Mutterliebe statt Gottes Liebe? - Alexander Basnar - E-Book

Mutterliebe statt Gottes Liebe? E-Book

Alexander Basnar

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Beschreibung

Tradition, Brauchtum, Dogma, Wunder ... Maria ist mittendrin. Mehr Kirchen sind ihr geweiht als ihrem Sohn; mehr Gebete werden an sie gerichtet als an den Vater; zu ihrer mütterlichen Liebe nimmt man lieber Zuflucht als zum Guten Hirten. Warum ist das so? Was macht Maria so besonders? Dieses Buch ist ein "Quellenstudium", indem es die Spuren verfolgt, wie sich die Marienverehrung in fast 2000 Jahren entwickelt hat. Es ist ein Konzentrat von mehr als 300 Din A4 Seiten, die der Autor vor rund 25 Jahren verfasst hat und unveröffentlicht auf kleiner Flamme schmoren ließ. So reduzierte es sich auf ein anspruchsvolles, aber gut lesbares Format, das zum Mitdenken einlädt. Es geht um die Frage, ob die Mutterliebe Marias gar die Liebe Gotte verdrängt hat. Kommen Sie mit auf eine spannende Reise!

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Inhalt

Einleitung

Der unnahbare Gott

Jesus, der uns Gott nahe bringt

Die Mutter tritt dazwischen

Geboren von der Jungfrau Maria

Ave Maria

Ohne Erbsünde empfangen?

Die Schlangenzertreterin?

Immerwährende Jungfräulichkeit?

Die Mutter Gottes?

Maria, unsere Fürsprecherin?

Maria, unsere Mutter?

Leiblich in den Himmel aufgenommen?

Die Himmelskönigin?

Marienerscheinungen

Der Rosenkranz

Von Maria zu Jesus

Einleitung

„Da wir in einem Jahrhundert des Hochmuts leben, in dem es viele aufgeblasene Gelehrte, Liberale und Kritisaster gibt, die selbst an den altbewährten und gediegensten Formen der Frömmigkeit etwas auszusetzen haben, ist es besser, von der „Hingabe an Jesus in Maria“ zu sprechen und sich „Eigentum Jesu in Maria“ zu nennen, als „Eigentum Mariens“, damit man ihnen keinen unnötigen Anlass zur Kritik gibt.“ (Grignon von Montfort, „Das Goldene Buch“ Seite 225, Nr. 245).

Als ich 1987 begann, das Evangelium zu verstehen, war ich sofort Feuer und Flamme. Ich sog das Wort Gottes auf wie ein trockener Schwamm das Wasser. Ich bin ein neuer Mensch geworden durch Jesus Christus. Es dauerte nicht lange, bis ich mich fragte: Was hat Maria mit all dem zu tun? So schrieb ich in meiner direkten Art einen Brief an Dr. Herbert Madinger († 2010) von der katholischen Glaubensinformation, um darüber Auskunft zu erhalten. Er schickte mir, zusammen mit einem freundlichen Brief, das Buch „Maria heute ehren“, ein Gemeinschaftswerk verschiedener namhafter Theologen.

Es brauchte zugegebenermaßen einige Zeit, mich durch die gut 300 Seiten durchzuarbeiten. Daneben erwarb ich einige andere Bücher zum Thema, die ich ausgiebig studierte. Das eingangs zitierte „Goldene Buch“ von Ludwig Maria Grignon von Montfort (1673-1716) fand ich übrigens im Altpapier. Es verdeutlicht wie kaum ein anderes den Stellenwert Marias in der katholischen Frömmigkeit.

Ich sollte vielleicht erwähnen, dass ich atheistisch-lutherisch aufgewachsen bin und mir dieses Thema gewissermaßen von Grund auf „erarbeiten“ musste. Ich verbrachte mehrere Jahre mit diesen Gedanken und lernte so zu verstehen, wie das Heilsverständnis der katholischen Kirche begründet wird. Ich begann, all das niederzuschreiben und zusammenzufassen – ich denke am besten, wenn ich schreibe – und brachte es auf über 300 Din A4 Seiten. Ein befreundeter, theologisch sehr versierter Katholik las es durch und bestätigte mir, dass ich es richtig verstanden und wiedergegeben hatte. Das ist mir wichtig: wenn man über etwas schreibt, sollte man es auch verstanden haben. Allerdings musste ich schmunzeln, als ich mit einem Priester über Verdienste, Fegefeuer und Ablässe redete. Er bestätigte mir, dass das alles dogmatisch wohl richtig sei, aber ihm sei das zu kompliziert, er halte sich lieber an die Bibel. Ich musste ihm Recht geben.

Nun, fast 30 Jahre später, habe ich einen neuen Anlauf genommen, meine Gedanken zur Marienverehrung zusammenzufassen. Ich respektiere dabei die Ernsthaftigkeit und Aufrichtigkeit derer, die den Weg „durch Maria zu Christus“ gewählt haben, erlaube mir aber auf einige schwerwiegende Probleme dabei hinzuweisen.

Was ich in den folgenden Seiten zusammengetragen habe, ist durchaus „anspruchsvoll“. Wir werden die Bibel lesen (was die einfachste Lektüre ist), aber auch die überaus komplexen Texte der Mariendogmen. Wir tauchen in die frühkirchliche Literatur der „Kirchenväter“ ein und werden auch „Erstaunliches“ von den Marienerscheinungen hören.

Über allem steht die Frage, ob hier nicht Gottes Liebe durch die Mutterliebe Marias ersetzt oder überstrahlt wurde, und ob das im Sinne des Evangeliums ist. Darum beginne ich mit einer kurzen Darstellung, wie Christus uns dem scheinbar unnahbaren Gott nahe gebracht hat. So nahe, dass man sich fragen muss, was daran noch mangelhaft wäre, sodass wir den „Zwischenschritt“ über Maria nehmen müssten.

Ich verfolge natürlich ein Ziel damit, nämlich, dass Sie, mein Leser, von der Liebe Gottes in Christus ergriffen werden. Der Rest, denke ich, wird sich von selbst ergeben. Damit lade ich Sie zu einer spannenden Reise durch die Kirchen- und Dogmengeschichte der letzten 2000 Jahre ein.

Der unnahbare Gott

„Wer von uns kann bei einem verzehrenden Feuer wohnen? Wer von uns kann bei der ewigen Glut bleiben?“ (Jesaja 33,14).

So oder so ähnlich stellen sich viele Menschen Gott vor: schrecklich und gefährlich. Das Höllenfeuer wurde uns seit Jahrhunderten in angsteinflößenden Bildern vor Augen gemalt. Wer kennt nicht die Teufel und Dämonen in den Bildern von Hieronymus Bosch (1450-1516), welche die Sünder mit sadistischer Freude quälen? Oder andere Kunstwerke, welche die Höllenqualen feuerrot ausgemalt haben? Oder Predigten, die nur von Gericht, Feuer und Schwefel handelten, um die Zuhörer einzuschüchtern und Bekehrungen zu erpressen?

Das hat zu einer großen Abneigung gegenüber dem Gott der Bibel, dem Vater unseres Herrn Jesus Christus geführt. Drohungen haben noch nie zu einer tiefen Liebe zu Gott geführt und werden als kirchliches Druckmittel wahrgenommen.

Wer aber ist es, der die obige Frage stellt? Lesen wir also den Kontext (Zusammenhang) mit, wie es sich gehört:

„Hört, ihr Fernen, was ich tue, und ihr Nahen, erkennt meine Stärke! Die Sünder in Zion sind erschrocken, Zittern hat die Heuchler ergriffen: »Wer von uns kann bei einem verzehrenden Feuer wohnen? Wer von uns kann bei der ewigen Glut bleiben?« – Wer in Gerechtigkeit wandelt und aufrichtig redet; wer es verschmäht, durch Bedrückung Gewinn zu machen; wer sich mit seinen Händen wehrt, ein Bestechungsgeschenk anzunehmen; wer seine Ohren verstopft, um nicht von Blutvergießen zu hören; wer seine Augen verschließt, um Böses nicht mit anzusehen – der wird auf Höhen wohnen, Felsenfesten sind seine Burg; sein Brot wird ihm gegeben, sein Wasser versiegt nie.

Deine Augen werden den König in seiner Schönheit schauen; du wirst das Land erweitert sehen.“ (Jesaja 33,13-17).

Es gibt zwei Arten von Menschen, die Gott grundverschieden wahrnehmen: Die einen stimmen mit Gott so gar nicht darüber ein, wenn es darum geht zu bestimmen, was das Gute, Wahre und Schöne ist. Diese empfinden Gottes Reinheit und Heiligkeit als einen existenziellen Widerspruch zu ihren eigenen Lebensentwürfen, und die Botschaft vom Reich Gottes und dem Gericht, welches darüber befinden wird, wer dort eingelassen wird, als eine Bedrohung. Gott ist also zu fürchten von denen, die in Opposition zu Ihm stehen. Die anderen stimmen mit Gott überein und wollen so leben, wie es Ihm gefällt – auch wenn nicht immer alles so recht gelingen mag! – doch genau diese Einstellung hat Gottes Zuspruch und Verheißung: Sie werden den König in Seiner Schönheit sehen.

Wer will wirklich aus ganzem Herzen böse sein? Ich kenne nur wenige, die das von sich behaupten, und auch denen nehme ich es nicht ganz ab. Aber viele wollen selbst festlegen, was Gut und Böse ist, eigentlich alle, wenn wir ehrlich sind. Das aber ist die Ursünde gewesen, zu der die Schlange Eva verführte:

„Keineswegs werdet ihr sterben! Sondern Gott weiß: An dem Tag, da ihr davon esst, werden euch die Augen geöffnet, und ihr werdet sein wie Gott und werdet erkennen, was gut und böse ist!“ (Genesis 3,4-5).

Dieses eigenmächtige Erkennen des Guten und Bösen war von Gott nicht vorgesehen; Er wollte (und will immer noch) uns wie ein Vater erziehen und zur mündigen Unterscheidungsfähigkeit anleiten. Dieser Vorgriff ist aber eine „Erziehungsverweigerung“ gewesen, die dazu führte, dass wir uns selbst zu unseren eigenen Göttern erklärten und bis heute selbst festlegen, was gut und böse ist. Wer kennt den Spruch nicht: „Ich bin mein eigener Herr!“?

Die Folge war eine Entfremdung von Gott und die Trennung vom Baum des Lebens. Wir sind nun dem Tod unterworfen, sterblich geworden und finden uns in einer Welt wieder, die von vielfältigem Leid gekennzeichnet ist. Der rebellische Mensch macht daraus Gott einen Vorwurf und das Leid zur Rechtfertigung, Gott abzulehnen. Ungeachtet der Tatsache, dass viel von dem Leid seine Ursache darin hat, dass wir einander viel Böses antun. Denn als gut gilt den meisten doch das, was einem selbst gut tut, auch auf Kosten der anderen. Eine Ehebeziehung, die man nicht aushalten will, erklärt man für „unerträglich“, um den Ehebruch zu rechtfertigen. Unsere Eigenliebe und unser Stolz machen uns zu Lügnern und Heuchlern, damit wir stets gut dastehen vor anderen. Unsere Gier nach Dingen, von denen wir erwarten, dass sie uns glücklich machen, lässt uns unehrliche Geschäfte betreiben oder rauben. Oder wir verschulden uns hoffnungslos und kommen in Abhängigkeiten. Neid und Eifersucht führen gar zu Mord und Totschlag.

Wir wissen aber in unseren Herzen, dass das nicht gut ist, denn wenn man uns so behandelt, wie wir andere, so gefällt uns das nicht. Gott stört uns in unseren Bewertungen, aber wir erkennen doch, dass Seine Gebote gut und dem Leben förderlich sind, dass sie Ausdrucksformen der Liebe sind, wie Jesus Christus treffend zusammenfasste:

„Alles nun, was ihr wollt, dass die Leute euch tun sollen, das tut auch ihr ihnen ebenso; denn dies ist das Gesetz und die Propheten.“ (Matthäus 7,12).

Man nennt diesen Grundsatz auch die „Goldene Regel“. Wer sich daran hält, kann eigentlich nichts falsch machen, selbst wenn er die einzelnen Gebote Gottes nur bruchstückhaft oder gar nicht kennt. Er wiederholt dies in anderen Worten, indem Er direkt aus den Geboten Gottes zitiert:

„Als nun die Pharisäer hörten, dass er den Sadduzäern den Mund gestopft hatte, versammelten sie sich; und einer von ihnen, ein Gesetzesgelehrter, stellte ihm eine Frage, um ihn zu versuchen, und sprach: Meister, welches ist das größte Gebot im Gesetz? Und Jesus sprach zu ihm: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Denken«. Das ist das erste und größte Gebot.

Und das zweite ist ihm vergleichbar: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst«. An diesen zwei Geboten hängen das ganze Gesetz und die Propheten.“ (Matthäus 22,34-40).

Ist Gott wirklich unnahbar, wenn Er uns dazu einlädt, Ihn zu lieben? Liebe ist ja nicht einseitig, sondern gegenseitig. Wenn Er uns einlädt, Ihn zu lieben, bedeutet das nicht, dass Gott uns zuerst liebt? So lesen wir in den Propheten etwa:

„Von ferne her ist mir der Herr erschienen: Mit ewiger Liebe habe ich dich geliebt; darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Gnade.“ (Jeremia 31,3).

Wie aber wird Gott uns seitens der Kirche tatsächlich vermittelt? Als alter Mann mit weißem Bart, der ganz weit weg von uns ist, der uns gar feindlich gegenübersteht, weil wir nicht Seinen Erwartungen entsprechen. Leicht reizbar und schnell beleidigt. Weil es uns nicht immer gelingt, das Gute, das wir wollen, auch zu vollbringen. Paulus, der sich als frommer Jude redlichst bemüht hat, Gottes Willen zu tun, sah sich mit seinem Scheitern konfrontiert, welches er in bewegenden Worten beschreibt:

„Denn wir wissen, dass das Gesetz geistlich ist; ich aber bin fleischlich, unter die Sünde verkauft. Denn was ich vollbringe, billige ich nicht; denn ich tue nicht, was ich will, sondern was ich hasse, das übe ich aus. Wenn ich aber das tue, was ich nicht will, so stimme ich dem Gesetz zu, dass es gut ist. Jetzt aber vollbringe nicht mehr ich dasselbe, sondern die Sünde, die in mir wohnt. Denn ich weiß, dass in mir, das heißt in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt; das Wollen ist zwar bei mir vorhanden, aber das Vollbringen des Guten gelingt mir nicht. Denn ich tue nicht das Gute, das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will, das verübe ich. Wenn ich aber das tue, was ich nicht will, so vollbringe nicht mehr ich es, sondern die Sünde, die in mir wohnt.

Ich finde also das Gesetz vor, wonach mir, der ich das Gute tun will, das Böse anhängt. Denn ich habe Lust an dem Gesetz Gottes nach dem inneren Menschen; ich sehe aber ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das gegen das Gesetz meiner Gesinnung streitet und mich gefangen nimmt unter das Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern ist. Ich elender Mensch! Wer wird mich erlösen von diesem Todesleib?“ (Römer 7,14-24).

Wir haben also ein vielschichtiges Problem mit Gott, aber auch ein vielschichtiges Problem mit uns selbst, mit unserer tiefsitzenden Eigenmächtigkeit und Autonomie – also mit dem „Gesetz der Sünde“ in uns. Diese Kluft kann uns hilfeschreiend in Gottes Arme treiben, oder noch weiter von Gott wegtreiben, indem wir uns verstecken, uns selbst rechtfertigen oder Gott ganz und gar verleugnen, damit wir uns nicht länger mit unserem Zustand belasten müssen. Wo es keinen Gott gibt, gibt es auch keinen Konflikt zwischen Seinen und unseren Werten.

Gott ist nahbar. Er ist nie weiter als einen Hilfeschrei entfernt und lässt sich von denen, die Ihn aufrichtig suchen, auch finden. Die Lösung des Problems ist Seine Sache, und Er hat eine Lösung gefunden, einen Erlöser. Darum bleibt Paulus auch nicht bei dem verzweifelten Hilfeschrei stehen, sondern setzt fort:

„Ich danke Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn!“ (Römer 7,25).

Was es zu danken gibt, darum geht es im nächsten Kapitel.

Jesus, der uns Gott nahe bringt

„Niemand hat Gott je gesehen; der eingeborene Sohn, der im Schoß des Vaters ist, der hat Aufschluss über ihn gegeben.“ (Johannes 1,18).

Manchmal wehren Menschen die Auseinandersetzung mit Gott mit den Worten ab: „Gott hat sich bei mir noch nicht vorgestellt.“ Weil sie Gott nicht sehen und noch nicht bewusst erfahren haben, ziehen die einen den voreiligen Schluss, dass er eine Märchenfigur sei wie der Weihnachtsmann. Andere lassen es offen und wollen warten, bis sie Ihm in der Auferstehung begegnen – dass sie dabei ihr ganzes irdisches Leben in den Sand setzen, indem Sie Seine Anweisungen und Hilfestellungen in den Wind schlagen, ist ihnen nicht bewusst. Eigentlich ist es eine sehr stolze Haltung zu fordern, Gott müsse sich bei uns vorstellen, wenn Er etwas von uns will. Kommen wir denn ohne Ihn zurecht? Wenn wir uns umschauen, wie „gut“ uns das gelingt, müssen wir das kleinlaut verneinen.

Warum ist Gottes Sohn nun gekommen? Auch hier sollten wir den obigen Text im Kontext lesen, dann wird vieles klarer:

„Das wahre Licht, welches jeden Menschen erleuchtet, sollte in die Welt kommen. Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden, doch die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, und die Seinen nahmen ihn nicht auf. Allen aber, die ihn aufnahmen, denen gab er das Anrecht, Kinder Gottes zu werden, denen, die an seinen Namen glauben; die nicht aus dem Blut, noch aus dem Willen des Fleisches, noch aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind.

Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns; und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des Eingeborenen vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.

Johannes legte Zeugnis ab von ihm, rief und sprach: Dieser war es, von dem ich sagte: Der nach mir kommt, ist vor mir gewesen, denn er war eher als ich. Und aus seiner Fülle haben wir alle empfangen Gnade um Gnade. Denn das Gesetz wurde durch Mose gegeben; die Gnade und die Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden. Niemand hat Gott je gesehen; der eingeborene Sohn, der im Schoß des Vaters ist, der hat Aufschluss über ihn gegeben.“ (Johannes 1,9-18).

Gott konnte und kann immer noch damit umgehen, dass Menschen unvollkommen und fehlerhaft sind, solange sie sich das eingestehen und sich von Ihm helfen lassen wollen. Gott ist kein Pedant, der ständig darauf lauert, ob wir uns irgendwo vergehen, damit er uns endlich wohlverdient in die Hölle werfen kann. Dort will Er uns nicht enden sehen! Aber Er kann uns auch nicht von diesem Weg abhalten, wenn wir Ihm unser Leben lang ausweichen oder ablehnend gegenüberstehen. Dann setzt sich unsere Gottlosigkeit fort und wir sind Gott auf ewig los. Der Feuersee, der mit Schwefel brennt, oder die äußerste Finsternis, wo nur Heulen und Zähneknirschen zu hören sein wird, sind Bilder, die uns in etwa eine Ahnung geben sollen, was es bedeutet, von der Quelle des Lebens abgeschnitten zu sein. Nein, dort will Gott uns nicht haben, und auch wir wollen dort nicht hin. Darum ist Jesus Christus gekommen.

Er ist das Licht, das uns erleuchtet. Auf einmal wird es hell und wir sehen wieder klar. Was ist die Finsternis, die uns umgibt? Diese hat mehrere Aspekte, zuerst ist es der Todesschatten:

„Das Volk, das in der Finsternis wohnte, hat ein großes Licht gesehen, und denen, die im Land des Todesschattens wohnten, ist ein Licht aufgegangen.“ (Matthäus 4,16).

Der Tod wirft seinen Schatten über unser Leben. Der Tod verdeckt das Licht. Das Licht kam aber in den Bereich des Todesschattens und leuchtet ihn seither aus. Der Todesschatten hat mit der Beklommenheit angesichts unseres Sterbens zu tun, und diese Beklommenheit nützt die alte Schlange, der Teufel, beinhart aus, denn Angst lässt uns irrational handeln, nach jedem Strohhalm greifen und das kurze Leben in aller Gewissenlosigkeit auskosten, wenn wir keine andere Perspektive haben. Der drohende Tod macht uns erpressbar, liefert uns Gewalttätern und bösartigen Machthabern aus und lässt uns fast alles tun und versprechen, um den Tod so lange wie möglich hinauszuzögern. So kam Jesus Christus als Befreier von diesem Tyrannen:

„Da nun die Kinder an Fleisch und Blut Anteil haben, ist er gleichermaßen dessen teilhaftig geworden, damit er durch den Tod den außer Wirksamkeit setzte, der die Macht des Todes hatte, nämlich den Teufel, und alle diejenigen befreite, die durch Todesfurcht ihr ganzes Leben hindurch in Knechtschaft gehalten wurden.“ (Hebräer 2,14-15).

Der dritte Aspekt der Finsternis ist unser Denken, das von der „Todeskultur“ um uns nachhaltig geprägt worden ist, seit wir das kindliche Urvertrauen verloren haben. Daraus folgen viele falsche Entscheidungen in unserem Leben mit schwerwiegenden Konsequenzen. Oft wissen wir es nicht besser, als es falsch zu machen, weil alle um uns herum genauso handeln. Wer wie Tarzan bei Affen aufgewachsen ist, wird sich wie ein Affe gebärden und auch nicht richtig sprechen können. Wer aber unter gottesfürchtigen Menschen aufgewachsen ist, wird von Kind an die Heiligen Schriften kennen und auch viele gute und richtige Entscheidungen getroffen haben – aber auch sie haben Erleuchtung nötig, denn diese ist eine Verwandlung des Herzens, die Befreiung vom „Gesetz der Sünde“, das auch die frömmsten Menschen in sich tragen. Wer erleuchtet worden ist, dessen Leben schlägt eine völlig andere Richtung ein:

„Das sage und bezeuge ich nun im Herrn, dass ihr nicht mehr so wandeln sollt, wie die übrigen Heiden wandeln in der Nichtigkeit ihres Sinnes, deren Verstand verfinstert ist und die entfremdet sind dem Leben Gottes, wegen der Unwissenheit, die in ihnen ist, wegen der Verhärtung ihres Herzens; die, nachdem sie alles Empfinden verloren haben, sich der Zügellosigkeit ergeben haben, um jede Art von Unreinheit zu verüben mit unersättlicher Gier.“ (Epheser 4,17-19).

Christus kam also, um unsere Entfremdung von Gott zu beenden und Licht in unser Leben zu bringen. Damit ist aber nicht alles getan, denn Licht führt zur Erkenntnis, aber was soll diese Erkenntnis bewirken? Einsicht in unseren Zustand, und dieser Zustand ist unser Unterworfensein unter das „Gesetz der Sünde“ in uns. Wie wird man das los? Es ist wie ein Gendefekt, wie eine Erbkrankheit. Den Begriff „Erbsünde“ wird man in der Bibel vergeblich suchen. Niemand wird wegen der Ursünde Adams verdammt werden, jeder steht mit seinem eigenen Leben, seinen eigenen Entscheidungen und Taten persönlich vor Gott. Aber wir alle sind „jenseits von Eden“ geboren und tragen diese Neigung zur Sünde in uns, die uns das Miteinander so bitter macht. Das ist ein Problem des Herzens, ein Problem unseres Menschseins im gefallenen Zustand. Hier ist anzusetzen, wir brauchen eine neue „DNA“, neue „Gene“, eine neue Geburt aus Gott, eine Wiederherstellung in den ursprünglichen reinen, unverdorbenen und unsterblichen Zustand. Darum spricht unser Text oben von einer „Geburt aus Gott“. Wir müssen neu geboren werden. In einem Gespräch mit dem Schriftgelehrten (oder „Theologen“) Nikodemus geht der Herr Jesus näher darauf ein:

„Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wenn jemand nicht von neuem geboren wird, so kann er das Reich Gottes nicht sehen! Nikodemus spricht zu ihm: Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist? Er kann doch nicht zum zweiten Mal in den Schoß seiner Mutter eingehen und geboren werden? Jesus antwortete: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, so kann er nicht in das Reich Gottes eingehen!“ (Johannes 3,3-5).

Das Reich Gottes, Gottes Königsherrschaft, ist die Wiederherstellung aller Dinge (Apostelgeschichte 3,21), die ganze Schöpfung wird „neu geboren“ werden (Matthäus 19,28). Wir erwarten, wie Petrus schreibt, einen neuen Himmel und eine neue Erde, in denen Gerechtigkeit wohnen wird (2. Petrus 3,13). Die Bewohner dieser neuen Schöpfung müssen zu dieser passen und selbst auch neu geboren bzw. geistlich erneuert und verwandelt werden. Und zwar aus Wasser und Geist.

Wer katholisch unterwiesen worden ist und nicht nur ein „Kulturchrist“ ist, erkennt sofort den Zusammenhang zu Taufe und Firmung und wird sich denken: „Passt, das habe ich schon!“ Aber eines wird meist vergessen: der Glaube. Es geht nicht um sakramentale oder rituelle Handlungen, sondern um Erleuchtung, Erkenntnis, Einsicht und Glauben. Dann, erst wenn „der Groschen gefallen ist“, lässt man sich taufen. Dann, und nur dann, sind alle Elemente gegeben, welche die neue Geburt ausmachen. Das glaubte und praktizierte die gesamte Christenheit bis ins vierte Jahrhundert hinein. Außer „Nottaufen“ gab es keine Taufen von Säuglingen oder Kleinkindern; nur mündige Menschen, die erkenntnisfähig sind, wurden nach einer entsprechenden Katechese (Unterweisung) getauft. Viele schoben ihre Taufe sogar bis zum Sterbebett auf, weil sie fälschlicherweise glaubten, dass es keine Vergebung mehr gebe für Sünden, die man nach der Taufe begangen hat.

Wer nicht erkenntnisfähig ist, ist für sein Handeln vor Gott auch nicht verantwortlich. Hier rechnet Gott keine Schuld zu, denn Er ist gerecht und auch barmherzig. Erst, wenn wir unser Tun und Handeln im Licht des Evangeliums beurteilen und bewusst glauben können, ist die Taufe im Wasser und im Heiligen Geist möglich. Sonst wird man nur nass. Das ist wichtig, denn Gott will geliebt werden, und Liebe setzt den freien Willen voraus. Justin, der Märtyrer, ein christlicher Lehrer aus dem zweiten Jahrhundert (100-165), bestätigt das sehr nachvollziehbar:

„Alle, die sich von der Wahrheit unserer Lehren und Aussagen überzeugen lassen, die glauben und versprechen, dass sie es vermögen, ihr Leben darnach einzurichten, werden angeleitet zu beten, und unter Fasten Verzeihung ihrer früheren Vergehungen von Gott zu erflehen, Auch wir beten und fasten mit ihnen. Dann werden sie von uns an einen Ort geführt, wo Wasser ist, und werden neu geboren in einer Art von Wiedergeburt, die wir auch selbst an uns erfahren haben; denn im Namen Gottes, des Vaters und Herrn aller Dinge, und im Namen unseres Heilandes Jesus Christus und des Heiligen Geistes nehmen sie alsdann im Wasser ein Bad.

Christus sagte nämlich: „Wenn ihr nicht wiedergeboren werdet, werdet ihr in das Himmelreich nicht eingehen“. Dass es nun aber für die einmal Geborenen unmöglich ist, in ihrer Mutter Leib zurückzukehren, leuchtet allen ein. Durch den Propheten Jesaja ist, wie wir früher mitgeteilt haben, gesagt worden, auf welche Weise die, welche gesündigt haben und Buße tun, von ihren Sünden loskommen werden. Die Worte lauten: „Waschet, reinigt euch, schafft die Bosheiten fort aus euren Herzen, lernet Gutes tun, seid Anwalt der Waise und helfet der Witwe zu ihrem Recht, und dann kommt und lasst uns rechten, spricht der Herr. Und sollten eure Sünden sein wie Purpur, ich werde sie weiß machen wie Wolle; sind sie wie Scharlach, ich werde sie weiß machen wie Schnee. Wenn ihr aber nicht auf mich hört, wird das Schwert euch verzehren; denn der Mund des Herrn hat gesprochen“.

Und hierfür haben wir von den Aposteln folgende Begründung überkommen. Da wir bei unserer ersten Entstehung ohne unser Wissen nach Naturzwang aus feuchtem Samen infolge gegenseitiger Begattung unserer Eltern gezeugt wurden und in schlechten Sitten und üblen Grundsätzen aufgewachsen sind, so wird, damit wir nicht Kinder der Notwendigkeit und der Unwissenheit bleiben, sondern Kinder der freien Wahl und der Einsicht, auch der Vergebung unserer früheren Sünden teilhaftig werden, im Wasser über dem, der nach der Wiedergeburt Verlangen trägt und seine Vergehen bereut hat, der Name Gottes, des Allvaters und Herrn, ausgesprochen, wobei der, welcher den Täufling zum Bade führt, nur eben diese Bezeichnung gebraucht. Denn einen Namen für den unnennbaren Gott vermag niemand anzugeben, und sollte jemand behaupten wollen, es gebe einen solchen, so wäre er mit unheilbarem Wahnsinn behaftet.

Es heißt aber dieses Bad Erleuchtung, weil diejenigen, die das an sich erfahren, im Geiste erleuchtet werden. Aber auch im Namen Jesu Christi, des unter Pontius Pilatus Gekreuzigten, und im Namen des Heiligen Geistes, der durch die Propheten alles auf Jesus Bezügliche vorherverkündigt hat, wird der, welcher die Erleuchtung empfängt, abgewaschen.“ (1. Apologie, Kp. 61).

So werden wir für Gott passend gemacht. Das Kreuz, das vergossene Blut, und was es damit auf sich hat, werde ich später behandeln. Diese sind das Mittel, um diese neue Geburt in uns zu bewirken, aber nicht der Zweck. Wir dürfen also nicht beim Kreuz stehen bleiben, sondern sollen darauf blicken, was es bezweckt, was es in uns bewirken soll. Das habe ich so kurz wie möglich dargelegt. Wir werden dadurch für den scheinbar unnahbaren Gott passend gemacht und zu Seinen Kindern, die Abba, Vater, zu Ihm sagen dürfen. Geht es noch näher?

Und doch kam es ganz anders …

Die Mutter tritt dazwischen

Unter deinen Schutz und Schirm fliehen wir, o heilige Gottesgebärerin. Verschmähe nicht unser Gebet in unsern Nöten, sondern erlöse uns jederzeit von allen Gefahren, o du glorreiche und gebenedeite Jungfrau. Unsere Frau, unsere Mittlerin, unsere Fürsprecherin. Versöhne uns mit deinem Sohne, empfiehl uns deinem Sohne, stelle uns vor deinem Sohne. Amen.

Irgendetwas ist passiert. Ich habe in den letzten Seiten einleitend zusammengefasst, wie wir aus der Entfremdung von Gott durch Christus mit dem Vater versöhnt und für Ihn passend gemacht werden. Dieses traditionelle Gebet zu Maria ist nun eine Überraschung. Müssen wir mit dem, der uns mit Gott versöhnt hat, noch versöhnt werden? Müssen wir dem vorgestellt werden, der sich uns vorgestellt hat? Müssen wir dem empfohlen werden, der von sich aus als der gute Hirte die Verlorenen sucht und ihnen nachgeht? Braucht Er Hinweise Seiner Mutter, um uns zu finden?

Diese Irritation ist der Anlass für dieses Buch, und ich frage Sie ganz persönlich, angesichts der letzten Seiten, ob dieses Gebet für Sie Sinn macht. Schafft es nicht eine neue Kluft, eine neue Distanz? Klingt es nicht so, als ob wir noch nicht mit dem Vater versöhnt seien, weil wir zuerst und beständig durch Maria mit dem Sohn versöhnt werden müssen? Kommt es überhaupt je zu einer Versöhnung, wenn man dieses Gebet beständig wiederholt und sich damit selbst in die Position des „Unversöhnten“ zurückbegibt? In die Position dessen, den Christus nicht vor Augen hat? In die Position eines Verlorenen, der dem Herrn erneut empfohlen werden muss? Immer und immer wieder, sooft dieses Gebet gesprochen wird, geschieht doch genau das!

Paulus scheint nichts davon zu wissen, wenn er uns schreibt:

„Christus kam und verkündigte Frieden euch, den Fernen [Nichtjuden], und den Nahen [Juden]; denn durch ihn haben wir beide den Zutritt zu dem Vater in einem Geist.“ (Epheser 2,17-18).

Oder an anderer Stelle:

„Denn es ist ein Gott und ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, der Mensch Christus Jesus, der sich selbst als Lösegeld für alle gegeben hat.“ (1. Timotheus 2,5-6).

Paulus macht auch klar, dass mit dem Lösegeld alles geleistet wurde, um diese Versöhnung zu vollenden. Wir sind – wenn wir das Evangelium angenommen haben und erleuchtet wurden – bereits in einem Naheverhältnis zu Gott, welches nicht übertroffen werden kann und auch keines „Zwischenschrittes“ über Maria bedarf.

Maria wird auch in keinem der Briefe aller Apostel namentlich genannt, allein im Galaterbrief wird kurz erwähnt, dass der Herr zu vorherbestimmten Zeit „von einer Frau“ geboren wurde (Galater 4,4); Paulus achtet es nicht einmal für notwendig, an dieser Stelle ihre Jungfräulichkeit hervorzuheben. Dieses dröhnende Schweigen steht in einem erstaunlichen Gegensatz zur Stellung Marias in der katholischen und orthodoxen Kirche. Warum ist das so?

In einer Predigt des Priesters Josemaría Escrivá (1902-1975) heißt es:1

„Seit diesem Jahr 1933 habe ich bei zahlreichen und mir zur Gewohnheit gewordenen Wallfahrten zu Heiligtümern Unserer Lieben Frau über die Liebe nachgedacht, die so viele Christen der Mutter Jesu erweisen. …

Sie ist eine Mutter, die sich nicht lange bitten lässt, die unseren Bitten sogar zuvorkommt, weil sie all unsere Nöte kennt und uns gleich zu Hilfe eilt, um so durch ihr Tun zu beweisen, dass sie ständig an ihre Kinder denkt. Jeder von uns könnte in seinem eigenen Leben viele Motive dafür finden, sich in ganz besonderer Weise als Kind Mariens zu fühlen. …

Vom ersten Augenblick des Lebens der Kirche an sind alle Christen, auf der Suche nach der Liebe Gottes, auf der Suche nach jener Liebe, die in Jesus Christus Fleisch geworden ist, Maria begegnet, und sie haben, jeder anders, ihre mütterliche Sorge erfahren. Die allerseligste Jungfrau Maria nennt sich mit Recht Mutter aller Christen. …

Spontan und wie selbstverständlich fühlen wir uns zur Mutter Gottes hingezogen, die auch unsere Mutter ist. …

Um die Rolle Mariens im christlichen Leben zu begreifen, um uns zu ihr hingezogen zu fühlen, um mit kindlicher Zuneigung ihre Gegenwart zu suchen, bedarf es keiner langen Überlegungen, auch wenn das Geheimnis ihrer göttlichen Mutterschaft so tief und reich ist, dass wir niemals genug darüber nachdenken können. …

Diese Herzlichkeit, dieses Vertrauen und diese Sicherheit finden wir bei Maria. Deshalb trifft uns ihr Name geradewegs ins Herz. Das Verhältnis zu unserer eigenen Mutter kann uns Leitbild und Hinweis im Umgang mit Maria, unserer Herrin mit dem liebenswerten Namen sein. …

Wie begegnen denn normalerweise Kinder ihrer Mutter? Sehr verschieden, aber immer mit Feingefühl und Vertrauen; mit einem Feingefühl, das sich spontan, je nach der Situation immer anders äußert, niemals aber an Äußerlichkeiten haften bleibt: herzliche Erweise der Zusammengehörigkeit, alltägliche Kleinigkeiten, zu denen sich ein Kind seiner Mutter gegenüber gedrängt fühlt, und die eine Mutter vermisst, wenn es das eine oder andere Mal nicht daran denkt: ein Kuss, eine Zärtlichkeit beim Fortgehen oder Heimkommen, ein kleines Geschenk, ein paar liebevolle Worte.

Auch in unserem Verhalten zur Mutter im Himmel gibt es diese Weisen kindlicher Zuneigung, in denen wir ihr gewöhnlich begegnen.“

Die Rede ist von einer gewissen kindlichen Zutraulichkeit, die in uns stark emotional verankert ist und nun auf Maria projiziert wird. Diese „Mutterliebe“ steht in Theorie und Praxis letztendlich über der (wenn überhaupt) als entrückt und ferne vermittelten Vaterliebe. Dieses Gebet „Unter deinen Schutz und Schirm fliehen wir, o Gottesgebärerin“ ist ein Gegenentwurf zur Liebe Gottes, die dieser schon im Alten Testament sogar unvollkommenen Sündern anbietet:

„Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt, der bleibt unter dem Schatten des Allmächtigen. Ich sage zu dem Herrn: Meine Zuflucht und meine Burg, mein Gott, auf den ich traue!“ (Psalm 91,1-2).

Dieses wunderbare Gebet der Bibel endet mit der direkten Zusage Gottes:

„Weil er sich an mich klammert, darum will ich ihn erretten; ich will ihn beschützen, weil er meinen Namen kennt. Ruft er mich an, so will ich ihn erhören; ich bin bei ihm in der Not, ich will ihn befreien und zu Ehren bringen. Ich will ihn sättigen mit langem Leben und ihn schauen lassen mein Heil!“ (Psalm 91,14-16).

Merken Sie den Kontrast? Was Gott uns unmittelbar und persönlich anbietet, wird auf Maria übertragen. Die Mutterliebe bekommt den Stellenwert, den in der Bibel Gottes Vaterliebe hat, überstrahlt diese und entfremdet uns in letzter Konsequenz Gott. Laut diesem Mariengebet brauchen wir Versöhnung mit dem, der uns mit Gott bereits versöhnt hat durch die Hingabe Seiner Selbst als Lösegeld am Kreuz.

Ist das im Sinne Gottes? Oder konterkariert (durchkreuzt) es das Evangelium? Kommt man durch Maria tatsächlich zu Jesus oder bleibt man nicht viel eher an ihrem Rockzipfel hängen, ohne zum Erlöser vorzudringen? Ich stelle diese Fragen mit tiefem Ernst. Das Thema macht mich traurig, weil ich denke, dass auch Gott selbst dies als Zurückweisung Seiner Liebe empfinden muss.

Bereits zu Lebzeiten des Herrn Jesus kam es zu einem spontanen Ausbruch der „Marienverehrung“:

„Es geschah aber, als er dies redete, da erhob eine Frau aus der Volksmenge die Stimme und sprach zu ihm: Glückselig ist der Leib, der dich getragen hat, und die Brüste, die du gesogen hast!“ (Lukas 11,27).

Bemerkenswert ist, wie der Herr darauf antwortet:

„Er aber sprach: Glückselig sind vielmehr die, die Gottes Wort hören und es bewahren!“ (Lukas 11,28).

Er sagt bewusst nicht: „Ja, meine Mutter ist selig zu preisen, weil sie Gottes Wort gehört und bewahrt hat.“, sondern verallgemeinert diese Eigenschaften: Jeder, der Gottes Wort hört und bewahrt (tut) ist selig zu preisen, nicht bloß Seine Mutter. Wenn sie einen beispielhaften Glauben hatte, dann nicht, damit sie bewundert und verehrt werde, sondern, damit wir in derselben Weise Gott vertrauen und gehorchen. Christus hat damit den ersten Ansätzen einer Marienverehrung einen Riegel vorgeschoben: „Schaut nicht auf meine Mutter, glaubt selbst an Gott und bewahrt selbst Seine Worte!“

Maria steht damit nicht über uns, sondern neben uns, als eine von uns und als eine von vielen Vorbildern, die uns vorzeigen, wie ein Leben mit Gott gelingt. Wir werden sehen, dass die kirchliche Tradition sie zu einer Übermutter überhöht hat, wie es sicher weder in ihrem Sinn, noch im Sinn ihres Sohnes oder unseres himmlischen Vaters ist. Keineswegs will ich sie, die wirkliche Maria aus Nazareth, die Magd des Herrn, noch den kindlichen Glauben an die mütterliche Liebe verächtlich machen – ich schreibe aus tiefem Respekt zu jedem katholischen Christen, der Maria liebt, aus tiefem Respekt vor Menschen, die Gott von Herzen suchen, aber über Maria nicht hinauskommen, denen die Mutterliebe Marias den Blick auf die Vaterliebe Gottes verstellt und unzugänglich macht. Diese sind wie ein Auto, das in die richtige Richtung unterwegs ist, aber in einer vermurten Straße stecken geblieben ist. Dieses Buch soll der Traktor sein, der das Pannenfahrzeug wieder herauszieht und ihm die Weiterfahrt zum Ziel ermöglicht. Ich will das so sanft wie möglich und so beherzt wie nötig tun, damit das Auto, also der ernsthaft suchende Mensch, dabei nicht beschädigt wird. Das Ziel ist diese unmittelbare Nähe zu Gott, die Christus uns durch Sein Opfer am Kreuz ermöglicht hat, den ultimativen Beweis der Liebe Gottes.

„Denn so hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verlorengeht, sondern ewiges Leben hat.“ (Johannes 3,16).

Dass ich damit nicht übertreibe, sollen die weiteren Kapitel zeigen. Zuerst aber das, worüber ich keinen Zweifel hege: Sie hat den Herrn als Jungfrau empfangen, und das ist von unauslotbarer Bedeutung.

1 Der Text stammt aus dem Kapitel 'Durch Maria zu Jesus' im Buch 'Christus begegnen' vonJosemaría Escrivá de Balaguer. Link: https://escriva.org/de/es-cristo-que-pasa/durch-maria-zu-jesus/

Geboren von der Jungfrau Maria

„Siehe, die Jungfrau wird schwanger werden und einen Sohn gebären und wird ihm den Namen Immanuel geben.“ (Jesaja 7,14).

Als ich bei der Konfirmation das Glaubensbekenntnis aufsagen musste, widerstrebte mir der Satz „geboren von der Jungfrau Maria“. Mit „Mutter Maria“ hätte ich leben können, aber wäre das andererseits nicht auch ziemlich banal? Es dauerte noch Jahre, bis ich mit 18 den christlichen Glauben völlig annehmen konnte und auch dieses Element unseres Bekenntnisses. Im Grunde stellte ich dieselbe Frage, wie Maria selbst, als ihr der Engel Gabriel eröffnete, dass sie die Mutter des Erlösers werden sollte:

„Wie kann das sein, da ich von keinem Mann weiß?“ (Lukas 1,34).

Die Frage ist völlig natürlich, weil das, was der Engel sagte, ja wirklich unnatürlich ist. Das zu glauben ist tatsächlich eine Zumutung, und man kann es eigentlich niemandem verübeln, wenn er hier skeptisch das Gesicht verzieht. Aber wenn es natürlich wäre, wäre es auch nicht göttlich und Christus wäre nicht besonders. Um Ihn geht es nämlich. Aber der Reihe nach:

„Der Engel Gabriel [wurde] von Gott in eine Stadt Galiläas namens Nazareth gesandt, zu einer Jungfrau, die verlobt war mit einem Mann namens Joseph, aus dem Haus Davids; und der Name der Jungfrau war Maria. Und der Engel kam zu ihr herein und sprach: Sei gegrüßt, du Begnadigte! Der Herr ist mit dir, du Gesegnete unter den Frauen! Als sie ihn aber sah, erschrak sie über sein Wort und dachte darüber nach, was das für ein Gruß sei.