Oldtimer-Frühling - Joe Heilsberg - E-Book

Oldtimer-Frühling E-Book

Joe Heilsberg

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Beschreibung

Frühling 2023: Der Oldtimerliebhaber Dr. Joe Heilsberg aus Oelde bereitet sich mit seiner großen Liebe J.B. auf die Oldtimer-Rallye 'Rund um Oelde' vor. Zu Pfingsten besuchen sie seinen ehemaligen Doktorvater Phil Mälzer in Ludwigsburg zu einer besonderen Oldtimer-Ausstellung. Dort stolpert Joe in eine Detektivgeschichte, mit der sich die SoKo Ludwigsburg mit Unterstützung des Marbacher Rentner-Cop Phil bereits beschäftigt. Zurück in Westfalen nimmt er dort die Spur der Täter auf, um diese mit Intelligenz, Humor und etwas Glück zu überführen. Den Hausarzt und Sportmediziner beschäftigen aber auch schwere Fälle und große Aufgaben in seiner Praxis in Oelde.

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort Herausgeber

Die Figuren

Prolog: 25./26. Mai 2023

26. Mai 2023 (Freitag)

27. Mai 2023 (Samstag)

27./28. Mai 2023

28. Mai 2023 (1. Pfingsttag)

29. Mai 2023 (2. Pfingsttag)

30. Mai 2023 (Dienstag)

31. Mai 2023 (Mittwoch)

1. Juni 2023 (Donnerstag)

2. Juni 2023 (Freitag)

3. Juni 2023 (Samstag)

4. Juni 2023 (Sonntag)

5. Juni 2023 (Montag)

6. Juni 2023 (Dienstag)

7. Juni 2023 (Mittwoch)

8. Juni 2023 (Fronleichnam)

9. Juni 2023 (Freitag)

10. Juni 2023 (Samstag)

11. Juni 2023 (Sonntag)

12. Juni 2023 (Montag)

13. Juni 2023 (Dienstag)

14. Juni 2023 (Mittwoch)

15. Juni 2023 (Donnerstag)

16. Juni 2023 (Freitag)

17. Juni 2023 (Samstag)

18. Juni 2023 (Sonntag)

19. Juni 2023 (Montag)

20. Juni 2023 (Dienstag)

21. Juni 2023 (Mittwoch)

Die ‚Oldtimer-Trilogie‘

Der Herausgeber

Die Autoren

TRI-Trimming®

„Man muss einfach stets die Wahrheit sagen. Meistens glaubt einem die eh keiner.“

(Joe Heilsberg in ‚Oldtimer-Frühling‘)

VORWORT HERAUSGEBER

Liebe Leserschaft!

Wenn zwei Autoren gemeinsam einen Roman schreiben, dann treffen manchmal zwei Welten aufeinander. Die Welten hier sind Westfalen und das Schwabenland.

Ansonsten haben es die beiden ungleichen Autoren hervorragend geschafft, die inneren Welten zu trennen und trotzdem ein gemeinsames Werk entstehen zu lassen.

Damit die Leserschaft erkennt, in wessen Welt sie gerade eintaucht, ist dieses am Anfang eines Kapitels mit den Ortsangaben und Initialen des jeweiligen Autors (‚J.H.‘ für Joe Heilsberg und ‚M.A.‘ für Mike Albus) gekennzeichnet.

Es begegnen sich der Hausarzt und Oldtimerfreund Joe Heilsberg und sein ehemaliger Doktorvater, der pensionierte Professor Phil Mälzer nach längerer Zeit wieder. Gemeinsam schliddern sie in Kriminalfälle, die beide auf ihre besondere Weise lösen.

Dennoch lesen Sie keinen typischen Lokal-Krimi, sondern eine Detektivgeschichte, wie sie sich zu der angegebenen Zeit auch wirklich hätte ereignen können.

Als Herausgeber darf ich verraten,

dass es in der ‚Oldtimer-Trilogie‘ aber weniger um Geschichten als um Geschichte geht,

dass ‚Oldtimer‘ auch ältere Menschen sein können und,

dass eine ‚Auto-Biographie‘ hier sowohl eine Autobiografie eines Hausarztes, als auch die Biographie seines Autos ist.

Die ersten beiden Teile der Oldtimer-Trilogie spielen in der Zeit von der Walpurgisnacht bis zur Sommersonnenwende 2023. Die beschriebenen Ereignisse hat es meist wirklich gegeben oder diese hätten zumindest genauso stattfinden können.

Historisch einzuordnen ist diese Periode nach einer schweren Zeit der Corona-Pandemie, während eines seit 15 Monaten wütenden Krieges in Europa, in einer Finanz-, Wirtschafts-, Energie- und Klimakrise, in der sich auch Aktivisten auf Straßen festkleben.

Die Autoren lassen die Leserschaft an den Privat- und Berufsleben der Helden teilhaben. Darum sollte diese darüber nicht urteilen oder es wahllos weiter erzählen.

Aber zum Nachdenken und Teilhaben ist man herzlich gerne eingeladen.

Oelde, im März 2024

Dr. med. Jörg Hennig

DIE FIGUREN

Hauptfiguren Ludwigsburg/Marbach

Prof. Philipp ‚Phil‘ Elfrich-Mälzer

Marion Elfrich-Mälzer

EKHK

Peter-Paul

Hauptfiguren Oelde/Westfalen

Dr. med. Joe (von) Heilsberg

J.B. Smith

Dexter

Familien von Joe und J.B.

Josi (von) Heilsberg

‚Schorsch‘ (von) Heilsberg

‚Money‘

Doro von Heilsberg

Kurt von Heilsberg

Martinus ‚Fusel‘ von Heilsberg

Nikolaus von Heilsberg

Praxismitarbeiter und Freunde von Joe

Anna Potter

Lena Potter

‚Boney‘

Jan Heller

‚Lachsack‘

‚Schrauber‘ und Oldtimerfreunde

Ulrike Haberlin (Häberle)

‚Bob‘ Roberta Swan

Eddy McGinther

Daniel Brake

Alan Bell

Polizei Ludwigsburg/Marbach

Wilfried ‚Wil‘ Müller

EKHK

Vera Altmann

KOK

Ferdinand ‚Ferdl‘ Lang

KOK

Bertold ‚Berti‘ Mezger

KOK

Jeremias ‚Mias‘ Blau

KOK

Carola Karolinger-Biegel

KK

Selim Muhabar

KASS

Peter Marquardt

POM

Paul Ehrlich

POM

Vladimyr ‚Vlady‘ Perschow

EKOR

Bablonsky

Detektiv

Sonstige

‚Pferdeschwanz‘Der ‚Doktor‘

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind meistens rein zufällig oder im Rahmen der Auto-Biografie historisch korrekt.

PROLOG: 25./26. MAI 2023

OELDE (J.H.). Der zunehmende Mond beschien das große Rapsfeld, dessen gelbe Farbenpracht auch jetzt in dem gedämpftem Licht zu erahnen war. Diesen nahezu romantischen Blick hatte in dieser sternklaren Nacht ein einsamer Spaziergänger, der, „jetzt hat‘s der Alte wohl endlich geschafft“, leise vor sich hinmurmelnd den langen schnurgeraden Zufahrtsweg zu einem Bauerngehöft zurücklegte.

Es war ganz sicher nicht der Zeitungsbote, der in der Regel eine gute Stunde später diesen Weg in einem Kleinwagen befuhr und die ‚führende Heimatzeitung im Herzen Westfalens‘ auslieferte.

Als der Fremde am Ende des Weges das typisch westfälische Scheunentor erblickte, schaute er sich verstohlen um und ging schnurstracks darauf zu. Mit einem kleinen Werkzeug, das in dem fahlen Mondlicht blinkte, öffnete er geschickt das einfache Vorhängeschloss. Dann schob er mit einem leichten Stöhnen das leise quietschende Tor nur so viel zur Seite, dass er sich hindurch quetschend in das Innere der Scheune gelangte.

Jetzt machte der Mann das Licht seines Smartphones an und erkannte in dessen Lichtkegel die Umrisse mehrerer abgedeckter Fahrzeuge.

„Oh, mein Gott! Hier stehen ja ein halbes Dutzend Autos. Ob die alle dem Heilsberg gehören?“, fragte der Eindringling leise sich selbst. In dem Licht erkannte man jetzt eine hagere Gestalt, die das Alter einiger der abgestellten Oldtimer bereits erreicht oder gar um viele Jahre übertroffen hatte.

„Nicht, dass ich ein falsches Auto manipuliere und ein Dritter zu Schaden kommt. Dann wäre dieser gottverdammte Hausarzt gewarnt. Verflucht! Ich bekomme dich aber schon noch!“

So leise wie er gekommen ist, hat er das Scheunentor wieder geschlossen und ist den Weg über die Rapsfelder schnellen Schrittes zurückgegangen. Erst das metallische Knacken beim Schließen des Vorhängeschlosses weckte die blonde Labradorhündin Emmy, die laut bellte, bis der Störenfried am Ende des Weges sein Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen aus dem Kreis Gütersloh bestieg und dann ohne Licht herauf zur ‚Beckumer Straße‘ fuhr.

Bauer Gievenbeck, der das Bellen seiner Hündin gehört hatte, stand wie jeden Morgen dann müde auf und schlenderte in Nachtpolter und Pantoffeln zum Briefkasten, um ‚Die Glocke‘ zum Frühstück mit Speck und Ei hereinzuholen.

26. MAI 2023 (FREITAG)

OELDE (J.H.). Es war noch dämmrig, als Joe und J.B. noch verschlafen am Frühstückstisch saßen. Sein Mengkornbrot mit Aprikosenmarmelade kaute Joe genüsslich und überlegte fieberhaft, ob sie an alles gedacht hatten für die lange Reise nach Marbach zu Phil.

Dort sollten sie dann wohl noch am Abend die von Phil so geliebte oder gar vergötterte Kommissarin Marion kennenlernen und am nächsten Tag den Singer im Innenhof des Residenzschloss Ludwigsburg ausstellen. Eigentlich sollte der Blaue ja Ersatz für den größeren Roten sein, aber dieser wird vermutlich doch ausgestellt werden können. Joe dachte gerade wie, die beiden sich wohl vertragen werden, als J.B. ihn fragte, warum er denn so verträumt lächelte. Sie fand die Idee süß, aber viel Zeit, um das weiter zu spinnen, blieb dem Liebespaar nicht.

„Gut, dass wir schon am Vorabend alles gepackt und den Trailer mit dem Singer an den Wrangler gehängt haben. Von mir aus können wir bald starten“, drängte J.B. behutsam den noch kauenden Joe.

Eine lange Reise über rund 470 km von Oelde nach Marbach am Neckar lag vor Ihnen.

Oelde, die Heimatstadt von Dr. Joe Heilsberg ist eine schöne mittelgroße Stadt mit rund 30.000 Einwohnern im Kreis Warendorf mit Anschluss an die Autobahn A2 vom Ruhrgebiet über Hannover nach Berlin sowie an die Bahnstrecke in gleicher Richtung. Wenn man auf einer Landkarte Dortmund und Bielefeld sowie Münster und Paderborn mit einer Linie verband, trafen sich die Linien in Oelde. Wobei sich Oelde genau in der Mitte zwischen Paderborn und Münster befindet.

Darum fügte es sich gut, dass Joe in Münster Medizin studierte und in Paderborn seine Doktorarbeit in der Sportmedizin gemacht hat. Sein Doktorvater war Professor Phil Mälzer, der seit seinem Ruhestand wieder in seiner Heimatstadt Marbach lebte.

Marbach am Neckar war für den Ur-Westfalen Joe unbekanntes Terrain. Darum plante er die Reise im Vorfeld gründlich.

Gewählt hat er die Route über die Autobahnen A2 A1, dann A45, A5, A67, A6 und dann A81 bis zum Ziel. Probleme könnte es wegen der A45-Brücke über das Rahmedetal in Lüdenscheid geben, die keine drei Wochen zuvor am 07. Mai gesprengt wurde.

Ein Kollege aus dem Vorstand des ‚Sportärztebund Westfalen e. V.‘ hatte aber auf dem Arbeitsweg zweimal täglich dieses Hindernis zu umfahren. Dann sollten sie es doch auch hinbekommen. Zumal das Gespann das fehlende Tempolimit einer deutschen Autobahn nicht auskosten konnte.

Aber Joe war sowieso nicht der Raser. Er hatte noch nie eine Geschwindigkeitsbegrenzung bewusst unbeachtet gelassen, denn er mochte stressfreies Reisen und war sich als Wissenschaftler sicher, dass man so auch schneller als Ziel käme, hielten sich nur alle daran.

Die Stauforschung sprach von drei Haupttheoremen. Dem Schmetterlingseffekt, unsichtbaren Wellen und der Tragik des Zufalls. Beim Schmetterlingseffekt ist ein einzelner Fahrer Ursache eines Staus zum Beispiel auch durch einen Überholvorgang oder einen Verbremser. Und die Lösung wäre, wenn alle mit gleicher konstanter Geschwindigkeit führen.

Und eben solche Effekte führten dann wohl auf dem Weg durch Lüdenscheid zu mannigfachen Staus. Er dachte mitleidsvoll an seinen lieben Kollegen als, sie die Paulmannshöher Straße passierten. Die Adresse kannte Joe noch bevor er 1994 als Student nach dem Physikum Mitglied im Sportärztebund wurde. Denn dort war nicht nur die Anschrift der Sportklinik Hellersen, sondern auch die seines Landesverbandes Westfalen. Damals hatte er den Chefarzt der Orthopädie angeschrieben und um Rat gefragt, ob er als zukünftiger Orthopäde und Sportmediziner denn eine Dissertation annehmen solle, die vor allem immunologische Reaktionen auf ein Übertraining untersuchten. Der damalige Chef, der für ihn nun seit 10 Jahren, seit er im Vorstand des Sportärztebundes ist, ‚der Reinhard‘ war, riet Joe vor dreißig Jahren dringend zu der Promotion bei Phil Mälzer in Paderborn. Dort wurden nicht nur die Fußballweltmeister und auch die Olympiasieger im Feldhockey betreut, sondern dort war auch das Zentrum der Immunologie-Forschung in der Sportmedizin. Das sollte Joe später nicht nur in der Corona-Pandemie Wissensgrundlage für sein ärztliches Handeln sein. Auch die Beschäftigung mit Mineralien, Spurenelementen und Aminosäuren sowie deren Zusammenhänge mit dem Übertrainingssyndrom begleiteten Joe noch in seinem täglichen medizinischen Alltag als Allgemeinmediziner. Denn das Übertrainingssyndrom im medizinischen Alltag sind Stresserkrankungen und das sogenannte Burnout-Syndrom.

Joe wollte Orthopäde und Sportmediziner werden, da war er gerade 14 oder 15 Jahre alt und in der achten Klasse. In der Grundschule wollte er noch Chemiker werden.

So stand es dann auch in ‚Die Glocke‘, als er als Neunjähriger in einem Schreibwettbewerb der ‚Beckumer Zeitung‘ den zweiten Platz gemacht hatte. Er sammelte damals Briefmarken und hat dann über einen Pakistani berichtet, den er angesprochen hatte, ob dieser Briefmarken für ihn hätte. Lange ist es her.

Joe interessierte sich schon früh für Fremde und deren Kulturen. Jedoch bis heute verspürt er keinen Drang, diese vor Ort kennen zu lernen. Die Briefmarken und der Finger auf der Landkarte reichten ihm. J.B. fliegt auch nicht gerne und somit hatten sich zwei gefunden. Aber es gab viel mehr Gemeinsamkeiten zwischen den beiden.

Jetzt erinnerte ihn der Finger auf der Landkarte, dass sie an Siegen vorbeifahren mussten. Dort wohnte seine gute Freundin Claudia, die er wohl zehn Jahre kannte. Vor zwei Wochen hatte diese ihn angerufen. Sie hatte die Idee, dass sich nach der Corona-Zeit beide Praxis-Teams treffen könnten, um sich über die Pandemie und die aktuelle Situation in den Praxen auszutauschen. In genau zwei Wochen wollten sie sich in Winterberg treffen.

Was spricht denn dagegen, dass man sich fernab des Themas Praxis einfach schon heute sieht? Und statt einer Rast auf einer Autobahnraststätte führten ihn darum seine Gedanken zu der Freundin in Siegen, die im Scherz immer sagte, dass Siegen schlimmer sei als Verlieren.

Ein kurzes Telefonat hatte gereicht, dass sich zwei freuten wie Bolle, der zu Pfingsten nicht wie Joe nach Ludwigsburg, sondern nach Pankow reiste und sich mit Mostrich seine weiße Weste angeschmiert hatte. Dieses Lied hat ihm sein Vater beigebracht, der Schlawiner.

Joe und Claudia drückten sich herzlich und lange.

Über die Oldtimer hatten sie schon oft gesprochen und geschrieben. Aber jetzt sahen Claudia und ihr sympathischer Mann Mathias erstmals den Blauen in natura. „Der ist ja niedlich. So klein habe ich mir den aber nicht vorgestellt. Auch auf den Bildern wirkt der größer. Aber, um ehrlich zu sein, gefällt der mir in echt sogar noch viel besser“, stellte sich Claudia an den Trailer. „Kennst Du eigentlich die Historie von dem Oldie? Dann würden wir die gerne erfahren bei einer Erfrischung. Das ist mir lieber, als dass wir hinterher über unsere Arbeit reden. Über die Probleme in den Praxen werden wir genug in Winterberg reden können. Und was sonst so läuft, darüber schreiben wir uns ja eh immer zeitnah. Komm wir setzen uns auf die Terrasse. Ich habe schon alles vorbereitet.“

„Naja ganz ohne Medizin bleibt unser Gespräch dann doch nicht. Interessanterweise fängt die Geschichte meines Singers auch mit einem Kollegen an. Denn am 23. Juli 1934 wurde der Wagen ausgeliefert an den vierundzwanzigjährigen Anthony Stedman Till, bekannt als `Tim´, der den Singer geschenkt bekam, als er Facharzt für Chirurgie wurde. Haha. Dann wäre es jetzt Zeit, Eurer Tochter zum gerade bestandenen Staatsexamen in Medizin einen fahrbaren Untersatz zu schenken. Aber schenkt der Guten wohl besser eine bleibende Erinnerung. So wie damals dieser seltene Sportwagen.

Die Lieferadresse war 9 Orme Square W.2 London. Ganz in der Nähe wohnten wir 1989 im Rahmen unserer Jahrgangsstufenfahrt nach England und gegenüber im Hyde Park stand ich mit einer weiteren guten Freundin am Kensington Palace.

Irene hat mich, als ich in der zwölften Klasse lange krankheitsbedingt gefehlt habe, immer auf dem Laufenden gehalten. Stundenlang haben wir später gemeinsam mit unseren Hunden Spazierfahrten durch den Wald gemacht. Wir haben uns bestimmt ein viertel Jahrhundert nicht gesehen, da sie in der Nähe von Hamburg lebt. Dort ist sie als Juristin und Betriebswirtin im Vorstand eines Konzerns tätig. Aber wenn man sich bräuchte, wäre man füreinander da. Und an Geburtstagen wird telefoniert.

Am 9 Orme Court in London war übrigens das Quartier des Komikers Spike Milligan (‚Das Leben des Brian‘, ‚Die drei Musketiere‘ und ‚Alice im Wunderland‘) sowie das Kreativbüro des Komikers Eric Sykes (‚Die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten‘, ‚Monte Carlo Rallye‘, ‚Sherlock Holmes‘ und ‚Harry Potter und der Feuerkelch‘).

Interessant finde ich, dass Tim sogar in Heidelberg studierte und fließend Deutsch sprach. Nach seiner Ausbildung war er wie wir auch Hausarzt. Im Zweiten Weltkrieg wurde er über Kapstadt und Suez in den Nahen Osten versetzt. Er geriet in Gefangenschaft, kam aber wohl frei, weil er sich auch um die Gesundheit der Zivilbevölkerung und der Mitgefangenen sorgte.

Bald war Tim wieder im Krieg auf dem Kontinent und gehörte zur ersten Sanitätsgruppe, die das KZ Bergen-Belsen betrat. Es widerstrebte ihm immer, über das dort Gesehene zu sprechen, aber er erinnerte sich daran, wie er dort eine Blume pflückte und sie als Symbol der Hoffnung empfand.

Später war Tim der Präsident der Abteilung für Chirurgie der ‚Royal Society of Medicine‘, Präsident der ‚Association of Surgeons‘ und Mitglied des Prüfungsgerichts. Eigentlich gibt es da Parallelen. Auch ich bin in meiner Gesellschaft für Sportmedizin im Landesvorstand und ebenso Mitglied der Prüfungskommission für Sportmedizin der Ärztekammer Westfalen.

Tim war wohl ein geschickter Fischer und ein versierter Künstler in Öl und Aquarell. Aber ich esse keinen Fisch und könnte auch kein Tier töten. Naja, malen konnte ich auch nie. Dafür fotografierte ich gerne.

Könnt ihr nun verstehen, warum der Wagen mir so Nahe ist mit der Geschichte und auch dem gleichen Jahrgang wie mein Vater?

Im Dezember 1972 wurde der Blaue in der Motor Sport inseriert mit den Worten `1934 Singer Sports. Part restored. Complete and many spares.´ Dann eine Adresse mit Telefonnummer in Leicester.“

Brian hat den dann gekauft und restauriert über mehrere Jahre.

Als Brian das Auto besichtigte, war er erstaunt, dass es bis auf das Fahrgestell in Einzelteilen auf einer Fläche von 20 x 20 Fuß verteilt war. Der Besitzer, der das Auto restaurieren wollte, hatte das Auto komplett zerlegt und als er das Ergebnis seiner Bemühungen sah, gab er sofort auf und bot es zum Verkauf an.

Dieser Anblick schreckte Brian jedoch nicht ab. Er brauchte dann aber über drei Jahre, um das Auto zu restaurieren, in mehr als 3000 Stunden bis zur MOT, dem ‚Ministry of Transport Test‘, der Hauptuntersuchung hier entsprechend.

Aber als er das Auto zum ersten MOT brachte, kam es zu einer Katastrophe. Denn nur 100 Meter von seinem Haus entfernt blieb der Motor stehen. Der Motorumbau und die Verchromung waren die einzigen Teile, die von externen Firmen restauriert wurden. Alles andere wurde von Brian selbst restauriert, Teppiche und Sitzbezüge wurden mit einer sehr alten Handnähmaschine aufgearbeitet. Keine Ahnung, ob Brian das mit einer Singer-Nähmaschine machte, mit dessen Hersteller der Autohersteller nichts zu tun hat. Der blaue Lack wurde im Garten Stück für Stück aufgesprüht. Dann war im Garten alles blau sogar die Rosenbäume.

Die ganze harte Arbeit von Brian wurde bei seinem ersten Auftritt im Jahr 1976 mit dem ersten von vielen weiteren Concours-Siegen belohnt. Nachdem der Motor einen großen Schaden hatte und Brian den Singer drei Jahre nicht fahren konnte bis zur Reparatur, gab es einen Fernsehbeitrag über den Singer anlässlich des `1984 Rootes Day´ in Coventry. Da feierte der Blaue seinen 50. Jahrestag. Im Dezember 1988 erschien eine ausführliche Titelstory in der Zweiten Ausgabe im ersten Jahrgang von `Old Car´.

Brians Sohn David hat den Blauen 2012/2013 einer erneuten kleinen Restauration unterzogen. Dabei musste er dann endgültig den Motor ersetzen durch einen wieder aufgearbeiteten. Diesen kaufte er damals zwei Brüdern ab, die er aus dem Singer Owners Club kannte und die Motoren aufarbeiteten und sogar Rennmotoren nach altem Vorbild neu bauten und auch wohl selbst damit Rennen in historischen Fahrzeugen fuhren.

David ist interessanterweise Professor für Medizindesign und wollte für seinen Sohn einen ‚Chevrolet Camaro‘ kaufen und hat sich darum von dem Singer am 7. Januar 2017 getrennt. Alan Bell hat ihn für mich geholt auf einem Trailer.

Somit kam der Blaue ursprünglich von London auf weiteren Umwegen vermutlich dann rund 100 Meilen in den Norden Englands und dann erneut weitere gut 100 Meilen weiter nach Norden bis York, um dann an allen Orten vorbei nach Oelde in Westfalen zu kommen. Und jetzt sind wir auf dem Weg nach Ludwigsburg, um Phil zu treffen, der wie Tim in Heidelberg studiert hat. Der Kreis schließt sich irgendwie und das Geschichtsbuch für heute auch. Wir müssen nämlich noch ein ziemliches Stück fahren.“

Die vier Freunde verabschiedeten sich sehr herzlich voneinander und gelobten, sich jetzt früher wieder zu sehen außer dem noch anstehenden ‚geschäftlichen‘ Meeting in Winterberg. Und eine Idee hierzu hatte Claudia auch schon: Das Nationale Automuseum ‚The Loh Collection‘, rund 30 km von Siegen als Lockmittel für Joe und J.B.

So fuhr das Gespann weiter Richtung Süden. Sie kamen gut durch und brauchten dennoch gut fünf Stunden für die nächsten 300 km. Sie sprachen auch nicht viel. Beide waren in Gedanken versunken. Nur an der Autobahnabfahrt Ober-Mörlen verspürte Joe eine erneute Sehnsucht, von der Autobahn abzufahren, denn im Taunus lebte seine liebe Patin Doro mit ihrem Mann. Dort, wo er als Zweijähriger das Erlebnis mit dem Feuerwehr-Transit hatte. Er war etwas wehmütig noch bis Frankfurt, was aber J.B. nicht merkte, da sie bereits wieder ruhig schlief in dem Wrangler. Und J.B. sollte auch erst wieder aufwachen, als sie in Marbach bereits am Neckar entlang gefahren sind und von der Schillerstraße in Richtung Kirchenweinberg fuhren.

„Bob hätte jetzt Teatime“, wusste J.B. als sie auf ihre Uhr blinzelte. „Und vor genau 100 Jahren starteten tollkühne Männer zum ersten ‚24-Stunden-Rennen von Le Mans‘“, antwortete Joe und dachte auch an die Geschichte der Singer-Sportwagen eine Dekade später.

Über enge gewundene kleine Straßen ging es hinauf zu Phil’s Haus. „Da steht ein Rallye-Peugeot. Davon hat Phil mal erzählt, dass Marion so einen fährt. Ich glaube wir sind richtig. Genauso idyllisch habe ich es mir vorgestellt. Ohje, jetzt muss ich noch zum Klingeln die hohe Treppe hinauf? Ich hupe lieber ganz frech.“

MARBACH am Neckar, (M.A.). Marion hat ein Hupen auf der Straße gehört: „Alterle, guck´ doch mal. Ich muss nach Peter-Paul schauen, der ist so unruhig.“

Phil geht ans Fenster und ruft: „Ein Jeep mit einem Anhänger blockiert den Verkehr und die hinten dran fangen auch schon an zu hupen. Ich renne schnell runter.“

Er erkennt natürlich Joe von weitem, winkt ihm zu mit Gesten zu `gleich´, und den Ungeduldigen vor und hinter dem Gespann mit abwiegelnden Gesten. Und bei sich denkt er: „Seit Jahren gibt es hier mit Baustellen- und Lieferverkehr Engpässe, die zu kurzfristigem Stillstand führen. Jetzt stehen natürlich der Transit und Marions Peugeot auch noch auf der Straße. Warum jetzt plötzlich solche Aufregung?“ Dann geht er zu Joe auf die Fahrerseite und zeigt, wie er auf seinen Stellplatz einparkt, dass man den Trailer mit dem Singer darauf in die Garage bugsieren kann und das Zugfahrzeug davor.

Dann kommt die herzliche Begrüßung. Phil hat ja J.B. vorher noch nie gesehen und fragt, ob er sie umarmen darf. Er durfte und tat mit den Worten „Ich glaube, Joe hat Sie verdient.“

Sie steigen die Treppen hoch – das Haus steht an einem nicht sehr flachen Hang und der Eingang ist von der Straße abgewandt.

Phil öffnet die Tür und sie werden vom Duft frisch gefüllter Windeln empfangen.

Marion ruft aus dem Schlafzimmer „Komme gleich und Entschuldigung, war gerade fällig. Wir lüften dann gleich. Phil frage nach Kaffee oder Tee. Gebäck habe ich schon bereitgestellt, Lactosefrei.“ Joe wählt aus dem Tee-Sortiment einen passenden aus und während der Tee zieht, führt Phil die Gäste durch das Haus und dann auf den Balkon, von wo man weite Teile von Marbach überblicken kann.

Er zeigt nach Westen: „Der spitz zulaufende Turm gehört zu Alexanderkirche, spätgotisch mit einem außerordentlichen Kreuzrippengewölbe. Weiter links, wenn ihr an der Birke von gegenüber vorbeischaut, könnt ihr Teile der Altstadt sehen, der Turm am Ostende ist das Wahrzeichen von Marbach steht über dem Osttor. Die Ummauerung der Stadt aus dem 11. und 12. Jahrhundert ist noch fast vollständig erhalten. Nur unterhalb des Torturms fehlt ein Stück.

Aus gutem Grund sind wir eine Station der deutschen Fachwerkstraße. Am Hang uns gegenüber die Bebauung stammt zum größten Teil aus der Jahrhundertwende und alles Richtung Osten sind Siedlungen aus der Nachkriegszeit. Bevor ihr wieder wegfahrt, also am Montag, falls ihr länger bleiben wollt, mache ich eine Stadtführung, vorbei an allen Museen von bedeutenden Marbachern.“

J.B. fragt nach: „Ich kenne nur einen, den Schiller. Das Schillermuseum und das Deutsche Literaturarchiv sind natürlich bekannt. Aber was sonst?“

Phil: „Natürlich ist in der Altstadt Schillers Geburtshaus. Aber erst vor gar nicht allzu langer Zeit ist entdeckt worden, dass in der Gasse unterhalb des Torturms in einem gut erhaltenen kleinen Fachwerkhaus vor genau 300 Jahren der Kartograph, Astronom und Mathematiker Tobias Mayer geboren wurde. Der hat die erste Mondkarte erstellt und sehr exakte Messungen des Sternenhimmels gemacht, was für die Nautik von größter Bedeutung war.“

Joe meldet sich: „Ach so passt das: J.B., es gibt doch jedes Jahr die Tobias-Mayer-Oldtimer-Rallye. Im Herbst! Müssen wir im Kalender fett eintragen.“

Phil gleich dazu: „Na klar. Hätte ich schon viel früher draufkommen können. Ja, und fast daneben steht ein dem Maler Genkinger gewidmetes Kunsthaus. Der ist zwar nicht hier geboren, hat aber einen wesentlich Teil seiner Schaffenszeit hier gewirkt, hauptsächlich im Ortsteil Rielingshausen. Und im Turm oben gibt es noch ein kleines Stadtmuseum in den Räumen, wo noch bis in die fünfziger Jahre eine Türmerin gewohnt hat.“

Marion kommt mit Peter-Paul auf dem Arm aus dem Wohnzimmer: „So jetzt ist aber wirklich Tea-Time.“

J.B. sieht das kleine Bündel Mensch: „Nein, erst müssen wir das Baby bewundern!“, was Phil so kommentiert: „Müsst ihr unbedingt. Alle Eltern behaupten, ihr Baby sei das schönste auf der Welt. Aber bei uns stimmt das!“

J.B. schaut bewundernd das kleine Wesen an: „Ach, diese kleinen Fingerchen und die Flaumhärchen, die er schon hat“, während Joe eher prüfend blickt und sich nach Geburtsgröße und -gewicht, Geburtsbefunden, Appetit und Verdauung, Bewegungsverhalten und noch mehr erkundigt.

Phil antwortet geduldig und sagt: „Wir haben, was ja in dieser Zeit nicht so einfach ist, problemlos einen Kinderarzt und eine Haushebamme gefunden. Wir sind mit beiden sehr zufrieden und die mit unserem Peter-Paul.“

Bei Tee und Gebäck besprechen sie den Ablauf des morgigen Tages. Marion lädt die Gäste zum Frühstück ein, auch gerne sehr früh, weil der Kleine sich meldet „wenn fast noch Nacht ist.“

Joe erklärt gleich: „Das passt gut, wir müssen auch früh raus. Bobs Schrauber hat einen Doppel-Job hier, eigentlich sogar einen dreifachen. Er holt den Roten Singer ab. Die zentrale Spurensicherung hat sich an den ‚Singer-Owners-Club‘ gewendet, die Untersuchung sei abgeschlossen. Beim Club ist Eddy bestens bekannt, weil er viel über diese Autos weiß und sie repariert. Und sie haben die Adressen vermittelt. Der holt heute noch den Roten ab mit dem Auftrag, ihn gleich zur Ausstellung bringen.

Morgen ganz früh holt er unseren Alten hier ab, und dann macht er auf der Ausstellung den Nachtwächter. Am Montag holen wir den Singer selbst ab, weil dann keine Wache mehr dort ist. Deshalb überlegen wir auch, ob wir dein Angebot mit Stadtführung wirklich annehmen sollen. Könnten wir doch im Herbst anlässlich der Tobias-Mayer-Rallye machen.“

Marion hat kopfschüttelnd zugehört und meint, da hätten die Kriminaltechniker in Stuttgart aber einen großen Umstand gemacht. „Die hätten einfach unser Dezernat, heißt ja jetzt `Bereich´, informiert, Telefon reicht, und unsere gute Fee Verwaltungsassistentin hätte das geregelt, dass das Auto zur Besitzerin oder auch in den Schlosshof gebracht wird zur Ausstellung. Wir haben da Vertragsunternehmen. Naja, jetzt verdient der Eddy, oder wie er heißt, ein paar Euro mehr, wenn er schon hier ist.“

Phil hat dann vorgeschlagen: „Ich lotse Euch zur kleinen Pension in der idyllischen Holdergasse in einem alten Weingärtner-Häuschen. Schlüssel habe ich heute Nachmittag schon geholt. Es gibt sogar einen ausreichend großen Parkplatz in der Nähe, von Privat zur Verfügung gestellt von Anwohnern, die über Pfingsten verreist sind. Sonst wäre in den engen Gassen dort keine Chance. Ihr entspannt Euch und derweil kümmern wir uns um das Abendessen. Am besten kommt Ihr dann zu Fuß zurück. Der Weg ist ja nicht sehr kompliziert: von den Gassen runter und hinter der S-Bahn-Unterführung wieder rauf.“

Phil wusste noch vom gemeinsamen Essen in Paderborn anlässlich der Absprachen für das Symposium, was Joe bevorzugte, und hatte entsprechend eingekauft. Peter-Paul war im Kinderwagen mitten in der Küche gestanden und hat zugeschaut und zugehört wie Marion und Phil gekocht und sich unterhalten haben. Nach Phils Verständnis war es für Peter-Paul wichtig, dabei zu sein, Stimmen und Geschirrklappern zu hören und die Gespräche „abzuhören“ (Nein! Er wollte nicht, dass der später Geheimagent wird. Zuhören können sollte er später mal. Wenn Marion seine Gedanken gehört hätte, dann hätte sie gelächelt und gesagt: ‚Naja. So ist Phil halt‘.)

Es ist alles fertig geworden, bis J.B. und Joe klingeln. Jetzt sitzen sie bei Speisen und Gesprächen beieinander und tauschen ihre Lebensgeschichten aus. J.B. erfährt von Phil einiges über ihren Joe aus der Zeit seiner Dissertation, Marion von Joe aus der Zeit von Phil als Hochschullehrer.

Die angeregte Unterhaltung setzt sich bei Marbacher Weinen und alkoholfreier ‚Leeze‘ fort, bis Marion mahnt: „Wir haben abgesprochen: morgen früh raus. Ich durfte ja als säugende Mutter am Wein nur nippen. Ich bringe unsere Gäste mit dem Transit zur Gästepension. Morgen nach dem Frühstück fahren sie los und wir kommen später nach.“

27. MAI 2023 (SAMSTAG)

LUDWIGSBURG (J.H.). „Die Sonne scheint angenehm warm zu dieser honorigen Veranstaltung“, dachte Joe auf dem Weg zum Ludwigsburger Schloss, den er zusammen mit J.B. und gemeinsam mit einem Schwarm lächelnder Menschen mit Interesse an schöner Klassik und klassisch Schönem antrat.

Phil war schon bei seinem Orchester, um ihnen die Umkleide- und Einspiel-Räume zwischen Ordenskapelle und Ordenssaal zu zeigen. Dann kontrollierte er den Bühnenaufbau auf der Treppe vor dem Ordensbau und besprach noch einmal mit dem Veranstalter den Ablauf und bat, dass jemand die Musikerinnen und Musiker abholt, wenn die Eröffnungsworte vor ihrem Auftritt gesprochen werden und sie innen durch die Räumlichkeiten zur Bühne führt.

Joe las jetzt erst in der Broschüre, die ihm eine Dame in passendem Kostüm entgegenhielt, welche Auswahl an Fahrzeugen sie erwarteten. Und so waren die beiden Oldtimerliebhaber ziemlich überwältigt, als sie das Schlosstor passierten und im Innenhof diese Menge und Diversität an wunderschönen Fahrzeugen sahen. Sie gingen die Runde nach links gehend im Uhrzeigersinn, da dort auch ihr blauer Singer aufgestellt stand und am Ende der Runde dann das Orchester auf sie wartete. Von dort hörte man schon einzelne Töne, als ob die Instrumente gestimmt würden. Ansonsten vernahm man nur leise Gespräche wie in einer Kirche mit Andacht.

‚125 ans de Renault‘ war das erste Motto der Veranstaltung und repräsentiert von einem Type NN in rot aus dem Jahre 1924. Das kantige viertürige Fahrzeug in einem dunkelrot mit schwarzen Kotflügeln wirkte sehr antiquiert. Dieser Tourenwagen hatte nur ein überspanntes Stoffdach, ohne dass die Insassen durch Fensterscheiben in den Türen geschützt waren. Vorne lief das Auto spitz zu und bekam so den Spitznamen Torpedo. Aber Joe fand den interessant. Daneben stand ein R4 in einem Zustand, wie ihn Joe in seiner Kindheit selbst nie gesehen hat. Seine Tante fuhr mal einen in seiner Lieblingsfarbe gelb und selbst damals bekam der schon Rostansätze. Schön, dass auch solche Fahrzeuge mit Liebe und Arbeit auf der Straße gehalten wurden.

‚Safety Fast! 100 Years of MG‘ war das nächste Motto, das ein Highlight für Joe war. Leider wurde hier kein Sport Saloon ausgestellt, die ja so selten waren und wie ihn Joe daheim in der Halle stehen hat. Aber typisch für die Marke waren ja die kleinen Roadster. Und so entdeckte er dort zuerst einen MG TD in schwarz mit roten Kotflügeln aus 1953 und einen MGA aus 1962 in einem strahlenden Rot. „Oh, sieh mal, J.B. der TD ist so ähnlich wie der von Nikolaus, der mich 2016 zum Oldtimerverrückten machte. So einen würde ich auch noch mal gerne haben für eine Rallye in Oelde. Und da kann ich mich dann so reingleiten lassen wie in einen Frosch. Denn in einen MG PA wie diesen hier, da passe ich niemals rein, oder?“

Der MG PA aus 1934 stand direkt neben seinem blauen Singer. Denn dort gehörte er historisch auch hin. 1934 sind die beiden Typen in Le Mans gegeneinander in einer Klasse angetreten. Und zur Freude der Singer-Leute, hat der grüne Singer mit der Nummer ‚48‘ den MG PA mit der Nummer ‚52‘ damals um eine Runde mehr geschlagen.

Joe hatte einen PA noch nie aus der Nähe gesehen und betrachtete den Wagen jetzt genauer. Ähnlich wie er sich den blauen Transit in Sennelager angeschaut hatte. Nur ohne die Bewegungen mit den Händen um das Auto, wie der TV-Ermittler Monk, deren ständige Wiederholungen auf ‚ZDFneo‘ Joe meist zufällig sah, nachdem er mittags die Bundespressekonferenzen in der Corona-Zeit aufmerksam verfolgt hatte.

Und da standen sie auch schon an dem Stand zur Erinnerung an ‚100 ans 24 Heures du Mans‘. Nur drei Fahrzeuge repräsentierten das Ereignis: sein blauer Singer, der grüne ‚Singer Nine Le Mans‘ von Eddy McGinther und der rote ‚Singer 1½ litre Le Mans‘, der 1934 mit der Startnummer ‚26‘ neben dem Klassensieg den siebten Gesamtrang erreicht hatte. Eigentlich ein schönes Trio.

„Die Le-Mans-Fahrzeuge aus dem Raum Baden-Württemberg stehen im Technikmuseum Sinsheim auf der Ausstellung ‚Einhundert Jahre 24h von Le Mans‘“, wusste ein breitschultriger Typ mit Pferdeschwanz und teilte sein Wissen mit einem älteren Herrn, der etwas griesgrämig blickend den ‚Blauen‘ in Augenschein nahm.

„Komm, lass uns weitergehen“, zog J.B. an Joe’s Arm. „Ich will nicht wieder mit dem zusammen stoßen. Noch hat er uns nicht erkannt.“ J.B. hatte nicht vergessen, wie der Typ fuchtig wurde, als Dexter auf einer Wiese am ‚Lenkwerk‘ in Bielefeld sein Geschäft verrichtete. Der soll sich vom Acker machen und ja nicht unseren ‚Schorsch‘ anfassen. Joe war froh, dass sie weitergingen und J.B. sich nicht mehr umsah, als der Typ einen Blick in den Motorraum seines Singers warf.

„Jetzt müsste ‚Fusel‘ hier sein“, freute sich J.B. als sie eine alte Ente erblickte. Nein, keine Wackelente oder Ente aus dem Schlossteich, sondern auf dem Schild stand ‚75 Jahre Citröen 2 CV‘.

Joe lachte laut, dass einige zu ihnen herüber blickten. „Mein großer Cousin Martinus ist zwar auch Jäger und ging mal zur Entenjagd, aber er will seinen Porsche 924S verkaufen und sich einen Renault R4 holen. Du hast schon Recht, die beiden verbinde ich auch noch. Die sind ja in der Art auch des schnellen Rostens sehr verwandt. Wenn man sich überlegt, dass der erst belächelt wurde und dann eines der bekanntesten Automodelle Frankreichs wurde.“ Neben einem mausgrauen Modell aus 1956 mit Faltdach standen eine schwarze Ente mit roten Türen und Motorhaube vom Typ ‚Charleston‘ und eine seltene ‚Sahara‘-Ente mit Allrad aus zwei Motoren und mit einem Ersatzrad auf der Motorhaube so wie der Landrover der in der Ecke an der großen Treppe stand und dem Abschleppkran auf der Fläche. Hierfür interessierte sich Joe ebenfalls.

„Guck mal, J.B.“, sagte Joe und zeigte auf die nächsten Fahrzeuge auf der anderen Seite des riesigen Schlossplatzes unter dem Motto ‚70 Years Corvette‘. Hier ist deine Heimat vertreten. Joe war immer noch der Ansicht, dass J.B. lieber Muscle Cars mochte und Corvettes als kleine Engländer. Und da standen vier Generationen aus Kunststoff nebeneinander. Eine schneeweiße Corvette C1 aus dem Jahre 1953, die neben den anderen drei recht mickrig wirkte. „Ich glaube, die hat noch keinen V8-Motor. Aber ich kenne mich zu wenig mit den Ami-Schlitten aus.“

Als nächstes Modell folgte eine Corvette C2, die unter dem Namen ‚Sting Ray‘, also ‚Stachelrochen‘ bekannt wurde. Dieser war ein gelbes Coupé hier in Ludwigsburg. Joe hatte den geschlossen noch nie gesehen und hielt den für enger als einen ‚Frogeye‘. Aber das war jetzt weniger objektiv betrachtet durch eine britische rosa Brille, wie sie Elton John manchmal trug. „Oh, sowas ist schon eher was für mich“, frohlockte J.B. als sie den roten erblickte.

Wegen drastischer Vorschriften in Amerika wurden derzeit die Cabriolets nicht mehr zugelassen. Darum baute auch Porsche die ‚Targas‘ und die Corvette C3 hatte ein herausnehmbares T-Top.

Einen auf gute sieben Liter aufgebohrten Motor fand Joe nicht umweltgerecht und er mochte auch das Blubbern amerikanischer Fahrzeuge weniger. So liebte er als Kind den Ford Mustang, aber als er in Beelen beim Oldtimertreffen am ‚Kabelwerk KW64‘ erstmals einen Mustang hörte, vergötterte er das erwachsene Motorengeräusch des kleinen ‚Austin Healey Sprite‘ und seines ‚Singer Nine Sports 4-seater‘ umso mehr.

„Schau mal, stellen die hier auch Neuwagen aus?“, fragte Joe, als er die achte Generation als letzte in der Reihe erblickte. „Uih, der hat ja einen Mittelmotor.“

‚60 anni Automobili Ferruccio Lamborghini‘ war das folgende Motto und so stand da vor ihnen ein silberner 350 GT aus dem Jahre 1964. Der Trekkerkönig Ferruccio Lamborghini hatte damals wohl aus Ärger über Ferrari diesen ersten Serien-Lamborghini gebaut. Der Vorgänger war ein 350 GTV, der 1963 auf dem Turiner Salon vorgestellt.

Aber Joe kannte sich mit Italienern nicht so aus und fand sie auch nur schön, aber sein Interesse lag bekanntlich bei den britischen Diven. Die ebenso zickig sein konnten, aber einfach simpler in ihrer Art. Und er mochte klare Linien und Direktheit. Das war der Westfale in ihm. Er wollte eben ein Reitpferd und kein Zirkuspferd.

In der Reihe weiter stand ein Mercedes-Benz W113 230 SL mit dem Spitznamen ‚Pagode‘, der Nachfolger des ‚Nitribitt‘, der seinen 60jährigen Geburtstag feierte. Joe mochte als Junge gerne die Fahrzeuge mit dem großen Mercedesstern im Grill. Und dazu gehörte eben diese Pagode, aber auch der Vorgänger 190 SL und der ‚Hart-aber-Herzlich‘-Mercedes, den er immer praktisch fand auch mit dem Hardtop, bis ein Urologen-Kollege ihm sagte, dass der ihm zu klein sei. Als er bei seiner Werkstatt die Gelegenheit hatte, sich in einen zu setzen, sagte er leise ‚Heureka‘ und dachte an das Raumwunder, das hinter dem Feuerwehrwagen vom Karussell gefallen sein sollte.

Man merkte jetzt sehr präsent, in welchem Hoheitsgebiet man gerade war, nur 8 km Luftlinie entfernt vom Porschemuseum. Dort standen sämtliche Generationen des 356er und 911er, sowie die schnellsten wassergekühlten in Transaxle-Bauweise.

J.B. mochte das rote 356er Coupé am liebsten, das hier in einer Halterung alte hölzerne Skier trug. Die Farbenpracht aber auch die Ähnlichkeit verwirrte den Betrachter so wie sie den Kenner begeisterte. Auch Joe mochte Porsche in allen Variationen. Aber auch hier bevorzugte er die alten.

Jetzt erinnerte er sich an den Nachbarn ‚Bennat‘, der einen alten Porsche 911 T mit der Erstzulassung aus 1971 hatte. Dieser hatte mehrere Fahrzeuge, die jetzt beliebte Oldtimer wären. Einen VW Käfer, einen BMW 02 und eben diesen Porsche und alle Autos in einem hellen Rot. Wohl deshalb, da er damals Vertreter einer Bausparkasse war, die Namensgeber dieser Farben hätte sein können und deren Stammsitz noch heute an einem Ort unweit des aktuellen Geschehens ist.

Dann kam zunächst ein kleiner Stand des ältesten deutschen Oldtimerclubs ‚Allgemeiner Schnauferl Club (ASC)‘, der sich und seine Aktivitäten vorstellte. Phil ließ sich gerne einen Prospekt mit einem Mitgliedsantrag geben und unterhielt sich mit einem Vertreter des Vorstands. Das Gespräch kam dann auf die Zukunft der Oldtimerei als der Gesprächspartner dann auf den Nachbarstand verwies.

Joe traute seinen Augen kaum, was hier einen Stellplatz erhalten hatte. Dort standen schöne Jaguars, ein Mk. 2 aus 1960 in edlem ‚Golden Sand Metallic‘ und daneben ein E-Type Serie 2 als ungeliebter 2+2 aus 1969 in strahlendem ‚Opalescent Silver Grey‘. Beide mit Bielefelder Kennzeichen und ebendiese hatte er schon mal in Bielefeld am ‚Lenkwerk‘ gesehen.

Aber erst jetzt sah er, was der Vertreter der ältesten Oldtimer-Zunft meinte. Die Kennzeichen endeten nicht auf ‚H‘ wie ‚historisch‘, sondern auf ‚E‘ wie ‚elektrisch.‘

„Die Verbrecher haben doch tatsächlich die schönen Reihen-Sechszylinder-Motoren mit 3,8 Liter und 4,3 Liter ausgebaut und durch E-Motoren und Akkus ersetzt“, konnte sich Joe kaum beherrschen.

Schon als Prinz Harry mit seiner Meghan in einem Jaguar E-Type mit E-Motor nach deren Hochzeit zur Ausfahrt startete, konnte Joe nicht glauben, dass Jaguars Classic-Car-Abteilung diese blaue offene Schönheit auf Elektroantrieb umgebaut hatte.

Das ‚Concept Zero‘ genannte Projekt war der gescheiterte Start eines Auftakts für weitere Umbauten automobiler Sammlerstücke, also eher eine ‚Nullnummer‘. Wie gut, dass potentielle Käufer fortblieben und Jaguar weitere diesbezügliche Pläne zunächst auf Eis legte. Das sollten jetzt andere ‚Verbrecher‘ übernehmen? Wie sehr Recht Joe mit seinen Gedanken hatte, ahnte sonst niemand hier.

„Pssst, jetzt scheint das Orchester aufzutreten. Der Veranstalter steht am Mikrofon und hinten an der Treppe stehen die Orchestermitglieder mit ihren Instrumenten. Sind ja nur vier Celli. Und Phil guckt so konzentriert, wie sonst nur wenn er meine Dissertation gelesen hat.“

Der 1. Vorsitzende des RCC-Fördervereins begrüßt die Besuchenden und freut sich über den so regen Besuch. "Steigen wir feierlich ein in die Kultur der Fahrzeug-Klassik mit klassischer Musik, präsentiert von einem Cello-Quartett der Sinfoniker für Marbach mit dem mehrfach preisgekrönten Nema Raduloff, seiner Frau Paula, Elvira Kohlhammer und Belinda Nöther. Nach Mendelssohn-Bartholdys Notturno aus ‚Ein Sommernachtstraum - arrangiert für 4 Celli‘ wird der Oberbürgermeister (OB) der Stadt Ludwigsburg, Herr Matthias Knecht Grußworte an Sie richten. Und ein anschließendes Duo für 2 Celli und obligate Augengläser, von Beethoven eigentlich geschrieben für Bratsche, wird Ihre Blicke schärfen, wenn sie all die schönen Autos inspizieren. Beifall für das Quartett!"

Unter Beifall nehmen die Vier Platz, und es gelingt ihnen tatsächlich, nach mächtigen Auftakten die Aufmerksamkeit auf die Musik zu lenken und Heiterkeit zu verbreiten.

Dann, als der OB, der über alles reden wollte nur nicht über 3 Minuten, nach 4 Minuten das Cello-Duo aufrief, gibt es Gelächter, als Paula und Nema die Bühne betreten. Die haben schnell ihre Konzertkleidung gegen Barockkostüme getauscht, übergroße Nickelbrillen aufgesetzt, sich verbeugt und umständlich die ausladenden Kostüme zurechtgerückt, um sich setzen zu können.

Auch mit diesem Stück gelingt es ihnen, Heiterkeit und gute Laune zu verbreiten.

(J.H.). Der Beifall war noch nicht ganz verklungen, da blickte Joe auf seine Automatikuhr und sagte leise zu J.B.: "Vor genau 100 Jahren endete in diesem Moment das erste 24-Stunden-Rennen in Le Mans. Da beklatschten die Zuschauer einen ‚Chenard & Walcker Sport‘ in einem schönen kräftigen Blau wie das unseres ‚Schorsch‘. Nun lass uns rasch nochmals eine Runde über den Platz gehen, bevor die Menge hier sich ebenso aufmacht und es dort ebenso voll wird.“ Joe und J.B. mochten beide keine Menschenansammlungen. Und schöne Fotos von den Oldtimern ließen sich dann auch nicht mehr machen.

(M.A.). Als J.B. und Joe nach der offiziellen Eröffnungszeremonie auf ihrer zweiten Runde durch die Ausstellung bei den drei Singer-Autos angekommen waren, hat es für Sie eine Überraschung gegeben, denn da standen:

Bob – mal nicht im Blaumann und mit Sicherheitsschuhen, sondern im Minirock und flippiger Bluse, was die muskulös und doch feminin-erotische Figur betonte ohne aufdringlich zu wirken –,

Phil und Marion mit Kinderwagen, zusammen mit

einer elegant-locker mit einem dezent farbigen Hosenanzug gekleideten schlanken Frau.

Die unterhielten sich angeregt.

Joe hat der Gruppe überrascht zugerufen: „Hallo Phil und Bob! Habt Ihr das bei der Übergabe des Transit angesprochene Treffen wahrgemacht?“