26 - S.J. Miro - E-Book

26 E-Book

S.J Miro

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Beschreibung

Reine Fantasie ist das, was die brillantesten Köpfe am schöpferischen Leben hält, sie zum Aufblühen bringt und ihnen die einzigartige Möglichkeit bietet, ihre atemberaubenden Farben mittels eigener Schönheit, Willenskraft und nichts als rauschvollem Mut leuchten zu lassen. Daher: Warum geht man nicht auf diese Reise? Dieses Konzept ist schwer zu ergreifen, aber das Physische wird hier nicht mehr benötigt und das wird es auch niemals sein. Eines der ersten Dinge, die man lernt, wenn man eine Einrichtung des Lehrens und Lernens betritt, ist, einfache Striche präzise auf einem Blatt Papier zu entziffern und zuzuordnen. Buchstaben, das Alphabet, ein selbstverständlicher Teil junger Jahre von glückdurchzogenen Kindern. Man erlernt es, nutzt es ununterbrochen im voranschreitenden Leben. Wie ein konstant zusammengeklebtes Puzzle geistert dieses Konstrukt in unserem Gewissen herum, jedoch: Was steckt dahinter? Eine banale Frage; die Kommunikation natürlich. Das Verständnis und unser Schlüssel zu weitreichendem Wissen. Ich fragte mich neugierig: Was, wenn noch etwas dahintersteckt? Hinter dem Mittel der Geschichten, der Kreation, der Kommunikation; des Wissens? Was, wenn sich ein vollkommen neues Universum dahinter verbirgt und nur darauf wartet, dass sich jemand durch die undurchsichtigen Wände an Efeu und Wurzeln kämpft, um endlich dieses unglaubliche Wunder für sich zu entdecken? Es würde kein einfacher, friedlicher Krieg sein, das war außer Frage, aber die menschliche Neugier geht weit über die physische, gebrechliche Erscheinung meiner hinaus. Meine Gedanken umarmen die Idee, während meine Hand mich leitet. Ich konnte meine eigene Bedeutung finden. Kannst du es auch?

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Inhaltsverzeichnis

1 – Angst

2 - Bücher

3 – Charisma

4 – Dunkelheit

5 – Endlich

6 – Freunde

7 – Gut

8 – Helligkeit

9 – Innerlich

10 – Jahreszeiten

11 – Krank

12 – lachen

13 – Magie

14 – Name

15 – ohne dich

16 – paris

17 – Qual

18 – Rosen

19 – Sie

20 – tauchen

21 – Ungesüßt

22 – veilchen

23 – Wein

24 – Xaloc

25 – Ying und yang

26 – Zimmer

1 – ANGST

Du setzt dich auf eine Bank, als du deinen Tag Revue passieren lässt. Dein Herz pocht dir lautstark in den Ohren und dein Atem kommt nur flach, gar stoßweise aus deinen Lungen heraus wie ein kränklicher Impuls. Dunkle Flecken bedecken für einige Sekunden deine verschwommene Sicht, als dich der alltägliche Schwindel einholt, den man immer unangenehmerweise nach einem anstrengenden Tag erlebt, wenn man seinen Körper zu schnell in Anspruch nimmt.

Ein Seufzen entweicht dir, als sich deine Wirbelsäule unangenehm in das morsche Holz der Sitzgelegenheit bohrt. Du verschränkst die Arme vor der Brust. Das Verlangen, endlich Zuhause anzukommen, dir die Schuhe auszuziehen, den gewohnten Geruch gar aufzusaugen und in der ruhigen Atmosphäre zu ertrinken ist beinahe unaushaltbar, aber du musst dich gedulden, das weißt du. Du schaust zur Seite. Zahlreiche Autos passieren deinen gelangweilten Blick. Farben, reine, große Klumpen an Unwichtigkeit, ziehen an dir vorbei. Deine Finger zittern, als du sie an dein Gesicht führst und mit rauen Handflächen über deine Gesichtszüge wischst.

Es scheint alles ganz normal. Der sanfte Geruch von Benzin ist in der Großstadt nicht eigenartig, ganz im Gegenteil, und die hohen Gebäude in deinem Blickfeld sind die Natur, an die du dich schon vor langer Zeit gewöhnen musstest. Die Autos werden schneller, mal wieder langsamer, nichts Ungewöhnliches. Deine Lider schließen sich flatternd, als plötzlich ein beunruhigender Knall die Barriere der Aufmerksamkeit zu dir aufbricht und deine Augen schlagartig dazu zwingt, dem Szenario zuzusehen.

Dein Körper erhitzt sich, dein Herz fängt an, wild zu galoppieren, und eine meterdicke, unsichtbare Eisschicht umhüllt deinen gesamten Körper in nur Millisekunden, als das Auto mit höchster Geschwindigkeit im geraden Weg auf dich zurast. Abrupt hält die Welt an und alles vergeht in Zeitlupe.

Angst. Kennst du dieses Gefühl?

Kriechend stiehlt sie sich in deinen Alltag, infiziert dein bares Sein mit diesem abartigen Abschaum des Lebens, macht den Sauerstoff zu Napalm und verdrängt den menschlichen Sinn aus deinen Augen. Fauchen wie die gefährlichste Raubkatze tut sie, fährt ihre Krallen aus und freut sich satanistisch darüber, dir endlich die kranken Pranken ins Fleisch zu bohren, dein Blut zu spüren und dir dabei zuzusehen, panisch das Gift aus den Wunden lecken zu versuchen, welches deine Adern verflucht.

Die Bäume um dich herum schauen dem Szenario zu und deine Füße verankern sich im gepflasterten Boden, als sich die Nachmittagssonne lachend in der Windschutzscheibe spiegelt.

Wie eine unumkehrbare Krankheit, die dich langsam von innen zerstört, überfällt es deinen Nacken, Wirbelsäule, Hüfte, Oberschenkel, Knie, schlängelt sich deinen Körper herauf, herab, schlangenartig bewegend und eine schleimige, fatale Spur hinterlassend.

Du hörst Menschen schreien, aber du siehst nur das riesige, schwarze Fahrzeug auf dich zukommen, lockend mit dem Tod. Die Reifen schlittern über die Straße, direkt in deine Richtung.

Taubheit; ist das Angst? Taubheit gegenüber gesagten Worten, gegenüber allem, was lebt. Nichts funktioniert mehr, dein Gehirn dissoziiert, geleitet von einem korrupten Flieger mit unausgesprochenem Todeswunsch in Richtung Nichts. Dein Körper ist nicht mehr von Nutzen. Das Einzige, was in dem unendlichen Raum deines Kopfes existiert, ist die Angst.

Du solltest dich bewegen, sogar sehr dringend. Der Mann im Auto starrt dir fassungslos entgegen, seine Hände krampfhaft um das Lenkrad gekrallt, welches nach dem Zusammenprall mit einem anderen Fahrzeug komplett seinen Geist aufgegeben hatte. Ihr denkt beide dasselbe.

Was fällt dir ein, wenn du an Angst denkst? Wenn dich diese dunkle, klebrige Masse durchflutet, der verbotene Trank der Finsternis. Sie tropft dir aus den Augen, lässt dich aus Schmerz weinen, dein lebloser Körper im Nichts schwebend, die Gefahr sichtbar überall um dich herum. Heimtückisch erfüllt sie dich, riesig groß, beinahe unmöglich, größer als du selbst.

Du schaust hoch, verdrehst deinen Nacken, lässt deine Zehenspitzen all das Körpergewicht tragen. Du versuchst, zurückzuerobern, was eigentlich allein deins ist, aber dein Sein ist insignifikant. Niemals könntest du dem entkommen; die Fatalität der Situation erzählt wahre Lügen.

Das Auto kommt immer näher. Du musst dich bewegen. Du musst dich bewegen! Etwas hebt dich auf deine Beine, aber du kannst nicht erkennen was. Fernab ist die Fähigkeit der Realisation. Dein Blick weicht nicht von der tödlichen Falle vor dir ab.

Was machst du, wenn du Angst hast? Tief durchatmen. Ein, aus. Du schmeckst das brennende Benzin in deiner Kehle. Dein Herz hat sich verspielt, ist ein Halbton vom eigentlichen Rhythmus abgewichen und sich zu versuchen, wieder in die schiefe Melodie zu finden, löst Panik aus wie niemand sie kennt. Eine Maus in den Klauen eines Drachen. Diese Idee wuchert ins Unmögliche, wenn du dasitzt, die Hände zu Fäusten geballt, deine Fingernägel in deine Handflächen bohrend, Spitzen deine Nerven erdrückend und mit einem Tunnelblick.

Dein Körper verkrampft sich noch weiter, als du gezwungen wirst, einen Schritt zur Seite zu machen. Es reicht nicht aus. Du bist immer noch ein Ziel und viel Zeit hast du nicht mehr. Deine Sicht zieht sich noch enger zusammen.

Das Licht ist nirgends zu entdecken, es ist wie ein schwarzes Loch, in welchem du gnadenlos hineingezogen wirst, dein Körper sich hingebend wie ein naiver Bach dem Meer. Dieses Virus an Emotion quillt wie Tinte aus deinem Inneren, verstopft deine Nerven, lässt dich Bitterkeit schmecken, wie die größte Qual, die größte Folter. Wie Dreck sammelt es sich auf deinen Lippen, jedes Wort verzerrt von der Verschmutzung deines Bewusstseins.

Aus dem Augenwinkel siehst du Benzin auf den Asphalt tropfen, das brillante Schwarz unheimlich im natürlichen Licht funkelnd, ganz anders wie die Reflektion der Sonne in den Fenstern des Autos. Der Mann sieht schuldbewusst aus, Hände immer noch fest um das Lenkrad. Unsichtbare Kraft verbannt dich noch einen Schritt zur Seite. Nur noch ein kleines bisschen.

Es ist, als würdest du an deinem eigenen Denken ertrinken, vergebens nach Luft schnappend. Deine Kehle ist nicht stark genug, um den Teer zu entfernen, egal wie sehr du es versuchst. Roter Staub vernebelt deine Sinne, als würdest du durch die dichteste Wüste stolpern und dich ein Windteufel erfasst. Mit dämonischer Häme tanzt er mit dir, wirbelt dich in seine Gliedmaßen ein, zieht dir den Boden unter den Füßen hinaus. Du bist an das Hinfallen gewöhnt, aber nichts bereitet einen auf diese Art Schmerz vor. Absolut gar nichts.

Die Menschen um dich herum fliehen, oder sie versuchen es panisch. Das süße Café, welches sich hinter dir befindet, wird all dies unglücklicherweise nicht überleben, aber die wichtigste Frage ist; wirst du es?

Von außen ist dieser einseitige Tanz unsichtbar, unbemerkt, aber in dir herrscht der nackte Krieg. Zuckende Bewegungen durchzucken deine Fingerspitzen, wie kleine Blitze breiten sie sich in deiner eisigen Handfläche aus, deine motorischen Fähigkeiten leiden unter der Abwesenheit deines logischen Denkens, die Augen weit ab von der Realität.

Der anfängliche Knall hallt immer noch in deinem leeren Kopf wider und Adrenalin rauscht durch deinen Körper. Du greifst nach deiner Jacke in einem egoistischen Reflex, während du das splittrige Holz sich in deine Fingerspitzen bohren fühlst. Von Schmerz ist keine Spur. Noch ein Schritt, die Zeit scheint weit entfernt.

Wie kann es nur dazu kommen? Ein selbst beigeführtes Gefühl, so simpel, dennoch so komplex. Etwas scheinbar Kleines, was allein dafür verantwortlich ist, dein komplettes physisches Sein in eine andere Dimension zu katapultieren. Eine Dimension aus horrenden Albträumen, tödlichen Vorstellungen und der fehlenden Erkenntnis der Realität. Winzig kleine Nadeln bohren sich in jede einzelne Ecke deines Bewusstseins, während das Adrenalin ihnen einen elektrischen Schub gibt, dich von der erleichternden Befreiung des Erwachens abhaltend.

Sekunden, die sich wie Jahre anfühlen, vergehen. Du, das Auto, der Fahrer, das lodernde Feuer, was hinter der horrenden Szene beinahe augenblicklich in den Himmel wabert. Noch ein Schritt. Dein Überlebenssinn ist überfordert. Du musst das überleben, aber kannst du?

Vollkommen verwurzelt war die Angst in deinem Kopf. Verfaulte Rosen aus deinem Mund lugend, wunderschöne, Indigo Blütenblätter Veilchens hustend hängst du fest. Die Dornen würden sicherlich Narben hinterlassen und das Blut schmeckte süß. Wie die Ruhe vor dem Sturm wirbelt es in dir, bevor deine Gedanken aufeinander losgehen wie eine tödliche Herde wildgewordener Tiere, erhitzt durch die Idee des endgültigen Abgangs. So schnell würden sie ihre Welt nicht untergehen lassen und ohne den Angreifer zu kennen, attackieren sie sich, zerfetzen gegenseitig ihre Felle, sacken ihre Klauen in Fleisch, während die Angst stolz zusieht, wie sie die gelernten Manöver selbstzerstörerisch in ihrem vollsten Potenzial zeigen.

Dein Blick zuckt zur Seite, als sich dein Griff um das unechte Leder deiner Tasche verstärkt. Du tust noch einen Schritt. Nur noch ein kleines bisschen und man kann wieder von Sicherheit sprechen. Aber wieso fällt dir kein logischer Plan ein? Die Sonne brennt auf dich nieder, aber das Licht erreicht deine Sinne nicht.

In diesem finsteren Raum siehst du nichts. Auch nicht, wie dieses abartige Sinneserlebnis mit unmenschlicher Geschwindigkeit und verschnörkeltem Grinsen um dich tanzt, dich zu einem tödlichen Tango auffordert. Rötlich funkelnd starren dich die Rubine des Endes an, heiß wie der Sommer, wild wie der Frühling, verräterisch wie der Herbst und mordlustig wie der Winter.

Was, wenn du das nicht überlebst? Wie wird deine Familie reagieren? Dieser Gedanke verdammt die Zeit dazu, sich wieder zu verschnellern, aber die drückende Stille in deinen Ohren passt nicht zu der chaotischen Szene um dich herum. Vereinzelte Autoteile, schwarze Wolken einige Meter weit weg und Todesangst. Viel mehr kannst du nicht sehen, fühlen, riechen. Alles ist wie durch einen schwarzen Schleier maskiert.

Endlich kannst du weinen. Brennende Tränen schießen deine Kehle hoch, verkokeln deine Nase und verbannen deine Augenwinkel dazu, sich vor Kummer und Solidarität so fest zusammenzupressen, dass du die weit entfernten Sterne funkeln siehst. Wie gern wärst du nur da oben, weit weg von diesem bizarren Theaterstück.

Ein Schrei erreicht endlich dein Bewusstsein. Ohne es zu bemerken hast du wieder zwei Schritte getan, deine Muskeln schreiend, protestierend gegen die massive Anspannung. Was macht dein Körper? Du hörst Vogelzwitschern, Duft von einem nahegelegenen Restaurant steigt in deine Nase. Deine Sinne wachen auf, sind aber alles andere als funktionsfähig. Noch ein Schritt.

Schwäche ist das größte Ziel der Angst. Du sollst dich schwach fühlen, damit sie endlich übernehmen kann, worauf sie schon zu lange wartet. Zähnefletschend und mit schiefen Augen, Speichel aus dem deformierten Maul leiernd. Wie ein neugeborenes Lamm, welches mit naiver Reinheit durch die Gefahren der Welt starrt, stehst du da. Wertlos, komplett entblößt. Ein Glassplitter bohrt sich in deine Wange. Den Schmerz spürst du nicht, nur ein dumpfes Etwas. Du fühlst eisige Hauche auf deiner Haut. Langsam wird sie in Gänsehaut getaucht, schmerzlich zieht sie an deinen Gliedmaßen, während du das verzweifelte Schreien deiner eigenen Gedanken hörst, welche ihrem unsinnigen Krieg verbittert und zweifellos nachgehen, Waffen geblitzt, Ziele von mörderischer Natur und einer nach dem anderen fallend. Überleben ist niemals garantiert und beinahe kannst du schon die gespeicherte Hitze spüren, die von dem schwarzen Auto ausgeht. Der Fahrer reißt seinen Mund in einem stillen Schrei auf. Wie eine unendlich hohe Dornenwand umschließt dich das erschreckende Gefühl, hält dich in deinem Inneren gefangen, die spitzen Eindringlinge in deiner Kehle diese Tatsache kichernd begrüßend.

Das heiße Blut auf deiner Wange fließt über deine Lippen, als das dumpfe Gefühl in deinen Ohren einem lauten, irritierenden und beinahe schon schmerzhaften Piepen weicht. Seit wann ist das Auto so schnell?

Die Angst bereitet sich auf ihren Angriff vor. Die Schmerzen, die sie dir bereits zugefügt hat, sind irrelevant. In ihrer Realität kannst du nicht sterben, nur leiden. Sie umschließt deinen Körper, drückt und drückt und drückt. Der Fakt war unecht, aber das Gefühl schien wahrer als die Kälte der Wahrheit. Sie erschwert dir das Bewegen, atmen, sehen, schreien. Sie hält dich zurück, reißt sich beinahe um deine Extremitäten, um dich um jeden Preis im Zaum zu behalten. Das schafft sie mühelos.

Nur noch einen Schritt. Bitte, nur noch einen Schritt. Man würde meinen, die Angst macht einem merklich das Leben schwer, zerstört es gar. Sie lässt das Lächeln unecht wirken und deine Finger zittern, macht, dass sich die Schweißperlen auf deiner Stirn anfühlen wie Funken von Magma. Jedoch hat sie trotz all der Finsternis eine Bestimmung. Sie hält Wichtigkeit. Wichtigkeit? Wichtig, weil dich die schwarze Klauenhand davon abhält, dich in einen Käfig voller Löwen zu stürzen, wichtig, weil die Dornen dich geschützt behalten, nicht in ein Feld Brennnesseln zu fallen, wichtig, weil der Nebel dich davor behütet, umherwandelnden Schreckensgestalten durch menschliche Schwäche vor die Füße zu fallen. Sie ist ein Schaf im Raubkatzenmantel, angsteinflößende Krallen aus purem Elfenbein, blitzende Augen weise wie der Mond das Herz aus Diamanten. Wichtigkeit. Das Auto kracht gewaltsam in die Bank, auf der du vor nur wenigen Herzschlägen saßt. Du spürst sogar noch den Druck in deinem Rücken und den Asphalt unter deinen Schuhen. Du keuchst auf und lässt die Tasche in einem plötzlichen Moment der Schwäche fallen. Sicherheit.

Beschützend kauert sie hinter deinem Alltag, beobachtet deine Ideen, beurteilt deine Interaktionen und berät deine Sinne. Wie ein privater Panikraum schwebt sie dort in deinem Kopf, bereit, jede Sekunde einzugreifen, um dich vor dir selbst zu verteidigen und das anzugreifen, was dein reines Sein bedroht. Das Gute ist in dem Tiefen, Unheimlichen nicht ganz verloren. Allein du entscheidest, ob du es sehen willst und wie du es tust. Es ist nicht unmöglich.

Du hast überlebt. Deine Gliedmaßen hatten dich blind getragen, obwohl dein Gehirn ausgesetzt hatte. Die Angst hatte übernommen. Nur wegen ihr brichst du unter Schock zusammen, kauerst auf dem Boden und schnappst nach klarer Luft. Sauerstoff erfüllt dein Sein. Du hörst den Fahrer rufen, der aus seinem Auto kriecht, bevor es Sekunden später ebenfalls in Flammen aufgeht. In seinen Augen lodert dasselbe, was in deiner Brust brennt. Ihr starrt euch gegenseitig an. Ihr habt beide überlebt.

Der Angst ist dein eigenes Leben wichtiger, als es jemals für dich sein könnte.

2 - BÜCHER

Unfassbar. Mit geweiteten Augen schlossen meine Hände sorgfältig das Buch vor mir, und diese Aktion verbannte mich nur wenige Augenblicke später in eine fantastische Welt voller Fragen und Grübeleien. Mein Blick war wie auf den Seiten festgeklebt gewesen, wie Kletten hatten sie sich in das raue Papier gekrallt, und ich hatte die gedruckten Worte beinahe in mich aufgesaugt, unendlich in meinem Kopf umherhallend und mit einem beunruhigenden, aber süchtig machenden Gefühl der Aufwühlung. Emotionen, die ich schon lange nicht mehr gespürt hatte, waren an die Oberfläche gekrochen, um auf meinen Wimpern zu ruhen und mit mir lautlos die Buchstaben zu entziffern. Zu Beginn hätte mich dieser verletzlich machende Effekt abgeschreckt. Ich mochte es nicht, wenn nicht lebende Dinge solch eine berührende Wirkung auf mein stures Sein hatten. Aber statt das Buch abzusetzen, meine Augen von den Blättern zu zwingen und mich in dem riesigen Wunder einer massiven Bibliothek, in welcher ich momentan auf einem großen, indigo-gefärbten Sessel saß, nach anderem Lesematerial zu suchen, zog mich das poetische Mysterium des Buches komplett in seinen Bann. Hineingezogen wurde ich von der Strömung an Gefühlen, Umschreibungen und einem Talent, welches menschlich gar nicht schien. Die Sitzgelegenheit verschluckte mich, verbannte mich in eine unmögliche Umarmung und schien, als wollte sie mich erst loslassen, wenn ich das Buch genügend gelesen hatte. Ich hatte nichts dagegen einzuwenden.

Den Autor kannte ich nicht, seine Initialen erweckten keine distinkten Erinnerungen, aber das Unbekannte kitzelte meine Neugier, ließ meine Augenbrauen konzentriert zucken. Ich rümpfte interessiert meine Nase, biss mir auf die Innenseite meiner Wange und lehnte mich mit einem warmen Gefühl in der Magengegend in dem Sessel zurück. Meine Augen schmeichelten die hölzerne Decke des riesigen Raumes entlang, während die letzten Worte, welche die finalen Seiten geziert hatten wie die freiesten Vögel, mein Innenleben aufweckten. Noch nie hatte solch ein simpel scheinendes Buch diese Art von gezügeltem Chaos in mir ausgelöst. Ob ich es mochte oder nicht, wusste ich nicht. Wie angezogen wanderte mein Blick zurück zu dem wertvollen Stück gespeicherter Fantasie, welches regungslos in meinen Händen ruhte. Die Vorsicht, mit welcher ich das Buch umschloss, war automatisch. Es war, als würde ich etwas Königliches berühren, als dürfte ich es keinesfalls auf irgendeine Weise beschädigen. Die stahlgraue Textur der Oberfläche erinnerte an den groben Rock einer wunderschönen Tänzerin, und die weiß hineingestickten Initialen waren das Einzige, was dieses brillante Buch schmückte. Kein Titel, keine Beschreibung. Nichts. Allein der Künstler hatte das Kunstwerk gesegnet. So unscheinbar und doch von solch faszinierender Natur.

Ein verlegenes Lächeln zog an meinen Mundwinkeln und winzige Funken Elektrizität zuckten durch meine Lunge. Das sachte Flattern im Bauch, wie eben etwas Verbotenes getan zu haben: Ich mochte es. Wahrscheinlich mehr, als ich zugeben wollte. All die Fragen und die beispielhaften Antworten breiteten sich in meinem Kopf aus wie der Rauch eines Brandes, zwängten sich in jede Spalte und brachten mich dazu, die Luft anzuhalten. Bloß nicht einatmen, sonst begann der Teufelskreis. Sie verbannten mein Bewusstsein in eine warme Welt voller Spekulationen, Ideen, Theorien, unlöschbar und mit unermesslicher Kraft in den Himmel lodernd.

Das mochte ich besonders an Büchern. Wo auch immer sich ihr physisches Sein befand; zu Hause, im eigenen Zimmer, einem gemütlichen Café, in einem wackeligen Bus oder einfach nur am Straßenrand auf dem verdreckten Bordstein: Die Möglichkeit, überall hin zu reisen, lag dir in den Handflächen wie ein magischer Schlüssel. Rund um die Welt, in Fantasien weit entfernt von der Wahrheit, in unheimliche Szenarien und in erwärmende Romanzen, ob mit oder ohne Realismus. Bücher sind das Geheimnis dazu, das Universum zu erkunden. Überall, wirklich überall hin ist es denkbar, irgendwo hin, wo all deine Wünsche und Träume wahr sein könnten. Du kannst deine eigene Realität schaffen. Schon immer löste es einen gewissen, fremden Stolz in mir aus, was so einfach produzierte Objekte mit einem anstellen konnten. Die bedruckten Seiten waren schließlich nur etwas wie öffentliche Briefe. Deshalb waren Bücher seit ich denken konnte, eines, oder vielleicht sogar das Liebste in meinem Leben.

Es begann mit Bilderbüchern. Bekanntlich ist die Fantasie von Kindern bunter als der Frühling, freudig wie Konfetti und laut wie dein Lieblingslied, und oh man, stimmte das. Schon immer sah man die Welt in meinen Augen, gefüllt voller unmöglicher Farben und naiver Vorfreude auf die Zukunft. Furchtlose Ritter, die Prinzessinnen aus den Klauen schrecklicher Drachen retteten, oder furchtlose Prinzessinnen, die vielleicht auch mal einen Ritter retteten. Nur die Drachen schienen nie besonders heroisch zu enden, was mich in meinem erwachsenen Leben etwas empörte. Mit der Zeit wurden meine Vorzüge komplexer, bis es zu den umfangreichen Romanen mit ausgefeilten Plots und unvorhersehbaren Überraschungen kam. Ich liebte den Schlag, welchen mein Herz immer aussetzte, wenn die Sätze nicht meiner Vorstellung entsprachen. So schockierend wie es sich manchmal anfühlte, so unfassbar befriedigend war diese Art der Überraschung. Desto älter ich wurde, desto größer wurden die Worte,

die ich mit einem unendlichen Wissensdurst las. Ich analysierte die Charaktere und verinnerlichte jeden ihrer Makel so sehr, dass ich ihnen fast die Hand schütteln konnte. In meinem Kopf wurden sie echt, wurden sie Wahrheit, verschmolzen mit der Realität und lasen mit mir das Buch, welches ich in dem Moment voller Erwartung in meiner eigenen, kleinen Ecke der Fantasie las. Sie schienen meine Freude zu teilen.

Milliarden von Worten waren schon über meine Lippen geflossen, begleitet von Tränen, Lachen, wütenden Lauten und geschocktem Luftschnappen. Stunden verbrachte ich in anderen Dimensionen, genoss jede Sekunde dieser Beschäftigung und wünschte manchmal, dass ich für immer in dem Universum bleiben könnte, welches allein ich aussuchen durfte. Nur ich und die Tinte. Nur ich und die Wesen, die ich so sah, wie ich sie sehen wollte, keine manipulierenden Einflüsse von außen. Absolut keine.

Oft wurde meine Leidenschaft in Frage gestellt, und die beurteilenden Blicke, welche mir immer mal wieder zugeworfen wurden, brannten auf meiner Haut. Manchmal aber wurden mir gar Zitate von Unaufmerksamkeit gewaltsam gegen den Kopf geworfen, und eine mutige Seele sagte mir, dass ich nicht besonders weit im Leben kommen würde, wenn mein Blick die ganze Zeit nur auf den Seiten klebte. Ohne Zweifel, all das stach ein wenig, aber ich wusste es besser, als es mir zu Herzen zu nehmen. Ich versank lieber in noch nie dagewesene Leben, Emotionen, Farben, Gebäude, Welten, Wesen. Ich war davon überzeugt als erstes zu wissen, was meinem Geist am besten tat.

Langsam wanderte mein Daumen über den glatten, lederähnlichen Einband des Buches, die sachte Berührung eine weitere Welle an seltsamer Fürsorge in mir auslösend. Ich versank wieder in das Grüblerische, diesmal mehr freiwillig als unbewusst, dachte über das mysteriöse Meisterwerk nach und wie der Autor auf all diese seltsamen Bezeichnungen kam, die alle dennoch wunderbar passten und mir ein bildschönes Bild vor Augen zeichnen konnten. Beinahe perfekt.

Ich ließ mir einen kleinen Seufzer entkommen, ließ auch das seichte Lächeln zu, was voller Euphorie gewartet hatte, endlich mein müdes Gesicht zu erhellen. Nichts tat ich lieber, als meine eigenen Fragen zu beantworten, besonders, wenn es um das Schriftliche ging, das Fantastische, das Fiktionale oder vielleicht auch Reale, was einfach nur dokumentiert wurde. Ich legte meinen Kopf schief, wobei die Lehne des Sessels diese Bewegung auffing und mein Ohr auf beruhigenden Samt traf. Die blaue Farbe funkelte in meinen Augenwinkeln. Was hatte sich der Autor nur bei dem Cover gedacht? Leise gluckste ich.

Das Lächeln bestand ununterbrochen, als ich ächzte, mit einem Ruck aufstand und aufpasste, ja nichts mit dem Buch anzustellen. Ich stahl mir noch ein kurzes Mustern auf dieses. Ich streckte mich schnell, hörte meine Wirbelsäule erleichtert knacken, als ich endlich wieder mit beiden Füßen auf solidem Boden stand. Einmal gähnte ich tief, bevor meine Füße mich beinahe automatisch mit gemächlichem Tempo in Richtung Kasse brachten. Ein Entschluss war all die Zeit lautlos in meinem Kopf gefallen; dieses Buch kommt mit mir mit. Es war besonders, das war mir mehr als bewusst. Die Aufregung, welche mein Herz begeisterte, konnte ich mir nicht erklären, aber das Gewicht in meiner Hand behielt meine Mundwinkel erhoben.

Willkommen in der Familie, dachte ich mir. Deine Geschichten sind mehr als willkommen.

3 – CHARISMA

Mit Blick war aktiv in Richtung des Bodens gerichtet, mein Nacken leise wegen meiner fragwürdigen Körperhaltung protestierend und mit gedankenverlorenem Gesichtsausdruck lief ich den menschenüberfluteten Schulflur entlang. Beinahe unbewusst versuchte ich verkrampft, umherfliegenden, ungeschickten Taschen, Rucksäcke, Händen und gefährlichen Schulbüchern auszuweichen, welche mit viel zu viel Energie meinen Weg zu meinem Ziel erschwerten. Ich seufzte innerlich ermüdet auf, meine Füße schmerzend und meine Konzentration bereits in meinem Bett liegend.

Ich war noch nie ein großer Liebhaber des Schulkonzepts gewesen, dennoch lief ich den muffigen Flur entlang und ging den Aufgaben nach, die mir mehr oder weniger aufgezwungen wurden. Ab und zu erwischte ich Gesichter, die ich kannte. Aber sobald ich bemerkte, dass die Aktionen der Menschen keine Reaktion auf mein Auftreten zeigten, huschte ich einfach erleichtert vorbei und wollte einfach nur, dass diese mondäne aber unangenehme Situation vorbei war. Besänftigende Klaviernoten schmeichelten mir um die Ohren, interessante Musikwahl für so einen hektischen und sich ziehenden Alltag. Trotz der Bemühung, mir durch diese Melodien die ziemlich physische Schwere von den Schultern zu nehmen oder sie wenigstens ansatzweise zu erleichtern, so nahm ich einen Kopfhörer schweren Herzens heraus. Ich wollte wenigstens einen gewissen Grundrespekt zeigen, falls jemand um mich herum doch den fragwürdigen Drang verspürte, mit mir eine leere Konversation zu beginnen, nur um kurz darauf zu realisieren, dass mein dumpfer Blick ein Zeichen mentaler Ermüdung war, nur um das Gespräch dann ungeschickt zu beenden.

Meine Chemie- und Englischbücher hielt ich fest an meinen Oberkörper gepresst. Die letzten Spuren meines letzten Unterrichts hallten immer noch wie ein unnötiges Echo in meinem Kopf umher, prallten rebellisch gegen träumerische Gedanken und ließen meine Schläfen pochen. Die komplizierten Formeln und fremde Wörter klebten weiterhin in meinem Kurzzeitgedächtnis wie dreckiger Kaugummi auf Asphalt. Ich wollte einfach nur verhindern, dass er sich in den Sohlen meiner Schuhe verfing, störend und kontraproduktiv. Jeder Schritt fühlte sich so an, als würde ich mit Wucht an den Boden gezogen werden, die Schwerkraft meine Beine im Boden verankernd. Ich rümpfte irritiert meine Nase und mein Griff um die Bücher wurde für einen Herzschlag schwächer, als ich meine schlurfenden Füße bemerkte. Die empörte Frage, wieso so viel insignifikantes Lernmaterial nötig war, als ich meine gekrümmte Körperhaltung so gut es ging fixierte und mit einem schweren Kraftaufwand die Laschen meines Rucksacks mit einem ächzen aufrichtete.

Mich erfüllte Glück als ich realisierte, dass ich jetzt eine langersehnte Pause hatte. Nach mehreren Stunden uninteressiertem Gemurmel oder auch viel zu motiviertem Brabbeln der zahlreichen Lehrer hieß mein müdes Sein diese Tatsache mehr als Willkommen. Ich konnte nur raten, dass es den Anderen, den Schülern oder auch Lehrenden, ähnlich wenn nicht genau so ging. Nebel erfüllte mich, verschleierte mein Konzept der Zeit, als ich mir die Mühe machte, mir über die Augen zu wischen und kurz meine Nasenbrücke zu massieren. Jedenfalls tat ich das so gut wie ich es während dem Laufen konnte, obwohl mein Gleichgewicht aufgebracht aufrief, als ich für eine Sekunde schwarz sah. Das Dröhnen in meinem Kopf schrie nach frischer Luft. Meine schweren Füße trugen mich durch die überfüllten Flure und ich hatte in dem Moment nur ein einziges Ziel im Sinn, welches meinen Beinen neue Kraft verlieh. Eine kleine Oase auf dem kargen Schulhof, ein persönlicher, intimer Rückzugsort, den ich schon lange her tief in mein Herz geschlossen hatte: Eine winzige Ecke, umrandet von Bäumen, die einen Sichtschutz von dem beunruhigenden Schulgebäude baten. Wenn man dort saß vergaß man beinahe, wo man sich in Wirklichkeit befand; ein bisschen Gestrüpp auf einem erbärmlichen Schulhof. Aber die Illusion war eins der vielen Details, welche mich immer wieder hierherzogen. Es war ein Ort der Ruhe und da ich diese gerade besonders brauchte, wurde mein Gang noch ein wenig schneller, als er ohnehin schon war.

Schon immer fand ich Solidarität und Ruhe in der Natur, ich liebte die Frische der Freiheit, welche Wälder, Berglandschaften oder Flüsse ausstrahlten, von der unermesslichen Kraft, welche das unendliche Grün zweifellos hielt. Es war einfach nur faszinierend, die Blätter zu berühren, den wundersamen Waldkreaturen zu lauschen und die vereinzelten Flecken an Sonnenlicht, welche durch die Baumkronen funkelten, zu beobachten und die sachte Wärme zu genießen, welche meine Gesichtszüge liebkoste.