Als der Fürst sich verliebte - Unveröffentlichter Roman - Elke Bräunling - E-Book

Als der Fürst sich verliebte - Unveröffentlichter Roman E-Book

Elke Bräunling

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Beschreibung

In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. "Fürstenkrone" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken. Entnervt von dem verhaßten Großstadttrubel betrat Simone Baerwaldt das exklusive Feinkostgeschäft ›Exquisi‹ in der Stachuspassage. »Entschuldigen Sie bitte, Fräulein, ich benötige dringend Ihre Hilfe.« Simone reichte der jungen Frau an der Kasse einen fast unleserlich bekritzelten Zettel mit ihren Einkaufswünschen. »Können Sie mir dies…«, sie deutete hektisch auf die lange, fast nicht entzifferbare Einkaufsliste, »… nun ja, wären Sie so liebenswürdig und würden mir das alles hier auf der Liste zusammenstellen? Ich habe einen ganz dringenden ­Termin, o nein, wie entsetzlich, ich bin ja schon viel zu spät.« Sie lächelte bedauernd. »Nun, da kann man nichts machen. Also, ich werde in zwei Stunden die bestellte Ware abholen. Das geht doch in Ordnung?« Sie zückte ihre Brieftasche und suchte nach ihrer Kreditkarte. »Selbstverständlich werde ich im…« Simone Baerwaldt stockte. Nachdenklich und gleichsam erschrocken musterte sie die junge Frau an der Kasse. Diese edlen Züge mit den hohen Wangenknochen, die großen, schillernd grünen Augen und das schimmernde brünette Haar – an wen erinnerte sie die Fremde bloß? »Renate? Nein, das kann nicht sein.« Sie stutzte. »Aber diese Ähnlichkeit… Thalya? Ja, du mußt Thalya von Arnstein sein.

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Fürstenkrone – 252 –

Als der Fürst sich verliebte - Unveröffentlichter Roman

Heiterer Roman um Irrungen und Wirkungen der Herzen

Elke Bräunling

Entnervt von dem verhaßten Großstadttrubel betrat Simone Baerwaldt das exklusive Feinkostgeschäft ›Exquisi‹ in der Stachuspassage.

»Entschuldigen Sie bitte, Fräulein, ich benötige dringend Ihre Hilfe.«

Simone reichte der jungen Frau an der Kasse einen fast unleserlich bekritzelten Zettel mit ihren Einkaufswünschen.

»Können Sie mir dies…«, sie deutete hektisch auf die lange, fast nicht entzifferbare Einkaufsliste, »… nun ja, wären Sie so liebenswürdig und würden mir das alles hier auf der Liste zusammenstellen? Ich habe einen ganz dringenden ­Termin, o nein, wie entsetzlich, ich bin ja schon viel zu spät.« Sie lächelte bedauernd. »Nun, da kann man nichts machen. Also, ich werde in zwei Stunden die bestellte Ware abholen. Das geht doch in Ordnung?« Sie zückte ihre Brieftasche und suchte nach ihrer Kreditkarte. »Selbstverständlich werde ich im…«

Simone Baerwaldt stockte. Nachdenklich und gleichsam erschrocken musterte sie die junge Frau an der Kasse. Diese edlen Züge mit den hohen Wangenknochen, die großen, schillernd grünen Augen und das schimmernde brünette Haar – an wen erinnerte sie die Fremde bloß?

»Renate? Nein, das kann nicht sein.« Sie stutzte. »Aber diese Ähnlichkeit… Thalya? Ja, du mußt Thalya von Arnstein sein. Renates Tochter!« fiel es ihr wie Schuppen von den Augen, und plötzlich schien sie es überhaupt nicht mehr eilig zu haben. »Mädchen! Daß ich hier die Tochter meiner besten Jugendfreundin treffe. Welch ein Wunder!«

»Sie kennen mich?« Verblüfft starrte Thalya die fremde Kundin an. »W-w-woher…?«

»Wie sollte ich dich nicht wiedererkennen?« Mit einem verschmitzten Lächeln unterbrach Simone Thalyas erschrockenes Stammeln. »Du bist Renate wie aus dem Gesicht geschnitten, und deine Mutter hat nicht mit Fotografien gespart. In jedem ihrer Briefe lagen Bilder von dir mit dabei.«

»Renate? Sie meinen meine Mutter?«

Simone lachte. »Aber ja. Daß ich dir fremd bin, muß dich nicht wundern. Ich kenne dich auch nur von Kinder- und Jugendfotografien. Doch das ist einige Jahre her. Und heute…«, sie machte eine kleine sinnende Pause, »… heute bist du deiner Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten. Diese Ähnlichkeit ist erstaunlich.«

In Thalyas Augen schimmerte so etwas wie ein leises Begreifen. Sie lächelte. Renates Lächeln.

»Du mußt Tante Simone sein. Simone Baerwaldt?« fragte sie zögernd. »Mamas beste Jugendfreundin.«

Simone nickte. »Meine Güte, wie rasch die Zeit vergangen ist«, meinte sie versonnen. »Auf den Fotografien trugst du dein Haar in hüftlangen Zöpfen, und nun stehst du mir als junge, sehr hübsche Geschäftsfrau gegenüber.«

Fragend sah sich Simone um. »Gehört dir der Laden?«

Thalya schüttelte den Kopf. Eine Haarsträhne löste sich aus ihrem Nackenknoten, und Thalya schob sie mit einer nervösen, fahrigen Handbewegung wieder hinter ihr Ohr.

»Nein, ich arbeite hier nur als Aushilfe«, antwortete sie betont gleichgültig, doch die Wehmut in ihren Augen strafte ihre Worte Lügen.

»Sag bloß, du jobst hier? Wieso das? Ist das Geschlecht derer von Arnstein bankrott?« fragte Simone leicht spöttisch. »Was sagt denn Renate dazu?«

»Mama ist vor drei Jahren gestorben. Ein Autounfall. Und das andere…« Mit einem Seufzer winkte Thalya ab, »das ist eine lange Geschichte.«

»Renate ist tot?« Fassungslos schüttelte Simone Baerwaldt den Kopf. Nein, das konnte doch nicht wahr sein. Renate, die einzige, die beste Freundin, die sie im Leben je gehabt hatte, lebte nicht mehr. Ganz gegen ihre sonstige Art kämpfte Simone gegen Tränen an.

»Ach, du Armes! Das mit Renate tut mir ja so leid«, brachte sie schließlich mit erstickter Stimme hervor. »Wie ist denn das passiert?«

Mitfühlend und gleichermaßen um Fassung ringend legte Simone ihre Hand auf Thalyas Arm. Sie spürte, daß die junge Frau nicht weniger zitterte als sie selbst.

»Bitte, Kind, das mußt du mir alles ganz genau erzählen. Auch möchte ich wissen, was du hier in diesem Schickimicki-Laden verloren hast. Es kann doch wohl nicht Renates Wunsch gewesen sein, daß du dir dein Geld als Aushilfskassiererin verdienst.«

Der Anflug von Trauer war vor-über, und Simone sah wieder auf ihre Armbanduhr.

»Leider habe ich jetzt einen wichtigen Termin. Könnten wir uns nachher treffen?« Sie lächelte gespielt munter und deutete auf ihre Einkaufsliste in Thalyas Hand. »Was rede ich denn? Ich muß ja wiederkommen und meine Einkäufe abholen. Aber daß du mir nicht davonläufst, versprochen?«

Ein glückliches Lächeln huschte über Thalyas blasses Gesicht.

»Versprochen, Tante Simone. Ich kümmere mich um deine Bestellung.« Sie deutete achselzuckend auf ihren Arbeitsplatz. »Bis 19 Uhr habe ich hier sowieso noch zu tun.«

»Gut, mein Kleines, bis nachher.« Simone strich Thalya zärtlich über die Wange. »Aber jetzt muß ich wirklich los. Ich freue mich auf später.«

Winkend verließ Simone das Geschäft und eilte in das große Verlagshaus, wo man sie bereits ungeduldig erwartete.

*

Obwohl das Gespräch im Verlag länger dauerte als erwartet, schaffte es Simone, rechtzeitig zum Ladenschluß wieder im ›Exquisi‹ zu sein. Sie nahm ihre Tüten in Empfang, bezahlte und wartete geduldig, bis Thalya den letzten Kunden bedient und die Abrechnung erstellt hatte.

Sinnend beobachtete Simone das Mädchen, das ihre Arbeit sehr ernst zu nehmen schien und sorgfältig auf jedes auch noch so winziges Detail achtete. Welches Unglück mochte der Familie von Arnstein widerfahren sein, daß Thalya gezwungen war, als Aushilfsverkäuferin in einem Feinkostladen ihren Lebensunterhalt zu verdienen? Immerhin hatte die Familie damals vor über zwanzig Jahren neben dem Familiengut und Ländereien in Schleswig-Holstein ein Waldschlößchen und eine weitverzweigte Firmengruppe, bestehend aus Webereien, Tuch- und Kleiderfabriken besessen. Hatte Thalyas Vater Stephan so eine katastrophale Mißwirtschaft betrieben?

Simone schüttelte unmerklich den Kopf. Nein, das konnte des Rätsels Lösung nicht sein. Nun doch ungeduldig geworden, atmete sie auf, als sie sich wenig später mit Thalya in einem italienischen Restaurant an einem gemütlichen Ecktisch niedergelassen und zwei Aperitifs bestellt hatte.

»Es tut mir leid, daß du warten mußtest, Simone«, sagte Thalya mit einem verlegenen Lächeln.

»Das ist kein Problem«, versicherte Simone. »Ich freue mich, daß wir uns getroffen haben, und nun bleibt uns zum Reden alle Zeit der Welt, nicht wahr?«

»Stimmt.« Thalya lächelte.

Dabei glich sie mehr denn je ihrer verstorbenen Mutter Renate. Sie hatte die gleichen gewellten Haare in dem warmen glänzenden Braunton, und auch ihre Augen funkelten in einem ebenso faszinierenden Smaragdgrün wie dereinst Renates. Aber Simone entdeckte auch Ähnlichkeiten mit Thalyas Vater Ste-phan: die hohe, gerade Stirn, eine sehr schmale Nase und das energische Kinn.

»Wie geht es deinem Vater?« fragte Simone, in Erinnerung an damalige unbeschwerte Tage versunken. »Wie hat er Renates Tod verkraftet?«

Thalyas Gesichtszüge verschlossen sich. Voller Wehmut senkte die junge Frau den Blick.

»Es tut mir leid, daß ich dich mit so vielen unbequemen Fragen überfalle«, entschuldigte sich Simone. »Diplomatie ist nicht meine Stärke, aber ich rede nicht gerne um den heißen Brei. Diese Ungeduld hat mir schon in der Schulzeit so manchen Tadel von deiner Mutter eingebracht.«

Sie lächelte gewinnend und griff nach Thalyas Hand. »Sollte ich dir zu neugierig sein, so unterbrich meinen Redefluß, einverstanden?«

Thalya nickte stumm.

»Gut, aber wie es Stephan geht, möchte ich dennoch gerne wissen. Er war meine große Liebe, weißt du?«

Simone nestelte mit einer wenig damenhaften Geste eine Zigarette aus der Packung und zündete sie sich an.

Wie erwachend blickte Thalya Simone mit weit aufgerissenen Augen und einem mehr als erstaunten Blick an. »Was? Papa und du? Ihr…«

»O nein, nicht, wie du denkst. Wir waren kein Liebespaar«, wehrte Simone lachend ab. »Es war auf einem Ball, als wir, Renate und ich, Stephan kennenlernten. Wir waren noch Schulmädchen, und dummerweise verliebten wir uns beide bis über beide Ohren in ihn.« Sie lächelte und schloß für einen Augenblick der Erinnerung versonnen die Augen.

»Und dann? Habt ihr um Papa gestritten, Mama und du?« fragte Thalya neugierig.

Simone schüttelte den Kopf. »Nein, wir waren doch Freundinnen. Zu meinem Pech hatte Stephan von Anfang an nur Augen für deine Mutter. Im Nachhinein betrachtet hat er damit auch die bessere Wahl getroffen.«

Sie lachte hell auf. »Weißt du, ich war und bin viel zu burschikos und wenig damenhaft. Renate paßte viel besser zu deinem Vater. Sie war der mädchenhafte Typ, den Stephan suchte. Dennoch litt ich sehr unter Liebeskummer, und nach dem Abitur zog ich mich von deinen Eltern immer mehr zurück. Ich flüchtete vor meinen Gefühlen und ließ mich in Florida nieder. Doch das ist eine andere Geschichte.«

Verträumt blies Simone den Zigarettenrauch in kleinen Kringeln in die Luft.

»Hmmm! Dein Vater sah so verdammt gut aus. Mit seinen schwar­zen Haaren und der braunen Haut hätte man ihn sehr überzeugend für einen karibischen Piraten halten können.«

»Stimmt«, gab ihr Thalya lachend recht. »Allerdings als Pirat mit Anzug und Smoking.«

»Tja, für Jeans und moderne, flippige Kleidung war Stephan nie zu begeistern«, gab Simone lächelnd zu. »Ich denke, schon aus diesem Grunde hätten wir nicht zusammengepaßt. Ich hasse konservative Klamotten«, bekannte sie augenzwinkernd.

»Oh, das hätte ich gar nicht gedacht«, entfuhr es Thalya mit einem ironischen Unterton so spontan, daß sie erschrocken die Hand vor den Mund hielt und Simone verzeihend ansah. »Entschuldige bitte, ich habe es nicht so gemeint.«

Simone lachte. »Und ob es so gemeint war, Kind. Du hast ja recht. Mit der Mode stehe ich auf dem Kriegsfuß und trage am liebsten meine ollen Jeans und die Siebziger-Jahre-Fähnchen, die, mit Verlaub, heute sogar wieder ganz en vogue sind.«

Sie deutete auf ihre Schlabberbluse und die verwaschene Jeans und grinste. »Stephan würde der Schlag treffen, sähe er mich in dieser Aufmachung hier sitzen.«

Beide Frauen lachten herzlich, und dank Simones Aufrichtigkeit hatte eine heitere Stimmung der leisen Schwermut, die zuvor geherrscht hatte, Platz gemacht.

»Du siehst«, fuhr Simone erklärend fort, »es gibt keinen Grund, sich zu entschuldigen. Zudem bin ich nicht so damenhaft empfindsam, daß ich jedes Wort auf die Goldwaage lege. Das ist mir zu mühsam, ein Grund, weshalb ich in meiner Jugend in unseren Kreisen als ›enfant terrible‹ verschrien war. Nur, weil ich mir nicht vorschreiben ließ, was es sich geziemt zu sagen, zu denken oder zu tragen.«

Sie zog wieder an ihrer Zigarette und fügte hinzu: »Eigentlich ist es verwunderlich, daß die Freundschaft zwischen deiner Mutter und mir trotz unserer Verschiedenheit so dauerhaft gewesen ist.«

»Gegensätze ziehen sich an«, warf Thalya lächelnd ein.

»Ja, wahrscheinlich ist es auch so.«

Der Kellner kam und servierte als Vorspeise köstlich duftende Tagliatelle mit geraspelten schwarzen Trüffeln.

»Geht es Stephan gut?« wiederholte Simone hartnäckig ihre Frage, nachdem sie die ersten Bissen genüßlich gekostet hatten.

Thalya, ganz mit dem Essen beschäftigt, nickte.

»Ja, Vater geht es gut, glaube ich.« Und nach einer langen Pause fügte sie, den Blick auf den Teller gerichtet, betont gleichmütig hinzu: »Zumindest fühlte er sich hervorragend, als ich ihn das letzte Mal gesehen habe. Er hat sehr bald nach Mutters Tod wieder geheiratet.«

Simone wurde hellhörig. Sollten sich dahinter Thalyas Probleme verbergen?

»Dein Vater ist nicht der Typ, der lange alleine bleiben kann«, tastete sie sich vorsichtig vor. »Aber ich denke, daß er deswegen deine Mutter nicht vergessen hat oder dich nun weniger liebt als zuvor.«

»Ach, das ist es doch gar nicht.« Thalya seufzte und griff nach ihrem Weinglas. »Ich bin nicht eifersüchtig. Jede neue Beziehung hätte ich ihm gegönnt, damit er nicht mehr so unglücklich ist. Aber Jacqueline bringt ihm kein Glück. Nicht das, das er sich ersehnt.«

Thalya verstummte und starrte auf ihren Teller.

Mitfühlend streichelte Simone ihre Hand.

»Wenngleich ich für dich auch eine Fremde bin, Thalya, und es dir sicherlich nicht leicht fällt, über deinen Kummer zu sprechen, so sollst du doch wissen, daß ich immer für dich da sein werde. Wenn ich dir helfen kann, so sage es mir bitte. Ich denke, ich bin es Renate schuldig, daß ich ihrer Tochter beistehe.«

Simones Stimme klang so aufrichtig, daß Thalya aufsah. Ihre grünen Augen füllten sich mit Tränen.

»Danke, Tante Simone.«

Simone winkte ab. »Können wir dieses ›Tante‹ nicht weglassen, meine Liebe? Ich fühle mich so alt, wenn ich dieses Wort aus dem Munde einer jungen Frau höre. Außerdem«, sie lächelte ermutigend, »bin ich – verwandtschaftlich betrachtet – auch nicht deine Tante. Laß uns Freundinnen sein, ja?«

»Das wäre fein. Danke, Ta…, entschuldige, ich meine, danke, Simone.« Ein leises Lächeln huschte über Thalyas blasses Gesicht.

»Und nun erzähle mir, was bei euch passiert ist und warum du wie ein unglückliches kleines Hühnchen vor mir sitzt«, schlug Simone betont heiter vor.

Thalya mußte trotz ihres Kummers lächeln.

»Jacqueline ist nur wenige Jahre älter als ich«, begann sie schließlich. »Doch das ist es nicht, was mich stört. Nein, ihre eiskalte und berechnende Persönlichkeit macht mir Angst. Papa ist blind vor Liebe und sieht nicht ihr wahres Gesicht. Er erkennt nicht, daß er für Jacqueline ohne sein Vermögen uninteressant wäre, ach, was sage ich, auslachen würde sie ihn und zum Teufel jagen, wäre er mittellos.«

Nun war es doch um Thalyas Beherrschung geschehen. Sie konnte ihre Tränen der Wut nicht mehr zurückhalten.

Schweigend reichte Simone ihr ein Papiertaschentuch. »Erzähl mir von dieser Jacqueline«, sagte sie, als sich Thalya wieder etwas beruhigt hatte.

»Vor der Ehe hieß sie Jacqueline Östrich.«

»Etwa das billige Skandal-Werbefilmsternchen?«

Thalya nickte, und wieder kämpfte sie gegen die Tränen.

»Meine Güte, Stephan muß wirklich mit Blindheit geschlagen und mit Dummheit gesegnet sein, wenn er sich ausgerechnet mit der feinen Jacqueline Östrich einläßt.«

»Du kennst sie?«

»Kennen wäre übertrieben«, schränkte Simone ein. »Mir ist allerdings bestens bekannt, daß Ehrlichkeit und Vertrauen Fremdworte für diese vermeintliche Dame, die man sich am besten mit einem Prügel vom Leibe halten sollte, bedeuten.«

»Woher…«

»Du meinst, woher ich das weiß?« Simone zündete sich erneut eine Zigarette an. Daß ihr Essen inzwischen kalt geworden war, schien sie nicht zu interessieren.

»Ich habe ihren Aufstieg, wenn man es so nennen kann, miterlebt. Ich saß in der Jury einer Miss-Wahl. Damals wurde Jacqueline Zweite, und sie verstand es meisterhaft, dafür zu sorgen, daß man sie nicht mehr vergaß. Von da an tauchte sie immer wieder in den Schlagzeilen der Sensationspresse mit kleinen Skandälchen und wechselnden Liebschaften auf.«

Simone schüttelte verwundert den Kopf. »Und dieses kleine Biest hat es doch tatsächlich geschafft, bei jeder neuen Schlagzeile mit einem noch potenteren und bedeutenderen Begleiter aufzuwarten.« Sie lachte heiser auf. »Ich frage mich, mit welchen Tricks sie deinen Vater erobert hat. Stephan war immer sehr zurückhaltend und publicityscheu.«

»Sein gräflicher Titel und sein Geld machten ihn wahrscheinlich interessant genug, um dieses Manko auszugleichen«, stellte Thalya mit bitterer Stimme fest. »Bisher ist es Papa gelungen, Jacqueline bei öffentlichen Auftritten zu bremsen. Aber es kommt der Tag, an dem sie ihre Ziele erreicht hat und Papa durch einen neuen, noch vermögenderen Nachfolger ersetzen wird.«

Sie griff nach Simones Hand. »Daß sie Papas Geld mit vollen Händen ausgibt, bereitet mir weniger Sorgen. Nein, ich fürchte, daß Papa daran zerbrechen wird, wenn er erkennt, wie sie ihn hintergeht. Wenn sein Ansehen, seine Firmen, sein Lebenswerk, wenn alles zerstört ist… Und wenn…« Thalya schwieg.

Simone nickte. »Diese Angst ist nicht unbegründet. Dein Vater ist sehr sensibel. Wußtest du, daß er ein begnadeter Maler war? Jetzt schau nicht so erstaunt.«

»Papa? Wirklich? Ich kann mich nicht erinnern, ihn jemals beim Malen oder Zeichnen gesehen zu haben.«

»Stephan war immer sehr konsequent in seinen Entscheidungen. Nach der Heirat wurde er von deinem Großvater vor die Wahl gestellt, entweder sein Erbe anzutreten und die Firmen zu übernehmen, oder sein Glück mittellos als Künstler zu versuchen. Aus Verantwortungsbewußtsein entschied er sich für die Firmennachfolge. Den Pinsel legte er für immer zur Seite. ›Die Kunst ist eine eifersüchtige Gefährtin‹, hatte er damals oft gesagt, ›entweder man liefert sich ihr voll und ganz aus oder man läßt es bleiben. Halbe Sachen duldet sie nicht.‹«