Abwrackprämie - Joe Heilsberg - E-Book

Abwrackprämie E-Book

Joe Heilsberg

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Beschreibung

Frühling 2023: Der Oldtimerliebhaber Dr. Joe Heilsberg aus Oelde freut sich auf schöne Ausfahrten in seinen Oldtimern mit seiner großen Liebe J.B. und deren Australian Shepherd 'Dexter'. Anstrengende Zeiten liegen hinter ihnen. Jetzt möchten sie das Leben wieder unbeschwerter genießen. Dann trifft Joe seinen ehemaligen Doktorvater, den Marbacher Hochschullehrer i. R. und Rentner-Cop Phil Mälzer nach längerer Zeit in Paderborn wieder. Wie in anderen Kriminalfällen zuvor, soll Phil dieses Mal der SoKo in Ludwigsburg bei der Auflösung des Diebstahls eines englischen Oldtimers mit besonderer Vergangenheit helfen. Jetzt bittet er den Oldtimerliebhaber Joe um Unterstützung. Den Hausarzt und Sportmediziner beschäftigt aber in Oelde neben seiner Hausarzttätigkeit ein dubioser Todesfall eines Patienten.

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort Herausgeber

Vorwort Joe Heilsberg

Vorwort Mike Albus

Die Figuren

Prolog: 30. April 2023

1. Mai 2023 (Maifeiertag)

2. Mai 2023 (Dienstag)

3. Mai 2023 (Mittwoch)

4. Mai 2023 (Donnerstag)

5. Mai 2023 (Freitag)

6. Mai 2023 (Samstag)

7. Mai 2023 (Sonntag)

8. Mai 2023 (Montag)

9. Mai 2023 (Dienstag)

10. Mai 2023 (Mittwoch)

11. Mai 2023 (Donnerstag)

12. Mai 2023 (Freitag)

13. Mai 2023 (Samstag)

14. Mai 2023 (Muttertag)

15. Mai 2023 (Montag)

16. Mai 2023 (Dienstag)

17. Mai 2023 (Mittwoch)

18. Mai 2023 (‚Vatertag‘)

19. Mai 2023 (Freitag)

20. Mai 2023 (Samstag)

21. Mai 2023 (Sonntag)

22. Mai 2023 (Montag)

23. Mai 2023 (Dienstag)

24. Mai 2023 (Mittwoch)

25. Mai 2023 (Donnerstag)

Der Herausgeber:

Die Autoren:

TRI-Trimming®

„Niemandsoll in Hilflosigkeit aufgrund vonKrankheit, Behinderung oder Alterverlassen sein.“ (Joe Heilsberg in „Abwrackprämie“)

VORWORT HERAUSGEBER

Liebe Leserschaft!

Wenn zwei Autoren gemeinsam einen Roman schreiben, dann treffen manchmal zwei Welten aufeinander. Die Welten hier sind Westfalen und das Schwabenland.

Ansonsten haben es die beiden ungleichen Autoren hervorragend geschafft, die inneren Welten zu trennen und trotzdem ein gemeinsames Werk entstehen zu lassen.

Damit die Leserschaft erkennt, in wessen Welt sie gerade eintaucht, ist dieses am Anfang eines Kapitels mit den Ortsangaben und Initialen des jeweiligen Autors (‚J.H.‘ für Joe Heilsberg und ‚M.A.‘ für Mike Albus) gekennzeichnet.

Es begegnen sich der Hausarzt und Oldtimerfreund Joe Heilsberg und sein ehemaliger Doktorvater, der pensionierte Professor Phil Mälzer nach längerer Zeit wieder. Gemeinsam schliddern sie in Kriminalfälle, die beide auf ihre besondere Weise lösen.

Dennoch lesen Sie keinen typischen Lokal-Krimi, sondern eine Detektivgeschichte, wie sie sich zu der angegebenen Zeit auch wirklich hätte ereignen können.

Als Herausgeber darf ich verraten,

dass es in der ‚Oldtimer-Trilogie‘ aber weniger um Geschichten als um Geschichte geht,

dass ‚Oldtimer‘ auch ältere Menschen sein können und,

dass eine ‚Auto-Biographie‘ hier sowohl eine Autobiografie eines Hausarztes, als auch die Biographie seines Autos ist.

Die ersten beiden Teile der Oldtimer-Trilogie spielen in der Zeit von der Walpurgisnacht bis zur Sommersonnenwende 2023. Die beschriebenen Ereignisse hat es meist wirklich gegeben oder diese hätten zumindest genauso stattfinden können.

Historisch einzuordnen ist diese Periode nach einer schweren Zeit der Corona-Pandemie, während eines seit 15 Monaten wütenden Krieges in Europa, in einer Finanz-, Wirtschafts-, Energie- und Klimakrise, in der sich auch Aktivisten auf Straßen festkleben.

Die Autoren lassen die Leserschaft an den Privat- und Berufsleben der Helden teilhaben. Darum sollte diese darüber nicht urteilen oder es wahllos weiter erzählen.

Aber zum Nachdenken und Teilhaben ist man herzlich gerne eingeladen.

Oelde, im Februar 2024

Dr. med. Jörg Hennig

VORWORT JOE HEILSBERG

Liebe Leserinnen und Leser!

Es war zu zum Vierten Advent 2022 als ich von meinem ehemaligen Doktorvater den jährlichen Weihnachtsgruß mit den besten Wünschen für das kommende Jahr erhielt. Dabei erwähnte dieser auch, dass bald sein bereits vierter Roman erscheinen sollte.

In der Silvesternacht kam mir dann die Idee für einen weiteren Band um den Marbacher Professor im Ruhestand Phil Mälzer: Eine Aufarbeitung der ganz besonderen Historie meines Oldtimers, die im Zusammenhang steht mit dem 24-Stunden-Rennen von Le Mans vor jetzt genau neunzig Jahren.

Da in 2023 die ‚24-Stunden von Le Mans‘ ihr hundertjähriges Jubiläum feierten, ist das Thema doppelt aktuell.

Diese Idee sendete ich Mike Albus mit den besten Wünschen für das neue Jahr.

Spontan wurde aus dem Ideengeber noch in den ersten Minuten des Jahres 2023 ein Co-Autor mit Fachwissen um das Thema Oldtimer für einige wenige Kapitel.

Im Verlauf des Schreibens entstand parallel zum bekannten ‚Marbach-Krimi‘ eine Auto-Biografie und Detektivgeschichte um einen westfälischen Hausarzt in und um Oelde.

Jetzt liegt vor Ihnen der erste Teil dieser ‚Oldtimer-Trilogie‘. Es sei schon verraten, dass im englischen der Begriff ‚Oldtimer‘ nicht für alte Autos steht, sondern etwas scherzhaft für einen älteren Menschen.

Lassen Sie sich gerne auf eine Auto-Biographie ein, auch im doppelten Sinne, mit meist realen Ereignissen.

Und alles was der Fantasie entstammt, hätte sich zumindest so abspielen können oder spielt sich so in der Realität unter etwas anderen Umständen an vielleicht anderen Orten ab.

Willkommen in unserer Welt!

Joe Heilsberg

Oelde, im Februar 2024

Weitere Informationen:

www.joe-heilsberg.de

www.facebook.com/JoeHeilsberg/

VORWORT MIKE ALBUS

Liebe Leserinnen und Leser!

In dieser Trilogie haben sich jetzt zwei Autoren zusammengetan, die sich aus anderen Gründen als Schriftstellerei und Lösen von Kriminalfällen schon sehr lange kennen. Beim aufmerksamen Lesen wird sich das Euch bald erschließen.

Im Grunde setzt dieses Buch den Albus-Ansatz fort: Das Meiste ist so wie es ist, die Figuren haben Vorbilder, und in die Realität von Wahrem hinein erfinden die Autoren Geschichten, die aber auch hätten tatsächlich so geschehen können – oder sind sie es doch?

Ihr dürft gerne grübeln – oft erkennt Ihr das Eine oder Andere tatsächlich.

In Romanen von Mike Albus geschehen unblutige Kriminalfälle in der Schillerstadt Marbach rund um musikalische Ereignisse, und immer gibt es dabei Liebespaare.

Und jetzt bringt der Autor Joe Heilsberg eine neue Gegend ein – Münsterland und Ostwestfalen –, und es dreht sich (fast) alles um Oldtimer.

Und wieder gibt es spannende und unblutige Kriminalfälle mit logischen Zusammenhängen und viel (Zwischen-)Menschliches.

Dabei erfahrt Ihr viel vom Schwabenländle und vom Westfälischen, noch mehr von alten Schätzchen mit vier Rädern und Oldtimer-Rallyes, auch manch Geschichtliches sowie aus dem Alltag eines Hausarztes.

Viel Spaß beim Lesen!

Mike Albus

Marbach am Neckar, im Februar 2024

DIE FIGUREN

Hauptfiguren Ludwigsburg/Marbach

Prof. Philipp ‚Phil‘ Elfrich-Mälzer

Marion Elfrich-Mälzer

EKHK

Peter-Paul

Hauptfiguren Oelde/Westfalen

Dr. med. Joe (von) Heilsberg

J.B. Smith

Dexter

Familien von Joe und J.B.

Josi (von) Heilsberg

‚Schorsch‘ (von) Heilsberg

‚Money‘

Doro von Heilsberg

Kurt von Heilsberg

Martinus ‚Fusel‘ von Heilsberg

Nikolaus von Heilsberg

Praxismitarbeiter und Freunde von Joe

Anna Potter

Lena Potter

‚Boney‘

Jan Heller

‚Lachsack‘

‚Schrauber‘ und Oldtimerfreunde

Ulrike Haberlin (Häberle)

‚Bob‘ Roberta Swan

Eddy McGinther

Daniel Brake

Alan Bell

Polizei Ludwigsburg/Marbach

Wilfried ‚Wil‘ Müller

EKHK

Vera Altmann

KOK

Ferdinand ‚Ferdl‘ Lang

KOK

Bertold ‚Berti‘ Mezger

KOK

Jeremias ‚Mias‘ Blau

KOK

Carola Karolinger-Biegel

KK

Selim Muhabar

KASS

Peter Marquardt

POM

Paul Ehrlich

POM

Vladimyr ‚Vlady‘ Perschow

EKOR

Bablonsky

Detektiv

Sonstige

‚Pferdeschwanz‘

Der ‚Doktor‘

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind meistens rein zufällig oder im Rahmen der Auto-Biografie historisch korrekt.

PROLOG: 30. APRIL 2023

MÖGLINGEN, Kreis Ludwigsburg (J.H.). Der zunehmende Vollmond schien auf den schmalen Waldweg, als leise ein größeres dunkles Auto von der Landstraße abbog und das Fernlicht ausschaltete. Man hörte keinen für einen SUV typischen Motor. Nur ein regelmäßiges metallisches Klappern machte auf das Gespann aufmerksam. Verursacht wurde es durch einen Trailer, der bei jedem Schlagloch bockte. Am Ende des Weges hielt der Wagen vor einer kleinen Scheune. Als sich die Türen öffneten, zeigte für einen kurzen Moment die Innenraumbeleuchtung, dass zwei maskierte Insassen ausstiegen.

„Mann, ist das hier dunkel“, sagte der Kleinere mit heller Stimme. „Und wenn man sich die Scheune so ansieht, könnte man meinen, dass gleich eine Hexe das große Tor öffnet. Und das, wo doch heute Walpurgisnacht ist und alle Hexen zum Brocken fliegen.“ „Halt die Klappe“, blaffte der Größere zurück, der mit einem Ruck das Vorhängeschloss durchtrennte. Mit einem Quietschen öffneten sie rasch das doppelflügelige Holztor und starrten ins Dunkle. „Mach mal schnell Licht“, brummte der Größere. Der Kleine holte umständlich sein Handy aus der Tasche. Der helle Lichtstrahl fiel auf eine schwarze Nylondecke. „Da ist ja das Schätzchen“, flüsterte der Kleine und hob die Decke an. Es blitzte ein großer roter Kotflügel hervor. „Runter mit dem Fetzen und raus mit der alten Karre.“

Da stand im LED-Lichtkegel ein Oldtimer wie kleine Jungs früher Autos gemalt haben. Ein Zwerg für heutige Verhältnisse. Hinten ein Reserverad außen auf die glänzende Karosserie aufgesetzt. Das lederähnliche Dach war über die doppelsitzige Fahrerbank gespannt. Die Türen tief ausgeschnitten. Eine relativ lange Motorhaube mit seitlich auf den Kotflügeln aufgesetzten Scheinwerfern. Ein richtiger Oldtimer.

„Los, mach ein Foto und schicke es dem Alten“, bekam der Kleine einen Befehl, den er sofort ausführte. Sie schoben das Schmuckstück behände zum Trailer. Gerade als sie aufladen wollten, erschraken sie durch ein lautes Alarmsignal. „Mist! Jetzt ist die Gurke doch alarmgesichert!“ Hätte der Kleine keine Maske auf und wäre es nicht so dunkel, könnte man jetzt neben dem Halbmond am Himmel, den gerade eine Wolke verdeckte, einen Blutmond wahrnehmen. Hochrot wurde das Gesicht des Kleinen, von dessen iPhone 14 Pro die Sirene als VIP-Klingelton kam. „Der Chef ruft an!“, flüsterte der Kleine mit zittriger Stimme. „Ja, Chef?“ „Ihr Vollidioten! Könnt ihr nicht bis zwei Buchstaben lesen? Das ist doch ein schwarzer MG mit roten Kotflügeln und kein roter Singer! Ist da noch ein Oldtimer? Oder seid ihr Trottel in der falschen Scheune?“

Der Große konnte alles gut hören, was aus dem Handy geschrien kam. Er guckte weiter in die Scheune und sah hinter einem kleinen Reifenstapel eine weitere Silhouette eines ebenso kleinen Autos.

Ein rascher Blick unter die Abdeckhaube zeigte einen roten kleinen Wagen ohne Dach, zwei kleinen halbrunden Brooklyn-Scheiben und wunderschönen Speichenfelgen in Wagenfarbe. Dieser hatte zwei Ersatzreifen hinter dem Tank angebracht. „Singer“ stand da in weißen Großbuchstaben auf einer grünen Plakette über dem großen Kühler. Dieser Wagen sah ähnlich aus in seiner Form und den großen seitlich vom Kühler montierten Lucas-Scheinwerfern wie der MG. Aber er wirkte selbst für den Laien älter und noch sportlicher. „Sag dem Chef, wir hätten das Auto und würden den jetzt aufladen.“

Rasch wurde der kleine Flitzer aufgeladen und die Rampen wieder verstaut. Der MG bekam einen Schubs und rollte zurück ins Dunkle der Scheune. „Los mach das Tor zu und lass und endlich abhauen.“ Der Kleine folgte flink den Anweisungen. Und so leise wie der SUV gekommen war, fuhr er langsam zurück zur Landstraße. Selbst das Klappern des Trailers war jetzt beladen leiser. Auf der Straße angekommen, schaltete der Fahrer die LED-Scheinwerfer ein und mit einem turbinenartigen Geräusch fuhr das große E-Auto davon Richtung Ludwigsburg. Die Scheune wurde jetzt nur noch einsam vom Mond beschienen.

1. MAI 2023 (MAIFEIERTAG)

OELDE (J.H.). Schon früh ist Joe am 1. Mai aufgestanden. Eigentlich hätte er gerne an dem Montag ausgeschlafen, aber die frühen Sonnenstrahlen, die durch die verbliebenen Ritzen der Rolllade schienen, verführten ihn dann doch aufzustehen. Lange genug hatte es geregnet und nun wollte Joe den freien Tag nutzen, einen Oldtimer durch das schöne Münsterland zu fahren.

Müde ging er ins Badezimmer. Dort stand vor ihm ein recht kräftiger knapp 1,90 m großer Mann mit längeren zerzausten grau-blonden Haaren und einem Dreitagebart. Vor drei Jahren noch hätte er sich vor so einem Spiegelbild erschrocken. Nur die freundlichen blauen Augen waren ihm noch vertraut. Aber in langen Monaten der Corona-Pandemie hat sich Joe’s Äußeres verändert.

Die Corona-Pandemie war für Viele eine schwere Zeit. Letztlich gab es zwei grobe Kategorien von Menschen zu der Zeit. Entweder man war systemrelevant oder man war es nicht. War man es nicht, war die Zeit schwer, weil man zum Aufräumen daheim und dem Zusammensein mit der ganzen Familie verdonnert war oder auf dem Sofa abwarten musste und am öffentlichen Leben nicht teilnehmen durfte. War man hingegen systemrelevant, arbeitete man nur noch und fand weder Zeit aufzuräumen oder Gelegenheit, seine Familie zu treffen (da man niemanden anstecken wollte wegen der eigenen gefährlichen Kontakte).

Als Hausarzt war Joe systemrelevant und so fand er auch keine Zeit, zum Friseur zu gehen. Abgesehen davon waren die Friseurgeschäfte auch lange Zeit und wiederholt im Lockdown, bis sie ebenfalls für systemrelevant erklärt wurden und dann ab März 2021 nach 10 Wochen Dunkelheit in den Friseurgeschäften von Schließungen nicht mehr betroffen sein sollten.

Als die ersten Corona-Infektionen in Deutschland Anfang 2020 auftraten, hatte Joe kurze dunkelblonde Haare und rasierte sich täglich. Alle sechs Wochen ging er zu seinem Meisterfriseur der Messer.

Nach seinem Weihnachtshaarschnitt einen Tag vor Heiligabend 2019 sollte es über ein halbes Jahr dauern, bis das Messer seine Haare in Form brachte. Denn den ersten Haarschnitt in 2020 bekam Joe erst am 27. Juni, nachdem er bei Frankys Kindern einen PCR-Test gemacht hat für eine kleine Urlaubsreise. Diese Tests waren damals im Kreis Warendorf notwendig, da im Nachbarkreis Gütersloh in einem großen Schlachthof ein Corona-Ausbruch unter den Mitarbeitern war. Zu dem Zeitpunkt waren im Kreis Warendorf bereits 20 Einwohner an oder wie es später auch hieß „mit Corona“ verstorben. Auch einige seiner Patienten zählten dazu.

Seither geht Joe zu Franky nur noch alle 4-6 Monate. Jetzt war es wieder an der Zeit, sich einen Termin zu holen. Aber diese Woche hatte er dafür keinen Freiraum. Noch war die tägliche Sprechstunde lang und er musste in seiner kargen Freizeit seine Oldtimer in Schwung bringen. Schließlich hatte er bald etwas Besonderes vor.

Nachdem er sich gewaschen und angezogen hatte, ging er noch müde die Rundtreppe herunter, vorbei an der großen Marienfigur. Dort scheint seit der schweren Erkrankung seines 2017 verstorbenen Vaters ständig eine kleine elektrische Kerze. Zunächst brannte sie dort für seinen erkrankten Vater, später zur Erinnerung an seinen verstorbenen Vater und in der Coronakrise für seine erkrankten Patienten. Seither schien es immer Gründe zu geben, diese Kerze brennen zu lassen. Aktuell brannte sie für einen im Sterben liegenden Patienten.

In dem Briefkastenschlitz an der Haustür steckte wegen des Feiertags keine Zeitung. Aber die Zeitung vom Samstag hatte er noch nicht gelesen, da er schon früh nach Münster zur Ärztekammer gefahren ist, um Ärzte zu prüfen, die Sportmediziner werden wollten.

Während die Kaffeemaschine leise vor sich hin brodelte, faltete Joe die Zeitung auseinander. ‚Antibiotikasäfte: Prekärer Mangel‘. Liest Joe leise die Überschrift auf der ersten Seite von ‚Die Glocke‘, der Heimatzeitung im Herzen Westfalens.

Aber was ihn eigentlich interessiert, ist der große Artikel auf der Oelder Lokalseite: „Rund um Oelde“ mit bewährtem Konzept:

„Oelde (gl). Am Samstag, 3. Juni, wird sich die Oelder Fußgängerzone wieder in die Hochburg der Westfälischen Oldtimer-Liebhaber verwandeln. Denn dann heißt es zum 19. Mal wieder ‚Start frei‘ für die beliebte ADAC-Oldtimer-Rallye ‚Rund um Oelde‘ des Automobil-Clubs (AC) Oelde im ADAC.“

Der Zeitungsartikel beschreibt weiter, was den Teilnehmer und Zuschauer erwartet. Aber das kennt Joe, der zum sechsten Mal in seiner Heimatstadt dabei sein möchte, wenn auch in diesem Jahr wieder auf dem Marktplatz der Parc fermé und der große Startbogen der traditionellen Rallye sein wird.

Eine Patientin, die bei der Ausrichtung der Oldtimerveranstaltung schon immer aktiv war, hat Joe schon mehrere Jahre zuvor immer wieder angesprochen, mit seinem Porsche 944 S2 an der traditionsreichen Veranstaltung teilzunehmen. Sein Wagen war erst 2014 alt genug, um in der Youngtimer-Klasse zu starten. Aber 2014 hatte Joe andere Sorgen mit seinem erkrankten Vater und wusste auch nicht, mit wem er die Rallye hätte fahren können. Lust hätte er schon gehabt.

Gekauft hatte Joe den Porsche 1999 gemeinsam mit seinem Vater, als er noch AiP (Arzt im Praktikum) im Krankenhaus der Nachbarstadt war. Damals gab es in der Nähe der größten Oelder Firma ‚Westfalia Separator AG‘, die für ihre Melkmaschinen und Separatoren weltweit bekannt war, einen Ford-Händler. Ein kleiner Familienbetrieb, wo man sich persönlich schon über Jahre kannte. Heute ist dort an einem Kreisverkehr ein Baustoffhandel.

Joes Vater fuhr nach der ersten Familienkutsche – einem seeblauen VW Käfer aus Mitte der 60er Jahre – immer nur Ford-Modelle. Eben bei diesem Ford-Händler stand auf einem kleinen Platz am Hofeingang dieser weiße Porsche neben einem roten Ford Probe. Beide hatten eine damals noch seltene Klimaanlage. Diese Klimaanlage sollte 17 Jahre später defekt sein und den Kontakt herstellen zu seinem späteren Oldtimer-Schrauber Daniel Brake. Joe war 2016 sein erster Kunde. Und es bestimmte wohl eine andere Macht, dass er auch sein Bester werden sollte.

Für Joe und auch seinen Vater war es kein langes Überlegen, welcher Wagen mit Klappscheinwerfern denn der Traumwagen sei. Mit 211 PS und drei Liter Hubraum war der 944 S2 als Neuwagen der Reihenvierzylinder mit dem größten Hubraum in einem Serien-Pkw. Optisch konnte man ihn vom damaligen Turbo nicht unterscheiden. Ein Traumwagen der Teenager Ende der 80er Jahre. ‚Teenager*innen‘ gab es damals noch nicht, würde Joe das in einem Gespräch lachend kommentieren. Die Klappscheinwerfer faszinierten Joe schon seit er als Kind einen Porsche 914 als Siku-Spielzeugauto in seiner Lieblingsfarbe gelb mit dem Aufdruck ‚ADAC-Rennpolizei‘ bekam. Noch heute liebäugelt er mit dem Porsche 914 wohl auch, weil dieser in seinem Geburtsjahr erstmals präsentiert wurde. Autos aus Geburtsjahren seiner Familie sollten später noch eine Rolle spielen in seinem Leben.

Den ersten direkten Kontakt zu der Oldtimerveranstaltung hatte Joe dann erst 2016. Nachdem er seinen Vater mit der morgendlichen Grundpflege versorgt hatte.

Joe war schon lange nicht mehr in der Einkaufsstraße seiner Stadt gewesen, eigentlich seit er nicht mehr seine Praxis mitten in der City hatte.

2001 hatte er die Arztpraxis eines hausärztlichen Internisten übernommen mit Praxisräumen mitten in der Stadt in der Lange Straße mit der Hausnummer, die seine Lieblingszahl war.

Dort blieb er, bis er 2009 im Oelder Norden seine eigenen Praxisräume baute. Nur 1,2 km Luftlinie entfernt, aber für einige Oelder*innen ist der Oelder (hier natürlich ohne *innen und künftig in diesem Buch auch grundsätzlich ohne *innen, es sei denn etwas ist innen drinnen) Norden unerreichbar und unerkundet. Aber dort war er aufgewachsen. Nur 100 Meter entfernt von der neuen Praxis mit Blick über eine Tankstelle auf die ‚St. Josephs Kirche‘.

Sein erstes Wort, das er sagte, war weder ‚Mama‘ noch ‚Papa‘, sondern zu beider Verdruss ‚Auto‘. Auf der Wiese, die später zum Baugrundstück wurde, hat er damals die Kühe beim Grasen beobachten können. Man konnte bis zum Benningloh gucken, einem Waldgebiet, das an das Geisterholz grenzte, wo in den 50er Jahren Bundespräsidenten zur Diplomatenjagd riefen.

Zurück zu Joe in 2016: Angekommen auf dem Marktplatz standen dort nur ein gutes Dutzend älterer Fahrzeuge. Die Hälfte aus den 80er Jahren und nur zwei Mercedes aus den 50er Jahren. Vor der Buchhandlung in dem alten Fachwerkhaus standen ein uralter BMW Dixie und ein Nachbau eines ‚Westfalia‘. Ein urtümliches Fahrzeug aus den Anfängen der Automobile. Interessiert von der alten Technik und den schönen Karosserien guckte er sich alles genau an.

Dennoch etwas enttäuscht, fuhr Joe die Lange Straße weiter Richtung Süden an dem alten Kaufhaus vorbei bis zum Marienhospital, dort fuhr er weiter zurück über die Geiststraße, wo er einen Blick in das Sportgeschäft warf, vorbei an der schönen Stadtbücherei bis zur Adenauer Allee. Wäre er geradeaus gefahren, wäre er zu seiner alten Penne, dem Thomas-Morus-Gymnasium gekommen. Aber es zog ihn nach Hause zum kranken Vater, wenn er schon nicht schöne Oldtimer sehen konnte.

Also fuhr Joe die Adenauer Allee zurück Richtung Norden und als er in Höhe von der Weltfirma in Familienhand ‚Haver und Boecker‘ war, fiel sein Blick in Gedanken zur Johannes Kirche. Dort war der große Parkplatz voll von Oldtimern.

Der erste Wagen, den er sah war so, wie er als Kind Autos gemalt hatte. Ein richtiger schwarzer Oldtimer mit einem großen Kühler, schwingenden Kotflügeln und Trittbrettern. Große Scheinwerfer waren zwischen Kühlergrill und den Kotflügeln befestigt. Eine Stange über der Chromstoßstange trug zusätzliche Scheinwerfer und bunte Plaketten. Wie sein Fahrrad stand der kleine offene Wagen auf chromglänzenden Speichenfelgen. Hinter der mit Leder bezogenen durchgehenden Sitzbank war kein Kofferraum, sondern wie ein Tornister ein Tank und darauf ein Ersatzrad angebracht. Joe war begeistert und vergaß nicht nur die Zeit, sondern auch seine täglichen Sorgen. Nur schwer konnte er sich von dem Anblick des Fahrzeugs lösen, über das er eigentlich nichts wusste.

Er schob sein Fahrrad weiter über den asphaltierten Parkplatz. Reihe für Reihe schaute er sich interessiert die Autos an, als ihm ein großer junger Mann mit Sonnenbrille entgegen kam. Erst als dieser freundlich lächelte, erkannte er seinen jüngsten Cousin Nikolaus von Heilsberg.

„Oh, mein Gott, habe ich dich lange nicht gesehen! Was machst du denn hier? Guckst du dir auch die schönen Oldtimer an?“, freute sich Joe. „Nein, wir fahren hier mit. In der Gruppe der Tourensportler fahren wir den Ältesten. Einen MG TD aus 1950. Der gehört meinen Schwiegereltern. Der steht da vorne direkt an der Zufahrt zum Parkplatz. Aber entschuldige mich bitte, denn wir starten in einer Viertelstunde. Wir haben gerade unser Roadbook bekommen“, antwortete Nikolaus mit etwas Stolz und großer Vorfreude. „Dann Hals und Bein, mein Guter!“ Das war der Anfang eines neuen Hobbies.

Zuhause angekommen erzählte er natürlich erstmal über Oldtimer sowie das Erlebte, nachdem er die bestellten Grüße ausgerichtet hatte. In den folgenden Tagen recherchierte Joe dann alles über Oldtimerrallyes, MG‘s und andere britische Sportwagen.

Joe kaufte sich die Jubiläumsausgabe des ‚Oldtimer Katalog‘ und ging diesen interessiert durch von A bis Z. Er hätte so gerne einen richtig alten Wagen aus den 30er Jahren, aber da er kein Schrauber war und auch keinen kannte, der Oldtimer reparierte, suchte er nach etwas jüngeren Autos. Und weil die Familie Ford fuhr, waren sie an eine Ford-Werkstatt angebunden. Ein Ford Capri wäre somit richtig schön.

Sein Vater ist Anfang der 70er Jahre einen goldenen Ford Capri gefahren. Aber auf dem Weg zur Arbeit an einem Rosenmontag war Glatteis auch am Ortseingang der Nachbarstadt. Dort war nicht gestreut und so landete der Wagen in einem Graben auf dem Dach. Vom Auto gab es kein Foto und die einzige Erinnerung, die Joe an den Capri hatte, war, dass er seinem Vater, der mit Gehirnerschütterung im Bett liegen musste, immer einen nassen Waschlappen auf die Stirn gelegt hatte, ohne diesen auszuwringen. ‚Platsch‘!

Aber einen fahrbaren Ford Capri gab es nicht zu kaufen. So blätterte er weiter bis er schon spät in der Nacht bei „P“ wie ‚Panther‘ ankam. Die Fahrzeuge sehen aus wie aus den 30er Jahren mit großen geschwungenen Kotflügeln und seitlichen Trittbrettern. Außerdem freistehende Leuchten und einer Stange mit Zusatzscheinwerfern und Abzeichen aus Metall. Und für ihn das Wichtigste: Die Autos sind aus den 80er Jahren und haben Ford-Motoren verbaut. Zu seinem größten Glück stand einer mit dem 2,8 Liter Sechzylinder ‚Ford-Köln-Motor‘ gut 50 km nördlich in Greven zum Verkauf. Dieser ‚Panther Kallista‘ aus 1983 wurde Joe’s erster Oldtimer.

Über den Panther-Kauf lernte Joe den Engländer Alan Bell kennen, der ihm dann Mut machte, seine geliebten 30er Jahre Automobile aus England zu importieren. Joe liebt Ordnung und Logik. Und so entschied er sich, Autos zu suchen, die aus den Geburtsjahren seiner Eltern waren. Denn aus seinem Geburtsjahr wünschte er sich ja einen Capri.

So kam er zu seiner kleinen Oldtimer-Sammlung. Er sah im Internet einen roten MG VA 1.5 litre aus dem Jahr 1939 in einem wunderschönen Rot mit schwarzen Kotflügeln. Was Joe sofort ins Auge fiel und ihm dann sehr gefiel, war das sehr große und schmale Reserverad mit silbernen Speichen - wie die anderen vier Räder auch - an der Seite der Motorhaube auf dem linken Kotflügel.

Alan holte ihm Ende 2016 den seltenen ‚Sports Saloon‘ von einem Oldtimervermittler in Surrey. Alan verhornballte den Namen des Händlers, indem er diesen MacGyver nannte, so wie den Helden der Fernsehserie Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre. Joe kannte den fiktiven Helden nicht und wusste darum auch nicht, dass MacGyver wie er selbst stets ein Schweizer Taschenmesser bei sich trug.

Die Marke MG kannte Joe ja von dem kleinen Sportler seines Cousins, der ihn so faszinierte. Dass ‚MG VA‘ sehr selten waren und MG nur wenige ‚Sport Saloons‘ gebaut hatte, war ihm noch nicht geläufig. Als er den schönen Oldtimer in der Adventszeit 2016 bekam und ihn dann bis Weihnachten bei trockenem Wetter regelmäßig fuhr, kam ihm der Gedanke, sein Onkel könnte sich doch als Weihnachtsmann verkleiden und auf dem Saxophon adventliche Lieder spielen, wenn sie durch die Stadt fuhren. Bei der Idee blieb es dann aber auch. Und es blieb zu der Zeit auch dabei, das große Schiebedach zu öffnen. Aber die Klimaanlage der 30er Jahre nutzten sie, um zu vermeiden, dass die Frontscheibe beschlug. Man kann nämlich bei dem MG die Frontscheibe mit einem Kurbelmechanismus ausstellen, so dass seicht der Fahrtwind die Fahrerkabine abkühlt. Aber kalt ist es auch im Winter nicht, da der Motor durch das Holz im Fußraum die Wärme wohlig an die Beine abstrahlt. Aus Eschenholz war damals die gesamte Karosserie gebaut und dann mit Metall beplankt. Eigentlich müssten diese Fahrzeuge einen blauen Engel erhalten für einen ökologischen Aufbau.

Dann suchte Joe noch im Internet nach einen ‚MG TA‘ aus 1934, aber diese Autos waren kleine Zweisitzer und Joe dafür viel zu groß. Weihnachten 2016 fand er einen kleinen blauen Wagen, der dem MG TD, den sein Cousin Nikolaus gefahren ist, sehr ähnlich kam. Aber das war ein offener sportlicher Viersitzer, der ihm genügend Beinfreiheit geben sollte.

Diesen Sportwagen aus 1934 holte Alan in der ersten Januarwoche 2017 aus England. Ein ‚Singer Nine Sports 4-seater‘.

Der kleine Wagen sollte nicht allein aufgrund der Farbe Joe bald schon ein blaues Wunder erleben lassen.

Der ‚Singer Nine Sports‘ ist ein Roadster, den der britische Automobilhersteller Singer 1933 erstmals herstellte. Das Design des kleinen Sportlers wurde beeinflusst durch das damalige Styling der Le-Mans-Rennfahrzeuge. Obwohl der Wagen so klein war, war er ein 2+2-Sitzer.

Angetrieben wurde der ‚Nine Sports‘ von einem Vierzylinder-Reihenmotor mit obenliegender Nockenwelle und zwei Vergasern. Das sehr eng gestufte Getriebe ließ den Wagen mehr für Geländewettbewerbe als geeignet erscheinen, wo es eher auf Drehmoment und Beschleunigung ankam als auf Höchstgeschwindigkeit. Die Starrachsen waren an halbelliptischen Blattfedern aufgehängt wie bei einem Geländewagen auch Jahrzehnte später noch. Die serienmäßigen hydraulisch betätigten Lockheed-Trommelbremsen bremsten das Fahrzeug nur durchschnittlich gut ab.

Der ‚Nine Sports‘ entwickelte ungefähr 35 PS und erreichte bei umgeklappter Windschutzscheibe eine Höchstgeschwindigkeit von 105,7 Stundenkilometern. Die Dauergeschwindigkeit lag bei ca. 80 km/h und Joe sollte später damit 60 bis 70 Stundenkilometer fahren.

Im Gegensatz zu den damaligen MG-Sportwagen verfügte der ‚Singer Nine Sports‘ über edle Einbauten. Der Fahrer steuerte mit einem großen Lenkrad von ‚Ashby Brooklands‘, Polsterung vorne und hinten war in Möbelqualität sowie auch das Armaturenbrett aus Mahagoni. Darin hatte der Sportler keine Instrumente von Smiths, sondern Drehzahlmesser, Geschwindigkeitsmesser, Tank- und Öldruckanzeige von dem namhaften Hersteller Jaeger. Somit übertraf der Singer seine Mitbewerber in der Zeit.

Bekannt wurde der ‚Nine Sports‘ mit nur leichten Änderungen gegenüber dem Serienfahrzeug im 24-Stunden-Rennen von Le Mans 1933 und 1934.

Interessant ist, dass sowohl Joe’s ‚MG VA‘ als auch der Singer am 18. Juli erstzugelassen wurden. Zufall oder gehören auch die beiden irgendwie zusammen so wie seine Eltern?

Im November 2018 fand Joe nach mehr als zweijähriger Suche endlich seinen roten Capri 1700 GT. Der stand viel zu lange im Internet. Wohl weil er recht günstig war und auf den Fotos die rote Farbe ausgeblichen schien. Aber die Fotos waren überbelichtet und der Wagen hatte ein schönes, sattes, tiefes Rot.

Joe wollte das Auto zunächst auch aus einem weiteren Grund nicht: Der Capri stand in Gelsenkirchen und schien somit unerreichbar für einen Borussia-Dortmund-Fan. Und darum fuhr Joe auch nicht selbst, den Wagen zu begutachten, sondern dorthin fuhr J.B. Smith. Und der rote sportliche Viersitzer gefiel der jungen schlanken Frau mit den braunen glatten langen Haaren und den ebenso braunen großen Augen auf Anhieb.

J.B. Smith. Joe kannte J.B. seit 2011 als er die damals 24jährige als Medizinische Fachangestellte eingestellt hatte. Die intelligente aber introvertierte J.B. bildete sich weiter in ihrem Beruf und wurde nach einer Weiterbildung 2015 zur ‚VERAH‘, ‚EVA‘ und ‚NÄPA‘. Somit war sie ‚Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis‘ und konnte selbständig delegationsfähige Leistungen übernehmen und Joe entlasten.

Irgendwie passte in diese Geschichte der Song von Klaus Lage ‚1000 und eine Nacht‘. Es hat zwar nicht so viele Nächte gedauert, aber sechs Jahre gemeinsames tägliches Arbeiten, bis es dann am 22. Februar 2017 ‚Zoom‘ gemacht hat. Und vermittelt hat das wohl ihr ‚Australian Shepherd‘ Dexter.

Dexter mochte keine Fremden und schon gar keine Männer. Joe hatte als Jugendlicher und junger Mann einen Irish Setter und einen blonden Hovawart. Beide nannte er Carlos und so hatte er vor großen Hunden keine Angst, sondern nur Respekt. Gerne hat er sich zur Verfügung gestellt, mit Dexter die Begegnung mit Fremden zu trainieren. Jetzt ist Joe wohl der Mann, den nicht nur Dexter am meisten liebt. Näheres wird hier erst mal nicht geschildert. Nicht nur, weil sonst die Story um den Oldtimer-Krimi zu sehr abschweift, meint der Autor.

Die sehr sportliche und ungewöhnlich starke J.B. ist gebürtige Amerikanerin, weil ihr Vater in Texas als Bundeswehrsoldat stationiert war. Obwohl sie dort nur als Baby war und aus Flugangst nie mehr dorthin kam, ist sie Fan des ‚American Way of Life‘. Sie liebt ihre Jeeps fast so wie Dexter und Joe.

Zum einen hat sie einen jetzt „volljährigen“ schwarzen Jeep Wrangler und einen ‚Willys M38-A1‘ aus 1958. Dieser stand übrigens in Dortmund auf einem Orientteppich. Der hat niemals Krieg gesehen, weil er aus der Schweiz kam. Einer von nur 820 ‚MUN/PAK 58 BAT‘. Das wusste aber zunächst niemand und darum empfahl ein Händler für Willys Parts, den wieder zurückzubauen. Vor allem den Pin (englisch, Pinn westfälisch Platt) auf dem Kotflügel der Beifahrerseite, der dem Fahrer unmännlich die Ausmaße des Fahrzeugs anzeigen sollte. Naja, jetzt fuhr den Wagen ja eine junge Frau. Aber das ist auch eine Geschichte für sich.

Auch eine Geschichte für sich ist, warum mit Kreide ‚CORONA FIGHTER‘ Ende 2020 auf den Fensterrahmen geschrieben wurde.

An Joe’s Geburtstag gesellte sich der jüngste Alte in die Autosammlung. Joe erbte den cosmosschwarzen topgepflegten BMW 316i compact seines plötzlich verstorbenen Großcousins Hein B. aus erster leider kalter Hand.

Was haben die beschriebenen Autos gemeinsam? Alle außer der ‚Singer Nine Sports‘ wurden auf einer Rallye ‚Rund um Oelde‘ bewegt: 2017 fuhren J.B. und Joe das erste Mal mit. Alan war damals als Fahrer Teil des Teams, weil Joe zwischendurch sich um seinen damals sehr kranken Vater kümmern musste und er sich mit J.B. den Beifahrersitz auf der linken Seite teilte. 2018 fuhren J.B. und Joe die Rallye erneut im ‚MG VA‘. In beiden Jahren gewannen sie den Klassensieg und 2018 waren sie sogar besser als alle in der Youngtimer-Klasse.

2019 hatten Joe und sein nur zwei Tage jüngerer Capri Jubiläum. Darum fuhren sie den roten Flitzer. Der Vogelschiss, den Joe ab bekam, als sie auf den Start warteten, brachte nicht das gewünschte Glück für die Rallye. Die Zündung war defekt und so ruckelten sie im Schweinsgalopp durch die Botanik bis zur Pause am ‚Kabelwerk‘ an der B64, wo an den letzten Donnerstagen im Monat Oldtimertreffen stattfinden. Daniel Brake reparierte die Zündung provisorisch, so dass sie das Ziel erreichten. Aber an einen Pokal war nicht zu denken. Nicht mal einen für Pechvögel. Wie sein Patenonkel im Vorjahr einen Pokal bekam, weil er die Rallye nicht beenden konnte, da der Motor des Panther Kallista heiß lief und er abbrechen musste. Der Panther beendete dann die Rallye erfolgreich mit seiner Patin aus dem Taunus in 2022 hinter dem Steuer.

Im Schicksalsjahr 2020 fiel wegen Corona nicht nur die Oelder Rallye aus. Es schien das Leben still zu stehen. Außer bei denen, die in der Corona-Zeit ruhelos ihren Dienst am Patienten oder Gott weiß wo sonst noch taten. Auch J.B. und Joe mit dem gesamten Team kamen nicht zur Ruhe. Diese Zeit ließ Joe die grauen Haare wachsen.

Bereits einen Tag bevor die WHO am 11. März 2020 die Pandemie ausrief, wurde der erste Patient von Joe mit Corona-Viren infiziert. Einen Tag später der Zweite. Beide haben sich bei Rückkehrern aus dem Ski-Urlaub angesteckt und beide haben auch ihre Ehefrauen infiziert. Alle vier mussten stationär behandelt werden. Einer wurde über Wochen beatmet und bedurfte einer monatelangen Regeneration. Diese ersten Erlebnisse und Erfahrungen mit der Pandemie haben Joe und J.B. geprägt. Bis heute.

In 2020 konnten selbst Ärzte nur beten und testen, testen, testen. Damit sich die Seuche nicht weiter verbreitete und damit man im Sommer 2020 in den Urlaub fahren konnte. Denn in einem Mega-Schlachthof in der Nachbarstadt ist die Pandemie richtig ausgebrochen und hat sich unter den Arbeitern verbreitet. Die Armen wurden teilweise von der Außenwelt mit einem großen Zaun abgeriegelt. Das Team von Dr. Joe Heilsberg hat damals Massentestungen durchgeführt. Die Warteschlange mit Abstand war hunderte Meter lang. Bis tief in die Nächte brannte in der Praxis noch Licht. Und das nicht nur an einem Tag.

Auch zu der Zeit veranstaltete ein großes Oldtimer-Magazin eine Oldtimer-Rallye mit Abstand. Es mussten Orte angefahren werden, deren erste Buchstaben den Begriff ‚Oldtimer-Markt‘ ergaben. Fotos vom Oldtimer am Ortsschild mussten eingesendet werden. Joe und J.B. fuhren mit ihrem Oldtimer durch die beiden von der Pandemie heimgesuchten Kreise Warendorf und Gütersloh: Oelde, Liesborn, Diestedde, Telgte, Isselhorst, Möhler, Enniger, Rheda-Wiedenbrück, Marienfeld, Avenwedde, Kaunitz und Tönnishäuschen. Bei dem letzten Ortseingangsschild hatte ein Scherzbold ein „e“ zwischen dem „i“ und dem „s“ geschrieben.

In 2021 konnten die Ärzte wieder richtig kämpfen. Mit gescheiten Waffen kämpfen. Nicht nur ums Leben der an Covid-19 Erkrankten kämpfen. J.B. und Joe impften mit ihrem Team und Freiwilligen ab dem 06. April 2021 als ob es um Leben und Tod ginge. Und es ging um Leben und Tod.

Das Hausärzte-Team um Joe musste und durfte viele Erfahrungen in der Zeit machen. Menschen, die schon zu Beginn FFP2-Masken brachten, weil das Team nur von J.B.‘s Mutter genähte gelbe Stoffmasken hatte. Besondere, die sich als wichtiger ansahen als Andere, wenn es um das Impfen ging. Oder die nur einen bestimmten Impfstoff erwarteten, anstatt den vulnerablen Mitmenschen zu überlassen. Dankbare und fordernde Menschen. Geduldige und sich in den Vordergrund drängende. Freunde und Neider. Kollegen und Arschlöcher.

Zu den besonders schönen Momenten zählte aber die Hoffnung aller, als endlich auch die Hausärzte impfen durften und jedermann den ersehnten Schutz bekommen konnte. Zu diesem Zeitpunkt hatte Joe eine Idee, einen Corona-Fighter-Song umzusetzen. Und die Gruppe ‚Millrock‘ hat diesen Song ‚When Corona is Over‘ zur Melodie ‚Sweet Caroline‘ vertont und als Video auf deren Kanal veröffentlicht. Eine Herzensangelegenheit.

Bereits im Sommer 2020, als die ersten Massen-Tests durchgeführt wurden, formierten sich die ‚Corona Fighter‘. Joe und J.B. veröffentlichten das kleine Buch ‚The Corona Fighter´s Kontakt Logbuch‘, um wichtige Daten im Falle einer Erkrankung zur Hand zu haben und Kontakte zurückverfolgen zu können.

Im Dezember schrieb Joe ‚CORONA FIGHTER‘ mit Kreide auf den Frontscheibenrahmen des Willys und er drehte mit J.B. einen Film in den dunklen leeren Straßen im vorweihnachtlichen Oelde. Sie fuhren mehrere Stationen ab, die mit der Corona-Krise nicht nur in Oelde besonders in Verbindung standen: Sie starteten in der Scheune, die in der Vorweihnachtszeit unter diesen Bedingungen für Joe eine besondere Stimmung ausdrückte. Der Hedwigs-Kindergarten, wohin Joe Mitte der 70er Jahre gerne ging, der aber zu Beginn der Pandemie immer wieder geschlossen wurde. Joe’s Friseur Franky mit dem beleuchteten amerikanischen Schulbus, in dem Franky quer durch Deutschland fuhr und seine Friseurkollegen besuchte, die als besondere Gruppe unter hohen Hygieneauflagen ihr Geschäft öffnen durften, als noch andere geschlossen waren. Das Von-Galen-Altenheim, das auch von der Pandemie nicht verschont blieb und wo die Bewohner lange auf Besuch warten mussten. Das Oelder Marienhospital, in dem auch seine Patienten versorgt wurden, die einen schweren Verlauf der heimtückischen Erkrankung zeigten und in dem auch vermehrt gestorben wurde. Die Polizeistation am Hermann-Johenning-Platz, die immer geöffnet hatte und die menschenleere adventlich geschmückte Lange Straße, wo die Geschäfte geschlossen waren und die Inhaber Waren zunächst auf Abstand ausliefern mussten. Der dunkle einsame Bahnhof in einer Zeit als keiner mehr reiste. Die neu gebaute Rettungswache, die für die Erkrankten vor Ort war und wo immer Licht brannte. Das geschlossene Hallenbad und die Dreifachturnhalle, die stets im Dunklen lagen. Die beleuchtete große von seinem Onkel, dem Vater von Nikolaus und Fusel von Heilsberg, gebaute Krippe draußen am Turm vor der St. Josephs Kirche.

Das war übrigens ein besonderer Spaß, als Joe mit J.B. und Dexter im Dunkeln in dem Militär-Willys im Schritttempo auf den Kirchplatz fuhren. Auf dem dunklen Parkplatz war kein Stellplatz mehr frei. Joe wunderte sich, weil doch ein Begegnungsverbot von mehr als drei Menschen bestand. Dann war doch keine Messe oder ein Treffen in der Altenstube erlaubt. Nein, jetzt sah er, dass sich dort junge Männer mit aufgemotzten Autos trafen. Langsam fuhren sie an den meist dunklen Limousinen einer bayerischen Motorenmarke vorbei.

Sie fuhren weiter bis auf den Platz zwischen Sakristei, Kindergarten und Pfarrhaus. Dort wendeten sie und fuhren langsam auf die beleuchtete Krippe zu.

Es war ihnen etwas mulmig wegen der Fremden, dort auszusteigen und für das Video zu filmen. So standen sie an der Krippe und der Kegel des Scheinwerferlichtes leuchtete entlang der parkenden Autoreihe.

Nicht nur den beiden war es mulmig zumute. Nein, Dexter war es nicht mulmig, der war wie immer aufmerksam und freudig wedelnd auf der Ladefläche.

Mulmig wurde es den wohl zwei Dutzend jungen Männern, die eilig in ihre Autos stiegen und rasch mit laut knatternden Sportauspuffen davon brausten. Joe und J.B. krümmten sich vor Lachen und beschlossen, öfter nach der Krippe zu gucken.

Der Film endete an der Teststation in der Garage der eigenen Praxis. Mein Gott, was waren das Zeiten.

Den Film schnitt Norbert von den ‚PS-Perlen‘ und stellte diesen online. Kleine Taten und Gesten in einer nahezu hoffnungslosen Zeit.

Natürlich mussten J.B. und Joe dann 2021 mit dem ‚CORONA-FIGHTER‘-Jeep die Rallye mit besonderen Hygieneregeln und Abstand bestreiten. Es gab natürlich kein gemeinsames Essen im Bürgerhaus, sondern einen Imbiss auf der Motorhaube. Schön, dass auch in der Klasse der Fahrzeuge von 1946-1960 die Pokale des Klassensiegers an die beiden gingen. Dieses Mal per Post.

Auch 2022 ging der Klassensieg an Joe und J.B.. Dieses Mal in der Youngtimer-Klasse. Dieser Sieg war der wirklich ersehnte. Errungen für Hein B., der im Jahr zuvor plötzlich und viel zu früh alleine starb. Leider erst nach Hein’s Tod erfuhr Joe, dass sein Großcousin wie er ein Oldtimer-Besessener war. Hein hatte einen kleinen Raum, der nur mit Vitrinen vollgestellt war, in denen Modellautos standen, die heute beliebte Oldtimer sind. Bücher, Fotoalben, Videos, alles über Oldtimer. Er selbst hat auch gerne fotografiert. Darunter auch Joe’s Autos bei verschiedenen Oldtimerveranstaltungen. Ob er wusste, wem die Autos gehörten, als er diese neben vielen anderen fotografierte?

Sicher aber ist, dass Hein gerne in seinem kompakten BMW die Rallye mitgefahren wäre, sobald dieser 25 Jahre alt war. Das sollte aber erstmals möglich werden bei der Veranstaltung nachdem er gestorben ist. Darum haben Joe und J.B. beschlossen, den BMW zu übernehmen und die Oldtimer-Rallye für Hein mitzufahren und sie wollten den Klassensieg holen. Für Hein sowie für seine geliebte Schwester und seine trauernde Nichte.

Und jetzt war der Maifeiertag 2023 und Joe las den Artikel in der Lokalzeitung und ist dann so mit seinen Gedanken abgeschweift bis sein Smartphone ‚Texas Girl‘ von Anke Engelke und Bastian Pastewka spielte. Der Song war Klingelton, wenn sein Texas Girl anrief, weil J.B. die Sendung ‚LOL (Last One Laughing‘) gerne guckte und der Song zu der Zeit viral ging. Joe‘s Humor war ein anderer, so dass er überzeugt war, jede Folge ‚LOL‘ problemlos gewinnen zu können.

„Guten Tag und herzlich Willkommen in der Praxis von Dr. Joe Heilsberg in Oelde …“, sagte er langsam genauso wie er den Anrufbeantworter der Praxis besprochen hat. „Oh Joe, das machst du doch nicht das erste Mal mit mir“, kicherte J.B. aus dem Smartphone, „lass‘ dir mal was Neues einfallen.“ „Ach Schatzi, wenn ich dich wirklich veräppeln wollte, dann würdest du es nicht merken und dann auch nicht lachen. Aber ich wollte dich doch zum Lachen bringen und nicht, dass du einfach auflegst.“

„Was ist denn das für ein Brummen im Hintergrund? Mäht da einer etwa den Rasen“, fragte J.B.. „Ja, schon seit über einer Stunde. Keine Ahnung wer das ist. Wahrscheinlich ein Rentner, der den ‚Tag der Arbeit‘ wörtlich nimmt einmal im Jahr. Der muss sich wohl verfahren haben, solange wie der schon mäht. Die Rasenfläche ist doch gar nicht so groß. Oder seine Olle hat ihm einen Birkenzweig an den Mäher gesteckt und gesagt, er solle eine Maitour damit machen“, lachte Joe.

„Boah! Was ist das denn jetzt? Ist der Mäher explodiert? Die Fenster und Türen wackeln hier! Und nochmal!“ „Hier auch! Aber das sind Luftlinie über 8 km“, antwortete J.B. nervös. „Der Trottel mäht aber weiter. So hörten sich in den 80er Jahren die Harrier Senkrechtstarter aus Gütersloh im Tiefflug an, wenn diese mit den Tornados um die Wette flogen. Das war noch vor deiner Zeit, Darling!“