Schneeträume in Frost Creek - Alina Jipp - E-Book
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Schneeträume in Frost Creek E-Book

Alina Jipp

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Beschreibung

Schneezauber in Frost Creek ein Frostmagie Sammelband Jetzt beide Frostmagie Teile von Alina Jipp in einem Band Frostmagie - Coming home for Christmas »Alle sagen immer, Frost Creek hätte etwas Magisches, das alle Menschen glücklich machen würde.« Jillian glaubte daran, bis ihre Mutter vor neun Jahren tödlich verunglückte. Nach dem Unfall verließ sie Frost Creek und brach damit nicht nur Richard, sondern auch sich selbst das Herz. Kann sie die Vergangenheit überwinden und zurück nach Hause finden? Wird Richard ihr verzeihen? Können zwei Herzen voller Narben zur Weihnachtszeit im Gleichklang schlagen und sich gegenseitig heilen? Oder reißen die alten Wunden wieder auf? Frostmagie - Don´t kiss the Cook »Den Koch zu küssen, war das Dümmste, was ich je getan habe.« Der neue Koch im Frost Creek Inn ist eine Herausforderung für Sandy. Ständig zoffen sie sich, teilweise sogar vor den Gästen. Doch als es darum geht, den Grill zu retten, arbeiten sie zusammen. Ein wackeliger Friede beginnt. Als ein Schneesturm über Frost Creek hereinbricht, kommen sie sich näher. Doch hat diese Beziehung eine Zukunft

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1 Frostmagie – Coming Home for Christmas
Jillian
Richard
Jillian
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2 Frostmagie – Don´t Kiss the Cook
Sandy
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Epilog – Sandy
Epilog – Ben
Ihr möchtet mehr Storys aus Frost Creek lesen?
Danksagung
Über die Autorin
Leseprobe (K)ein Stripper fürs Herz

 

Schneeträume in Frost Creek

Ein Frostmagie Sammelband

 

Alina Jipp

Schneeträume in Frost Creek – Ein Frostmagie Sammelband

 

© 2023 Alina Jipp

Alina Jipp, Am Georgstollen 30, 37539 Bad Grund

 

Coverdesign: Dreamdesign - Cover and Art – Renee Rott

Bildmaterial: Depositophotos

 

Lektorat, Korrektorat, Buchlayout:

Lektorat Buchstabenpuzzle B. Karwatt

www.buchstabenpuzzle.de

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1 Frostmagie – Coming Home for Christmas

Jillian

»Jillian, Telefon für dich«, rief mein Kollege Daniel mir zu, kaum dass ich aus dem Konferenzsaal zurück in unser Großraumbüro kam. Er hielt mir ein Telefon hin und zog eine Schnute, weil er es hasste, Telefondienst zu haben. Als könnte ich etwas dafür, dass er nicht beim heutigen Meeting dabei sein durfte.

»Jillian Forster«, meldete ich mich und ging zu meinem Schreibtisch hinüber. Zum Glück waren alle Telefone hier im Raum schnurlos.

»Jill, ich bin es.« Es überraschte mich, die Stimme meines Vaters zu hören.

»Alles in Ordnung, Dad?«, fragte ich und versuchte, das Zittern in meiner Stimme zu verbergen. Dad rief mich sonst nie im Büro an. Also musste es einen Notfall geben. Außerdem würden wir uns in drei Tagen sehen, wenn er zu Thanksgiving zu mir nach San Diego kam.

»Tut mir leid, dass ich dich auf der Arbeit störe, aber ich habe es schon auf dem Handy versucht und dich nicht erreicht. Müsstest du nicht längst Feierabend haben?« Mein Blick wanderte zu der großen Wanduhr über der Eingangstür. Okay, es war bereits halb elf abends, hier in der Werbeagentur kam das allerdings öfter vor.

»Wir hatten noch ein Meeting, aber jetzt lenk nicht ab. Warum rufst du an? Bist du krank?« Darüber machte ich mir die meisten Gedanken. Schließlich war er nicht mehr der Jüngste und stand nun schon fast zehn Jahre allein mit dem Hotel da. Vielleicht wurde ihm alles zu viel, obwohl er ja eine Managerin hatte, die ihn unterstützte.

»Ich kann nicht nach San Diego kommen«, rückte er mit der Sprache raus. »Ich weiß, du meidest Frost Creek, aber kannst du nicht einmal eine Ausnahme machen und zu mir kommen?« Mein Herz verkrampfte sich.

»Warum kannst du nicht kommen?«, fragte ich, statt zu antworten. Ich wollte nicht zurück in meine alte Heimat und mich der Vergangenheit stellen, aber ich konnte meinen Vater doch auch nicht im Stich lassen, wenn er mich brauchte.

»Janine hat fristlos gekündigt. Ich kann hier nicht weg in nächster Zeit. Es muss Ersatz für sie gesucht werden, ich bin gerade völlig überfordert. Seit Maria nicht mehr da ist, hat Janine die Aufgabe übernommen und jetzt schmeißt sie von einem Tag zum anderen alles hin.« Er klang leicht verzweifelt und wahrscheinlich war er das auch. Als gute Tochter müsste ich ihm eigentlich anbieten, sofort zu kommen. Nur war ich keine. Mom war gestorben und ich hatte ihn kaum ein halbes Jahr später ebenfalls verlassen.

»Warum tut sie dir das an, Dad? Ihr habt doch immer gut zusammengearbeitet.« Zumindest hatte er nie etwas Gegenteiliges erzählt.

»Meistens«, gab er zurück. »Aber sie hat im Lotto gewonnen und will mit ihrem neuen Lebensgefährten auf Weltreise gehen. Heute hat sie es mir erzählt und ab morgen ist sie weg. Ich kann also nicht zu dir kommen. Bitte setz du dich ins Flugzeug, ich buche meine Tickets um und du hast doch ein langes Wochenende.« Seine Stimme klang so bittend, dass ich nicht mehr absagen konnte. Dad brauchte mich und ich konnte ihn nicht schon wieder im Stich lassen, so wie vor neuneinhalb Jahren, als ich regelrecht aus Frost Creek geflüchtet war.

»Okay, ich komme. Mittwoch kann ich aber vor vier Uhr nachmittags nicht am Flughafen sein. Buch mir also keinen frühen Flug und Sonntag muss ich zurück sein.« Mein Chef würde durchdrehen, doch irgendwie musste ich es schaffen. Urlaub hatte ich ja sowieso über das lange Wochenende, nur interessierte das hier eigentlich niemanden. Wie ich die Agentur kannte, würde ich mit Anrufen, Nachrichten und Mails überhäuft werden, so lief es immer ab. Und nicht nur einmal war ich in den letzten Jahren während meines Urlaubs abends noch ins Büro gefahren, wenn Dad vor dem Fernseher saß und Football ansah. Nachdem ich mich von Dad verabschiedet hatte, grinste Daniel mich an.

»Warum grinst du so?«, fragte ich ihn genervt.

»Du bekommst Ärger«, antwortete er und sein Grinsen wurde noch breiter. »Du musst kontrollieren, wie die Kampagne von Chery ankommt, um zu gucken, ob wir für die Weihnachtskampagne etwas ändern müssen.« Chery war ein noch relativ neues, aufstrebendes Start-up, das sich auf junge Mode spezialisiert hatte. Die Kampagne startete diese Woche und würde Thanksgiving während einiger wichtiger Footballspiele ausgestrahlt.

»Ich habe den Urlaub genehmigt bekommen. Außerdem sind wir ein Team, ich muss mich nicht um alles kümmern.« Genervt schloss ich die Augen. Es stimmte zwar, was ich sagte, aber ich war die Teamleitung dieser Kampagne, also konnte es doch Probleme geben. Vor allem wenn Daniel Theater machte. Er konnte einfach nicht verkraften, dass ich zur Teamleitung gemacht wurde und nicht er. Obwohl er schon viel länger hier arbeitete als ich.

»Wir werden sehen.« Irgendwie schwang in seinen Worten eine Drohung mit, aber ich versuchte sie zu überhören. Hank – unser Boss – würde mir den Kurzurlaub schon nicht übel nehmen. Zumal es ja eigentlich nur ein richtiger Urlaubstag war. Offiziell arbeiteten wir ja weder an Feiertagen, noch am Wochenende. Okay, inoffiziell taten wir es doch. Unbezahlt selbstverständlich. Manchmal fragte ich mich ja, warum ich mir das antat. Meine Arbeitswoche hatte nicht selten achtzig Stunden. So hatte ich mir das Leben eigentlich nicht vorgestellt während des Studiums, aber da war ich halt noch jung und dumm gewesen. Inzwischen hatte mich die Realität eingeholt.

Doch dann kam die nächste Kollegin, die etwas von mir wollte und mir blieb gar keine Zeit mehr, darüber nachzudenken. Bis zu meinem Abflug am Mittwochabend arbeitete ich fast durch und vergaß beinahe sogar, mir eine Tasche zu packen. Wobei ich sowieso nicht mehr die passenden Klamotten für das Wetter in Frost Creek besaß. Hier in San Diego hatten wir aktuell zwanzig Grad und dort mindestens zehn bis fünfzehn Grad weniger, außerdem war Schneefall vorhergesagt für das lange Wochenende. Aber in den paar Tagen würde ich schon nicht erfrieren. Zumal ich ja Dad helfen wollte und nicht durch die Stadt flanieren. Da ich nur mein Handgepäck mitnahm, ging das Einchecken ziemlich schnell vonstatten. Trotzdem fiel ich total geschafft in meinen Sitz, als ich endlich im Flugzeug war. Ich schloss sofort die Augen, um mich etwas zu entspannen, und schlief ein, noch bevor wir die Reiseflughöhe erreichten. Erst als wir zum Landeanflug ansetzten, wachte ich wieder auf. Wie gern hätte ich mich gestreckt, doch ein Mann saß neben mir und so blieb mir kein Platz dazu.

»Da habe ich mal so eine hübsche Sitznachbarin und dann verschläft sie den ganzen Flug. Harte Woche gehabt?« Er wollte jetzt nicht ernsthaft Smalltalk betreiben? Da ich allerdings ein höflicher Mensch war, antwortete ich brav.

»Viel Arbeit, aber nun habe ich ja ein langes Wochenende.« Er nickte.

»Bleiben Sie in der Stadt oder müssen Sie heute Abend noch weiter? Vielleicht könnten wir uns ein Taxi teilen.« Da konnte ich zum Glück ablehnen.

»Ich besuche meinen Dad übers Wochenende und der holt mich ab. Aber danke für das Angebot.« Erfreulicherweise war das Flugzeug inzwischen gelandet und der Flugkapitän machte seine Ansage. Vier Grad draußen und Regen. Na, das klang ja echt gemütlich. Zum Glück hatte ich bereits mit sowas gerechnet und wenigstens eine wetterfeste Jacke eingepackt.

»Schönen Urlaub«, wünschte er mir und stand auf. Ich blieb noch etwas sitzen. Warum sollte ich jetzt Richtung Ausgang drängeln, nur um drei Minuten eher draußen zu sein? So eilig hatte ich es sowieso nicht, nach Frost Creek zu kommen. Natürlich freute ich mich auf meinen Dad, bloß hier im Ort würden Erinnerungen geweckt, vor denen ich vor Jahren davongelaufen war. In San Diego konnte ich diese verdrängen, doch hier würde das nicht so einfach werden.

Richard

Mick Forster saß an der Theke meiner Bar und sah zum ersten Mal seit Tagen nicht völlig fertig aus. Der Grund war klar, obwohl ich gar nicht darüber nachdenken wollte. Jillian. Das Mädchen, das mein Herz gebrochen hatte, als ich achtzehn war, würde zum ersten Mal nach Frost Creek zurückkommen und ich wusste wirklich nicht, wie ich das finden sollte. Natürlich war ich nicht am gebrochenen Herzen gestorben, auch wenn ich das in den ersten Tagen nach ihrem Weggang geglaubt hatte, aber eine kleine Narbe blieb doch bis heute zurück.

»Wie lange bleibt sie?«, brachte ich irgendwann heraus. Die Nachricht, dass er gleich zum Flughafen fahren wollte, um sie abzuholen, hatte mich wahrscheinlich einen Moment zu lange schweigen lassen. Doch ich musste das erst einmal verdauen.

»Leider nur bis Sonntag. Aber ich hoffe immer noch, dass sie es sich anders überlegt und hier ins Hotel einsteigt. Immerhin hat sie Management und irgendwas mit Werbung studiert. Sie könnte das Hotel wieder auf Vordermann bringen.« Seine Stimme klang so hoffnungsvoll, dass ich richtig wütend auf Jillian wurde. Sie hatte nicht nur mich verlassen, sondern auch ihren Vater. Wer tat so etwas?

Mick verabschiedete sich und ich ging wieder in die Küche, wo sich mein eigentlicher Arbeitsplatz befand. Nach der Highschool wollte ich den Grill meines Dads eigentlich auch nicht übernehmen. Mein Traum war es, Sternekoch zu werden. Doch ich hatte die Stadt nie ganz verlassen, um meine Eltern zu unterstützen.

Mein Vater hatte bereits, als ich erst zwölf Jahre alt gewesen war, einen Herzinfarkt erlitten. Und der Stress tat ihm nicht gut. Daher übernahm ich gleich nach der Schule mehr und mehr Verantwortung und besuchte nur nebenher einige Kochkurse bei bekannten Küchenchefs. Inzwischen gehörte der Grill ganz mir. Meist kochte ich einfache Gerichte, aber nebenbei bot ich Catering für Veranstaltungen an oder half bei Großveranstaltungen aus, wie einer großen Verlobungsfeier am Wochenende und dem bald anstehenden Weihnachtsball im Hotel.

Ob Jillian überhaupt ahnte, wie viel Arbeit ihr Vater mit den Vorbereitungen dafür hatte? Zumal Janine ihn nun auch noch im Stich gelassen hat. Vielleicht sollte Mick nächstes Mal lieber einen Mann einstellen. Mit Frauen hatte er wirklich kein Glück. Okay, seine Frau Maria war echt toll gewesen. Als Teenager hatte ich sie wie eine zweite Mutter geliebt und manchmal sogar davon geträumt, mit ins Hotel einzusteigen. Doch das war lange her. Das einstige Traumpaar Jillian und Richard gab es nicht mehr und würde es auch nie wieder geben. Am besten dachte ich gar nicht mehr an sie. In den paar Tagen würde ich sie wahrscheinlich sowieso kaum zu Gesicht bekommen.

Daran glaubte ich exakt vier Minuten, dann humpelte Mick auf einen meiner Gäste gestützt wieder in den Grill.

»Was ist passiert? Brauchst du einen Arzt?« Mick schüttelte den Kopf.

»Nein, ist bestimmt nur verstaucht, aber ich weiß nicht, wie ich so zum Flughafen fahren soll.« Schnell holte ich einen Eisbeutel für seinen Fuß und sah mir das Ganze genauer an. Gebrochen schien tatsächlich nichts zu sein, verstaucht war der Fuß jedoch sicher oder gezerrt.

»Danke, Richard. Das tut echt gut. Aber ich muss jetzt echt los.« Glaubte er wirklich, dass ich ihn so fahren lassen würde? Ein Blick durch den Grill zeigte mir, dass nicht allzu viel los war. Einige Gäste aßen bereits. Zwei warteten auf ihr Essen, außerdem spielten ein paar Teenager Dart und Billard.

»Schafft ihr das alleine?«, fragte ich meinen Mann für alle Fälle, Luk ohne E. Darauf bestand er, denn der Name war Familientradition und schon der Großvater seines Vaters, der aus Europa in die USA ausgewandert war, hatte so geheißen. Er konnte genauso gut kochen, wie Drinks mixen. Außerdem war noch Sandy da, die heute servierte. Er nickte auch sofort.

»Na, dann komm, Mick. Ich fahre dich zum Flughafen, damit du Jillian pünktlich abholen kannst.« Ich tat so, als wäre mir das völlig egal. Aber das war es gar nicht. An die Rückfahrt wollte ich lieber gar nicht denken. Mit ihr in einem Wagen. Vor neueneinhalb Jahren hatte sie mich nach einer traumhaften Nacht einfach verlassen und per Brief mit mir Schluss gemacht. Die ganze Fahrt dachte ich an die gemeinsame Zeit zurück. Sie war meine erste Freundin gewesen. Die Erste, die ich geküsst hatte, mit ihr hatte ich mein erstes Mal und sie war die Erste und bisher Einzige, die mir das Herz gebrochen hatte.

Mick erklärte währenddessen, was Jill in San Diego so machte – anscheinend nur arbeiten. Oder sie erzählte ihm nichts Privates. Wer wusste das bei ihr schon? Ihren Vater hatte sie schließlich auch erst am Tag vor ihrer Abreise zum College informiert, dass sie nicht wie geplant in New York studieren würde, sondern ein Stipendium für ein College in Kalifornien ergattern konnte.

»Schaffst du es alleine zum Gate, oder brauchst du Hilfe?«, fragte ich Mick, als wir einen Platz in einem der Parkhäuser am Flughafen ergattert hatten. Er belastete vorsichtig seinen Fuß, zuckte kurz zusammen und ließ sich sofort wieder auf den Beifahrersitz fallen.

»Ich fürchte, dass ich es gar nicht zum Gate schaffe. Könntest du nicht Jill abholen?« Das war zwar das Letzte, was ich wollte, aber ich nickte dennoch ergeben.

»Ich hoffe, dass ich sie überhaupt noch erkenne. Es ist lange her, dass wir uns gesehen haben.«

»Ja, sie wollte nach Marias Tod nur noch weg von hier. Hat das nie verkraftet. Obwohl sie die einzige ist, die sich die Schuld für den Unfall gibt.« Nun nickte ich. Nach dem Unfall hatte ich immer versucht, für sie da zu sein. Damals dachte ich eigentlich, sie hätte das Schlimmste überstanden, bis sie dann nach dem Abschluss einfach abgehauen war und Frost Creek seither nicht mehr betreten hatte.

Jillian

Suchend sah ich mich am Gate um, entdeckte meinen Vater allerdings nirgendwo. Wurde er im Hotel aufgehalten? Eigentlich sah es ihm ja gar nicht ähnlich, zu spät zu kommen. Aber sonst musste er ja auch nicht das ganze Hotel allein managen. Vielleicht hatte er nur das Gate verwechselt?

»Jillian?«, rief eine nur allzu vertraute Stimme meinen Namen. Das war aber nicht mein Dad. Ich drehte mich um und sah sofort in Richards strahlend blaue Augen, die mich früher so liebevoll angesehen hatten. Nun war der Ausdruck eher reserviert. Verdammt, was machte er denn hier? »Jill. Wow, du hast dich gar nicht verändert in den letzten Jahren. Na ja, fast. Aber wenn überhaupt bist du noch hübscher geworden und …« Er brach ab.

»Hi Richard.« Gleichfalls oder etwas ähnlich Sinnloses konnte ich nicht antworten. Denn er hatte sich ganz schön verändert. Aus dem schlaksigen Teenager war ein echt heißer Typ geworden. Trainiert, aber nicht aufgepumpt und sein schiefes Lächeln, das er jetzt zeigte, machte noch immer meine Knie weich. Dabei wollte ich das gar nicht. Richard war meine Vergangenheit und sollte das bleiben. Egal wie sehr mein Körper sofort auf ihn reagierte.

»Wo … ähm wo ist mein Dad. Ist etwas passiert oder wurde er aufgehalten?« Mein Herz verkrampfte sich. Zu sehr erinnerte ich mich an das letzte Mal, als ich abgeholt werden sollte und jemand anderes kam. Damals, als meine Mutter ihren Unfall hatte. Mir blieb die Luft weg, als Richard nicht sofort antwortete. Mein Blickfeld verschwamm.

»Jill?« Plötzlich legte sich eine Hand auf meine Schulter und aus Reflex schnappte ich nach Luft. »Alles in Ordnung mit dir?« Als sich mein Sichtfeld wieder normalisierte, sah ich direkt in Richards besorgtes Gesicht.

»Ja, geht schon. Aber was ist mit meinem Dad?« Meine Stimme zitterte und ich sah bestimmt alles andere als gefasst aus. Doch das konnte ich jetzt nicht ändern.

»Er wartet im Auto. Vorhin ist er ausgerutscht und hat sich den Fuß verknackst oder gezerrt.« Erleichtert atmete ich auf. Das klang ja nicht so schlimm wie befürchtet. »Er hat nur Probleme mit dem Auftreten, deshalb habe ich ihn gefahren und bin an seiner Stelle durch den Flughafen gelaufen. Zumal wir durch die Sache etwas spät dran waren. Alles ganz harmlos.« Er sah immer noch besorgt aus.

»Danke, dass du das für uns tust, es wäre echt nicht nötig«, gab ich zurück und hätte mich im selben Moment Ohrfeigen können. Was labberte ich da für einen Stuss? Hätte er Dad damit fahren lassen sollen? So war Richard nicht, nie gewesen. Er war immer für andere da. Hatte es auch bei mir versucht nach dem Tod meiner Mutter, doch damals ertrug ich das einfach nicht. Mir fiel es von Tag zu Tag schwerer, Nähe zuzulassen, und noch bis heute hatte ich Probleme damit.

»Na, komm schon, lass uns zum Wagen gehen, damit du dich davon überzeugen kannst, dass es ihm gut geht.« Richard griff nach meiner Tasche und warf sie sich lässig über die Schulter. Ohne ein weiteres Wort miteinander zu sprechen, gingen wir nebeneinander her zum Auto. Jeder hing seinen Gedanken nach und ich fürchtete, dass seine in dieselbe Richtung liefen wie meine. Meine Art des Abschieds war scheiße gewesen. Richtig scheiße! Aber damals fehlte mir die Kraft, um es anders zu machen. Weder mein Vater noch Richard hätten versucht, mich aufzuhalten nach Kalifornien zu gehen, wenn ich sie in meine Pläne eingeweiht hätte. Dazu hatten sie mich viel zu sehr geliebt. Aber ich war ein Feigling gewesen. Meinem Dad hatte ich ja wenigstens noch persönlich alles erzählt – ein paar Stunden bevor mein Flugzeug ging. Doch seine Blicke hatten mir das Herz gebrochen und deshalb musste der Brief für Richard reichen. Zumindest dachte ich damals so. Heute wusste ich, dass es feige von mir gewesen war.

Sollte ich ihn vielleicht fragen, was er heute so machte? Obwohl ich natürlich von meinem Dad wusste, dass er inzwischen den Grill übernommen hatte.

»Es tut mir leid«, platzte es aus mir raus. Am liebsten hätte ich es gleich zurückgenommen, auch wenn es stimmte. Aber ich wollte doch gar nicht über die Vergangenheit sprechen.

»Was tut dir leid?« Richard wandte sich mir zu und am liebsten wäre ich in ein Mauseloch gekrochen, statt etwas zu erwidern.

»Alles«, antwortete ich nach einem viel zu langem Moment des Schweigens. Zum Glück wurden wir jetzt weiter gedrängt, so dass ich ihm nicht mehr ins Gesicht sehen musste. Da um uns herum alles zum Parkhaus oder Ausgang drängelte, sprachen wir nicht mehr. Ich wurde zur Seite geschubst und reihte mich dann lieber hinter Richard ein. Dabei konnte ich sehen, wie seine Rückenmuskeln unter dem weißen, sehr enganliegendem Hemd arbeiteten. Er schien direkt aus dem Grill ins Auto gestiegen zu sein und trug nicht einmal eine Jacke. Noch etwas, weswegen ich in seiner Schuld stand. Ich schämte mich so sehr. Am liebsten wäre ich umgedreht und in den nächsten Flieger zurück nach Kalifornien geklettert. Aber das konnte ich meinem Vater nicht antun. Er erwartete mich sehnsüchtig und die vier Tage in Frost Creek würde ich schon irgendwie überstehen. Musste sie überstehen.

Endlich kamen wir am Auto an, in dem mein Vater saß. Er strahlte übers ganze Gesicht, als er mich sah und wollte aussteigen, um mich zu begrüßen. Doch Richard hinderte ihn daran.

»Bleib lieber sitzen und schon den Fuß, damit du schnell wieder fit bist.« Da konnte ich ihm nur zustimmen. Deshalb beugte ich mich vor und küsste meinem Vater auf die Wange. Bis auf den Fuß schien es ihm wirklich gut zu gehen, wie ich erleichtert feststellte. Okay, er war ziemlich blass, aber das konnte auch an der Beleuchtung hier im Parkhaus liegen. Außerdem hatte er abgenommen.

»Hi, Dad. Was machst du nur für Sachen? Tut es sehr weh?«

»Nein, es geht schon.Wie war dein Flug?« Während Richard meine Tasche im Kofferraum verstaute, kletterte ich auf den Rücksitz. Dabei erzählte ich, dass ich den Flug verschlafen hatte.

»Du arbeitest zu viel«, stellte Dad fest, als Richard gerade den Wagen anließ. Innerlich stöhnte ich auf, setzte aber ein Lächeln auf, falls er mich im Rückspiegel beobachtete.

»Ich weiß, aber die Arbeit macht mir Spaß. Als Teamleitung trage ich halt viel Verantwortung. Da muss man sich reinhängen, um dem Chef zu beweisen, dass man es drauf hat.« Ein Teufelskreis, je mehr ich schuftete, umso mehr Arbeit bekam ich aufgedrückt und ich wollte lieber gar nicht so genau darüber nachdenken, wie lange das so weitergehen konnte.

Richard

Jillian lächelte zwar, aber das Lächeln erreichte nicht ihre Augen. Ob sie wirklich so glücklich mit ihrem Job war, wie sie behauptete, bezweifelte ich ehrlich gesagt. Allerdings schwieg ich lieber dazu, denn es ging mich ja nichts an. Sie wechselte jetzt auch lieber das Thema und fragte nach Frost Creek, dem Hotel und was in den nächsten Tagen dort alles anlag. Mick gab zu, dass eine große Verlobungsfeier geplant war und er überhaupt keine Ahnung hatte, was Janine alles mit dem Brautpaar abgesprochen hatte.

»Ich kümmere mich darum. Hoffentlich gibt es Unterlagen darüber. Dann kriege ich das schon alles hin. Im Organisieren bin ich groß.« Das konnte ich mir vorstellen. Mick strahlte über das ganze Gesicht, als er das hörte. Wahrscheinlich fühlte sich der alte Mann völlig überfordert. Er war ja noch älter als meine Eltern und die hatten sich bereits zur Ruhe gesetzt und mir alles übergeben. Er war schon fast fünfzig gewesen, als Jillian geboren wurde. Keine Ahnung warum er sich mit neunundsiebzig den ganzen Stress mit dem Hotel noch antat und es nicht verpachtete oder verkaufte. Hoffte er immer noch, dass seine Tochter endgültig zurückkommen und es übernehmen würde? Da konnte er meiner Meinung nach lange drauf warten.

Die Fahrt verging für meinen Geschmack viel zu langsam. Immer wieder erwischte ich mich dabei, dass ich in den Rückspiegel sah, nur um ihr Gesicht zu studieren. Zum Glück schienen weder Jill noch ihr Vater das zu bemerken. Endlich erreichten wir das Ortsschild von Frost Creek.

»Fahr am besten zum Grill oder willst du nach Hause?«, fragte Mick. »Jill kann uns dann zum Hotel fahren.« Der Grill lag näher, also ließ ich mich dort wieder absetzen. So konnte ich auch gleich noch nach dem Rechten sehen. Es war zwar schon ziemlich spät, aber gerade vor Feiertagen fanden viele abends kein Ende. Jill und ich stiegen aus, damit sie nach vorne wechseln konnte. Mick bedankte sich mehrfach lautstark bei mir und entschuldigte sich dann, weil er mal zur Toilette musste. Er humpelte zwar noch immer stark, schaffte es jedoch allein bis zur Tür und weiter zu den sanitären Anlagen. Wir folgten ihm bis zum Barbereich des Grills, der im Moment aber leer war. Ich warf Sandy einen fragenden Blick zu, die mir gleich einen Lagebericht gab.

»Zwei Gäste spielen noch ihre Partie Dart zu Ende, dann wollen sie gehen. Ansonsten ist niemand mehr da. Luk ist schon weg, kann ich auch Feierabend machen?«

»Du kannst gehen, habt ihr das Trinkgeld schon geteilt?« Sie schüttelte den Kopf. »Okay, dann mache ich die Abrechnung und teile es auf, wenn die Gäste weg sind. Schönen Abend, Sandy.« Sie gähnte und erwiderte, dass sie nur noch ins Bett wollte. Dann holte sie ihre Jacke und ihre Tasche von hinten und verschwand.

»Danke fürs abholen.« Jill, die sich bisher stumm umgesehen hatte, sprach so leise, dass ich sie kaum verstand.

»Kein Problem. Du weißt doch, in Frost Creek hilft man sich, wenn Not am Mann ist und ich konnte deinen Vater doch so nicht alleine fahren lassen. Pass gut auf ihn auf. Er ist nicht mehr der Jüngste.« Sie nickte leicht.

»Ich weiß. Er sollte nicht mehr so viel arbeiten.« Da konnte ich ihr nur zustimmen. »Aber ich bringe es nicht fertig, zurückzukommen und es zu übernehmen, wie ich sollte.« Sie seufzte leise. »Arbeiten deine Eltern noch mit? Hier hat sich einiges verändert.« Sie sah sich interessiert um.

»Nein, sie genießen ihren Ruhestand.« Jill nickte.

»Das sollte Dad auch tun.« Sie senkte schon wieder den Blick und knetete ihre Hände. Das hatte sie früher schon in unangenehmen Situationen getan.

»Der Wunsch muss von ihm kommen. Aber ja, er sollte sich zur Ruhe setzen und wenn du das Hotel nicht übernehmen möchtest, sollte er sich einen anderen Nachfolger suchen.« Früher kam dann immer ins Gespräch, dass Jill und ich das Haus später zusammen führen sollten. Doch die Zeiten waren längst vorbei.

»Das Hotel ist seit seiner Erbauung im Besitz unserer Familie. Ich werde es nicht an jemand Fremden übergeben. Wenn Jill es nicht will, muss sie es nach meinem Tod tun.« Mick hinkte auf uns zu und sah richtig wütend aus. »Komm Jill, wir fahren.« Er humpelte in Richtung Tür und sie folgte ihm, wie ein geprügelter Hund. Vielleicht war sie deshalb damals abgehauen, weil sie gewusst hatte, was ihr Vater von ihr erwartete und dass sie diese Erwartungen nicht erfüllen konnte oder wollte.

Jill hatte bereits von klein an im Hotel mitgeholfen. Mit vierzehn stand sie schon oft hinter der Rezeption, unterstützte die Zimmermädchen und half auch mal in der Küche oder im Büro. Ich hatte immer geglaubt, dass sie es gern tat. Doch vielleicht wollte sie ja immer nur die Träume ihrer Eltern erfüllen? Die Forsters waren nie besonders streng gewesen. Deshalb fühlte ich mich bei ihnen ja so wohl. Aber die Erwartungen ihres Vaters an Jillian waren schon immer ziemlich hoch gewesen.

»Hi Rich, kassierst du uns ab? Wir müssen gehen.« Die Jungs, die bisher noch hinten gedartet hatten, stellten ihre Gläser auf die Theke, zahlten und verabschiedeten sich. Um nicht länger über Jillian nachdenken zu müssen, räumte ich schnell auf und rechnete die Kasse ab. Anschließend teilte ich das Trinkgeld der Schicht unter Luk und Sandy auf, steckte es in ihre Gläser und machte mich endlich auf den Weg nach Hause. Normalerweise bekam ich ebenfalls einen Anteil, aber dann lief ich ja auch nicht mitten in der Schicht weg. Sie hatten das Extrageld verdient.

Jillian

Dad schwieg während der gesamten Fahrt zum Hotel beleidigt. Doch ich ignorierte das. Zu sehr kämpfte ich mit meinen Gefühlen. Einerseits wollte ich ganz schnell wieder weg von hier. Alles hier erinnerte mich an früher und in mir herrschte das große Chaos. Ich war ängstlich, überfordert, glücklich, traurig … alles auf einmal.

Der Parkplatz des Hotels war mir so vertraut und das noch nach all diesen Jahren. Fast erwartete ich, den Wagen meiner Mutter vorzufinden, als ich hinter das Haus fuhr, wo die Familienautos parkten. Doch natürlich stand es nicht dort. Konnte es ja auch nicht, das Auto war nach dem Unfall nicht mehr wiederzuerkennen gewesen. Ich stieg aus und lief hinter meinem Vater her auf die Hintertür zu, die direkt in die kleine private Küche führte, die zu unserer Wohnung gehörte. Von hier aus gab es eine Verbindungstür in die Hotelküche.

Alles in mir sperrte sich, durch diese Tür zu gehen. Ich wollte diesen Raum nicht ohne sie sehen. Mom war immer dort gewesen, wenn ich nach Hause gekommen war, als wusste sie genau, wann ich ankommen würde, und jetzt war sie nicht mehr da.

»Sie fehlt mir auch immer noch. In der ersten Zeit habe ich immer erwartet, dass sie da ist und in irgendwelchen Töpfen rührt. Deshalb habe ich die Küche inzwischen ganz neu eingerichtet.« Dad brach sein Schweigen und öffnete die Tür, damit ich eintreten konnte. Da es draußen echt empfindlich kalt war und ich nicht richtig für das Wetter gekleidet, betrat ich das Haus nun doch lieber. Schließlich wollte ich nicht festfrieren. Interessiert sah ich mich um.

Dad hatte nicht übertrieben. Die frühere Landhausküche mit den Kratzern, Kerben und der abblätternden Farbe, die stets so voll Leben und Liebe gewesen war, gab es nicht mehr. Sie war einer modernen Küche im Industriedesign gewichen. Sehr stylisch, aber sie sah so falsch aus. Von der Gemütlichkeit und Wärme meiner Kindheit konnte ich nichts mehr fühlen.

»Schick«, sagte ich und unterdrückte ein Frösteln. In San Diego hätte ich die Küche wahrscheinlich wirklich toll gefunden. In einem Loft oder so, hier wirkte sie allerdings irgendwie fehl am Platz.

»Ja, aber ich nutze sie viel zu wenig. Meistens esse ich einfach mit im Speisesaal, wenn nicht mehr viele Gäste da sind. Alleine kochen und essen liegt mir nicht.« Er seufzte leise. Wie einsam er wohl war? Okay, er hatte ein paar alte Freunde, von denen er manchmal bei unseren Telefonaten erzählte, aber die ersetzten keine Familie. Das schlechte Gewissen, ihn im Stich gelassen zu haben, überrollte mich regelrecht.

»Morgen koche ich dir ein richtiges Thanksgivingmenü«, versprach ich ihm, bevor ich genauer darüber nachgedacht hatte. Bei mir machte ich das ja auch jedes Jahr, wenn er zu Besuch kam, aber ich wusste ja gar nicht, ob er alles hier hatte. Okay, zur Not konnte ich bestimmt etwas im Kühlraum des Hotels finden.

»Das musst du nicht, Jilli.« Jilli. So hatte er mich ewig nicht genannt. Normalerweise sagte er Jill. »Wenn du mir morgen etwas bei der Organisation hilfst, essen wir hinterher gemeinsam im Restaurant. Ich habe uns schon einen Tisch reserviert. Leider habe ich den ganzen Tag einiges zu tun. Wir haben ja auch noch die Vorbereitungen für die große Verlobungsfeier und die Planung für den Weihnachtsball …« Er brach ab und schüttelte den Kopf. »Komm erst einmal an, der Rest wird sich finden.« Dann ging er voraus in das kleine Familienwohnzimmer. Hier hatte sich auch einiges geändert, seit ich zum letzten Mal hier gewesen war, wenngleich die Möbel noch dieselben waren. Irgendwie schien der Raum geschrumpft zu sein. Obwohl das natürlich gar nicht möglich war. Außerdem sah das alte Sofa ein bisschen speckig aus. Aber ansonsten war alles sauber und aufgeräumt.

»Dein Zimmer ist noch genauso wie früher. Da hängen sogar noch Sachen von dir im Schrank. Wenn du etwas geändert haben möchtest, sag Bescheid. Wir richten es so ein, dass du dich wohlfühlst.« Nun musste ich schlucken.

»Dad, ich bleibe nur bis Sonntag. Dann muss ich zurück nach San Diego. Du brauchst nichts für mich ändern«, sagte ich mit fester Stimme, obwohl es mir davor grauste, in mein altes Zimmer zurückzugehen. Neuneinhalb Jahre hatte ich es nicht betreten und bei meinem Auszug nur einen Koffer voller Sommerklamotten und eine Kiste mit persönlichen Sachen mitgenommen. Alles andere hatte ich zurückgelassen. Genau wie Dad und Richard. Solange ich nicht hier gewesen war, konnte ich das schlechte Gewissen deswegen besser verdrängen. Doch jetzt kam es mit Macht zurück.

Hier war tatsächlich noch alles so wie früher. Irgendjemand hatte Staub gewischt und die Bettwäsche sowie die Patchworkdecke, die als Tagesdecke diente, gewaschen. Außerdem standen eine Schale mit Obst, ein Glas und eine Flasche Wasser bereit, aber sonst war wirklich alles so, wie ich es zurückgelassen hatte. Die Bücher im Regal über dem Bett standen noch genauso da, wie ich sie aufgestellt hatte. Die Pinnwand mit meinen Fotos und Eintrittskarten hing an der Wand neben dem Kleiderschrank. Ich trat näher und sah sie alle an, obwohl jedes einzelne Bild mir einen Stich versetzte. Auf beinahe jedem Bild war ich mit Rich zusammen zu sehen. Unser erster Schultag, eine Aufführung in der Grundschule, erster Highschooltag, Partys, Ausflüge, Konzerte … Immer wir beide lachend, albernd oder uns küssend, als wir älter wurden.

Schnell drehte ich mich weg, um die Bilder nicht länger anzustarren. Richard wiederzusehen war schon nicht einfach für mich gewesen, aber nun diese Bilder zu sehen, die lösten etwas in mir aus. Als würde der Eispanzer, der sich seit Moms Tod um mein Herz gelegt hatte, anfangen zu schmelzen. Zum Glück piepte jetzt mein Handy, so dass ich nicht länger darüber nachdenken musste. Eine neue E-Mail vom Büro wurde mir angezeigt und mir blieb nichts anderes übrig, als sofort meinen Laptop aus der Reisetasche zu holen und mich um das Problem zu kümmern.

Richard

In der Nacht schlief ich nicht gut, meine Gedanken wanderten immer wieder zu Jill. Sie sah zwar wirklich gut aus, fast wie ein Supermodel. Aber dünn war sie geworden und wie blass sie ausgesehen hatte. Dabei lebte sie in Kalifornien, da sollte sie doch eigentlich von der Sonne gebräunt sein. Ging es ihr dort etwa nicht gut?

Es war nicht so, als hätte ich in den letzten Jahren nur an sie gedacht und nie etwas mit einer anderen Frau gehabt. Aber irgendetwas hatte mir immer gefehlt. Jede meiner Freundinnen verglich ich bewusst oder unbewusst mit Jillian und gegen sie konnte keine lange bestehen. Sie war einfach schon immer etwas Besonderes gewesen. Als sie so plötzlich so gegangen war, hatte sie mein Herz in tausend Teile zerbrochen. Irgendwie hatte ich diese zwar wieder zusammengeflickt, aber die Narben waren noch da. Deshalb musste ich sie jetzt auch aus dem Kopf bekommen. Sie würde in ein paar Tagen erneut verschwinden und solange würde ich es schon aushalten, ihr freundlich gegenüber zu treten, ohne sie wieder in mein Herz hineinzulassen.

Am liebsten wäre ich ihr ja komplett aus dem Weg gegangen, aber gerade heute ging das wohl nicht, da ich für das Thanksgivingdinner im Hotel verantwortlich war und ebenso für das Essen bei der Verlobungsfeier. Seit einigen Jahren bot die Hotelküche selber nur noch eine kleine Karte an, da der Chefkoch das Rentenalter eigentlich schon erreicht hatte und nur Mick zuliebe nicht ging. Doch auf Dauer würden sie einen neuen Koch brauchen. Ich konnte ja nicht ständig mein eigenes Geschäft vernachlässigen, – auch wenn meine Angestellten das gut ohne mich schafften – um im Hotel den Chefkoch zu spielen.

Obwohl mir das Kochen dort großen Spaß machte und Mick mich lieber heute als morgen fest einstellen wollte, sagte ich ihm bisher immer ab. Früher war es mein Traumjob, schon mit zehn Jahren wollte ich dort arbeiten und das Hotel später einmal mit Jill zusammen führen. Doch genau das war der Haken an der Sache. Jillian. Ohne sie konnte ich es nicht und mit ihr erst recht nicht. Ich glaubte zwar nicht, dass sie zurückkommen würde, aber sie hatte schon einmal etwas getan, was ich ihr nie zugetraut hätte. Also ging ich lieber kein Risiko ein.

Mein Blick wanderte zur Uhr, es war noch so verdammt früh. Vielleicht sollte ich statt gleich ins Hotel zu fahren, doch zuerst im Grill vorbeischauen und den Lagerbestand kontrollieren oder irgendetwas anderes tun, um mich abzulenken. Eigentlich musste ich heute nicht hin, Luk besaß auch einen Schlüssel und würde heute öffnen. Aber irgendeine Beschäftigung brauchte ich einfach.

Die Temperaturen waren über Nacht gefallen und draußen rieselte Schnee, wie ich seufzend mit einem Blick aus dem Fenster feststellte. Ob Jill Schnee wohl noch immer so hasste, wie nach dem Unfall? Ihre Wohnortwahl legte das ja nah. Und schon wieder drehten sich meine Gedanken nur um sie. Statt zum Grill machte ich mich auf den Weg ins Erdgeschoss. Dort hatte ich einen eigenen Fitnessraum eingerichtet. Für mich allein war das Haus, das meine Eltern mir überschrieben hatten, sowieso viel zu groß. Aber ich brachte es nicht übers Herz, es zu verkaufen oder zu vermieten. Immerhin war ich hier aufgewachsen, alles erinnerte an früher und auch ziemlich viel an Jill. Verdammt. Schon wieder wanderten meine Gedanken zu ihr.

Ich verband mein Handy mit den Lautsprechern und drehte die Musik laut auf. In den nächsten vierzig Minuten schaffte ich es, mich nur auf mich und meine Bewegungen zu fokussieren. Die laute Musik half mir dabei und langsam fühlte ich mich wieder normal.

---ENDE DER LESEPROBE---