AERA 4 - Die Rückkehr der Götter - Markus Heitz - E-Book

AERA 4 - Die Rückkehr der Götter E-Book

Markus Heitz

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Beschreibung

»Sternenkind« – Teil 4 von AERA - Die Rückkehr der Götter: Das große Dark Fiction- eSerial des Meisters der Phantastik! Es geschah. Von einem Tag auf den nächsten waren sie wieder da: Götter. Und zwar die alten Götter. Jene, welche die Bibel mit »Du sollst neben mir keine anderen Götter haben« meinte - und deren Existenz die Heilige Schrift der Christen niemals in Abrede stellte. Interpol-Ermittler Malleus Bourreau ist Atheist geblieben in einer Welt, in der es vor Göttern nur so wimmelt. Und er ist gut in seinem Job, denn er hat keinen Respekt. Nicht vor Menschen und nicht vor Göttern. Sein aktueller Fall fordert ihn allerdings: Wertvolle Artefakte aus den verschiedensten Kulturen sind verschwunden und die Diebe gehen dabei buchstäblich über Leichen. Wie hängen die Gegenstände zusammen? »Sternenkind« ist der vierte Teil des zehnteiligen eSerials »AERA, die Rückkehr der Götter« von Markus Heitz: Malleus reist für einen Privatauftrag nach Neu Carthago. Der Unfalltod eines Jungen wird nicht als solcher akzeptiert. Und es stellt sich heraus, dass der Vater des Jungen ein ägyptischer Gott war. Höchste Brisanz kennzeichnet den Fall.

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Markus Heitz

AERA Die Rückkehr der Götter

Episode 4STERNENKIND

Knaur e-books

Über dieses Buch

»Sternenkind« – Teil 4 von AERA - Die Rückkehr der Götter: Das große Dark Fiction- eSerial des Meisters der Phantastik! Es geschah. Von einem Tag auf den nächsten waren sie wieder da: Götter. Und zwar die alten Götter. Jene, welche die Bibel mit »Du sollst neben mir keine anderen Götter haben« meinte - und deren Existenz die Heilige Schrift der Christen niemals in Abrede stellte.

Interpol-Ermittler Malleus Bourreau ist Atheist geblieben in einer Welt, in der es vor Göttern nur so wimmelt. Und er ist gut in seinem Job, denn er hat keinen Respekt. Nicht vor Menschen und nicht vor Göttern. Sein aktueller Fall fordert ihn allerdings: Wertvolle Artefakte aus den verschiedensten Kulturen sind verschwunden und die Diebe gehen dabei buchstäblich über Leichen. Wie hängen die Gegenstände zusammen?

»Sternenkind« ist der vierte Teil des zehnteiligen eSerials »AERA, die Rückkehr der Götter« von Markus Heitz: Malleus reist für einen Privatauftrag nach Neu Carthago. Der Unfalltod eines Jungen wird nicht als solcher akzeptiert. Und es stellt sich heraus, dass der Vater des Jungen ein ägyptischer Gott war. Höchste Brisanz kennzeichnet den Fall.

Inhaltsübersicht

Neu-KarthagoEpisode 4 STERNENKINDIm FlugzeugAERA-GötterlexikonPrologTeil 1Teil 2BacchusTeil 3Baba jagaTeil 4Hugin & MuninTeil 5NeptunSednaTeil 6AdamastosBrigantinaTeil 7HeraTeil 8BadTeil 9TritonTeil 10BalderAERA im InternetAlle Teile der aufregenden Dark-Fiction-Serie von Markus Heitz »AERA – Die Rückkehr der Götter«
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Episode 4 STERNENKIND

 

»Tod und Schönheit sind zwei hohe Dinge, die gleich viel Schatten und Licht enthalten, sodass man sie für zwei Schwestern halten könnte, gleich schrecklich und furchtbar, erfüllt von demselben Rätsel und demselben Geheimnis.«

 

Victor Hugo

(1802–1885)

 

 

Großbritannien, York, November 2019

 

Malleus Bourreau saß in einer mit Renfell bezogenen Sitzgruppe dem Mann gegenüber, dessen Sohn in Treva tot aus der Elbe gezogen worden war.

Im Büro des Kunsthändlers war es ruhig, das leicht hallende Ticken der mannshohen Standuhr blieb vorerst das einzige Geräusch in dem stilvoll und antik eingerichteten Zimmer. Die hohen Wände waren mit weißen Tapeten versehen, es hingen alte Gemälde und historische Waffen daran, an der grün vertäfelten Decke gab es eingelassene Lämpchen, die für harmonisch-warmes Licht sorgten. Da im Norden Englands empfindliche Kälte herrschte, prasselte ein Kaminfeuer, die Funken wurden durch einen Eisendrahtschirm davon abgehalten, in den Raum zu springen und die kostbaren Teppiche zu versengen.

Die Wärme machte Malleus leicht schläfrig, daran änderte auch der starke Tee nichts, der von einem Angestellten des Händlers serviert worden war.

Er trug seinen dunklen Gehrock, darunter das längere helle Hemd mit dem ebenfalls hohen Kragen, schwarze Stoffhosen und Schuhe. Vor ihm auf dem Tischchen lag der PDA, von dem er die Informationen zum Tod von Stephen Ryan Crick abgelesen hatte.

Malleus beobachtete den gesetzten, älteren Mann ihm gegenüber, von dem er wusste, dass er Anfang sechzig war.

Ganz Geschäftsmann und Verehrer der Kunst, trug er einen noblen Anzug, der viel Geld gekostet haben musste, in Dunkelrot mit feinem schwarz-weißen Karomuster, das schottisch anmutete. Es sah elegant aus, dazu ein weißes Hemd mit schwarzer Krawatte, die mit doppeltem Windsorknoten gebunden war. Den beherrschte nicht jeder.

Seit etlichen Minuten sprach der silberhaarige Marcus Roy Crick kein Wort, starrte aus grauen Augen auf seine gefalteten kräftigen, gepflegten Hände. Der wuchtige Siegelring am rechten Mittelfinger trug zwei Raben als Zeichen.

Hugin und Munin. Der Händler betete zu den nordischen Entitäten, was in York trotz der starken keltisch-römischen Kräfte keine Besonderheit war. Malleus schätzte anhand der gebräunten Haut und den muskulösen Händen, dass sich Crick viel im Freien aufhielt, vermutlich Segelsport betrieb.

Unerwartet hob der Mann den Kopf, der Blick richtete sich auf Malleus, die Lampen warfen einen Lichtreflex auf den dunkelgrauen Bart. »Danke, dass Sie extra gekommen sind, um mir die Nachricht vom Tod meines Sohnes zu überbringen, Inspektor«, sprach er gefasst; die Knöchel wurden weiß, er presste die Finger fest zusammen. »Meine Warnungen nahm er nie ernst.«

»Warnungen, Sir?« Malleus hatte die Aufnahmefunktion des PDA betätigt.

»Unsere Familie sammelt und handelt mit Kunst in der vierten Generation. Es begann mit Kolonialkunst, die den Grundstock des Crick’schen Vermögens legte.« Er hielt kurz inne. »Mein Junge wollte diesen Zweig aufleben lassen. Ich hatte mich in den letzten Jahren auf Gemälde und Wikinger-Artefakte spezialisiert. Ich nahm den legalen Weg, er … suchte das Risiko. Und den höheren Profit.« Crick atmete ein, löste die Finger und langte zum Tischchen, auf dem Whiskyflaschen standen. »Es gab deswegen oft Streit zwischen uns.« Mit geübtem Griff wählte er eine aus, nahm sich ein Glas und goss sich reichlich ein. »Auch einen, Inspektor Bourreau?«

»Einen kleinen, Sir. Danke.« Malleus bekam einen geschliffenen Kristalltumbler gereicht, in dem sicherlich sechs Zentiliter der bernsteinfarbenen Flüssigkeit gegen die Wände schwappten. Was ist bei ihm dann groß?

»Ich erzähle Ihnen das, Inspektor, weil ich will, dass Sie den Mörder meines Jungen finden«, holte Crick aus. »Dazu müssen Sie wissen, was er tat und welche Verbindungen er hatte.« Er hob sein Glas leicht an. »Auf die Verlorenen.«

»Auf die Verlorenen«, erwiderte Malleus und reckte seinen Tumbler ebenfalls.

Ein kleiner Schluck zeigte ihm, dass der Händler einen ausgezeichneten Geschmack hatte: mild, aromatisch, kaum ein Brennen auf der Zunge, Noten von Karamell und leichtem Salz.

Seine Gedanken gingen bei dem Trinkspruch jedoch nicht zu seiner ausgelöschten Familie, sondern katapultierten Malleus regelrecht in Szenen der Übergangskriege, an die Fronten, in die Gefechte, in das Kreischen der niederstoßenden Granaten und das Heulen der aschfarbenen Kreaturen, die durch die Reihen der Kämpfer jagten und den Tod brachten. Mitten ins Sterben.

Auf die Verlorenen. Malleus trank nochmals und versuchte, sich von den unguten Flashbacks zu befreien. Panik konnte er nicht gebrauchen.

»Mein Sohn unterhielt verschiedene Kontakte zu zwielichtigen Händlern, die Sie, Inspektor Bourreau, Hehler nennen würden«, sagte Crick und ließ den Whisky im Glas kreisen.

»Wie Hannes Hein in Treva.«

Der Mann schüttelte zu seiner Verwunderung den weißgrauen Kopf. »Der Name fiel nie. Beim vorletzten Gespräch mit meinem Sohn berichtete er mir stolz, dass er die Statuette von Oduduwa aufgetan habe. Ein Händler namens Mohr habe ihn aus Treva angerufen.«

»Tat das Mohr öfter?«

»Mohr ist ein kleines Licht, eigentlich ein Gelegenheitsdieb, der schlecht gesicherte Artefakte aus Museen klaut und sie auf dem Flohmarkt verschachert«, antwortete Crick verächtlich. »Ich habe mich sofort gewundert, wie der an Oduduwa gekommen sein soll. Ich warnte meinen Sohn vor einer Fälschung, aber er schien absolut davon überzeugt, die echte zu haben.«

»Wie viele gibt es, die nach dem Artefakt suchen?«

»Ein gutes Dutzend wird es sein. Ich kenne alleine drei Kunden, die mir die Statuette abkaufen würden.« Crick trank vom Whisky. »Bei unserer letzten Unterhaltung war er bei Mohr, zusammen mit anderen Leuten, die sich verschiedene Gegenstände anschauten.«

»Wissen Sie, was der Hehler noch im Angebot hatte?«

»Mein Sohn berichtete von vier weiteren Artefakten, die er jedoch mäßig spannend fand.« Crick dachte nach. »Ein japanischer Fächer, eine mittelalterliche Krone, ein beschlagenes und verziertes Horn mit vermutlich indischem Hintergrund sowie ein kleiner goldener Käfer, dessen Herkunft er in Südamerika vermutete und von denen es noch mehr gäbe«, zählte er auf. »Er hat mir Bilder davon geschickt, die er mit seinem Smartphone schoss. Ich überlasse sie Ihnen, Inspektor.«

»Besten Dank. Aber erstanden hat Ihr Sohn nur die Statuette, Sir?«

»Für zehntausend Euro«, brummte er ungläubig. »Mohr hatte keine Ahnung, wie viel diese Gegenstände wert sind.« Er trank den Alkohol aus und goss sich neuen ein. »Dank Ihnen weiß ich auch, warum er sie billig loswerden wollte. Es waren keine Fälschungen. Er hatte sie von einem anderen Hehler gestohlen.«

Malleus rieb sich mit Daumen und Zeigefinger über die Bartenden. Er teilte die Einschätzung nicht. Jemand hatte es beim Verkaufen von bekannter teurer Ware nur eilig, wenn er sein eigenes Leben in Gefahr sah. Und das tat er nicht, wenn er einen genauso linken Hehlerkollegen beklaute.

Daher vermutete er, dass Mohr jemand anderen beschissen hatte.

Eine Person, welche jene fünf Artefakte bestellt sowie bezahlt hatte und nun ohne Lieferung geblieben war.

Mutmaßte Malleus richtig, fand man bald noch mehr Leichen, die über Umwege mit dem Einbruch bei Hannes Hein in Verbindung standen. Mohr würde nicht ungestraft davonkommen.

»Ihr Sohn, Mister Crick, wurde vermutlich vom eigentlichen Auftraggeber des Einbruchs abgefangen, gefoltert, verhört und umgebracht«, äußerte er seine Theorie. »Mohr war ein kleines Licht, der die Sachen unter Wert verkaufte, um das Weite zu suchen. Man wird seine Leiche sicherlich bald finden.«

»Sollten Sie richtigliegen, sind die vier Käufer, die am gleichen Tag wie mein Sohn bei dem Hehler waren, in Lebensgefahr«, folgerte Crick.

»Leider, Sir. Umso wichtiger wäre es, zum einen den Auftraggeber für den Einbruch zu ermitteln und zum anderen jene Herrschaften zu finden. Sie haben sich zwar durch den Kauf von Diebesgut strafbar gemacht, aber der Tod ist gewiss eine zu harte Strafe.« Malleus nippte an seinem Whisky. »Sie sind Kunsthändler, Mister Crick. Ihre Verbindungen in die Szene von Sammlern und anderen Händlern sind bei diesem Fall unschätzbar wertvoll. Denken Sie, Sie könnten Interpol behilflich sein?«

Crick willigte mit einem Knurrlaut ein. »Bei Odin, ich will, dass Sie dieses Arschloch finden, das meinen Jungen umbrachte, Inspektor Bourreau. Ziehen Sie ihn zur Rechenschaft.«

»Mit Ihrer Hilfe könnte das gelingen.«

»Ich tue alles dafür. Alles!« Crick erhob sich und ging zum Fenster, um die Blicke über die Innenstadt von York und den fallenden Schnee schweifen zu lassen. »Sagen Sie mir, wie mein Beistand aussehen kann.«

»Es wäre gut, wenn ich wüsste, um welche Art von Gegenständen es sich handelt, die Mohr verkaufte.«

»Ich sichte die Bilder, die mein Sohn mir geschickt hat, und teile Ihnen mit, was ich denke.« Crick winkte Malleus zu sich. »Sie sagten, mein Sohn habe die Statuette schmuggeln wollen?«

»Ich fürchte, ja, Sir. Am Zoll hätte man Fragen gestellt, und ohne Ausfuhrgenehmigung wäre es in der Asservatenkammer gelandet.«

»Wo befindet sich Oduduwa jetzt?«

Er rieb sich wieder über den Bart. Das war eine gute Frage, die Malleus spontan nicht beantworten konnte, während er sich erhob und sich zum Kunsthändler gesellte, der ihm offenkundig etwas zeigen wollte. Er hatte die Statuette mit nach Paris-Lutetia genommen, um sie dort zu verwahren. Aber womöglich spielte seine Möchtegern-Assistentin Lagrande gerade mit dem Artefakt herum, um weitere Geheimnisse zu ergründen.

»An einem sicheren Ort«, antwortete Malleus daher ausweichend. Zugleich machte er sich Sorgen um Madame Lagrande. Die Zeitungen hatten sicherlich von der Statuette berichtet, da sie im Polizeibericht erwähnt wurde. Der Auftraggeber würde sich auf die Suche danach machen. Zuerst in Treva, danach in Lutetia. Ich muss Lautrec informieren, dass sie ein Auge auf die Statuette haben sollen. Und Lagrande.

»Das ist gut. Mein Sohn war fest davon überzeugt«, setzte Crick zu einer Erklärung an, »dass sich im Innern etwas Wertvolles befindet.«

Malleus zuckte zusammen. Er erinnerte sich, dass ihm Oduduwa vor der Gerichtsmedizin aus der Hand gefallen und zerschellt war. Zwar fand er sämtliche Stücke wieder – aber ob sich etwas darin befunden hatte, wusste er nicht. Zu dunkel.

»Wertvoll im materiellen Sinn oder … spiritistisch? Oder ein Zettel mit einer Nachricht?«, versuchte er, es einzugrenzen.

Crick zuckte mit den breiten Schultern. Er hielt das Glas in einer Hand und steckte die andere in die Hosentasche. »Da ist sie: eine Stadt, drei Namen. York, Jórvik, Eboraceum. Wir sind jetzt nordisch, keltisch und römisch. Viele Götter sind unterwegs.« Er schnalzte mit der Zunge. »Keiner von denen kam meinem Jungen zu Hilfe. Nicht mal derjenige, den er im Arsch hatte.«

Malleus nippte am Whisky.

Es lag ihm eine Erwiderung auf der Zunge, aber er wollte nicht taktlos sein. Er schwieg und betrachtete die Altstadt, die sich vor dem hoch gelegenen Büro des Kunsthändlers auftat und dank der Perspektive ein beinahe geschlossenes Dächermeer abbildete, in dem sich kaum Lücken zeigten.

Auf dem Weg in die Altstadt war er in seinem BMW i8 am Clifford’s Tower vorbeigefahren, der ehemals erbaute Bergfried des York Castle.

Die Brandspuren auf den ehrwürdigen Mauern waren nicht für die Besucher der Stadt aufgemalt, um an das Massaker aus dem Jahr 1190 an der jüdischen Gemeinde zu erinnern – sondern neu.

Im Laufe der Übergangskriege hatte sich Geschichte ein wenig wiederholt, als militante christliche Gläubige zuerst in der Stadt Morde an Juden sowie keltischen und nordischen Religionsanhängern begingen. Sie verschanzten sich auf der Flucht vor den wütenden Verfolgern in den Ruinen des Bergfrieds und starben im Beschuss sowie in den Brandsätzen, die geworfen wurden. Zur Krönung schlug der Blitz mitten in sie hinein. Niemand zweifelte, dass es Thors Werk gewesen war.

Auch das York Minster, die einst zweitgrößte gotische Kathedrale im nördlichen Teil des alten Europas, hatte es erwischt. Sie wurde ein Raub der Flammen, die von zahlreichen Blitzschlägen ausgelöst worden waren. Übernatürlich vielen Blitzschlägen, wie die nordische Gemeinde in York stolz betonte. Thor und Odin hatten zweifach gezeigt, wer in Jórvik einen Hammer trug.

»Ich lebe sehr gerne hier«, sagte Crick leise und stellte das Glas auf die Fensterbank. »Als Junge bin ich durch die Snickelways gerannt, habe Fangen und Verstecken gespielt.«

Malleus hatte von den engen Gassen aus dem Spätmittelalter gehört, die sich rund um die Marktplätze verteilten. Die ersten Etagen wurden dicht an dicht gebaut und bildeten mit den abschließenden Dächern regelrechte Gewölbe. Heute waren diese Shambles funktionierende Touristenattraktionen.

»Dort ist es an manchen Tagen stockdunkel, und im Winter sind es gespenstische Orte, in denen die Spukgestalten lauern«, erzählte Crick weiter. »Wussten Sie, dass wir Hunderte von Geistern haben, Inspektor?«

»Nein.«

»Ich habe schon welche gesehen. Glauben Sie an Geister?«

Malleus musste grinsen. »Manchmal erscheinen sie mir realer als Entitäten, Sir.«

Crick nickte kaum merklich. »Vielleicht sollten wir Geister anstelle von Göttern anbeten. Von denen erwartet man weniger.« Er blickte auf seinen Ring mit Hugin und Munin, küsste ihn behutsam, als wolle er um Verzeihung bitten. »Danke für Ihre Zeit, Inspektor. Sie erhalten Nachricht von mir, sobald ich mehr über die Gegenstände herausgefunden habe, sowie sämtliche Informationen, die ich zu Mohr habe.«

»Wären Sie so freundlich, und senden Sie die Informationen auch an meine Assistentin, Madame Lagrande? Ich gebe Ihnen ihre Kontaktdaten.«

»Natürlich.« Er wandte sich Malleus zu und streckte ihm einladend die kräftige Hand entgegen. »Ab heute haben Sie einen Verbündeten auf der Suche nach dem Mörder meines Jungen.«

»Solange Sie mir versprechen, dass Interpol den Mann jagen und stellen wird und Sie davon absehen, Selbstjustiz zu verüben, Sir?«

»Es ist Ihre Aufgabe, Inspektor. Da mische ich mich nicht ein.« Crick zeigte mit der anderen Hand in den grauen Schneehimmel. »Aber wenn Odin oder Thor einen Blitz in den Schuldigen fahren lassen, können Sie mich nicht verantwortlich machen. Dann wurden lediglich meine Gebete erhört.«

Ich wette mein Jahresgehalt, dass dies nicht geschieht. Malleus schlug ein.

* Α Ω *

Da formt sich eine schicke Allianz, zwischen jenem, dem ich folge, und Mister Crick.

Gute Sache. Wird ihn voranbringen mit den Artefakten.

 

Und das ist also York, die Stadt der Geister und Spukgestalten. Mache hier bestimmt mal Urlaub. Gefällt mir. Alte Substanz, alte Geschichten und Geschichte.

Er ist jetzt noch besser verwanzt als vorher. Aber an seinen PDA komme ich nicht ran. Passt besser darauf auf als auf seine Tussi, wenn er eine hätte.

Scheiße, er könnte so viele haben, wie die kleine Nonne, die keine ist.

Hab herausgefunden, dass es eine Schwester Marina oder Marinuschka niemals im Vatikan gegeben hat. Kostete mich nicht viel, habe ich noch kurz vor dem Abflug angeleiert.

Den Wagen, den sie gemietet hat, wurde von einer Marina Dotch angefordert. Dotch – spricht man es russisch aus, hieße das Tochter. Scheint, als wäre sie in den Vatikan gekommen, allein um ihm nahe zu sein.

Den Dolch, den sie am Oberschenkel verborgen trägt, muss ich noch checken.

Ob er für ihn bestimmt war?

Hat sich die kleine falsche Nonne in ihn verguckt? Oder will sie ihn erwischen?

Hätte sie vielleicht doch besser weggeschossen. Mache ich auch. Wie vorgenommen.

 

Egal. Er ist in York, sie nicht.

Er kommt aus Cricks Haus, stapft durch das Schneetreiben zum i8. Aber zurück nach Germanien geht es wohl nicht. Er hat einen neuen Auftrag bekommen, glaube ich.

Bin echt gespannt, wie sich das mit den Artefakten entwickelt.

Werde es sehen.

Denn ich folge ihm. Wer ist er schon ohne mich?

***

Celtica, Paris-Lutetia, November 2019

 

Marianne Lagrande lag erwacht im Bett und hatte das Gefühl, nicht mehr alleine in ihrer kleinen Zweizimmerwohnung zu sein.

Ihr Schlaf war nicht grundlos von ihrem Unterbewusstsein unterbrochen worden.

Als Bewohnerin der Banlieue achtete sie auf ihre Umgebung, und diese Achtsamkeit ließ sich nicht abschalten. Nur für den, der sich auskannte, gestaltete sich das Leben weitaus ruhiger, als die Medien einen glauben machen wollten. Ohne Vorsicht kam niemand im Schatten der immensen Hochhäuser aus, die auf ihren Fronten Solaranlagen und LED-Anzeigenplakate montiert hatten.

Mit der Rückkehr der Götter hatte sich das Leben in den ghettoisierten Gebieten von Paris-Lutetia stark verändert. Die überwiegend muslimischen Bewohner hatten zuerst gekämpft, um ihren Glauben behalten zu können. Je nach Strenge der Auslegung drohte einem Muslim gar der Tod, sollte er dem Islam abschwören.

Ganze Gebäudekomplexe waren dabei zu titanischen Fackeln geworden, die staubend und brennend einstürzten, zusammen mit jenen, die für Allah starben. Danach waren viele geflohen, ohne den neuen Realitäten entfliehen zu können, oder konvertiert, wie es die meisten Christen auch taten. Es gab keine Argumente gegen Götter, aus deren Händen Flammen und Blitze schlugen. Ende 2019 lebten alle möglichen Religionen in der Banlieue, ohne dass sich Wohlstand ausgebreitet hatte.

Lagrande ließ die Augen geschlossen, lauschte.

Aus dem zweiten Zimmer drang eine geraunte Unterhaltung zwischen zwei Männern, eine Tastatur klackerte. Anhand des Keyboardklangs wusste sie sofort, dass es sich um ihren Rechner handelte. Anscheinend suchten sie etwas.

Lagrande schloss Diebe aus. Sie hätten längst den Laptop geschnappt, vielleicht noch die Musikanlage, und wären geflohen.

Leise wurden Schubladen geöffnet, nun durchsuchten sie das Zimmer. Es war eine Frage der Zeit, wann sie zu ihr kamen.

Lagrande öffnete die Augen und blickte sich um.

Noch befand sich niemand bei ihr, die Schränke sahen geschlossen aus. Anscheinend beließ man es zunächst dabei, einen Raum auf den Kopf zu stellen.

Leise rutschte sie aus dem Bett, langte unter den Rahmen und zog den Taser heraus, der vier Pfeile an dünnen Drähten mit elektrischen Ladungen abfeuern konnte und Kontakte zum direkten Aufsetzen auf den Körper besaß.

Genau das Richtige, um mit ungeladenen Besuchern umzugehen.

Lagrande aktivierte über die Telekommunikationseinrichtung in ihrer Wand den Notruf. Somit wurden sowohl die Hausverwaltung als auch die Polizei alarmiert.