Wir hatten acht Tage am Stück durchgearbeitet, und das alles nur wegen zweier Idioten, die sich gegenseitig mehrfach betrogen und damit einen Welleneffekt ausgelöst hatten, der letztendlich zu vier Morden geführt hatte. Das Ganze aufzuklären, war so ähnlich gewesen wie eines dieser sauschweren Rätselspiele aus Metallringen, die Psychiater ihren Patienten manchmal zu lösen geben. Die hochschlagenden emotionalen Wogen bei allen Beteiligten hatten die Sache zusätzlich erschwert. Ich war mehrfach angeschrien worden, und das konnte Donovan nicht gut aushalten. Natürlich hatte er nach außen ganz gelassen für Ruhe gesorgt, aber es hatte ihm gehörig zugesetzt.

Wir brauchten beide eine Auszeit, Entspannung, vielleicht eine Runde heißen Sex, um Dampf abzulassen – aber daraus würde heute Abend nichts werden, denn wir erwarteten Besuch.

Wir waren schon auf halbem Weg zum Auto, als ich stutzte und meine Hosentaschen abtastete. Oh nein. Da fehlte etwas.

Donovan blieb stehen, aufmerksam wie immer. »Was ist denn? Hast du was vergessen?«

»Die Schlüssel, glaube ich«, gab ich zurück, während ich beide Hände in den Hosentaschen vergrub. Nada. »Verdammt. Ich habe sie, glaube ich, auf dem Schreibtisch liegen lassen.«

Er streichelte kurz meine Schulter und machte kehrt. »Lass nur. Ich gehe sie holen.«

Hoffentlich lagen sie auch wirklich auf dem Schreibtisch. Eine Suchaktion war so ziemlich das Letzte, wonach mir der Sinn stand. Wir waren so oft zwischen Agentur und Polizeirevier hin- und hergefahren – sie konnten wer weiß wo liegen. Aber nein, ich war ja auch hierhergefahren, die Schlüssel mussten also da sein.

Es war ganz klar: Ich war erschöpft.

Mit einem tiefen Seufzer ließ ich den Kopf in den Nacken fallen. Ich hatte mir selbst versprochen, den Fall abzuschließen und dann sofort Donovan nach Hause zu schleppen und ihn um den Verstand zu vögeln. Aber ehrlich gesagt war ich gar nicht mehr sicher, ob ich das noch in mir hatte – vor allem, da wir erst zu ihm fahren und eine Tasche für ihn packen mussten. Und das bedeutete eine weitere Verzögerung, bevor wir endlich nach Hause kämen.

Nun ja, genau genommen war es mein Zuhause, nicht Donovans. Und damit waren wir auch schon beim derzeit ständig wiederkehrenden Diskussionspunkt in unserer Beziehung. Ernsthaft, kaum hatten wir ein Problem gelöst, musste gleich das nächste sein hässliches Haupt erheben. Donovan wollte nichts lieber, als bei mir einzuziehen. Ich sah es jedes Mal, wenn wir darauf zu sprechen kamen. Noch schlimmer, ich bekam von allen Seiten Druck deswegen. Keiner konnte verstehen, warum wir so zögerlich waren. Wir waren jetzt seit vier Monaten zusammen, und wir kamen spektakulär gut miteinander klar.

Das Problem war ich. Meine tief sitzende Verunsicherung ließ mir die Worte im Hals stecken bleiben, jedes Mal, wenn ich ihn fragen wollte. Ich hatte mit angesehen, wie es bei meinen Eltern gelaufen war: zusammenkommen, sich trennen, neue Beziehungen eingehen, nur um die auch wieder zu zerstören. All das wollte ich uns einfach nicht antun. Ich würde mich nicht kopflos in etwas hineinstürzen und dann einfach hoffen, dass alles schon klappen würde, nur weil Donovan mein Anker war. Wir waren zwar ganz andere Menschen, und das war mir auch durchaus bewusst – Donovan war noch nicht mal ansatzweise mit meinem Vater oder Rodger zu vergleichen. Ich hatte einfach nur Angst, die Worte laut auszusprechen.

Mit einem weiteren Seufzer lehnte ich mich gegen den Humvee. Das musste unbedingt aufhören. Wie das gehen sollte, wusste ich noch nicht genau, aber wenn Donovan und ich eines gut konnten, dann kommunizieren. Wahrscheinlich, weil wir uns beide Mühe damit gaben. Wir mussten uns in Ruhe hinsetzen und darüber sprechen. Vielleicht konnte ich all meinen Mut zusammenkratzen, nachdem sein Freund wieder abgereist war.

Ich schaute auf die mechanische Armbanduhr, die mein sexy Freund mir geschenkt hatte, und fluchte leise vor mich hin. Donovans alter Army-Kamerad und bester Freund im ganzen Universum, Garrett, hatte sich für ein paar Tage angekündigt. Heute Abend würde er ankommen – in einer Stunde, um ganz genau zu sein.

Donovan freute sich riesig. Obwohl die beiden sich so nahe standen wie Brüder, hatten sie sich schon eine ganze Weile nicht mehr von Angesicht zu Angesicht gesehen. Seit fast drei Jahren, wie ich gehört hatte. Donovan war am Ende dann doch nicht als Kriminalberater bei der Psy eingestiegen, also war die Stelle nach wie vor nicht besetzt, und Garrett hatte diese Woche sein Bewerbungsgespräch für den Job. Ich spürte, dass Donovan Garrett nicht nur gern wieder in seiner Nähe haben wollte, sondern sich auch darauf freute, wieder mit ihm zusammenzuarbeiten.

Allerdings lag da irgendetwas in der Luft. Auf Donovans Energiebahnen schwang in Bezug auf Garrett etwas mit, das ich nicht so recht deuten konnte. Es war keine Lust und auch kein romantisches Interesse – eher so etwas wie eine Erinnerung. Ein Schatten, der an etwas Tieferes, Intimeres als eine normale Freundschaft erinnerte. Donovan hatte keinerlei Andeutung gemacht, dass da jemals mehr gewesen war, und er hatte viele Geschichten von Garrett erzählt. Und dennoch …

»Du Psychopath!«, brüllte plötzlich eine wütende Männerstimme.

Erschrocken zuckte ich zusammen, fuhr herum und hob automatisch die Arme zur Verteidigung. Ein Mann – verdammt, das war Adams, der betrogene Ehemann vom letzten Fall. Sein Gesicht war fast schon lila vor Zorn, und seine Wut vibrierte wie eine rote Wand auf den Meridianen. Ihm standen die Haare zu Berge, als hätte er sie sich wiederholt gerauft, und er hielt einen Baseballschläger umklammert.

»Shiiiit.« Adrenalin durchströmte mich. Der Anblick des Mannes verriet mir, dass er vielleicht drei Sekunden davor war, zuzuschlagen, denn er schwang schon den Schläger über dem Kopf wie ein Samurai-Krieger. Man würde nicht vernünftig mit ihm reden können; in ihm tobten Schmerz und Wut, sonst nichts. Trotz des intensiven Selbstverteidigungstrainings, das ich in letzter Zeit absolviert hatte, hatte ich keine Ahnung, wie ich mich gegen einen Baseballschläger wehren sollte. Ich hatte nichts außer meinen bloßen Händen.

Also tat ich das einzig Vernünftige in dieser Situation. Ich holte tief Atem und rief, so laut ich konnte: »DONOVAN!«

Adams fletschte die Zähne und schoss mit Gebrüll auf mich zu.

Und ich? Ich rannte los.

Ich sauste um den Humvee herum und verfluchte mich dafür, dass ich ihn vorhin abgeschlossen hatte. Wie gerne hätte ich mich jetzt ins Auto geflüchtet. Ich konnte Adams hinter mir hören, schnaubend wie ein wütender Stier, dann das hohe, metallische Kreischen, als er auf das Fahrzeug einschlug. Es klang nicht so, als habe er absichtlich zugeschlagen, eher wie ein Versehen, als ob er in seiner Hast ungeschickt dagegengestoßen wäre. Ich wagte aber nicht, mich umzudrehen – das würde mich ausbremsen, und gerade war er mehr als motiviert, mich einzuholen.

In vollem Tempo umrundete ich das Gebäude und hielt direkt auf die Agentur zu. Die Hintertür war nicht aus Glas, sondern massiv – dort würde ich eine Chance haben, mich in Sicherheit zu bringen.

Ich war noch mitten im Sprint, als ich Donovan aus der Tür stürmen sah. Er hatte im Sekundenbruchteil die Situation erfasst, und ich konnte die Verwandlung vom freundlichen Teddy zum gereizten Grizzlybären beobachten. Er raste an mir vorbei und bellte: »Rein mit dir!«

Ich gehorchte nur allzu gern und rannte aus Leibeskräften weiter, fest entschlossen, Hilfe zu holen, sobald ich ein sicheres Telefon erreicht hatte. Ich knallte so fest gegen die Tür, dass sie erzitterte, stieß sie auf und rief Sho, den ich aus dem Augenwinkel aus seinem Büro kommen sah, zu: »Ruf die Polizei! Adams ist draußen auf dem Parkplatz, mit einem Baseballschläger!«

»Verdammte Scheiße«, zischte Sho und zog schon sein Handy aus der Tasche.

Okay, gut, Hilfe war also unterwegs. Ich wirbelte herum, fing die Tür ab und hielt sie halb geöffnet. Ich wusste, dass ich sie eigentlich hinter mir schließen sollte, aber ich wollte sehen, ob Donovan Adams überwältigt hatte oder nicht. Na ja, ich konnte eigentlich sicher sein, dass er ihn außer Gefecht gesetzt hatte, aber hoffentlich auch, ohne sich dabei wehzutun.

In den zehn Sekunden, die ich nicht hingeschaut hatte, war es Donovan gelungen, dem Wüterich den Baseballschläger abzunehmen. Adams lag noch nicht ganz am Boden, sondern versuchte noch, mit den Fäusten auf ihn loszugehen. Aber das würde nicht lange dauern, da war ich sicher. Er war ganz offensichtlich nicht trainiert und schlug wild um sich, ohne die Kontrolliertheit eines geübten Boxers. Beim nächsten unkoordinierten Schlag benutzte Donovan seinen Schwung, um das Handgelenk des Angreifers festzuhalten und ihn damit vollends aus der Balance zu werfen.

Fast schon schneller, als ich gucken konnte, hatte Donovan ihn flachgelegt und auf die Seite gedreht. Er hielt ihn in einem typischen Krav-Maga-Griff und bog ihm den rechten Arm nach hinten, bis der Ellbogen an Donovans Brust lag und die Hand unter Spannung stand. So konnte er ihm mit einem Ruck ohne Weiteres das Handgelenk brechen, falls es notwendig sein würde.

Adams versuchte, sich zu wehren, wand sich wie eine Raupe und brüllte immer noch, ohne Worte von sich zu geben. Dann kam der Moment, in dem er sichtlich akzeptierte, dass er Donovans Griff nicht entkommen würde. Tränen strömten über seine Wangen, als seine Wut von Kummer und Schmerz abgelöst wurde.

Ich setzte vorsichtig einen Fuß nach draußen und fragte meinen Lover: »Okay?«

»Ich bin unverletzt«, beruhigte er mich. »Und ich habe ihn.«

Dank allen Engeln des Himmels. Ich wusste sehr wohl, dass mein Donovan stärker war als der Durchschnittsmann, aber wenn Menschen dermaßen ausrasteten, völlig aus der Bahn geworfen von Wut und Schmerz, konnten sie gefährlicher werden als ein tollwütiger Wolf. Ich war erleichtert, Donovan ganz ruhig dasitzen zu sehen, die Situation voll im Griff. »Sho hat schon die Cops gerufen.«

»Dann sind sie bestimmt gleich da.« Donovan schaute hinunter auf den Mann auf dem Boden, so etwas wie Mitleid im Blick. »Adams, Sie Trottel. Was haben Sie sich nur dabei gedacht?«

»Wenn Ihre dumme Schwuchtel einfach die Fresse gehalten hätte, wäre meine Frau jetzt noch bei mir und nicht im Knast«, presste Adams hervor, der plötzlich wieder wütend wurde und sich unter Donovan aufbäumte. Er zischte auf, als das einen heftigen Schmerz durch sein Handgelenk jagte. Er ließ wieder locker, allerdings nicht freiwillig.

»Sie hat Sie mit drei Typen betrogen und den einen sogar umgebracht. Glauben Sie mir, Mann, sie wäre bestimmt nicht mehr da. Außerdem – wieso glauben Sie eigentlich, dass Sie vor ihr sicher gewesen wären?«

Adams schluchzte auf, offenbar im Zustand seliger Verdrängung: »Sie hätte mir niemals etwas getan. Sie liebt mich.«

Meine persönliche Meinung dazu war, dass es keine Liebe war, wenn man jemanden mehrmals betrog. Aber Adams war gerade definitiv nicht bereit, sich das anzuhören, und ich wollte es Donovan nicht noch schwerer machen, also hielt ich die Klappe.

Mit quietschenden Reifen, heulender Sirene und blinkendem Blaulicht fuhr ein Polizeiwagen vor. Ich erkannte den Mann und die Frau in Uniform und grüßte sie mit einem müden Winken. »Hallo, Lang, hallo, Clark.«

»Sind Sie okay?«, fragte Clark, während sie auf mich zulief. Sie hatte schon nach den Handschellen gegriffen.

»Niemand verletzt«, beruhigte Donovan sie. »Haben Sie ihn, Lang?«

»Ich habe ihn«, bestätigte der kräftige Polizeibeamte mit einem finsteren Stirnrunzeln auf dem runden Gesicht. Lang war nicht groß, aber gebaut wie ein kleiner Panzer. Ich hätte mich ehrlich gesagt noch nicht mal an einem guten Tag mit ihm anlegen wollen. Er hielt die Handschellen fest, die Clark um Adams’ freie Hand legte, dann schloss er sie um das andere Handgelenk. Er ließ Donovan aufstehen und zog Adams hoch. »Was zum Teufel war denn hier los?«

»Er ist der Ehemann einer Frau, die ich heute vernommen habe«, erklärte ich kurz, während ich förmlich fühlen konnte, wie sich unser Zeitfenster schloss. Wir würden nicht innerhalb der nächsten Stunde nach Hause kommen. »Jetzt ist sie in Haft und sieht einer Anklage wegen Mordes entgegen.«

»Aha, das Übliche also.« Clark nickte wissend. Ein Hauch von Empathie huschte über ihre Energiebahnen, aber hauptsächlich sah ich schwarzen Humor. Andererseits war Clark schon viele, viele Male gekommen, um auf mein Geheiß Leute in Gewahrsam zu nehmen. »Also gut, wir nehmen ihn mit. Ich brauche eine Aussage von Ihnen beiden.«

»Na klar«, antwortete ich müde. Verdammt, ich wollte heute nicht noch ein weiteres Mal aufs Revier. Aber ohne unsere Aussagen konnten sie ihn nicht einsperren.

Donovan trat zu mir, legte mir den Arm um die Taille und drückte mich kurz. Ich lehnte mich dankbar an ihn, schon weit über den Punkt der Erschöpfung hinaus. Und der Tag war noch nicht zu Ende. Mir war nach Fluchen zumute, aber mir fiel kein Kraftausdruck ein, der derb genug gewesen wäre.

»Wir kommen sofort nach«, versicherte Donovan den Beamten. Dann senkte er die Stimme und sagte: »Verdammt noch mal. Das ist genau der Grund, warum ich Garrett gerne bei der Psy hätte.«

Ich verspürte plötzlich den Impuls, unseren Chef in Schutz zu nehmen. »Hey. Du weißt genau, dass Jim sich alle Mühe gibt, uns zu beschützen.«

»Ja, klar, aber überall kann er eben nicht sein. Tyson ist auch fast nie rechtzeitig zum Dienstschluss wieder im Haus. Es wäre wirklich nicht verkehrt, einen weiteren starken Mann zu haben.« Er zog mich an sich. »Aber hey. Immerhin habe ich dein Schlüsselbund gefunden. Es lag tatsächlich auf dem Schreibtisch.«

Ich prustete leise. »Gib schon her. Und ruf am besten Garrett an. Wir sind nie im Leben rechtzeitig zu Hause.«

»Wie wäre es, wenn ich ihm sage, dass er zu meinen Eltern gehen soll? Bei Mom kriegen wir sicher alle etwas zu essen.«

»Du bist ein Genie.« Ich hatte heute so was von keine Lust, zu kochen. Alani liebte es, uns mit Essen zu versorgen, hauptsächlich, weil sie uns dadurch regelmäßig zu sehen bekam. Und ihre Kochkünste waren himmlisch. Diese Frau hatte wirklich ihre Berufung als Sterneköchin verfehlt.

Wenigstens eine Sache würde heute gut laufen.

* * *

Alani verkörperte alles Gute in diesem Universum, also erwartete uns ein gedeckter Tisch, nachdem wir endlich das Revier hatten verlassen dürfen. Der Duft stieg mir verführerisch in die Nase. Ich hatte seit acht Stunden nichts gegessen, und mein Magen ließ mich sehr deutlich spüren, wie inakzeptabel das war.

Da ich das Haus nicht betreten konnte, war draußen auf der hinteren Veranda für uns gedeckt. Glücklicherweise war es heute schön und noch warm genug. Der Himmel mochte wissen, was wir im Winter machen würden. So weit hatte ich noch nicht vorausgedacht. Alani sah uns durch das Gartentor kommen und hüpfte gleich von der Veranda herunter, um mich zu umarmen. »Jon, mein armer Junge. Du hast ja einen schlimmen Tag hinter dir, so wie es sich anhört.«

»Gleich mehrere.« Ich genoss die Umarmung in vollen Zügen. Havilische Umarmungen waren unübertroffen, das würde ich vor jedem Gericht beschwören. »Vielen Dank, dass du für uns gekocht und Garrett unterhalten hast. Das hat uns wirklich eine Last von den Schultern genommen.«

»Aber natürlich, jederzeit.« Sie ließ mich los und umarmte ihren Sohn. »Ihr habt bestimmt Hunger. Es gibt heute nur Garretts Leibspeisen.«

»Und die werde ich auch garantiert nicht teilen«, ließ sich eine laute, mir unbekannte Tenorstimme vernehmen. »Da habe ich überhaupt keine Skrupel.«

Donovan lachte leise. »Ich hab’s mir schon gedacht, dass das dein Pick-up in der Einfahrt sein muss, Wilson. Beweg deinen Arsch hier rüber, und lass dich umarmen!«

Ein Mann, den ich bisher nur von Skype und Fotografien kannte, kam von der Veranda herunter, ein breites, koboldhaftes Grinsen auf dem Gesicht, und ich schaute mir Garrett Wilson zum ersten Mal richtig an. Er sah ein bisschen anders aus, als ich erwartet hatte. Erstens war er ziemlich klein. Kaum größer als eins siebzig, darauf hätte ich meine Weste verwettet. Dafür war er drahtig, und man konnte ahnen, wie viel Kraft in ihm steckte. Seine blonden Haare trug er nach wie vor militärisch kurz geschnitten, und er war immer noch tief gebräunt von der langen Zeit in der Wüste. Garrett sah weder besonders gut aus, noch wirkte er körperlich bedrohlich – von außen war er ein typischer Jedermann.

Aber der Schein konnte bekanntlich trügen.

Bisher hatte ich noch nicht viele Menschen gesehen, deren Beschützerinstinkt an den von Donovan heranreichte, aber Garrett Wilson konnte ihm in dieser Hinsicht durchaus das Wasser reichen. Er leuchtete wie ein Freudenfeuer, so hell, dass er selbst neben den Havilis nicht verblasste. Mein erster Eindruck war, dass ich diesen Kerl wirklich lieb gewinnen würde, wenn ich ihn erst mal besser kannte.

Mit ein paar langen Schritten hatte er meinen Lover erreicht, dann fielen die beiden sich in die Arme und drückten sich ausgiebig, bis Garrett sich schließlich auf die Fersen zurücksinken ließ. Ich hatte drei volle Sekunden, um zu beobachten, wie sie aufeinander reagierten, und da hatte ich auch meine Antwort auf die drängende Frage, ob die beiden mehr als nur Freunde gewesen waren: Sie waren hunderprozentig mal zusammen gewesen.

Obwohl – nein, das war nicht ganz richtig. Ich runzelte die Stirn und versuchte, die Energiebahnen klarer zu lesen. Sex. Das war es, was sie verbunden hatte. Ganz ohne emotionale Bindung. Keine Beziehung also. Vielleicht Freunde mit Vorzügen? Garrett war pansexuell, das war also durchaus denkbar.

Ich war ein bisschen unsicher, wie ich mich dabei fühlen sollte. Aber das war jetzt kaum der richtige Zeitpunkt dafür, mich ausführlich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Der heutige Abend stand im Zeichen des Wiedersehens, und wir waren hier zum Essen eingeladen. Daher setzte ich eine neutrale Miene auf, als Garrett sich erwartungsvoll zu mir umwandte. »Du bist also der berühmte Garrett Wilson.«

Garrett zuckte die Achseln und grinste. »Na, berühmt vielleicht nicht – aber ich bin es auf jeden Fall.« Er schüttelte mir kräftig die Hand, und ich spürte Schwielen, ähnlich wie an Donovans Händen. »Ich freue mich sehr, dass wir uns endlich persönlich kennenlernen.«

»Gleichfalls.« Ich stockte und starrte dann mit wachsender Panik sein Handgelenk an. »Bitte sag mir, dass das keine teure Uhr war …«

»Ach, Mist«, sagte Donovan im gleichen Moment, den Blick ebenfalls auf die Uhr geheftet, die keine fünf Zentimeter von meiner Hand entfernt war.

»Äh, nein?« Garrett ließ meine Hand los und drehte sein Handgelenk mit der schwarzen Armbanduhr daran um. »Danke also, dass du sie gerade ruiniert hast.«

Na, das war ja ein toller erster Eindruck. »Entschuldige. Ich ersetze sie natürlich.«

Garrett grinste mich mit blitzenden Augen an. »Lass mal, ich bin ja selbst schuld. Es ist nicht so, dass Donovan mich nicht vorgewarnt hat, wie das mit dir und der Elektronik so ist. Es war eine billige Uhr, kein großer Verlust. Aber – du bist wirklich so gefährlich für elektronische Geräte? Obwohl ihr verankert seid?«

»Einen Anker zu haben, hat sich darauf fast gar nicht ausgewirkt«, seufzte ich. »Leider.«

»Außerdem hast du einen langen Tag gehabt«, tröstete mich Alani, die sich sofort auf meine Seite schlug. Wieso konnte diese Frau nicht meine Mutter sein? »Na komm schon, lasst uns essen, bevor alles kalt wird. Erzähl uns, was heute los war. Wieso ist dieser Mann auf dich losgegangen?«

Ich antwortete nach bestem Wissen, obwohl ich mich etwas benebelt fühlte und einen leichten Kopfschmerz verspürte. Wahrscheinlich, weil ich unterzuckert war und zu wenig getrunken hatte. Ich ging auf den Tisch zu und begrüßte Kanye: »Hallo.«

»Selber hallo«, gab er zurück. Donovans Vater sah so aus, als ob er sich sehr wohlfühlte in seinem bequemen Sessel, mit einem vollen Haus. »Setz dich und iss.«

»Mit Vergnügen.« Ich erzählte weiter, während wir alle unsere Teller füllten.

Donovans Eltern wirkten aufgebracht und besorgt, aber Garrett hatte den gleichen abschätzenden Blick wie Donovan, wenn die Gefahr bestand, dass eine Situation gleich aus dem Ruder laufen würde. Er ließ mich ausreden, dann beugte er sich vor und fragte ernst: »Bane. Jetzt mal ehrlich. Wie oft passieren dir solche Sachen?«

»Viel zu oft«, murmelte Alani grimmig.

»Vielleicht einmal im Monat?« Ich zuckte zusammen, dann hob ich die Hände und lächelte verlegen. »Es geht auch gar nicht immer nur um mich. Meine Kollegin Carol bringt auch jede Menge gefährliche Jungs hinter Gitter. Wir versuchen ja, die Agenturadresse geheim zu halten, aber leider müssen wir bei den Vernehmungen immer unsere Namen nennen, und auch die Lizenznummern und den Namen der Agentur. Damit wissen die Verbrecher so ziemlich alles, was sie wissen müssen, um uns später abzupassen.«

Garrett sah so aus, als hätte ich ihm gerade das letzte Stück zu einem Puzzle in die Hand gedrückt. Donovan und er wechselten einen so vielsagenden Blick, wie es nur Leute können, die sich schon ewig kennen. Ich gab mir wirklich große Mühe, nicht eifersüchtig zu werden. »Okay, Mann. Langsam verstehe ich, warum du mich angerufen hast. Ich kann nur hoffen, dass euer Chef mich mögen wird.«

»Darauf trinke ich.« Donovan hob sein Bier und stieß mit Garrett an.

»Ich will mich aber nicht darauf verlassen«, fügte Garrett hinzu, nachdem er getrunken hatte. »Ich habe nächste Woche noch ein anderes Vorstellungsgespräch.«

»Sehr gut«, lobte Kanye. »Und wo wohnst du?«

»Na ja, Donovan sagte, ich könnte bei ihm bleiben, bis ich etwas Eigenes gefunden habe. Bane hat mir auch sein Gästezimmer angeboten, aber ich denke, ich wohne lieber in Donovans Haus, damit die beiden Turteltäubchen ihre Privatsphäre haben«, erwiderte Garrett mit einem Augenzwinkern. »Ich habe schon ein paar Besichtigungstermine für Wohnungen in meiner Preiskategorie. Ich dachte, ich nutze die Zeit zwischen den Bewerbungsgesprächen für die Wohnungssuche.«

Alle gaben sich große Mühe, mich nicht anzusehen, während er sprach. Das brauchten sie auch gar nicht. Donovan war fast fertig mit der Renovierung des Hauses, das er von seiner Großmutter geerbt hatte. Noch ein paar Kleinigkeiten, vielleicht zwei Monate, wenn er nur am Wochenende daran arbeitete, dann war das Haus so weit. Logistisch wäre es am sinnvollsten, wenn er danach zu mir zog. Ich wusste es. Alle anderen wussten es auch.

War ich emotional bereit für diesen Schritt? Null.

»Ich bin sehr zuversichtlich, dass du eingestellt wirst«, sagte Donovan in die Stille hinein. »Es ist wirklich ein gutes Arbeitsklima. Die Leute sind super.«

Garrett griff nach seinem Glas. »Das dachte ich mir, wenn sie es euch beiden so leicht gemacht haben. Keine Homophobie dort, hm?«

»Nein«, bestätigte ich, erleichtert über die Wendung, die das Gespräch nahm. »Ich bin noch nicht mal der einzige schwule Mann. Der andere ist unser IT-Fachmann, Michael Sho.«

»Sie sind alle supernett und aufgeschlossen«, bekräftigte Donovan. »Kann ich bitte mal das Hühnchen haben, Mom? Danke. Garrett, wann sollst du vorbeikommen?«

»Gleich Mittwoch früh. Ihr kennt euren Chef ja am besten. Wonach sucht er denn genau?«

Aufgrund des Interessenkonflikts konnte ich Jim schlecht bitten, Garrett einzustellen. Dafür konnte ich Garrett jede Menge Tipps für das Gespräch geben. Während Donovan und ich ihn darauf vorbereiteten, nahm ich mir vor, bei nächster Gelegenheit herauszubekommen, wie das zwischen den beiden eigentlich gewesen war. Ich bezweifelte keine Sekunde, dass Donovan bis über beide Ohren in mich verliebt war, aber wenn Probleme drohten, wollte ich lieber jetzt Bescheid wissen und sie direkt im Keim ersticken.

KAPITEL 2

JON

»Bist du dann bald fertig?«, fragte Donovan neben mir. Er wippte ungeduldig auf den Zehenspitzen und schien es sehr eilig zu haben, mich zur Tür hinauszubugsieren.

Mein Gesicht war immer noch halb mit Rasierschaum bedeckt, also warf ich ihm einen entnervten Blick zu und ließ den Rasierer sinken. »Sehe ich aus, als wäre ich fertig? Und wozu eigentlich die Eile? War vielleicht irgendeine Substanz in deinem Power-Riegel, von der ich wissen sollte?«

»Heute ist doch Garretts Vorstellungsgespräch«, gab er zurück, schon mit einem Fuß zur Tür hinaus und drauf und dran, die Treppe hinunterzustürmen.

Ah, richtig. Heute war Mittwoch. Gestern war so viel los gewesen, dass ich dieses Detail ganz vergessen hatte. Ich beschloss, meinen Lover ein bisschen aufzuziehen, während ich mich fertig rasierte. »Du hast ihn bestimmt nur vorgeschlagen, weil du deinen Freund wieder um dich haben willst.«

»Ja, klar. Aber davon abgesehen kann Garrett diesen Job im Schlaf erledigen, wenn er sich erst mal eingearbeitet hat. Und er wird eine super Rückendeckung für dich sein.«

Ich erstarrte, den Rasierer mitten auf der Wange. Unsere Blicke, blau und goldbraun, trafen sich im Spiegel. »Wie bitte? Was soll das denn heißen?«

Seine freudige Erregung war plötzlich etwas gedämpft. Er schaute achselzuckend weg. »Eine Sache, die man bei der Army anerzogen bekommt, ist, dass nie ein einzelner Mann der Dreh- und Angelpunkt sein sollte. Jeder ist ersetzbar. Babe, ich weiß, dass ich als dein Anker entscheidend für deine geistige Gesundheit bin, versteh mich bitte nicht falsch. Es ist nur so: Wenn mal etwas schiefläuft, will ich sicher sein können, dass du noch eine weitere Person hast, auf die du dich verlassen kannst. Garrett hat mir so oft den Arsch gerettet, dass ich es kaum zählen kann, und er ist genau der umsichtige Mann, den du an deiner Seite brauchst, wenn mir mal etwas zustoßen sollte.«

Tief einatmen. Tief ausatmen. Ich zügelte mein Temperament, denn intellektuell verstand ich schon, was er meinte. Doch alles, was er sagte, war mir zuwider. Er wollte mich nicht schutzlos zurücklassen, für den Fall, dass etwas Schlimmes geschah. Die Kollegen bei der Psy waren ihm noch nicht so vertraut, aber Garrett kannte er, und er konnte einschätzen, wie er reagieren würde. In seinen Augen waren das zwei Fliegen mit einer Klappe. Er würde seinen Freund wiederhaben und gleichzeitig eine wichtige Versorgungslücke schließen.

»Die Vorstellung gefällt dir nicht«, stellte er fest; sein Blick war wachsam.

Ich legte den Rasierer aus der Hand, denn ich wollte mir im Moment lieber nichts Scharfes an die Kehle halten. »Mir gefällt nicht, dass du es als gegeben hinnimmst, dass früher oder später die Kacke am Dampfen sein wird, und zwar so sehr, dass du dabei verletzt werden könntest. Mir gefällt nicht, dass du dich schon so sehr damit abgefunden hast, dass du einen weiteren Sicherheitsmann für mich einplanst. Ich kenne deine Geschichte zwar gut genug, um zu verstehen, warum du diese Entscheidungen triffst, und ich werde dir auch nicht widersprechen. Aber die Vorstellung, dass dir etwas passieren könnte, die gefällt mir überhaupt nicht.«

Er kam ins Bad zurück, legte mir die Hände um die Taille und gab mir einen sanften Kuss auf die Schläfe. »Ich verspreche dir, es zu vermeiden, so gut ich kann.«

Einen Moment lehnte ich mich mit geschlossenen Augen an ihn, genoss die solide Wärme in meinem Rücken und versuchte, mich wieder zu fangen. Vor mir selbst konnte ich durchaus zugeben, dass das, was mich wirklich aufregte, etwas ganz anderes war. Er hatte das alles beschlossen, ohne mit mir darüber zu sprechen. Andererseits waren wir noch nicht so lange ein Paar, dass ich es ihm zum Vorwurf machen konnte. Es waren gerade mal vier Monate, also mussten wir uns erst angewöhnen, alles miteinander abzustimmen. Donovan war zwar älter, aber er hatte bisher nur schlechte Erfahrungen mit Beziehungen gemacht. Wir waren noch dabei, unsere beiden Leben miteinander in Einklang zu bringen. Sosehr ich den Impuls verspürte, ihm deswegen Vorwürfe zu machen: Ich war schlau genug, es nicht zu tun.

»Donovan.« Mit einem tiefen Seufzer suchte ich nach den richtigen Worten. »Ich verstehe, wie du denkst, oder zumindest glaube ich, dass ich das tue. Vielleicht kannst du das nächste Mal einfach früher etwas dazu sagen?«

»Ich habe dich vor vollendete Tatsachen gestellt«, stellte er trocken fest.

»Ein bisschen schon, ja.«

»Entschuldige«, seufzte er und kuschelte sich so an mich, dass er meinen Oberkörper ganz umfangen hielt. »Das ist eine Berufskrankheit, weißt du? Außerdem freue ich mich darauf, wieder mit ihm zusammenzuarbeiten.«

»Jaja, das hatte ich schon mitbekommen«, antwortete ich mit einem Augenrollen. »Was ich nicht verstehe, ist, warum du es jetzt so eilig hast. Es ist ja nicht so, als müsste ich bei dem Gespräch dabei sein.«

Er hob überrascht den Kopf, sodass sich unsere Blicke wieder im Spiegel trafen. »Nein?«

Meinerseits verwundert, legte ich den Kopf schief. »Äh, nein. Wie kommst du denn darauf, dass ich dabeisitze?«

»Weil es bei meinem Vorstellungsgespräch so war?«, antwortete er mit hochgezogenen Augenbrauen.

Oh. Richtig. Na gut, so gesehen war das eine berechtigte Vermutung. »Nein, Babe. Das mache ich sonst nie. Ich bin damals nur reingegangen, um einen Blick auf dich zu erhaschen, weil du den anderen so unheimlich warst. Ehrlich gesagt kann ich mich gar nicht mehr daran erinnern, wie ich in Jims Büro gekommen bin, so instinktiv lief das Ganze. Ich weiß nur noch, dass ich dich behalten wollte, also musste ich handeln.«

»Ach so. Na ja, dann haben wir es natürlich nicht eilig.« Die Enttäuschung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Er ließ mich los und trat wieder auf den Flur hinaus, damit ich mich weiter rasieren konnte.

Ich sah ihm an, dass er den restlichen Tag vor sich hin schmollen würde, wenn ich nichts unternahm. Anscheinend hatte er seinen Plan davon abhängig gemacht, dass ich seinem Freund eine Fünf-Sterne-Empfehlung aussprach. Kopfschüttelnd drehte ich mich um und zeigte auf seine Hosentasche. »Ruf mal Carol an.«

Überrascht, aber wieder hoffnungsvoll zog er sein Handy aus der Schutzhülle, rief unsere Kollegin an und stellte den Anruf auf Lautsprecher. Es klingelte dreimal, dann nahm sie ab. »Hey, Donovan.«

»Hey, Carol, ich bin’s.« Ich sprach etwas lauter, damit sie mich gut hörte. Im gekachelten Badezimmer hallte meine Stimme merkwürdig wider. »Kannst du mir bitte einen Gefallen tun? Heute früh bewirbt sich jemand als Kriminalberater. Kannst du ihn dir mal ansehen und Jim deinen Eindruck von ihm mitteilen?«

Sie schwieg einen Augenblick nachdenklich. »Wozu das denn?«

»Um Donovan zu erlösen«, antwortete ich mit einem Augenzwinkern. Er strahlte mich an. »Der Mann ist ein guter Freund von ihm.«

»Also kannst du nicht für ihn bürgen, damit es nicht nach Vetternwirtschaft aussieht«, fasste Carol mit einer Spur Sarkasmus zusammen. »Und darum soll ich mich jetzt in aller Herrgottsfrühe beeilen.«

»Mir ist schon klar, dass Aurenlesen nicht deine Stärke ist, aber einen brauchbaren Eindruck bekommst du doch auch. Mehr braucht Jim gar nicht.«

»Jaja, schon gut. Donovan, du schuldest mir ein Mittagessen.«

»Es wird mir ein Vergnügen sein«, versicherte er ihr strahlend.

»Du hast Glück, dass du so ein lieber Kerl bist. Okay, ich beeile mich. Wann ist denn das Gespräch?«

»Halb neun.«

»In zwanzig Minuten also. Ein bisschen mehr Vorlauf konntet ihr mir nicht geben?«, nörgelte sie gutmütig, aber ich konnte hören, dass sie sich fertig machte.

»Seine Schuld, nicht meine. Danke, Carol. Bis später!« Ich bedeutete Donovan, aufzulegen.

Das tat er, dann beugte er sich zu mir herunter und gab mir einen dicken Kuss auf die Stirn. »Danke.«

»Du hast Glück, dass du so ein lieber Kerl bist«, wiederholte ich Carols Worte, dann scheuchte ich ihn aus dem Bad. »Und wenn du möchtest, dass wir da irgendwann vor zehn Uhr aufschlagen, dann solltest du mich jetzt mit dem Rasieren weitermachen lassen.«

Er verschwand sofort und rief mir noch zu: »Ich mache dir einen Kaffee zum Mitnehmen, okay?«

Dieser Mann. Was sollte man nur mit so viel Energie anfangen?

* * *

Um fünf nach halb neun waren wir im Büro, etwas später, als es Donovan lieb gewesen wäre. Das Vorstellungsgespräch lief bereits. Carol kam uns entgegen, die Miene zu einer schwer zu deutenden Grimasse verzogen. Auf ihren Meridianen blitzte es aber neugierig und zufrieden – eine interessante Mischung, gelinde gesagt. Dass sie unter Zeitdruck aus dem Haus geeilt war, sah man ihr nicht an – kein Härchen lag nicht wohlfrisiert an seinem Platz, und ihr Make-up akzentuierte perfekt ihre großen braunen Augen.

Sie trank einen großen Schluck Kaffee, um Donovan hinzuhalten, der neben mir fast platzte vor Neugier. Dann zwinkerte sie mir zu und bemerkte: »Es macht richtig Spaß, ihn so aufzuziehen!«

»Da sagst du mir nichts Neues«, entgegnete ich grinsend. »Ich hätte gar nicht gedacht, dass es etwas gibt, das ihn dermaßen aus der Ruhe bringt. Aber jetzt musst du aufhören, sonst haut es ihn noch aus den Latschen.«

Immer noch schmunzelnd wandte sich Carol an Donovan: »Ich habe einen ganz guten Eindruck von deinem Freund bekommen, als er hier auftauchte, und habe Jim eine Nachricht geschickt. Er hat eine wirklich sympathische Aura. So ähnlich wie du.«

Donovan, der den Atem angehalten hatte, stieß einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus. »Und das hast du auch Jim gesagt? Danke, Carol. Jetzt schulde ich dir definitiv ein Essen.«

»Warum machst du dir überhaupt solche Sorgen?«, wollte ich wissen. So wie er drauf war, hatte ich allmählich das Gefühl, dass ich noch nicht die ganze Geschichte kannte. »Hier geht es gar nicht nur um uns, oder?«

»Nein. Ich mache mir auch Gedanken um ihn«, gab Donovan zu und rieb sich den Nacken.

Das war eine Antwort und dann auch wieder nicht. »Ich weiß, dass er eine Weile flachgelegen und die letzten sechs Monate nicht gearbeitet hat. Er ist aus medizinischen Gründen ausgeschieden, oder?«

»Das schon, aber …« Als er sah, dass Carol ihm nicht folgen konnte, erklärte er: »Garrett war mit mir bei der Army, und vor etwa acht Monaten wurde er aus medizinischen Gründen entlassen. Kreuzbandriss.«

Carol zuckte zusammen. »Der Arme. Ist es nicht ausgeheilt?«

»Doch, das schon, und er kann sein Knie auch wieder voll belasten. Aber bei der Army ist ein Kreuzbandriss nun mal ein Todesurteil. Damit gilt man als nicht mehr diensttauglich, also wurde er entlassen, obwohl er eigentlich bleiben wollte. Garrett bekommt das Herumsitzen nicht besonders. Er hat schon während der Reha fast einen Koller bekommen, hat sich den Kopf darüber zerbrochen, was er jetzt tun soll – so wie ich, bevor ich hierherkam. Ich hätte ihn gerne bei der Psy, ihm zuliebe und euch allen zuliebe. Er braucht eine sinnvolle Aufgabe, einen Job, bei dem er auf Zack bleibt. Hier hätte er den.«

»Und es hätte den doppelten Vorteil, dass wir hier dann noch jemanden hätten, dem wir vertrauen können, wenn es mal brenzlig wird?«, führte Carol nachdenklich weiter aus. »Rundum eine Win-win-Situation, verstehe. Ich glaube, Jim war schon halb überzeugt, weil du ihn empfohlen hast, und Garrett ist auf jeden Fall sehr einnehmend. Er hat mich gegrüßt, als er hereinkam. Ich muss allerdings gestehen, dass ich ihn niemals für einen ehemaligen Soldaten gehalten hätte, wenn ich nicht gewusst hätte, dass er bei den Special Forces war.«

Das konnte ich gut verstehen. Donovan sah tatsächlich aus wie ein Soldat, groß gewachsen und imposant, ein Alphatier im besten Sinne. Das konnte man von Garrett Wilson nicht gerade sagen. Er war so sehr das Gegenteil von Donovan, dass sie nebeneinander schon fast komisch wirkten.

Ich konnte durch das Panoramafenster in Jims Büro hineinschauen. Garrett saß mit dem Rücken zu uns, also sah ich nicht viel außer seinem Kopf und den Schultern: ordentlich gekämmte, kurze blonde Haare und ein gut sitzendes khakifarbenes Jackett. Aber dieser eine Blick auf ihn sagte mir eine ganze Menge.

»Wie hell ist er denn?«, fragte Donovan neugierig. In seiner Stimme lag keinerlei Zweifel, dass sein Freund in meinen Augen besonders hell leuchtete. Das hatte er mich noch gar nicht gefragt, seit ich Garrett kennengelernt hatte. Es hatte auch noch nie so recht gepasst.

»Ganz schön hell«, erwiderte ich, während ich noch Garretts Rücken anstarrte.

Als hätte er es gespürt, drehte sich Garrett zu uns um, bemerkte Donovan, grinste und sagte dann etwas, worüber Jim lachen musste. Na bitte, wenn sie während eines Vorstellungsgesprächs Witze machten, dann lief es ja wohl bestens.

»Er bringt immer alle zum Lachen«, stellte Donovan kopfschüttelnd fest. Er wirkte hauptsächlich amüsiert. »Sieht so aus, als ob alles wunderbar läuft. Vielleicht habe ich mir umsonst Sorgen gemacht.«

»Das würde ich auch sagen.« Carol trank noch einen Schluck, dann verkündete sie umstandslos: »Und ich würde gerne Sushi zu Mittag essen.«

»Schick mir eine E-Mail mit deiner Bestellung, und ich besorge dir welches«, versprach Donovan, den das nicht weiter zu irritieren schien.

Sie tätschelte seinen Arm und schlenderte in ihr Büro.