Adam Bede - George Eliot - E-Book

Adam Bede E-Book

George Eliot

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Beschreibung

Dieses eBook: "Adam Bede" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. George Eliot, eigentlich Mary Anne Evans, (1819-1880) war eine englische Schriftstellerin, Übersetzerin und Journalistin, die zu den erfolgreichsten Autoren des viktorianischen Zeitalters zählt. Romane wie Middlemarch und Die Mühle am Floss gehören zu den Klassikern der englischen Literatur. 1859 veröffentlichte George Eliot ihren ersten Roman Adam Bede, der zum Bestseller wurde. Wie in ihren Kurzgeschichten porträtierte sie auch hier Charaktere, die sie aus dem ländlichen Leben ihrer Jugend in Warwickshire kannte. Schon vor der Veröffentlichung ihres nächsten Romans wurde bekannt, wer sich hinter dem Pseudonym verbarg. Ihr Werk war sehr erfolgreich und hatte beträchtlichen Einfluss auf die englische Literatur. Immer wieder griff sie in den späteren Arbeiten philosophische und sozialpolitische Probleme auf. Aus dem Buch: "Nein, Adam, nein; Ihr werdet gewiß gern hier bleiben und versuchen, was für sie geschehen kann, statt nutzlos auf Rache auszugehen. Die Strafe trifft ihn doch, auch ohne Euch. Übrigens ist er nicht mehr in Irland; er muß schon auf dem Wege hierher sein, oder wenigstens wird er es sein, lange ehe Ihr zu ihm kämet; schon vor zehn Tagen, das weiß ich bestimmt, hat ihm sein Großvater geschrieben, er möchte kommen. Jetzt müßt Ihr mit mir nach Stoniton. Ich habe schon ein Pferd für Euch bestellt und sobald Ihr Euch etwas gefaßt habt, wollen wir fortreiten."

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George Eliot

Adam Bede

Deutsche Ausgabe - Band 1&2
Übersetzer: Julius Frese
e-artnow, 2015 Kontakt: [email protected]
ISBN 978-80-268-4520-1

Inhaltsverzeichnis

Erster Band
Vorwort
Erstes Buch
Erster Abschnitt: Die Werkstatt
Zweiter Abschnitt: Die Predigt
Dritter Abschnitt: Nach der Predigt
Vierter Abschnitt: Zu Hause und häusliche Sorgen
Fünfter Abschnitt: Der Rektor
Sechster Abschnitt: Der Pachthof
Siebenter Abschnitt: Die Milchkammer
Achter Abschnitt: Der Ruf des Herrn
Neunter Abschnitt: Hettys kleine Welt
Zehnter Abschnitt: Dina besucht Lisbeth
Elfter Abschnitt: In der Hütte
Zwölfter Abschnitt: Im Wäldchen
Dreizehnter Abschnitt: Abend im Wäldchen
Vierzehnter Abschnitt: Die Heimkehr
Fünfzehnter Abschnitt: Die beiden Schlafkammern
Sechzehnter Abschnitt: Fesseln
Zweites Buch
Siebzehnter Abschnitt: Die Geschichte steht ein wenig stille
Achtzehnter Abschnitt: Ein Sonntag
Neunzehnter Abschnitt: Adam am Werkeltage
Zwanzigster Abschnitt: Adam macht einen Besuch auf dem Pachthof
Einundzwanzigster Abschnitt: Die Abendschule und der Schulmeister
Drittes Buch
Zweiundzwanzigster Abschnitt: Der Anfang des Festes
Dreiundzwanzigster Abschnitt: Das Festessen
Vierundzwanzigster Abschnitt: Die Gesundheiten
Fünfundzwanzigster Abschnitt: Die Spiele
Sechsundzwanzigster Abschnitt: Der Tanz
Zweiter Band
Viertes Buch
Siebenundzwanzigster Abschnitt: Eine Krisis
Achtundzwanzigster Abschnitt: Entweder – Oder
Neunundzwanzigster Abschnitt: Am Morgen darauf
Dreißigster Abschnitt: Adam übergiebt den Brief
Einunddreißigster Abschnitt: In Hettys Schlafkammer
Zweiunddreißigster Abschnitt: Frau Poyser spricht sich aus
Dreiunddreißigster Abschnitt: Noch mehr Fesseln
Vierunddreißigster Abschnitt: Die Verlobung
Fünfunddreißigster Abschnitt: Die stille Angst
Fünftes Buch
Sechsunddreißigster Abschnitt: Die Reise in Hoffnung
Siebenunddreißigster Abschnitt: Die Reise in Verzweiflung
Achtunddreißigster Abschnitt: Die Nachforschung
Neununddreißigster Abschnitt: Die Schreckenskunde
Vierzigster Abschnitt: Bittere Wasser
Einundvierzigster Abschnitt: Am Abend vor dem Prozeß
Zweiundvierzigster Abschnitt: Der Tag der Entscheidung
Dreiundvierzigster Abschnitt: Der Urteilsspruch
Vierundvierzigster Abschnitt: Arthurs Rückkehr
Fünfundvierzigster Abschnitt: Im Gefängnis
Sechsundvierzigster Abschnitt: Die Stunden banger Erwartung
Siebenundvierzigster Abschnitt: Der letzte Augenblick
Achtundvierzigster Abschnitt: Noch einmal im Wäldchen
Sechstes Buch
Neunundvierzigster Abschnitt: Auf dem Pachthof
Fünfzigster Abschnitt: In Adams Häuschen
Einundfünfzigster Abschnitt: Sonntag Morgen
Zweiundfünfzigster Abschnitt: Adam und Dina
Dreiundfünfzigster Abschnitt: Das Erntebier
Vierundfünfzigster Abschnitt: Das Wiedersehen auf dem Hügel
Fünfundfünfzigster Abschnitt: Hochzeitsglocken

Erster Band

Table of Contents

Vorwort

Table of Contents

Der nachstehende Roman hat im Original einen der bedeutendsten Erfolge gehabt, welche die englische Roman-Litteratur in diesem Jahrhundert der Bulwer, Dickens und Thackeray kennt. In dem einen Jahre, seitdem er erschienen, sind sieben Auflagen nötig geworden. Ein solcher Erfolg würde an sich zur Einführung beim deutschen Publikum berechtigen. Der innere Wert stellt diese Berechtigung vollends außer Zweifel.

Wenn nicht die erweiterte Anwendung von Bezeichnungen, die in ihrer Ursprünglichkeit scharf charakteristisch sind und daher nur ein kleines Gebiet umfassen, immer ihre Bedenken hätte, so könnte man versucht sein, diesen Roman eine englische Dorfgeschichte zu nennen. Anlage und Untergrund des darin gezeichneten Gemäldes sind durchaus im Charakter der Dorfgeschichten, und der knappe Rahmen, in welchem es gehalten ist, entspricht demselben ebenfalls. Auf dem Grunde und unter den Bedingungen ländlichen Lebens bewegt sich die Erzählung, nur für einen kurzen Augenblick verläßt die Geschichte das abgelegene Kirchspiel, in welchem sie sich vollzieht, und die Schilderung dörflicher Zustände nimmt einen großen Raum ein. Aber nach Seiten der psychologischen Entwicklung geht der vorliegende Roman so weit über die Art der Dorfgeschichten hinaus, daß diese Bezeichnung nicht als erschöpfend geltend kann und nur in einer Beziehung einen annähernden Maßstab für die richtige Würdigung an die Hand giebt.

Die ländlichen Verhältnisse nämlich, an sich klein und unbedeutend, gewinnen Fülle und Interesse nur durch die genaue Schilderung des einzelnen. In dieser liebevollen Detailmalerei leistet der Roman »Adam Bede« bewunderungswürdiges; an Frische und Durchsichtigkeit der Darstellung braucht er keinen Vergleich zu scheuen; die Scenerie und die Personen stehen in lebensvoller Unmittelbarkeit vor unsern Augen.

Mit gleichem Scharfblick erfaßt das Künstlerauge der Verfasserin – denn es ist das Werk einer Frau, womit wir es zu thun haben – die psychologischen Vorgänge und mit gleicher Wahrheit und Treue stellt sie dieselben dar. In die innerste Werkstatt der Seele blickt sie wie wenige; die kleinen Kunstgriffe, mit denen menschliche Schwäche sich selber täuscht, weiß sie aufzudecken und den Irrgängen genußsüchtiger Eitelkeit nachzugehen; für tüchtigen Menschenverstand und gesunden Humor hat sie den frisch empfänglichsten Sinn und dem Mittelschlag sanfterer Gemüter wird sie gerecht; die harten Kämpfe, in denen ein starker Charakter sich läutert, sind ihr vertraut, und für eine Natur, die ohne Kampf nichts ist als aufopfernde Hingebung, hat sie das liebevollste Verständnis.

Die künstlerische Komposition endlich wird gewiß vor der Strenge unserer ästhetischen Kritik bestehen; die Grundsätze, welche Goethe und Schiller über den Charakter epischer Dichtung und die Bedeutung der retardierenden Momente für dieselbe aufgestellt haben, müssen der Verfasserin von Natur eigen sein oder durch Studium eigen geworden sein; wer ihren Roman mit Beziehung auf dieselben liest, wird die Übereinstimmung ihrer Praxis mit jener Theorie nicht verkennen.

Die Einsicht in diese Vorzüge des Romans, auf die ich hier einleitend aufmerksam mache, ist mir, wie ich hinzufügen muß, erst bei der eingehenden Beschäftigung, die eine Übersetzung mit sich bringt, aufgegangen und hat sich je länger je mehr gesteigert und verstärkt. Mein Lob soll daher niemanden bestechen, nur gegen vorschnelles Urteil abmahnen.

Eine möglichst durchgängige Begleitung des Textes mit erläuternden Anmerkungen habe ich als störend unterlassen. Der Unterschied zwischen der Stellung unserer freien deutschen Bauern und der der Pächter in England tritt in dem Roman selbst klar genug hervor. Das methodistische Element, welches in demselben eine so große Rolle spielt, wird der deutsche Leser zur Erleichterung des Verständnisses als im wesentlichen gleichbedeutend mit Pietismus im guten Sinne auffassen dürfen.

In der Übersetzung hat ein großer Reiz des Originals – der häufige Gebrauch des provinziellen Dialekts (der Grafschaft Northumberland) – verschwinden müssen, weil mit einer entsprechenden Übertragung des Sprachlichen auch die Geschichte selbst in eine deutsche Provinz verlegt wäre. Bei diesem notwendigen Opfer möchte ich andere um so lieber vermieden haben, als uns Deutschen, die wir so viel aus fremden Litteraturen übersetzen, eine Besserung in dieser Beziehung dringend not thut: die schülerhaften, von Unkenntnis des Englischen strotzenden, Form und Geist der eigenen deutschen Sprache mißhandelnden Übersetzungen, von denen die glänzenden Schriften von Dickens, die ergreifenden Schilderungen von Currer Bell und die von feinster Poesie angehauchten Seelengemälde Thackeray's sich haben heimsuchen lassen müssen, sind eben so viele – ich weiß nicht, ob schwerere internationale oder ästhetische Sünden.

Julius Frese.

Erstes Buch

Table of Contents

Erster Abschnitt Die Werkstatt

Table of Contents

Mit einem einzigen Tropfen Tinte als Spiegel macht sich der egyptische Zauberer anheischig, jedem, der hineinguckt, weit entlegene Bilder der Vergangenheit zu zeigen. Dasselbe will ich, Leser, für euch versuchen. Mit diesem Tropfen Tinte in meiner Feder zeige ich euch die geräumige Werkstatt von Meister Jonathan Burge, Zimmermann und Baumeister in dem Dorfe Hayslope, wie sie am 18. Juni im Jahre unseres Herrn 1799 aussah.

Die Nachmittagssonne schien warm herein auf die fünf Arbeitsleute, die an Thüren und Fensterrahmen und Täfelwerk eifrig beschäftigt waren. Der Harzgeruch von einem zeltartigen Haufen tannener Bretter vor der offenen Thür mischte sich mit dem Duft der Hollunderbüsche, die den sommerlichen Schnee ihrer Blüten bis nahe an das offene Fenster der Thür gegenüber streuten; die Sonnenstrahlen schienen schräg herein in die durchsichtigen Hobelspäne, die von dem fleißigen Hobel aufflogen, und beleuchteten deutlich die seinen Masern des eichenen Täfelwerks, welches an der Wand aufgerichtet stand. Auf einem Haufen dieser glatten Hobelspäne hatte sich ein rauhhaariger, grauer Schäferhund behaglich gebettet; die Nase zwischen den Vorderpfoten, zog er gelegentlich die Augenbrauen kraus, um einen Blick auf den größten der fünf Arbeiter zu werfen, der eben das Mittelstück zu einer Vertäfelung ausschnitt und seine Arbeit mit einer starken, tiefen Summe begleitete, welche das Geräusch des Hobelns und Hämmerns übertönte:

»Wach' auf, mein Geist, zu Pflicht und Arbeit auf! Der Sonne gleich thu' deinen Lauf; Die dumpfe Trägheit schüttle ab ...«

Hier mußte er etwas an seiner Arbeit genauer nachmessen und sich daher mehr zusammennehmen, und seine wohlklingende Stimme sank zu einem leisen Pfeifen herab; bald aber brach sie mit erneuter Stärke wieder vor:

In allem, was du thust, sei wahr, Dein Herz wie Mittagssonne klar.

Solch eine Stimme konnte nur aus einer breiten Brust kommen, und die breite Brust war die eines starkknochigen, muskulösen Mannes von fast sechs Fuß, mit einem so geraden Rücken und einem so wohlgesetzten Kopfe darüber, daß, wenn er bei seiner Arbeit sich aufrichtete, um sie besser zu übersehen, er wie ein Soldat außer Reih und Glied aussah. Der bis über den Ellbogen aufgestreifte Ärmel ließ einen Arm sehen, der wohl im Ring- und Faustkampf den Preis gewinnen konnte, aber die lange, feine Hand mit den breiten Fingerspitzen deutete mehr auf friedliche Arbeit. Groß und handfest, machte Adam Bede seinem sächsischen Namen Ehre, aber sein kohlschwarzes Haar, welches gegen die weiße Papiermütze noch besonders scharf abstach, und der scharfe Blick seiner schwarzen Augen, die unter stark gezeichneten, vorspringenden und beweglichen Brauen hervorblickten, verrieten eine Mischung von celtischem Blut. Sein Gesicht war groß und nicht fein geschnitten und hatte im Zustande der Ruhe keine weitere Schönheit, als die eines gutmütigen, ehrlichen, verständigen Ausdrucks.

Der nächste Arbeiter, das erkennt man auf den ersten Blick, ist Adams Bruder. Er ist fast eben so groß, hat denselben Schnitt der Züge, dasselbe Haar, dieselbe Gesichtsfarbe, aber die starke Familienähnlichkeit scheint nur den bedeutenden Unterschied des Ausdrucks in Gestalt und Gesicht noch auffallender zu machen. Seths breite Schultern sind etwas eingefallen, seine Augen sind grau, die Augenbrauen treten weniger hervor und sind ruhiger als die seines Bruders, sein Blick ist nicht scharf, sondern gutmütig und milde. Die Papiermütze hat er abgelegt, und so sieht man, daß sein Haar nicht stark ist und nicht glatt anliegt, wie bei Adam, sondern dünn und gelockt, und die hohe Wölbung des Schädels blickt deutlich hindurch.

Die Tagediebe im Dorfe waren immer sicher, aus Seth ein paar Pfennige herauszubekommen, aber Adam sprachen sie fast nie an.

Das Konzert von dem Geräusch der Arbeit und dem Gesange Adams wurde endlich von Seth unterbrochen, der die Thür, an welcher er fleißig gearbeitet hatte, von seiner Hobelbank nahm, sie an die Wand stellte und sagte: »Da! mit meiner Thür wär' ich also heut fertig.«

Die Arbeiter blickten von ihrer Arbeit auf; Hans Salt, ein dicker, rothaariger Bursch, hielt ein bißchen mit Hobeln inne, und Adam sagte mit einem raschen Blick der Verwunderung zu Seth: »Wie, meinst du, die Thüre wäre fertig?«

»Na gewiß,« sagte Seth, nicht minder verwundert, »was fehlt denn dran?«

Laut schallendes Gelächter von den andern drei Arbeitern war die Antwort, und Seth sah ganz konfus aus den Augen. Adam stimmte nicht in das Lachen ein, aber es spielte doch ein lächelnder Zug um seinen Mund, als er in sanfterem Tone antwortete: »Nun, du hast bloß die Füllung vergessen.«

Von neuem brach das Gelächter aus, als Seth sich vor die Stirn schlug und bis über die Ohren rot wurde.

»Hurrah!« rief der kleine lustige Benjamin, mit Spitznamen Borsten-Ben, und stürzte auf die Thür los: »die Thür wollen wir draußen an der Werkstatt aufhängen und drauf schreiben: »Seth Bede, dem Methodisten, seine Arbeit.« Da, Hans! gieb mal den Farbentopf her.«

»Unsinn!« sagte Adam, »laß das bleiben, Ben; du kannst leicht auch mal so'n Versehen machen und da wird das Lachen dir sauer genug ankommen.«

»Das hat gute Wege, Adam,« erwiderte Ben; »du kannst lange warten, ehe die Methodisten mir so den Kopf verdrehen.«

»Ja freilich, aber das Trinken verdreht ihn dir, und das ist schlimmer.«

Ben hatte aber schon den Farbentopf in der Hand und zog, um seine Inschrift anzufangen, ein großes S durch die Luft.

»Laß das bleiben, sag' ich,« rief Adam aus, legte sein Arbeitszeug hin, ging auf Ben zu und packte ihn bei der rechten Schulter; »laß das bleiben oder ich schüttle dir die Seele aus dem Leibe.«

Unter Adams eisernem Griff bebte der kleine Mann, aber er behielt doch Courage und wollte nicht nachgeben. Mit der linken Hand nahm er den Pinsel aus der rechten, die ihm Adam festhielt, und machte eine Bewegung, als wolle er sich den Triumph der Inschrift so verschaffen. Im Nu aber drehte ihn Adam hemm, packte ihn an der andern Schulter und drängte ihn vor sich her an die Wand. Aber nun legte sich Seth ins Mittel.

»Nicht doch, Adämchen, nicht doch; Ben kann mal das Spotten nicht lassen, und hat er denn nicht ein Recht mich auszulachen? Kann ich's doch selbst kaum helfen!«

»Ich lass ihn nicht los,« sagte Adam, als bis er verspricht, deine Thür in Ruhe zu lassen.«

»Na, denn laß es doch, Ben, mein Junge,« redete ihm Seth zu; »warum sollen wir Streit anfangen über die Thür! du weißt doch, Adam giebt nicht nach; du könntest eben so gut versuchen, mit einem Kärrnerwagen in einem engen Gäßchen zu drehen. Sag' doch nur, daß du die Thür in Ruhe lassen willst, und die Sache ist aus.«

»Ich bin nicht bange vor Adam,« sagte Ben, »aber da du mich drum bittest, Seth, so will ich das Versprechen geben.«

»Das wollt' ich dir auch geraten haben,« meinte Adam lachend und ließ ihn los.

Alle nahmen nun ihre Arbeit wieder auf, aber Borsten-Ben, der eben den Kürzeren gezogen hatte, war entschlossen, sich durch gelungene Spötteleien schadlos zu halten.

»Sag' mal, Seth,« fing er an, »woran hast du eben gedacht, als du die Füllung vergaßest, an der hübschen Methodistin ihr Gesicht oder ihre Predigt?«

»Du solltest mitkommen und sie hören, Ben,« war Seths gutmütige Antwort; »sie predigt heute Abend auf der Gemeindewiese; da bekommst du wohl bessere Dinge zu bedenken als die schlechten Lieder, die dir so im Kopf liegen. Religion könnt'st du da bekommen und einen so guten Verdienst hast du gewiß nie gehabt.«

»Alles zu seiner Zeit, Seth; wenn ich mich mal häuslich niederlasse, will ich's mir überlegen; 'n Junggeselle braucht noch nicht so guten Verdienst. Vielleicht mache ich das Freien und das Frommwerden zusammen ab, so wie – so wie du, Seth; aber, wenn ich mich nun bekehren ließe und dir bei der hübschen Methodistin dazwischen käme und mit ihr durchginge – hm, wie würd' dir das gefallen!?«

»Davor ist mir nicht bange, Ben; sie ist weder für dich noch für mich zu haben, glaub' ich. Komm nur mal erst und hör' sie, dann sprichst du gewiß nicht wieder von ihr so leichtfertig.«

»Na, ich hab's so halb und halb vor, sie mir heut Abend anzusehen, wenn ich im Wirtshaus keine gute Gesellschaft finde. Was wird sie denn für'nen Text nehmen? Du könnt'st mir's wohl sagen, Seth; 's wäre doch möglich, daß ich nicht früh genug käme. Was meinst du? Etwa: »Was seid ihr hinausgekommen zu sehen? eine Prophetin? Wahrlich, ich sage euch, mehr denn eine Prophetin, – ein ungemein hübsches, junges Frauenzimmer.«

»Ben, Ben!« sagte Adam mit ernstem Ton, »willst du die Worte der Schrift in Ruhe lassen? Du gehst da ein bißchen sehr weit.«

»Was? Du machst auch kehrt, Adam? Bisher glaubt' ich immer, du hätt'st mit dem Predigen der Weiber nichts zu schaffen.«

»Von Kehrtmachen ist hier keine Rede und von dem Predigen der Weiber hab' ich nichts gesagt; ich sage nur, du sollst die Bibel in Ruhe lassen. Du hast ja ein lustiges Geschichtenbuch, denke ich, mit dem du dich immer breit machst; das nimm zwischen deine schmutzigen Finger.«

»Nu wahrhaftig, du wirst eben so 'n großer Heiliger wie Seth. Gehst du auch zu der Predigt heut Abend?! Kannst ja schön Vorsingen! Aber, fällt mir ein, was wird wohl unser Pastor Irwine sagen, wenn sein großer Liebling Adam Bede unter die Methodisten geht!«

»Kümmere du dich nicht um meine Sachen, Ben; ich denke nicht daran, Methodist zu werden, ebensowenig wie du, obgleich du wahrscheinlich leider was schlimmeres wirst. Herr Irwine ist viel zu verständig und läßt es die Leute mit der Religion halten, wie sie wollen; das müßten sie mit Gott abmachen, hat er mir oft genug gesagt.«

»Ja, ja; aber die Dissenter liebt er darum doch nicht.«

»Mag sein, ich liebe auch das schwere Bier in unserm Wirtshaus nicht, und dich lasse ich doch ungehindert zum Narren daran werden.«

Dieser Ausfall Adams wurde mit lautem Lachen aufgenommen, aber Seth sagte sehr ernst: »Nein, Bruder, so mußt du nicht sprechen; du mußt keines Menschen Religion mit schwerem Bier vergleichen. Du bist doch überzeugt, daß die Dissenter und die Methodisten im Grunde ebenso den rechten Glauben haben wie die Leute von der Hochkirche.«

»Ganz recht, mein Junge; ich will auch keines Menschen Religion verspotten. Jeder soll nur seinem Gewissen folgen, das ist alles. Nur glaube ich, es wäre besser, wenn ihr Gewissen sie ruhig in der Kirche ließe; da giebt's genug zu lernen. Und dann giebt es noch so'n Ding wie Übertreibung, selbst in geistlichen Dingen; wir haben in dieser Welt noch etwas nötig außer dem Wort Gottes. Sieh dir nur die Kanäle an und die Wasserleitungen und die Maschinen in den Kohlengruben und Arkwrights Mühlen; wer so was machen will, der muß noch etwas anderes lernen, will mich bedünken, als bloß Gottes Wort. Wenn man aber einige von euren Reisepredigern hört, dann sollte man glauben, der Mensch brauche nichts zu thun sein ganzes Lebelang, als die Augen zuzumachen und auf das zu sehen, was in seinem Herzen vorgeht. Gewiß muß der Mensch Liebe zu Gott im Herzen tragen, und die Bibel ist Gottes Wort, das weiß ich. Aber was sagt die Bibel? Sie sagt: Gott habe den Arbeiter, der die Bundeslade baute, mit seinem Geiste erfüllt, so daß er all' die Schnitzereien machen konnte und was sonst eine geschickte Hand erfordert. Und wie ich die Sachen ansehe, so steht's so: Der Geist Gottes ist in allen Dingen und zu allen Zeiten – Werktag so gut wie Sonntag – und in den großen Erfindungen und Berechnungen und den mechanischen Künsten, und Gott hilft uns mit unserm Kopf und unserer Hand so gut wie mit unserm Herzen, und wenn einer ein übriges thut in seinen Freistunden – einen Backofen macht für seine Frau, damit sie nicht mehr zu dem Bäcker zu gehen braucht, oder sein Stück Gartenland bearbeitet, daß zwei Kartoffeln wachsen, wo bisher nur eine wuchs, dann thut er mehr Gutes und ist Gott gerade so nahe, als wenn er hinter einem Prediger herläuft und betet und stöhnt.«

»Bravo, Adam!« sagte Hans, der bei Adams Worten sein Hobeln eingestellt hatte; »das ist die beste Predigt, die ich seit lange gehört habe. Meine Frau ist von demselben Glauben; das ganze Jahr hat sie mich schon gequält, ihr einen Ofen zu setzen.«

»Ja,« bemerkte Seth nachdrücklich, »in dem, was du sagst, ist Grund; aber du weißt doch selbst, daß durch den Besuch der Predigten, auf die du so losziehst, manch fauler Bursch zum Fleiß bekehrt ist. Wer macht die Bierhäuser leer, wer anders als die Prediger? und wenn einer fromm wird, so thut er seine Arbeit darum nicht schlechter.«

»Nur läßt er bisweilen die Füllung aus den Thüren, nicht wahr, Seth?« sagte Borsten-Ben.

»Aha, Ben, da hast du also wieder einen Spott gegen mich, der dir wohl vorhält fürs ganze Leben. Aber die Frömmigkeit hat hier keine Schuld; die Schuld trifft bloß Seth Bede, der immer ein bißchen konfus gewesen ist, und den die Frömmigkeit nicht geheilt hat – leider Gottes!«

»Laß dich das nicht anfechten, Seth,« sagte Borsten-Ben, »konfus oder nicht konfus, du bist von Grund des Herzens ein braver guter Kerl und wirst nicht gleich wild über jeden Scherz, wie gewisse Leute aus deiner Familie, die vielleicht mehr Grütze im Kopfe haben.«

»Seth, mein Junge,« sagte Adam, als beachte er den Spott gegen sich selbst nicht, »es war nicht so böse gemeint, und was ich eben sagte, ging gar nicht auf dich; der eine sieht eben die Dinge anders an wie der andre.«

»Gewiß, Adämchen,« erwiderte Seth, »war es nicht so böse gemeint, dazu kenn' ich dich ja zu gut; du bist wie dein Hund Gyp; bellst mich wohl bisweilen an, aber nachher leckst du mir immer die Hand.«

Alle Arbeiter arbeiteten nun schweigend einige Minuten weiter, bis die Turmuhr sechs schlug. Ehe noch der erste Ton verhallt war, hatte Hans seinen Hobel ruhen lassen und griff nach seiner Jacke; Borsten-Ben ließ eine Schraube halb fertig stehen und warf das Arbeitszeug beiseite; ein dritter, welcher bei der eben geführten Unterhaltung ein stummer Zuhörer gewesen war, ließ den Hammer, mit den: er schon zum Schlage aushob, wieder sinken, und auch Seth richtete, sich von der Arbeit auf und faßte nach seiner Mütze. Adam allein fuhr bei der Arbeit fort, als ob nichts vorgefallen wäre. Als er aber die andern Feierabend machen hörte, blickte er auf und sagte entrüstet: »Nun sehe mir einer! Ich kann es nicht ausstehen, daß ihr so euer Handwerkszeug beiseite legt, so wie es Feierabend schlägt, als hättet ihr keine Freude an der Arbeit und wäret bange, einen Schlag zu viel zu thun!«

Seth sah ein bißchen schuldbewußt aus und betrieb seine Vorbereitungen zum Abmarsch etwas langsamer, aber der Stumme brach nun sein Schweigen und sagte:

»Ja, ja, Adam, du sprichst wie es sich für deine Jahre paßt, Junge; wenn du erst sechsundvierzig alt bist wie ich, statt sechsundzwanzig, dann bist du auch nicht mehr so flink zur Arbeit.«

»Unsinn,« rief Adam, noch immer ärgerlich; »ich möchte wohl wissen, was Euer Alter damit zu thun hat; Ihr werdet doch noch nicht steif, sollt' ich meinen. Ich hasse es, wenn einer seine Arme so 'runtersinken läßt, als hätte er einen Schuß gekriegt, ehe noch die Uhr ausgeschlagen hat, grade als hätte er kein bißchen Stolz und Freude an seiner Arbeit. Der Schleifstein dreht sich doch auch noch ein paarmal, wenn man nicht mehr tritt.«

»Papperlapapp, Adam,« rief Borsten-Ben aus, »laß uns damit ungeschoren. Eben bist du noch über die Prediger hergezogen, und jetzt scheint mir, du predigst selbst gern. Du hast die Arbeit lieber als die Erholung, bei mir ist's umgekehrt; das wird dir recht sein, um so mehr Arbeit bleibt ja für dich.«

Mit dieser Schlußrede hielt Ben die Sache für abgemacht, nahm sein Handwerkszeug auf die Schulter und verließ die Werkstatt, Hans und der Stumme rasch hinter ihm her. Seth zögerte noch und blickte aufmerksam auf Adam, als erwarte er von ihm noch etwas zu hören.

»Gehst du vor der Predigt erst nach Haus?« fragte Adam, indem er aufblickte.

»Nein, ich habe meinen Hut und meine andern Sachen bei Will Maskery und werde wohl erst gegen zehn zu Haus sein. Wahrscheinlich bringe ich Dina Morris nach Haus, wenn sie's haben will; von Poysers begleitet sie keiner, weißt du.«

»Dann werd' ich Mutter sagen, daß sie nicht auf dich wartet,« sagte Adam.

»Gehst du vielleicht selbst heute Abend bei Poysers vor?« fragte Seth etwas schüchtern, indem er die Werkstatt verließ.

»Nein, ich gehe in die Abendschule.«

Bis dahin hatte Gyp sein behagliches Lager nicht verlassen, sondern nur den Kopf aufgerichtet und Adam aufmerksam angesehen, als die andern Arbeiter fortgingen. Aber kaum steckte Adam seinen Zollstock in die Tasche und band sich die Arbeitsschürze los, als Gyp aufsprang und seinem Herrn mit einem Ausdruck geduldiger Erwartung ins Gesicht sah. Hätte Gyp einen Schwanz gehabt, so hätte er gewiß damit gewedelt; da ihm aber dieses Mittel der Gefühlsäußerung abging, so teilte er das Schicksal mancher braven Leute, gefühlloser zu erscheinen, als er von Natur war.

»Nun? fertig für deinen Korb? he Gyp?« sagte Adam mit demselben sanften Tone in der Stimme, als wenn er mit Seth sprach. Gyp sprang in die Höhe und bellte einmal kurz; das war seine bejahende Antwort. In dem Korbe pflegten Adam und Seth an Werktagen ihr Mittagessen mitzubringen, und Gyp trug ihn nun im Maule hinter seinem Herrn her, so würdevoll und in sich versunken, wie nur je ein Beamter bei einem öffentlichen Aufzuge.

Als Adam die Werkstatt verließ, verschloß er die Thür, zog den Schlüssel ab und brachte ihn nach dem Hause auf der andern Seite des Holzplatzes. Es war ein niedriges Haus mit einem grauen Strohdach und bräunlichen Mauern, welches im Lichte der Abendsonne still und friedlich dalag. Die kleinen Bleifenster glänzten so blank und die steinerne Schwelle war so rein, wie ein weißer Kiesel zur Zeit der Ebbe. Auf der Schwelle stand eine reinliche alte Frau in einem dunkel gestreiften leinenen Rock, rotem Halstuch und einer leinenen Mütze. Ihr Auge schien etwas trübe zu sein, denn sie erkannte Adam nicht eher, als bis er sagte: »Hier ist der Schlüssel, Dorchen; gebt ihn im Hause ab, ja?«

»Gewiß, Adam, aber wollt Ihr nicht hereinkommen? Jungfer Marie ist zu Hause und Meister Burge kommt auch bald; er behält Euch gewiß gern zum Abendbrot, dafür steh' ich.«

»Ich danke Euch, Dorchen, aber ich muß nach Haus. Guten Abend.«

Mit großen Schritten eilte Adam, und Gyp dicht hinter ihm her, aus dem Hofe die große Straße entlang, die von dem Dorfe abseits in ein Thal hinunterführte. Am Fuß des Abhangs begegnete er einem ältlichen Mann zu Pferde; als Adam an ihm vorbeigegangen war, hielt der Reiter sein Pferd an, wandte sich um und warf noch einen langen Blick auf den stattlichen Arbeitsmann mit der papiernen Mütze, den ledernen Hosen und dunkelblauen wollenen Strümpfen.

Ohne eine Ahnung von der Bewunderung, die er erregte, schritt Adam querfeldein und stimmte das Lied an, welches ihm den ganzen Tag durch den Kopf gegangen war:

In allem, was du thust, sei wahr, Dein Herz wie Mittagssonne klar; Denn Gott, der alles sieht, ist nicht verborgen Dein Thun und Treiben noch dein stilles Sorgen.

Zweiter Abschnitt Die Predigt

Table of Contents

Kurz vor sieben Uhr zeigte sich eine ungewöhnliche Bewegung in dem Dörfchen Hayslope, und in der ganzen Länge seiner kleinen Straße, von dem Wirtshause zum Donnithorne-Wappen bis zur Thüre des Kirchhofs, standen die Einwohner vor ihren Häusern, augenscheinlich nicht bloß um in der Abendsonne herumzulungern. Das Wirtshaus lag am Eingang des Dorfes; das Schild hatte in Wind und Wetter schon manches Jahr gelitten und die Abzeichen der alten Familie Donnithorne waren kaum noch zu erkennen; aber der kleine Hof mit Ackergerät und Getreideschobern neben dem Wirtshause deutete an, daß auch Landwirtschaft da getrieben wurde, und gab den Reisenden im voraus die Hoffnung auf gute Verpflegung für Mensch und Tier. Meister Casson, der Wirt, stand schon eine Zeit lang in der Thür, wiegte sich, die Hände in den Hosentaschen, auf den Absätzen hin und her und blickte unverwandt nach der Gemeindewiese mit dem Ahornbaum, wohin er einige bedächtig aussehende Männer und Frauen hatte gehen sehen.

Meister Casson gehörte durchaus nicht zu den gewöhnlich aussehenden Menschen, und seine Person verdient eine nähere Beschreibung. Sein Gesicht schien aus zwei Kreisen zu bestehen, die ungefähr in demselben Größenverhältnis zu einander standen wie die Erde und der Mond, so nämlich, daß der untere Kreis nach einer ungefähren Schätzung dreizehnmal größer war als der obere, welcher demnach als der bloße Trabant von jenem erschien. Aber damit hörte auch die Ähnlichkeit auf, denn Meister Casson war durchaus kein melancholischer Gesell, und sein Kopf keine »gefleckte Scheibe«, wie Milton respektwidrig den Mond genannt hat; im Gegenteil, kein Kopf und Gesicht konnte glatter und gesunder aussehen, und der Ausdruck, der hauptsächlich in einem Paar runder und derber Backen lag – die kleinen Unterbrechungen von Nase und Augen waren nicht der Rede wert – sprach von Zufriedenheit und Behagen, gemildert durch ein gewisses Bewußtsein persönlicher Würde, das sich fast immer in Haltung und Benehmen kundgab. Dieses würdevolle Bewußtsein konnte indes bei einem Manne, der fünfzehn Jahre lang Kellermeister auf dem Schlosse gewesen war und in seiner jetzigen hohen Stellung natürlich oft mit Leuten niederen Standes in Berührung kam, schwerlich für übertrieben gelten. Wie er unbeschadet dieser Würde seine Neugierde befriedigen und nach der Gemeindewiese gehen könnte, hatte Meister Casson in den letzten fünf Minuten bei sich hin und her überlegt, und indem er seine Hände aus den Hosentaschen nahm und die Daumen zwischen Weste und Rock steckte, den Kopf auf die eine Seite neigte und sich das Ansehen hochnäsigster Gleichgiltigkeit gegen alles um ihn her gab, hatte er die Schwierigkeit schon teilweise gelöst, als seine Gedanken durch die Ankunft des Reiters, den wir vorhin unsern Freund Adam betrachten sahen und der nun vor dem Wirtshause anhielt, wieder davon abgelenkt wurden.

»Nehmt dem Pferd die Zügel ab, Hausknecht, und gebt ihm zu trinken,« sagte der Reisende, indem er abstieg. »Aber sagen Sie, Herr Wirt, was geht hier in Ihrem Dörfchen vor? Alle Welt ist ja auf den Beinen.«

»Es giebt eine Methodistenpredigt, Herr; wie ich höre, wird ein junges Mädchen auf der Gemeindewiese predigen,« erwiderte Casson mit möglichst feiner Stimme und liebenswürdigem Tone. »Wollen Sie so freundlich sein hereinzutreten und etwas genießen?«

»Nein, ich muß heute noch nach Rosseter; ich brauche nur etwas für mein Pferd. Aber, was sagt denn Ihr Pastor dazu, daß ihm eine Frauensperson so gerade unter der Nase predigt?«

»Pastor Irwine wohnt nicht hier im Dorfe, Herr; er wohnt in Broxton, da hinter dem Hügel. Unsere Pfarrwohnung ist ganz verfallen, da kann kein anständiger Mensch drin wohnen. Er kommt Sonntags Nachmittags zur Predigt hergeritten und stellt sein Pferd bei mir in den Stall. Es ist ein kleiner grauer Hengst, Herr, und er hält große Stücke drauf. Er kehrt immer bei mir ein, Herr, all' die Zeit schon, wo ich die Wirtschaft hier geführt habe. Ich bin nicht aus dieser Gegend, das hören Sie mir wohl an der Sprache an. Die Leute hier herum sprechen ganz kurios, und ein gebildeter Mensch kann es oft schwer verstehen. Ich bin unter gebildeten Leuten aufgewachsen und habe mir die Sprache von Kindesbeinen angewöhnt. Wie glauben Sie z.B., daß die Leute hier sagen für: »Was habt'r g'sagt?« – wie wir gebildeten Leute sprechen. Ja, man sollt's nicht glauben: »Was hobt'r g'seit?« sagen sie. Es ist der Dijelekt, nennt man das, was sie hier sprechen. Der alte Herr Donnithore nannte es immer so; »der Dijelekt«, sagte er.«

Der Fremde lächelte. »Ja, ja, das kenne ich schon. Aber habt Ihr denn so viele Methodisten hier herum, unter dieser ländlichen Bevölkerung? Ich hätte gedacht, es gäbe hier kaum einen einzigen; es sind doch fast alles Bauern hier und mit denen können die Methodisten so recht nichts anfangen.«

»Na, es giebt hier doch auch manche Handwerker. Da ist z.B. Meister Burge, der den Holzhof da drüben hat; der hat viel Bauerei an der Hand, und dann sind die Steinbrüche nicht weit, und so giebt's hier allerlei Beschäftigung für Handwerker. In Treddleston, dem Marktflecken ungefähr eine Stunde von hier, wo Sie wohl durchgekommen sind, ist ein gutes Häufchen Methodisten; von daher sind wohl ein paar Dutzend auf der Gemeindewiese. Und von denen haben's die Leute hier; aber in ganz Hayslope giebt's eigentlich nur zwei; das ist Will Maskery, der Stellmacher, und Seth Bede, ein junger Zimmergeselle.«

»Das junge Mädchen, welches predigt, ist also wohl aus Treddleston?«

»Doch nicht, Herr; sie ist aus Stonyshire, beinahe zehn Stunden Weges. Aber sie ist hier zum Besuch bei Pachter Poyser auf dem Pachthof – da links hinüber, wo Sie die Scheunen sehen und die großen Wallnußbäume. Sie ist Poysers Frau ihre Nichte, und die werden nicht schlecht böse mit ihr sein, daß sie sich so zum Narren macht. Aber ich habe mir sagen lassen, wenn diese Methodisten es mal in den Kopf kriegen, da ist gar kein Halten mehr, und viele werden reinweg verrückt vor lauter Frömmigkeit. Dies junge Mädchen freilich sieht ganz still und ordentlich aus, wie ich höre; selbst gesehen habe ich sie noch nicht.«

»Nun, ich wollte, ich hätte Zeit, sie mir anzusehen, aber ich muß weiter. Ich bin so schon die letzte Viertelstunde von meinem Wege abgeritten, um mir das Schloß da im Thale anzusehen. Es gehört Herrn Donnithorne, nicht wahr?«

»Ja, mein Herr, es ist der Edelhof der Familie Donnithorne. Schönes Eichenholz, nicht wahr? Ich muß das wissen; ich bin da fünfzehn Jahre lang Kellermeister gewesen. Kaptän Donnithorne ist der Anerbe, der Enkel des jetzigen Herrn Donnithorne. Wenn die Heuernte ist, wird er großjährig, da wird's hoch hergehen. Zu dem Gute gehört das ganze Land hier herum, all die schönen Ländereien.«

»Nun, eine hübsche Besitzung ist es, das muß wahr sein,« sagte der Reisende, indem er wieder zu Pferde stieg, »und hübsche Leute trifft man hier auch. Noch vor 'ner halben Stunde, ehe ich den Hügel heraufkam, traf ich einen so hübschen jungen Burschen, wie ich nur je einen gesehen habe; es war ein Zimmergesell, groß und breitschultrig, mit schwarzem Haar und schwarzen Augen, und einen Gang hatte er wie ein Soldat; solche Leute können wir gegen die Franzosen brauchen.«

»Das war gewiß Adam Bede, Herr, Matthis Bede sein Sohn, den kennt hier jedermann. Das ist ein sehr gescheiter, fleißiger Bursch und mächtig stark. Auf Ehr' und Seligkeit, Herr – entschuldigen Sie den Ausdruck – der marschiert Ihnen den Tag seine zwölf, fünfzehn Stunden, und heben kann er ein paar hundert Pfund wie gar nichts. Die vornehmen Herrschaften halten große Stücke auf ihn; Kaptän Donnithorne und Pastor Irwine thun immer als ob wunders was an ihm wäre. Aber er trägt den Kopf ein wenig hoch und 's ist nicht gut Kirschenessen mit ihm.«

»Nun, guten Abend, Herr Wirt; ich muß weiter.« »Gehorsamer Diener, Herr; glückliche Reise.«

Der Reisende ritt in scharfem Schritt durch das Dorf, aber als er an die Gemeindewiese kam, fesselte ihn die Schönheit des Blicks zu seiner Rechten, der eigentümliche Gegensatz zwischen den Gruppen der Bauern vor ihren Häusern und dem Häuflein Methodisten am Ahornbaum, und vielleicht in noch höherem Grade die Neugier, das junge Mädchen zu sehen; seine Eile, die ihn noch soeben vorwärts getrieben, ließ nach und er hielt sein Pferd an.

Die Gemeindewiese lag am Ende des Dorfes und von ihr aus verzweigte sich die große Straße in zwei Richtungen, eine den Hügel hinan bei der Kirche vorbei, die andere in sanfter Windung das Thal hinab. Auf der Seite der Wiese nach der Kirche zu standen einzelne strohbedeckte Hütten bis nahe an die Kirchhofsthür, aber gegenüber, nach Nordwesten hin, hemmte nichts den freien Blick auf sanft welliges Wiesenland und das waldige Thal und die dunkeln Massen ferner Hügel. Die reiche gesegnete, von Höhenzügen durchschnittene Gegend der Grafschaft Loamshire, zu welcher Hayslope gehört, stößt an einen wilden Grenzstrich von Stonyshire, unter dessen kahlen Hügeln sie daliegt wie eine hübsche blühende Schwester in den Armen ihres großen, derben, wettergebräunten Bruders, und in einem Ritt von zwei bis drei Stunden konnte der Reisende aus einer öden baumlosen, nur von Reihen grauer Felsen durchschnittenen Gegend, den Schauplatz unserer Geschichte erreichen, wo sein Weg bald unter dem Laubdach von Wäldern, bald über schwellende Hügel sich hinzog, die mit Hecken und langem Wiesengras und dickem Korn besetzt waren, und wo ihm bei jeder Wendung des Weges bald ein schöner alter Landsitz, im Thale versteckt oder einen Abhang krönend, bald ein Bauerhof mit seinen langen Scheunen und den goldgelben Getreideschobern rings umher, bald endlich ein grauer Kirchturm aufstieß, der aus einem hübschen Wirrsal von Bäumen und Strohdächern und dunkelroten Ziegeln hervorblickte. Genau ein solches Bild wie dieses letzte war die Dorfkirche von Hayslope unserm Reisenden erschienen, als er den sanften Abhang nach dem anmutigen Berglande hinauf zu reiten begann, und von seinem Standorte neben der Gemeindewiese hatte er nun fast alle andern charakteristischen Merkmale dieses hübschen Landstriches vor sich. Hoch hinauf gegen den Horizont waren mächtige Massen von kegelförmigen Hügeln gelagert, wie Riesendämme, welche dieses Land des Kornes und Grases gegen die scharfen und beißenden Nordwinde schützen sollten; nicht fern genug, um in purpurnes Geheimnis verhüllt zu sein, sondern mit einem trüben grünlichen Hauch bezogen, in welchem die weidenden Schafe noch zu erkennen waren. Unmittelbar darunter weilte das Auge auf einer vorgeschobenen Reihe waldiger Abhänge mit hellen Flecken von Weideland oder gefurchtem Acker dazwischen, an denen das Grün des Laubes noch nicht einförmig dunkel war wie im hohen Sommer, sondern wo die warmen Töne des jungen Eichenlaubes noch mit dem zarteren Grün der Esche und Linde wechselten. Dann endlich kam das Thal, wo das Gehölz dichter wurde, als wäre es von den Höhen herabgerollt und hätte sich enger geschart, um das stattliche Haus besser schützen zu können, das mit seinen Zinnen bis zum Gipfel der Bäume hinanstieg und den zarten blauen Rauch seines Herdes über ihre Kronen hinwegschickte. Gewiß zog sich auch eine große Fläche Parkland vor diesem Hause hin und es spiegelte sich in einem offenen Teiche, aber der hügelige Wiesenabhang vor dem Dorfe verdeckte unserm Reisenden diesen Anblick. Statt dessen sah er einen andern ebenso lieblichen Vordergrund: das Licht der untergehenden Sonne lag in schrägen Streifen wie durchsichtiges Gold zwischen den sanft gebogenen Halmen des Federgrases und dem hohen roten Klee und den weißen Dolden der Schierlingpflanzen an den dichtbelaubten Hecken.

Hätte der Reisende sich etwas im Sattel gedreht und ostwärts über das Weideland und den Holzhof bei Meister Burges Hause hinweg nach den grünen Kornfeldern und Wallnußbäumen des Pachthofes hingeblickt, so hätte er noch andere landschaftliche Schönheiten sehen können; aber offenbar interessierte er sich mehr für die lebenden Gruppen dicht vor ihm. Jedes Alter war da vertreten, von dem greisen Vater Taft in seinem braunen wollenen Käppchen, der beinahe doppelt gekrümmt war, aber zähe genug schien, auf seinen kurzen Stock gelehnt sich noch eine gute Weile auf den Beinen zu halten, bis hinab zu den kleinen Kindern, deren Gesichtchen aus gesteppten leinenen Kapuzen hervorsahen. Ab und zu trat noch ein neuer Ankömmling heran, etwa ein Arbeiter vom Felde, der nach genossenem Abendbrot herbeischlenderte, um auf das ungewöhnliche Schauspiel mit blödem Auge hinzustieren, – sehr bereit zu hören, wenn einer ihm etwa die Sache erklären wollte, aber durchaus nicht so aufgeregt, um selbst zu fragen. Alle jedoch hüteten sich wohl, den Methodisten auf der Wiese selbst zu nahe zu kommen und sich so mit der wartenden Zuhörerschaft zu vermengen, denn nicht einer von ihnen hätte es auf sich sitzen lassen, daß er hergekommen sei, um die »Frauensperson« predigen zu hören; jeder wollte nur »sehen, was es gäbe.« Die Männer waren hauptsächlich bei der Schmiede versammelt. Aber nicht etwa in einem Haufen; Landleute stehen nie dicht gedrängt wie ein Bienenschwarm; was Flüstern ist, wissen sie nicht und leise Töne scheinen sie beinahe so wenig zu kennen wie eine Kuh oder ein Hirsch. Ein rechter Bauersmann dreht dem wohl den Rücken, mit dem er spricht, wirft ihm über die Schulter eine Frage zu, als wolle er vor der Antwort davonrennen, und tritt wohl ein oder zwei Schritt zurück, wenn das Gespräch am anziehendsten ist. So stand auch die Gruppe vor der Schmiede durchaus nicht dicht und verdeckte nicht den Schmied selbst, der, seine schwarzen sehnigen Arme über einander geschlagen, an den Thürpfosten sich lehnte und gelegentlich ein lautes Lachen ausprustete über seine eigenen Witze, in merklicher Überhebung gegen die Spöttereien des Borsten-Ben, der für den Abend auf die Freuden des Bierhauses verzichtet hatte, um sich das Leben draußen anzusehen. Aber beide Witzbolde wiederum wurden mit gleicher Verachtung behandelt von Meister Josua Rann. Meister Ranns ledernes Schurzfell und sein verbissener Grimm stellen es außer Zweifel, daß er der Dorfschuster ist, und wenn er das Kinn und den Bauch vorschiebt und die Daumen um einander dreht, so ist das eine etwas feinere Andeutung, daß er daneben auch die Würde des Küsters bekleidet. Der alte Josua ist in einem Zustande, daß er vor Ärger gelinde kocht, aber er hat bis jetzt nur seine Lippen geöffnet, um in einer tiefen schnarrenden Baßstimme zu brummen: »Sihon, König der Ammoniter, – denn seine Güte währet ewiglich« – und »Og, König von Basan – denn seine Güte währet ewiglich« – lauter Anführungen, die wenig mit der vorliegenden Sache zu thun zu haben scheinen, aber bei genauerer Prüfung sich doch als sehr zutreffend herausstellen. Meister Rann verteidigte nämlich in seinem Innern die Würde der Staatskirche gegen einen solchen empörenden Einbruch des Methodismus, und da diese Würde eng verknüpft war mit seiner eigenen wohlklingenden Beteiligung an der Liturgie, so führte ihn seine Beweisführung ganz natürlich auf einen Vers aus dem Psalm, der am letzten Sonntag Nachmittag in der Kirche gelesen war.

Die Weiber waren von ihrer stärkeren Neugierde bis hart an den Rand der Gemeindewiese gelockt worden, wo sie die Quäkertracht und das absonderliche Benehmen der Methodistinnen noch genauer beobachten konnten. Unter dem Ahornbaum war ein kleiner Karren, den der Stellmacher hergegeben hatte, als Kanzel aufgestellt, und rings herum standen ein paar Bänke und Stühle. Einige Mitglieder der kleinen methodistischen Gemeinde saßen schon still da, die Augen geschlossen, wie versunken in Gebet oder Betrachtung. Andere standen umher und hielten ihre Blicke auf die Bauern mit einem Ausdruck tiefer Betrübnis gerichtet, der die muntere Tochter des Schmieds, Lieschen Cranage, so sehr belustigte, daß sie verwundert fragte, warum die Leute da solche Gesichter schnitten. Schmieds Lieschen war besonders der Gegenstand tiefsten Mitleids für die Methodistinnen; da sie nämlich ihr Haar zurückgekämmt unter der Mütze trug, so zeigte sie einen Schmuck, auf den sie viel stolzer war als auf ihre roten Backen, ein Paar große runde Ohrringe mit unechten Granaten, – ein Schmuck, den nicht bloß die Methodistinnen verachteten, sondern den auch ihre Kousine, Timothys Lieschen, mit echt verwandtschaftlicher Freundlichkeit schon oft verwünscht hatte.

Timothys Lieschen, obgleich sie unter ihren Bekannten ihren Mädchennamen behalten hatte, war schon viele Jahre die Frau unseres Bekannten, des Zimmergesellen Hans, und erfreute sich einer hübschen Reihe jener Schmucksachen, auf welche die Mutter der Gracchen so stolz war; es genüge davon das starke Kind zu erwähnen, das sie in ihren Armen wiegte, und den derben fünfjährigen Jungen mit den Kniehosen und roten Beinen, der am Halse eine verrostete Milchkanne als Trommel trug und ein wahrer Schrecken war für des Schmieds kleinen Hund. Dieser olivenfarbene Junge, Lieschens Ben genannt, hatte sich ohne jede falsche Bescheidenheit über die Gruppe von Kindern und Frauen hinausgewagt und ging naseweis mitten unter den Methodisten umher, indem er ihnen mit weit offenem Munde ins Gesicht sah und auf seiner Milchkanne mit einem Stock Musik machte. Als aber eine von den ältern Methodistinnen ihn bei der Schulter faßte und ihm ernstliche Vorstellungen machte, schlug Ben erst kräftig aus, rannte dann davon und suchte Schutz hinter seines Vaters Beinen.

»Du kleiner Galgenstrick,« sagte Hans mit väterlichem Stolze; »wenn du den Stock nicht ruhen lassen kannst, so nehm' ich ihn dir weg. Was soll das heißen, daß du die Leute schlägst?«

»Heda, Hans, gieb mir den Jungen,« rief der Schmied; »ich will ihn anbinden und beschlagen wie ein Pferd. Nun, Meister Casson,« fuhr er fort, als er den Wirt herankommen sah, »wie geht's Euch heut Abend? Kommt Ihr auch, um mitzustöhnen? Wer die Methodisten anhört, soll ja immer anfangen zu stöhnen, als wär's ihm im Leibe nicht recht. Ich denke heut Abend so laut zu stöhnen, wie Eure Kuh neulich Abend; dann meint die Frauensperson gewiß, ich sei auf dem rechten Wege.«

»Ich möchte Euch doch raten, den Unsinn zu lassen,« erwiderte Casson mit einiger Würde; »Poyser nähme es sehr übel, wenn die leibliche Nichte seiner Frau nicht mit aller Achtung behandelt würde, so wenig er es auch leiden mag, daß sie sich selbst ans Predigen giebt.«

»Ja wohl,« fiel Borsten-Ben ein, »und hübsch ist sie auch; ich habe gar nichts dagegen, daß die hübschen Weiber predigen; die bekehren mich gewiß weit eher als die häßlichen Männer. Es sollte mich gar nicht wundern, wenn ich noch heut Abend unter die Methodisten ginge und um ihre hübsche Pastorin freite wie Seth Bede.«

»Nun, Seth will wohl ein bißchen zu hoch hinaus,« sagte der Wirt. »Die Verwandten des Mädchens würden nicht wenig unzufrieden sein, wenn sie sich mit einem gewöhnlichen Zimmermann einließe.«

»Pah!« rief Ben verächtlich; »was geht das die Verwandten an? Nicht so viel. Poyser seine Frau mag ihre Nase so hoch tragen wie sie will und vergessen, wo sie herstammt, aber diese Dina Morris, das weiß ich bestimmt, ist so arm wie Hiob, sie arbeitet in einer Fabrik und ist froh, wenn sie das Leben hat. Ein tüchtiger junger Zimmermann und noch dazu Methodist wie Seth wäre keine schlechte Partie für sie. Poysers selbst machen ja ein Aufhebens von Adam Bede, als wenn er ihr eigener Neffe wäre.«

»Was du wieder red'st!« sagte Meister Josua; Adam und Seth, das ist zweierlei; die beiden gehen nicht über einen Leisten!«

»Mag sein,« erwiderte Borsten-Ben verächtlich, »aber Seth ist mein Mann und wär' er zehnmal Methodist. Ich bin ganz weg in den Seth; all die Zeit, daß wir zusammen arbeiten, neck' ich ihn in einem fort und er trägt's so geduldig wie ein Lamm. Und Kourage hat er auch und das Herz auf dem rechten Fleck. Als wir mal nachts übers Feld kamen und der alte Weidenbaum wie Feuer leuchtete und wir alle glaubten, es wär'n Gespenst, da ging Seth ohne weiteres drauf zu, wie ein Konstabler auf einen Dieb. Wahrhaftig, seht, da kommt er gerade aus dem Stellmacher seinem Hause, und der Stellmacher selbst auch, und der sieht so weichmütig aus, als könne er keinen Nagel auf den Kopf schlagen, weil er ihm nicht weh thun möchte. Und mein' Seel! da ist die hübsche Pastorin auch, ihren Hut in der Hand. Da muß ich etwas näher herangehen.«

Einige von den Leuten folgten Bens Führung, und auch der Reisende ritt auf die Gemeindewiese vor, als Dina mit schnellen Schritten vor ihren Gefährten her auf den Karren unter dem Ahornbaum zuschritt. Neben Seths hoher Gestalt sah sie klein aus, aber als sie den Karren bestiegen hatte und nun keine Vergleichung mehr möglich war, erschien sie über Mittelgröße, obgleich sie in Wirklichkeit nur das gewöhnliche Frauenmaß hatte – eine Täuschung, die sich aus ihrer schlanken Figur und dem einfachen Umriß ihres schwarzen Kleides erklärte. Der Fremde war überrascht, als er sie herankommen und den Karren besteigen sah – überrascht nicht sowohl durch die weibliche Zartheit ihrer Erscheinung als durch den völligen Mangel an Selbstbewußtsein in ihrer Haltung. Er war darauf gefaßt gewesen, sie würde mit gemessenem Schritt und sittsam prüdem Ausdruck auftreten; er hatte ganz sicher gemeint, auf ihrem Gesicht würde das Lächeln selbstbewußter Heiligkeit schweben oder vorwurfsvolle Bitterkeit lasten. Er kannte bloß zwei Arten von Methodisten – Schwärmer und Sauertöpfe. Aber Dina ging so ruhig, als ginge sie zu Markte, und schien von ihrer äußeren Erscheinung so wenig ein Bewußtsein zu haben wie ein kleiner Junge; da war keine Spur von Erröten, von Zaghaftigkeit, die etwa hätte sagen sollen: »ich weiß, ihr haltet mich für ein hübsches Mädchen und glaubt, ich sei zum Predigen zu jung;« sie schlug nicht die Augenlider auf oder nieder, preßte nicht die Lippen zusammen, machte nichts mit ihren Armen, als wollte sie etwa sagen: »aber für eine Heilige müßt ihr mich doch halten.« Sie hatte kein Buch in ihren bloßen Händen, sondern ließ sie herunterhängen und hielt sie leicht verschlungen vor sich, als sie auf der einfachen Kanzel stand und ihre grauen Augen auf die Leute richtete. Nichts Scharfes in den Augen; sie schienen eher Liebe auszuströmen als Beobachtungen zu sammeln; sie hatten den feuchten Blick, welcher sagt, daß die Seele voll von dem ist, was sie geben will, und nicht unter äußeren Einflüssen steht. Sie stand links gegen die untergehende Sonne gewandt, vor deren Strahlen die laubigen Zweige des Baumes sie schützten, aber in dieser milden Beleuchtung schien ihre zarte Gesichtsfarbe eine stille Lebhaftigkeit anzunehmen wie Blumen am Abend. Ihr Gesicht war klein, ein hübsches Eirund von einer gleichförmigen durchsichtigen Weiße; Wange und Kinn sanft geschwungen, der Mund voll und fest, die Nase fein, die Stirn niedrig und gerade, ihr Haar rötlich blond und glatt anliegend. Sie trug das Haar scharf nach hinten gekämmt unter einer schlichten Quäkermütze; nur über der Stirn sah es einige Finger breit hervor. Die Augenbrauen, von derselben Farbe wie das Haar, waren völlig grade und fest gezeichnet; die Wimpern nicht eben dunkler, aber lang und reich; nichts Entstelltes, nichts Unfertiges war an ihr. Es war eins von den Gesichtern, die uns vorkommen wie weiße Blüten, deren reine Blätter mit einem Duft von Farbe eben nur angehaucht sind. Die Augen waren nicht besonders schön, außer im Ausdruck; sie blickten so einfach, so treu, so ernst und liebevoll; kein leichter Spott, kein bittrer Hohn, der nicht vor ihrem Glanze hätte schwinden müssen. Josua Rann räusperte sich mit einer Gründlichkeit, als wolle er im Innern mit allen alten Vorurteilen aufräumen; der Schmidt lüftete sein rußgeschwärztes Käppchen und kratzte sich den Kopf, und Borsten-Ben konnte sich nicht genug verwundern, wie Seth es nur wagen möge, um eine solche Schönheit zu freien.

»Ein süßes Ding von einem Mädchen,« sagte der Fremde zu sich selbst, »aber gewiß, zum Predigen hat Natur sie nie bestimmt.«

Vermutlich dachte er wie viele andere, die Natur spekuliere auf Bühneneffekte, und mit der Wohl überlegten Absicht, Kunst und Menschenkenntnis zu fördern, staffiere sie ihre Leute so aus, daß ein Verkennen unmöglich werde. Aber Dina begann zu sprechen.

»Geliebte Freunde,« sagte sie mit klarer, aber nicht lauter Stimme, »laßt uns beten um den Segen Gottes.«

Sie schloß ihre Augen, senkte den Kopf ein wenig und fuhr in demselben gedämpften Tone fort, als sei der, zu dem sie spreche, ganz nahe bei ihr:

»Herr, der du die Sünder erlösest! Ein armes sündenbeladenes Weib ging zum Brunnen, Wasser zu schöpfen, da fand sie dich am Brunnen sitzen. Sie kannte dich nicht, sie hatte dich nicht gesucht, es war Nacht in ihrer Seele, ihr Wandel war sträflich. Aber du sprachest zu ihr, du unterwiesest sie, du zeigtest ihr, daß ihr Leben offen vor dir lag, und doch warst du bereit, ihr den Segen zu geben, den sie nie gesucht hatte! Jesus! Du bist mitten unter uns und kennest uns alle; sind hier einige, die jenem armen Weibe gleichen, ist es Nacht in ihrem Herzen, ihr Wandel sträflich, sind sie nicht herausgekommen, dich zu suchen, nicht begierig nach deiner Unterweisung – thue mit ihnen nach deiner freien Gnade, wie du sie jenem Weibe erwiesen. Sprich zu ihnen, Herr; öffne ihre Ohren der Botschaft, die ich ihnen bringe; führe ihre Sünden ihnen zu Gemüt und mache sie durstig nach der Erlösung, die du bereit bist zu geben.«

»Herr! Du bist noch immer mit deinen Erwählten; sie sehen dich, wenn sie des Nachts wachen, und das Herz brennt ihnen, wenn du mit ihnen auf dem Wege redest. Und du bist denen nahe, die nicht gekannt haben: öffne ihre Augen, daß sie dich sehen mögen – dich sehen, wie du über sie weinst und sprichst: »Ihr wollt nicht zu mir kommen, daß ihr möchtet Leben haben« – dich sehen wie du am Kreuze hängst und ausrufst: »Vater, vergieb ihnen, denn sie wissen nicht, was sie thun« – dich sehen, wie du wiederkommen wirst in deiner Herrlichkeit, sie zu richten am jüngsten Tage! Amen.«

Dina öffnete ihre Augen wieder, hielt inne und blickte auf den Haufen der Bauern, die sich zu ihrer Rechten etwas näher herangedrängt hatten.

»Geliebte Freunde!« begann sie und erhob die Stimme ein wenig, »ihr alle seid zur Kirche gewesen und müßt, meine ich, den Geistlichen die Worte haben lesen hören: »Der Geist des Herrn ist bei mir, derhalben er mich gesalbet hat und gesandt, zu verkündigen das Evangelium den Armen. Jesus Christus ist es, der diese Worte gesprochen hat; er sei gekommen, sagt er, den Armen das Evangelium zu verkündigen. Ich weiß nicht, ob ihr jemals viel über diese Worte nachgedacht habt, aber ich will euch erzählen, wann und wie ich sie zuerst gehört habe. Es war grade an einem solchen Abend wie der heutige, als ich noch ein kleines Mädchen war und meine Tante, die mich auferzogen hat, mich mitnahm, um einen frommen Mann im Freien predigen zu hören, grade wie wir jetzt hier versammelt sind. Ich erinnere mich seines Gesichtes noch gut: er war ein sehr alter Mann und hatte sehr langes weißes Haar, seine Stimme war sehr sanft und schön, wie keine andere Stimme, die ich je vorher gehört. Ich war ein kleines Mädchen und wußte noch von nichts, und dieser alte Mann schien mir so durchaus verschieden von allem, was ich bisher gesehen hatte, daß ich glaubte, er sei wohl vom Himmel heruntergekommen, um uns zu predigen, und ich sagte: »Tante, geht er diese Nacht wieder in den Himmel, wie der Mann auf dem Bilde in der Bibel?«

»Dieser Mann Gottes war Herr Wesley, der sein Lebelang that, was der Herr Christus that – den Armen das Evangelium zu verkündigen – und vor acht Jahren ist er zur ewigen Ruhe eingegangen. In späteren Jahren habe ich mehr von ihm gelernt, aber damals war ich ein thörichtes, gedankenloses Kind und aus seiner Predigt behielt ich nur eins. Er sagte uns, Evangelium bedeute frohe Botschaft. Das Evangelium aber, wie ihr wißt, ist das, was uns die Bibel von Gott erzählt.

»Und nun, meine Freunde, denkt nach! Jesus Christus kam wirklich vom Himmel herab, wie ich, ein thörichtes Kind, von Herrn Wesley glaubte, und weshalb er herabkam, war: den Armen frohe Botschaft von Gott zu bringen. Nun, ihr und ich, geliebte Freunde, wir sind arm. Wir sind aufgewachsen in armen Hütten und sind groß geworden bei Gerstenbrot und grober Speise und sind nicht viel zur Schule gegangen, haben auch keine Bücher gelesen und wissen nicht viel von der Welt, außer was grade nahe bei uns vorgeht. Wir sind so recht die Art Leute, die nach froher Botschaft verlangen. Denn wenn es jemandem wohl geht, so liegt ihm nicht viel daran, Neues aus der Ferne zu hören; wenn aber ein armer Mann oder eine arme Frau in Not sind und schwer arbeiten müssen um das tägliche Brot, dann lesen sie gern in einem Briefe, daß sie einen Freund haben, der ihnen helfen will. Gewiß, etwas von Gott wissen wir alle schon, auch ohne das Evangelium, ohne die gute Botschaft, die unser Erlöser uns gebracht hat. Denn wir wissen, alle Dinge kommen von Gott; sagt ihr nicht fast täglich: »will's Gott, so geschieht das und das,« oder »will's Gott, so haben wir bald Heuernte« – ? Wir wissen recht gut, wir sind allesamt in Gottes Hand; wir haben uns nicht selbst zur Welt gebracht, wir können uns nicht am Leben erhalten, wenn wir liegen und schlafen; das Tageslicht und der Wind und das Korn und die Kühe, die uns Milch geben – alles, was wir haben, kommt von Gott dem Herrn. Und unsre Seelen gab er uns und pflanzte Liebe zwischen Eltern und Kindern und Mann und Frau. Aber ist das alles, was wir von Gott zu wissen verlangen? Wir sehen, er ist groß und mächtig und kann thun, was er will; wir sind verloren, als kämpften wir in großen Wassern, wenn wir über ihn nachzudenken versuchen.

»Aber vielleicht kommen Zweifel in eure Herzen, wie dieser: Kann Gott sich viel kümmern um uns arme Leute? Vielleicht hat er die Welt nur gemacht für die Großen und die Klugen und die Reichen? Es kostet ihn nicht viel, uns das bißchen Speise und Kleidung zu geben; aber wie wissen wir denn, daß er sich mehr um uns kümmert als wir um das Gewürm im Garten, wenn wir nur unsre Rüben und Zwiebeln ernten? Wird Gott für uns sorgen, wenn wir sterben? und wird er uns erquicken, wenn wir gebrechlich und krank sind? Vielleicht auch zürnt er mit uns; denn sonst, warum käme der Mehltau und die schlechten Ernten und das Fieber und all die mancherlei Plage und Not? Denn unser Leben ist voll Trübsal, und wenn Gott uns Gutes schickt, so scheint er uns Böses auch zu schicken. Wie ist das? wie steht's damit?

»Ach, geliebte Freunde, wir sind bös in Not um gute Botschaft von Gott, und wenn wir die nicht haben, was will alle andere gute Botschaft bedeuten? Denn alles andere hat sein Ende, und wenn wir sterben, lassen wir das all dahinten. Gott aber bleibt, wenn alles andere dahin ist. Was sollen wir thun, wenn er nicht unser Freund ist?«

Dann erzählte ihnen Dina, wie die gute Botschaft in die Welt gekommen sei, und wie Gott seine Liebe zu den Armen offenbar gemacht habe in dem Leben Jesu, erzählte ihnen von der Niedrigkeit dieses Lebens und von den Liebeswerken, an denen es so reich ist.

»Ihr seht also, geliebte Freunde,« fuhr sie fort, »daß Jesus fast die ganze Zeit seines Lebens damit zubrachte, den Armen Gutes zu thun; er predigte zu ihnen und machte arme Handwerker zu seinen Freunden und unterwies sie und machte sich viel mit ihnen zu schaffen. Nicht zwar, daß er den Reichen kein Gutes erwiesen hätte, denn er war voll Liebe für alle Menschen; nur erkannte er, daß die Armen seiner Hülfe mehr bedurften. So heilte er die Lahmen und die Kranken und die Blinden und that Wunder, die Hungrigen zu speisen, »denn mich jammert des Volkes« sagte er, und er war sehr freundlich mit den kleinen Kindern und tröstete die, so ihre Freunde verloren hatten, und sprach sehr liebevoll den armen Sündern zu, die ihre Sünden aufrichtig bereuten.

»O, würdet ihr solchen Mann nicht lieben, wenn ihr ihn sähet, wenn er hier in diesem Dorfe wäre? Was für ein gütiges Herz muß er haben! Was für ein Freund würde er sein, zu ihm zu gehen in der Not! Wie lieblich müßte es sein, von ihm sich unterweisen zu lassen!

»Nun, geliebte Freunde, wer war dieser Mann? War er nur ein guter Mann, ein sehr guter Mann und nichts weiter, wie etwa unser lieber Herr Wesley, der von uns genommen ist? ... Er war der Sohn Gottes – »in des Vaters Bilde,« sagt die Schrift; das will sagen: grade wie Gott, der Anfang und Ende aller Dinge ist – der Gott, von dem wir etwas wissen möchten. All die Liebe also, die Jesus den Armen erwies, ist dieselbe Liebe, die Gott für uns hat. Wir können verstehen, was Jesus fühlte, weil er in einem Leibe kam wie der unsrige, und Worte sprach, wie wir zu einander sprechen. Früher fürchteten wir uns, zu denken was Gott sei – der Gott, der die Welt und den Himmel und den Donner und den Blitz gemacht hat. Wir konnten ihn niemals sehen, wir konnten nur die Dinge sehen, die er gemacht hat, und einige von diesen Dingen waren so furchtbar, daß wir wohl mit Zittern an ihn denken mochten. Aber unser geliebter Erlöser hat uns, was Gott ist, in einer Weise gezeigt, wie arme unwissende Leute es verstehen können; er hat uns gezeigt, was Gottes Herz ist, was er für uns empfindet.

»Aber laßt uns etwas genauer zusehen, warum Jesus auf Erden kam. Ein andermal hat er gesagt: »ich bin gekommen zu suchen und selig zu machen, was verloren ist,« und wiederum: »Ich bin gekommen zu rufen die Sünder zur Buße, und nicht die Gerechten.«

»Die Verlorenen! Die Sünder... ach, geliebte Freunde, geht das auf euch und mich?«

Durch den Zauber von Dinas weicher heller Stimme, die so reich moduliert war wie ein schönes Instrument, war der Reisende wider Willen gefesselt. Wie eine altbekannte Melodie uns mit neuem Gefühl ergreift, wenn sie von einer reinen Knabenstimme ertönt, so schienen ihm die einfachen Sachen, die sie sagte, wie ganz neu; die ruhige Tiefe der Überzeugung, mit der sie sprach, schien in sich selbst ein Beweis für die Wahrheit ihrer Botschaft. Er sah, daß sie ihre Zuhörer vollständig gefesselt hielt. Die Bauern aus dem Dorfe hatten sich näher an sie herangedrängt, und auf allen Gesichtern sah man nur die ernsteste Aufmerksamkeit. Sie sprach langsam, obschon ganz fließend; nach einer Frage oder vor einem Übergange hielt sie oft inne. Ihre Haltung war immer dieselbe, sie rührte kein Glied; die Wirkung ihrer Rede beruhte lediglich auf dem Wechsel ihrer Stimme, und die Frage: »wird Gott für uns sorgen, wenn wir sterben?« sprach sie in solch einem Tone klagender Mahnung, daß manchen der Verhärtesten die Thränen in die Augen kamen. Nicht mehr zweifelte der Fremde, wie er zuerst gethan, daß sie die Aufmerksamkeit ihrer einfachen Zuhörer fesseln könne, aber noch fragte er sich im Stillen, ob sie die Kraft haben würde, jene heftigeren Erregungen zu bewirken, welche ihren Beruf als Methodisten-Predigerin notwendig beglaubigen mußten; da kam sie an die Worte: »die Verlorenen, die Sünder!« und nun trat in Stimme und Vortrag eine große Veränderung ein. Vor diesem Ausruf hatte sie eine lange Pause gemacht, und während derselben schien sie, wie das Spiel ihrer Züge verriet, von heftigen Gedanken bewegt. Ihr blasses Gesicht wurde noch blässer; die Ringe unter ihren Augen vertieften sich, wie wenn Thränen sich sammeln ohne zu fließen, und die milden lieben Augen nahmen einen Ausdruck erschütternden Mitleids an, als sähe sie plötzlich über den Häuptern ihrer Zuhörer einen Engel der Zerstörung lauern. Ihre Stimme wurde tief und bedeckt, aber noch immer blieben Arme und Hände ruhig. Sie hatte nicht das Geringste von der gewöhnlichen Art religiöser Schwärmer; sie predigte nicht wie sie's von andern gehört hatte, sondern sprach unmittelbar aus eigenster Empfindung, unter der Eingebung ihres eigenen einfachen Glaubens.