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Saskia Sarginsons berührender Roman ist so unvergesslich wie die erste große Liebe – Verlieben Sie sich in Cat und Sam! Cat und Sam sind in den Zwanzigern, als sie sich 1983 auf einer Parkbank an der Strandpromenade von Atlantic City zum ersten Mal treffen. Es ist Liebe auf den ersten Blick! Vieles scheint sie zu trennen, doch es gibt noch mehr, das sie eint. Beide haben große Träume – er möchte Musiker werden, sie Schriftstellerin. Zum ersten Mal überhaupt fühlen sie sich von einem anderen Menschen verstanden und geliebt. Als Sam die USA verlassen und nach England zurückkehren muss, schwören sie sich, dass sie sich schon bald wiedersehen werden. Doch schon wenige fehlgeleitete Briefe scheinen alle Hoffnungen zunichte zu machen. Sam versteht nicht, wieso Cat nie auf seine Briefe reagiert, und Cat – die die Briefe nie erhalten hat – kann sich sein Schweigen nicht erklären. Der Kontakt bricht ab, doch beide können diese einzigartige große Liebe nie vergessen. Eines Tages beschließt Cat, ihren Geliebten zu suchen und zieht nach London. Er hat ihr immer von seinem Ruhepol erzählt: einer Bank mit einer besonderen Inschrift, irgendwo im Park Hampstead Heath. Sie verbringt Stunden dort und wartet auf Sam, doch ihre Wege kreuzen sich nie. Als das Schicksal sie dann nach Jahrzehnten endlich wieder zusammenführt, stellt sich die Frage, ob in ihren Leben überhaupt noch Platz füreinander ist … Als die Zukunft noch vor uns lag ist eine dramatische Liebesgeschichte um verpasste Chancen, die sich über drei Jahrzehnte erstreckt – herzzerreißend tragisch und hoch romantisch! Saskia Sarginsons Stil fesselt, sie malt traumhafte Kulissen und erschafft identifikationsstarke Figuren, die fallen dürfen aber auch groß träumen und gewinnen.
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Seitenzahl: 503
Saskia Sarginson
Roman
Aus dem Englischen von Maria Hochsieder
Knaur eBooks
Es wird immer ihr Ort sein, aber wird ihre Zeit jemals kommen?
Cat und Sam sind in den Zwanzigern, als sie sich 1983 an einer Parkbank in Atlantic City zum ersten Mal treffen. Es ist Liebe auf den ersten Blick. Als Sam nach England zurückkehren muss, schwören sie sich, dass sie sich schon bald wiedersehen werden. Doch schon wenige fehlgeleitete Briefe scheinen alle Hoffnungen zunichtezumachen, und der Kontakt bricht ab. Die Zeit vergeht, beide bauen sich ein Leben ohne einander auf, doch vergessen können sie sich nie. Als sie sich Jahre später wiederfinden, müssen sie erkennen, dass die Gefühle füreinander noch so stark sind wie früher …
Prolog
Erster Teil
Eins
Zwei
Drei
Vier
Fünf
Sechs
Sieben
Acht
Neun
Zehn
Elf
Zwölf
Dreizehn
Vierzehn
Fünfzehn
Sechzehn
Siebzehn
Achtzehn
Neunzehn
Zwanzig
Zweiter Teil
Einundzwanzig
Zweiundzwanzig
Dreiundzwanzig
Vierundzwanzig
Fünfundzwanzig
Sechsundzwanzig
Siebenundzwanzig
Achtundzwanzig
Neunundzwanzig
Dritter Teil
Dreißig
Einunddreißig
Zweiunddreißig
Dreiunddreißig
Vierunddreißig
Fünfunddreißig
Sechsunddreißig
Siebenunddreißig
Achtunddreißig
Neununddreißig
Vierter Teil
Vierzig
Einundvierzig
Zweiundvierzig
Dreiundvierzig
Vierundvierzig
Fünfundvierzig
Sechsundvierzig
Siebenundvierzig
Achtundvierzig
Neunundvierzig
Fünfzig
Epilog
Anmerkung der Autorin
Danksagung
Auf dieser Bank wurde das Leben langsamer, hier erblühte die Liebe, und Erinnerungen wurden begründet.
Ihr Atem geht schneller, als sie nach dem Aufstieg die Bank erreicht und sich auf die Holzlatten fallen lässt. Mit zusammengepressten Knien und durchgedrücktem Rücken sitzt sie da und verschränkt die Hände im Schoß. Nur die Daumen, die rastlos umeinander kreisen, verraten ihre Nervosität. Sie macht die Augen zu und verschließt sich dem Anblick der mit Büschen bewachsenen Hügel, der uralten Eichenwälder und der Teiche, die sich aus den dunklen Quellen des River Fleet speisen.
Ist er schon hier? Geht er über einen der Pfade, vorbei an den Joggern, Hundebesitzern und den Müttern mit Kinderwagen? Besäße sie übernatürliche Kräfte, würde sie dann seine Schritte erkennen, wenn der Kies unter seinem Gewicht hochspringt? Auf einem der Felder am Fuß des Parliament Hill ist ein Fußballspiel im Gange, sie hört Schreie von dort und das Heulen von Sirenen in der Ferne.
Sie öffnet die Augen, plötzlich hat sie Angst, dass sie ihn irgendwie verpassen könnte, und fährt mit den Fingern über die eingravierten Buchstaben an der Rückenlehne. Vor sehr langer Zeit hat Cat ihm die Inschrift vorgelesen, und dann dachten sie sich beide eigene Formulierungen aus, die wie Zauberformeln waren, und brachten einander zum Lachen. Das letzte Mal aber, als sie sich an dieser Bank trafen, war ihre letzte Begegnung gewesen, und zu diesem Zeitpunkt hatten alle Worte ihre Kraft verloren. Stattdessen hatten sie sich dicht aneinandergepresst, seine Hände hatten ihr Gesicht gehalten und still die Tränen fortgewischt, seine salzigen Daumen hatten über ihre Wangen gestreift. Zehn Jahre war das her.
Sie legt die Hand auf das Holz, als erwarte sie, dass seine Körperwärme in den Fasern zurückgeblieben ist. Zahllose Menschen werden seither hier Zuflucht gefunden haben, vielleicht ein Sandwich gegessen oder eine Zeitung gelesen haben, glücklich, dass sie einen so schönen Ort gefunden hatten, alleine oder in Gesellschaft, sie mochten ein Kind auf dem Schoß gehalten oder einen Hund zu ihren Füßen gestreichelt und in die Senke hinuntergeblickt haben.
Wird er kommen? Die Angst schnürt ihr die Kehle zu. Vielleicht hat er es vergessen. Vielleicht hat er jemand anders gefunden. Sie sieht einen Mann auf sich zukommen. Noch hat er die Größe einer Puppe; als er sich nähert, bemüht sie sich, Einzelheiten auszumachen. Selbst aus dieser Entfernung und Perspektive ist sie davon überzeugt, dass er die richtige Größe und Figur hat. Halt. Nein. Die Haare dieses Mannes sind grau. Andererseits ist er fast fünfzig, ruft sie sich in Erinnerung. Er nähert sich über die Wiese. Ist er es? Sie zieht die Stirn kraus und schirmt mit der Hand die Augen ab. Da erkennt sie den kleinen Jungen, der hinter ihm herstapft und dann auf ihn zurennt und seine Hand ergreift. Sie haben einen Drachen, ein rotes Plastikdreieck mit einem flatternden Schwanz. Dieser Fremde und sein Enkel lachen. Die Enttäuschung brennt ihr in den Augen.
Sie versucht, sich zu fassen, denkt an das Tagebuch und daran, dass alles aufgeschrieben wurde – ihre ganze Geschichte von Anfang an.
Beim ersten Mal, als Cat und Sam auf dieser Bank saßen, konnten sie nicht aufhören zu reden, es gab so viel zu erzählen. Beim zweiten Mal war sie wütend auf ihn. Sehr wütend. Als sie sich das dritte Mal hier trafen, war das Leben ein großes Durcheinander, doch noch schien es möglich, und die pure Freude des Zusammenseins stellte alles andere in den Schatten.
»Vor hundert Jahren«, sagte er, »hat hier das Vieh gegrast, und die Leute sind hergekommen, um Sand abzubauen und Holz für das Kaminfeuer zu sammeln. Stell dir vor, wir wären ein Paar gewesen, das in einem verrauchten Häuschen lebt; wir hätten hier gestanden und die Sonne auf unseren Gesichtern gespürt, und in der Luft hätte der Geruch der neuen Teiche gehangen. Ich hätte deine Hand genommen, dich geküsst, dein Haar, deinen Mund, und es hätte mich nicht gekümmert, ob man uns dabei sieht.«
Sie erwiderte nichts und malte sich dieses einfache Leben aus, in bäuerlichen Kleidern, ohne Lügen, Täuschung oder den Gedanken an Untreue, nichts als die reine tröstliche Zweisamkeit, während um sie herum die Kühe grasten. Cat liebte Sams poetisches Wesen, das sich in seinen Liedtexten und seinen Worten zeigte. Sie liebte es, wie aus allem eine Geschichte, ein Lied wurde. Mit leuchtenden Augen hatte er ihr erzählt, dass Guy Fawkes und seine Mitverschwörer geplant hatten, von diesem Punkt aus zu beobachten, wie das Parlament in die Luft flog, und dass der Legende nach Boudicca hier begraben war.
»Boudicca? Das hast du dir ausgedacht!«
Er zeigte ihr ein zerfleddertes Buch, das er in der Jackentasche bei sich trug. Hampstead Heath: Zehn Spaziergänge durch Londons Parklandschaft.
»Das ist ja mal Sex and Drugs and Rock ’n’ Roll«, neckte sie ihn.
Da stürzte er sich auf sie, und Cat entwand sich seinem Griff, rannte den Hügel hinunter, stolperte über Grasbüschel, trat in schmatzende Schlammlöcher, suchte mit rudernden Armen das Gleichgewicht und sehnte sich danach, dass er sie einholte, erwartete den Aufprall seines Körpers auf ihrem, dass seine Rippen an ihre Wirbelsäule rempelten, ein Herz hinter dem anderen.
Das Erste, was sie berührt, ist sein Schatten, er fängt sie ein, zieht sie ins Dunkel, sodass sie den Blick hebt. Er atmet schwer, er muss den steilen Hang heraufgerannt sein, wie ein junger Mann, um zu ihr zu kommen.
Sein Haar ist nicht grau, es ist dicht und schwarz, mit helleren Strähnen an den Schläfen. Mit zitternder Hand fährt er sich durch die feuchten Haare und schiebt sie aus dem Gesicht. Schweigend starren sie einander an. Es gibt so viel, was sie ihm sagen möchte, doch die Worte sitzen ihr im Halse fest.
Er wendet die Augen nicht ab, er blinzelt nicht einmal. Sein Blick hält sie fest. Über sein Gesicht zucken Gefühlsregungen, eine nach der anderen, wie ein Kartensatz, der aus der geöffneten Hand fällt. Und trotz allem ist der Ausdruck, der zuletzt auf seinem breiten Mund, um die Falten auf seiner Stirn und in seinen schwarzen Augen erscheint, ein Ausdruck von Hoffnung.
Durch die Zeit beginnt die Liebe
Zu Moms beharrlichem Verdruss sind sämtliche Männer, denen ich begegne, tot. Aber so ist das nun mal, wenn man in einem Bestattungsinstitut arbeitet. Selbst die Typen, die ich an meinen freien Tagen zu Gesicht kriege und die in Schlaghose und mit offenem Kragen über die Uferpromenade bummeln, grinsend den Mädchen hinterherglotzen und händeweise salzige Karamellbonbons in sich hineinstopfen, sehen kaum aus, als ob sie am Leben wären. Zugegeben, sie sind Touristen, die hier sind, um sich in den Casinos und Spielhallen zu amüsieren. Sie sind in Atlantic City, um der Realität zu entfliehen.
Morgens, wenn ich aufstehe und zum Strand gehe, sind keine Touristen unterwegs. Nicht nur, weil es gerade erst dämmert und der Himmel noch rosa ist, sondern weil unser Stadtteil als unsicher gilt. Die übliche Empfehlung lautet, sich nicht weiter als einen Häuserblock vom Strand zu entfernen. »Gütiger Himmel«, sagen die alten Damen in ihren Karohosen zueinander. »Pass ja auf, dass du nicht versehentlich zu weit gehst.«
Sobald ich aber die breite Fahrbahn der Atlantic Avenue passiert habe, gibt es keine mit Schindeln gedeckten Häuser und Baulücken mehr, und ich bin in der Gegend, die die Menschen beim Gedanken an Atlantic City vor Augen haben: große Casinos, hoch aufragende Hotels, Portiers in Uniform, die gähnend auf ihrem roten Teppichflecken stehen. Hier rieche ich schon die salzige Luft vom Ozean her, und bald bin ich auf der lang gezogenen Promenade, und unterhalb von mir raunt das Meer. Der schwachen Frühlingssonne gelingt es noch nicht, die Luft zu erwärmen, und niemand ist so dumm, ans Schwimmen zu denken. Ich gehe an den Geschäften vorbei, an deren Türen Schilder mit der Aufschrift »Geschlossen« hängen; in der Brise klirren die festgeketteten Surfbretter, und außer mir sind nur die Straßenkehrer und ein paar streunende Katzen unterwegs.
Entlang der gesamten Uferpromenade stehen grüne Holzbänke mit Blick über das Wasser. Jeden Morgen bleibe ich an derselben Bank stehen und fahre mit den Fingern über die kleine Bronzetafel. Unten am Strand wartet das Meer, das tröstliche Schwappen der Wellen, die unendliche Weite aus Blau auf Blau. Ich halte den Atem an in der Hoffnung, Delfinflossen auszumachen, und schnappe nach Luft, als ich sie tatsächlich sehe: Drei Delfine tauchen in den Wellen auf und ab. Ich weiß, dass ich ihnen nicht nahe kommen werde, aber die Freude über ihren Anblick jagt mich die Stufen hinunter zum Strand. Direkt am Wasser ziehe ich die Jeans und das Sweatshirt aus, unter denen ich meinen Badeanzug trage, und bevor ich mir allzu viele Gedanken darüber machen kann, wie eisig es ist, stürze ich mich hinein.
Nichts existiert mehr als das grünblaue Wasser und die betäubende Kälte. Ich schwimme schnell, meine Arme graben sich einen Weg durch die sanften Wellen, und ich zähle, das Ufer immer im Blick, die noch nicht besetzten Häuschen der Rettungsschwimmer, damit ich weiß, an welcher Stelle ich umkehren und zurückschwimmen muss. Als ich schließlich wieder an Land bin, mich abgetrocknet und mir die Kleider über die klebrig salzige Haut gezogen habe, versammeln sich die ersten Leute am Strand. Ich höre das vertraute Klappern und Klirren, als die Spielhallen öffnen, Markisen, die vor den Schaufenstern der Geschäfte ausgefahren werden, Ständer mit Postkarten und Souvenirs, die auf den Holzsteg gerollt werden.
Als ich mich auf den Heimweg mache, weht Kaffeeduft vom Beach Shack herbei und erinnert mich daran, dass ich Hunger habe. Vor mir setzt ein hochgewachsener Junge seinen Gitarrenkasten und einen riesigen Rucksack auf dem Boden ab, rollt die Schultern und zieht dann einen Stadtplan aus der Jeanstasche. Er ist vielleicht Mitte zwanzig, sein Gesicht gefällt mir. Sein breiter Mund scheint fürs Lächeln wie gemacht. Er senkt den Blick, um den Stadtplan zu inspizieren, und sein strähniges dunkles Haar fällt ihm in die Augen. Ich verlangsame meine Schritte und überlege, ob ich ihm Hilfe anbieten soll, doch ein Pärchen vor mir ist bereits stehen geblieben. Gestikulierend halten sie ihm einen Fotoapparat hin. Als ich an ihnen vorbeigehe, höre ich seine höfliche Antwort. Er ist Engländer. Seine Stimme klingt so, wie ich mir die altertümlichen Helden in meinen Lieblingsromanen vorstelle.
Unversehens habe ich eine Szene im Kopf – irgendetwas zwischen Stolz und Vorurteil und Rebecca, eine Kreuzung aus Mr Darcy und Mr de Winter: ein Mann mit hervorragenden Umgangsformen und einem herrschaftlichen Anwesen. Ein Mann mit einem breiten Mund und einem ungezwungenen Lächeln. In meiner Vorstellung schreitet er über die grüne Weite einer englischen Landschaft, um irgendwo eine Ungerechtigkeit aus der Welt zu schaffen und das Herz der Frau zu gewinnen, die er liebt.
Ich frage mich, was der lange Kerl mit der Gitarre sagen würde, wenn er wüsste, dass sein britischer Akzent innerhalb von fünf Sekunden solche Fantasien hervorgerufen hat. Aber genau das ist es ja, was so schön ist am Fantasieren: die Freiheit, im eigenen Kopf umherzuschweifen. Ohne das wäre ich vermutlich schon durchgedreht.
Zusammengesackt sitzt Dad auf seinem Stuhl auf der Veranda, und es ist offensichtlich, dass er nicht im Bett war, sondern Blackjack oder Poker in einem der Casinos gespielt hat. Mit zerzaustem Haar blickt er mich aus roten, müden Augen an.
Ich nehme ihn an der Hand. »Komm schon, Dad. Du musst was essen. Du darfst nicht schon wieder zu spät zur Arbeit kommen.«
»Ich hatte eine Glückssträhne, Kit-Cat«, sagt er mit heiserer Stimme. »Es war mein Glückstag …«
»… und dann irgendwann nicht mehr«, beende ich den Satz.
»Ja.« Er streicht sich mit der Hand durch das schüttere Haar, zieht eine zerknautschte Zigarettenschachtel aus der Tasche und versucht, sich mit zittrigen Fingern eine Zigarette anzuzünden, doch die Flamme erlischt. Ich knie mich neben ihn und halte ihm das Feuerzeug hin. Er riecht nach altem Schweiß und Nikotin. Tief zieht er den Rauch ein.
Auf meiner Stirn ist ein kleines Muttermal, das die Form eines Sterns hat, zumindest, wenn man die Augen zusammenkneift und seiner Fantasie freien Lauf lässt. »Mein Glücksstern«, sagt Dad oft. Ich frage ihn nicht, wie viel er verspielt hat. Er würde es ohnehin nicht zugeben. Kein Grund zur Panik, ermahne ich mich, mein Gehalt reicht für die Miete. Gut so, denn im Haus ist nichts mehr, was man noch verkaufen oder verpfänden könnte. Moms Klavier ist schon seit Monaten weg. Sie sagt, es sei besser so, jetzt müsse sie sich nicht mehr sorgen, es zu verlieren. Aber ich ertappe sie manchmal dabei, wie sie die Finger über den Küchentisch gleiten lässt und den Klängen in ihrem Kopf nachspürt.
Ich dusche mich kurz und ziehe die Uniform aus schwarzem Hemd und schwarzer Hose an. In der Küche werkelt Mom in einer weißen Schürze über dem geblümten Baumwollkleid, eine blaue Schleife im Haar wie ein kleines Mädchen. Sie kocht Maisgrütze und Eier für meinen Vater. In einem Topf auf dem Herd köchelt Kaffee. Ich schenke mir eine Tasse ein.
Bekümmert blickt sie auf meine Stiefel mit den Stahlkappen. Ich habe es aufgegeben, ihr zu erklären, dass ich sie zum eigenen Schutz trage und sie vorgeschrieben sind. Sie würde mich so gern in schicken spitzen Schühchen mit zierlichen Absätzen sehen.
Ich trinke einen Schluck brühheißen Kaffee. »Es ist schlimmer geworden.« Ich hebe den Blick zur Decke. Über unseren Köpfen ächzt der Holzboden unter Dads schweren Schritten.
Sie dreht sich zu mir um und faucht: »Denkst du, ich weiß das nicht?«
»Aber Mom …«
»Es hat keinen Zweck, Catrin. Wir brauchen nicht darüber zu reden. Wir kommen zurecht, oder nicht?« Ihre Worte versickern. Eine Weile sagt keiner von uns beiden etwas. »Es war schwer für ihn, als der kleine Frank gestorben ist.« Ihre Hände flattern. »Und dann warst du so krank … an der Schwelle zum Tod. Es war eine große Belastung. Dazu die Arztrechnungen. Seit damals ist alles so mühsam. Ich denke, das ist der Grund. Deswegen macht er das, glaube ich.«
»Ich weiß ja, dass er uns nicht wehtun will …«
Mom verzieht das Gesicht. »Ich habe mal wieder meine Migräne.« Mit den Fingerspitzen massiert sie sich die Schläfen in winzigen Kreisbewegungen. »Tu mir nur einen Gefallen«, sagt sie.
»Ja?«
Sie kommt näher, und ich erwarte, dass sie mich bittet, ihr die Füße zu massieren oder ein feuchtes Tuch zu holen, um ihr die Stirn zu kühlen. »Überstürze die Dinge nicht, wenn du dir einen Mann suchst«, sagt sie. »Nicht so wie ich.« Sie packt mein Handgelenk und drückt fest zu. Mir war nicht klar, dass sie so viel Kraft hat. »Triff die richtige Entscheidung. Hör auf deinen Kopf, nicht auf dein Herz. Du sollst ein gutes Leben haben, abgesichert sein.« Sie lässt meine Hand los. »Es geht um deine Sicherheit.«
»Sicherheit?«, wiederhole ich. »Mom, in dieser Frage werde ich mich nicht auf einen Mann verlassen.« Missmutig reibe ich mir über das Handgelenk. »Bereust du … dass du Dad geheiratet hast?«
Beinahe mitleidig sieht sie mich an. »Reue bringt einen nicht weiter, Catrin. Besser, man trifft Entscheidungen, die einem diesen Kummer ersparen.«
»Aber … du hast ihn doch mal geliebt, oder?«
»Liebe?« Ungeduldig schnalzt sie mit der Zunge. »Die Liebe gibt es nicht, Catrin. Zumindest nicht die romantische Liebe.« Sie wendet sich von mir ab und beschäftigt sich damit, das Geschirr aufzuräumen.
Ich habe so viel Zeit damit zugebracht, mir zu wünschen, Frank wäre als Baby nicht gestorben, und mir vorzustellen, was aus ihm geworden wäre, dass der Wunsch ihn hat echt werden lassen, jedenfalls so, dass ich ihn nach Belieben heraufbeschwören kann: einen schlaksigen großen Bruder, der mich fest in den Arm nimmt und mir Ratschläge erteilt und nicht mit Frotzeleien spart. Seine Stimme ist tief und behäbig, sie hat einen südlichen Einschlag, nicht den vom Land, sondern diese schönen trägen, gedehnten Vokale wie bei Mom.
Mom liebt Dad nicht mehr, erzähle ich ihm. Meinst du, Dad weiß das?
Ich stelle mir vor, dass Frank die Augen verärgert zusammenkneift. Wie soll man auch einen Mann lieben, der lügt? Dad hat doch keinen blassen Schimmer. Hast du denn gar nichts mitgekriegt? Er flüstert mir ins Ohr. Hör mal, du kannst das Leben von Mom und Dad nicht in Ordnung bringen. Du musst dich um dich selbst kümmern, Cat. Fang an zu leben.
Ich vermute, dass Frank nichts von meinem Job hält. Was genau genommen irgendwie paradox ist. Wie Mom macht er sich wahrscheinlich Sorgen, weil so wenig zwischenmenschlicher Kontakt dazugehört, und ich muss zugeben, dass die meisten Menschen, denen ich begegne, nicht gerade große Geschichtenerzähler sind. Leichen sind im Allgemeinen eher ruhige Typen.
Ich bin rechtzeitig bei Greenacres und stapfe die Treppen zum Eingang hinauf, an dem Schild vorbei, auf dem steht: Bestattungsinstitut, gegr. 1927. Kaum drücke ich die Tür auf, befinde ich mich in der gedämpften, pietätvollen Ruhe des Foyers mit der hellen Vase voller Lilien.
Am Ende jedes Arbeitstages liegt weicher Staub auf meiner Haut, etwas Gräuliches, das aussieht wie feiner Ruß. Die menschliche Asche dringt überallhin, auf einer Hitzewolke schwebt sie heraus, sobald man die Tür zum Krematorium aufmacht.
»Ach, Catrin«, sagte Mom, als ich ihr von meinem Job erzählte. »Wie willst du denn jemals einen Mann finden, wenn du dort arbeitest?« Sie schauderte. »Sag keiner Menschenseele, dass du das machst.«
»Ich dachte, es ist eine Sünde zu lügen?«, neckte ich sie.
»Also, das ist was anderes.« Sie warf mir einen unglücklichen, schlecht gelaunten Blick zu. »Ein echter Gentleman würde das sehr merkwürdig finden.« Sie sog die Wangen ein. »Jeder würde das komisch finden.«
Sie kann meine Arbeit schlechtreden, wie sie will, denn die Wahrheit ist, dass es die bestbezahlte Wahl für jemanden wie mich ist, die nichts hat als einen Highschool-Abschluss und keinerlei Ausbildung. Nicht, dass man mich falsch versteht, ich wollte durchaus aufs College und englische und amerikanische Literatur studieren. »In der Bücherei gibt es auch jede Menge Bücher«, war Dads hilfreicher Kommentar dazu.
Natürlich hat Mom recht. In einer Leichenhalle werde ich niemals einen Mann kennenlernen. Moms Südstaatenerziehung hat ihr eingeredet, dass eine Frau weder vollständig noch lebensfähig ist ohne Mann an ihrer Seite, der ihre Tugendhaftigkeit schützt und ihre Rechnungen bezahlt. Doch ich bin nicht im tiefen Süden aufgewachsen. Ich bin auf der Straße aufgewachsen, musste mich an immer neuen Schulen alleine durchschlagen, ohne jemals lange genug an einem Ort zu bleiben, um echte Freunde zu finden oder meine Bildung zu vervollständigen. Mehr als einen Mann wünsche ich mir eine Begabung.
Bei Greenacres bin ich oft die Letzte, die einen Menschen hier im Diesseits berührt, und mir kommt es so vor, als verfolgten ihre Geister meine Finger. Um sie freizugeben, muss ich schreiben. Nach der Arbeit gehe ich nach Hause, notiere Ideen für Geschichten und erwecke diese verlorenen Seelen als völlig neue Charaktere wieder zum Leben. Vielleicht ist es das – vielleicht ist ja das meine Begabung. Zumindest will ich das glauben.
Eine Meeresbrise trägt Salz in die Morgenluft und zerrt an seinem Haar. Sam wünschte, sie würde auch das Rattern und Klingeln der Spielautomaten fortwehen. Von irgendwoher kommt der Geruch nach Kaffee und macht ihm bewusst, dass er seit gestern Mittag nichts mehr gegessen hat. Jeder Einzelne um ihn herum scheint an einem Bagel zu knabbern oder Salzkaramell aus einer Papiertüte zu futtern. Ihm läuft das Wasser im Mund zusammen. Vorsichtig setzt er die Gitarre ab, schnallt den Rucksack von den Schultern und lässt ihn ächzend auf die Promenade plumpsen. Mit jeder Woche seiner Reise ist der Rucksack leichter geworden, doch das Gewicht bricht ihm immer noch fast die Wirbel. Seinem Reiseführer zufolge gibt es nicht weit von hier ein Hostel. Er zieht den Stadtplan aus der Tasche und streicht ihn mit der Handfläche glatt. Es ist in Fußnähe.
Während er noch nachrechnet, wie viel Geld ihm fürs Essen bleibt, spricht ihn ein Ehepaar an und fragt, ob er ein Foto von ihnen machen könnte. Sie stellen sich neben einer Casino-Werbung in Form eines riesigen Dollarzeichens in Pose. Er richtet die Kamera auf ihr strahlendes Lächeln und weist sie an, sich dichter nebeneinanderzustellen.
Nachdem sie fort sind, wuchtet er den Rucksack wieder hoch und neigt den Oberkörper etwas vor, um das vertraute Gewicht auszubalancieren.
Er hat Glück, ein Bett ist noch frei. Das untere eines Stockbetts. Er fragt die Frau am Empfang des Hostels nach den örtlichen Sehenswürdigkeiten und wohin er gehen sollte, um einen Geschmack von der Stadt zu bekommen. Sein Magen knurrt, als er das Wort »Geschmack« ausspricht. Sie bewundert ihre lackierten Fingernägel. »Halte dich an die Promenade«, sagt sie mit gelangweilter Stimme. »Geh nicht weiter als bis zur Atlantic Avenue, wenn dir deine Uhr und deine Brieftasche was wert sind.«
Außer einem jungen Mann in Unterhose, der mitten im Zimmer Liegestütze macht, ist der Schlafsaal leer. Sam legt den Gitarrenkasten aufs Bett. In Gemeinschaftsräumen zu schlafen, erinnert ihn ein bisschen an die lange zurückliegenden Internatstage. Nach der Ungestörtheit seiner luftigen Wohnung in Barnsbury und dem komfortablen Doppelbett mit den Laken aus Makobaumwolle, das er mit Lucinda teilte, war es zunächst ein Schock gewesen, in einer winzigen Schlafkoje aufzuwachen, während dicht neben ihm jemand schnarchte. Aber er hat sich daran gewöhnt, mit knappem Budget zu reisen; mittlerweile gefällt es ihm sogar, weil er jeden Luxus umso mehr wertschätzt, wenn er sich doch einmal ergibt, und weil ihn die begrenzten Mittel zum Improvisieren zwingen.
Stöhnend kommt der junge Mann von seinen Liegestützen auf die Füße. Er blickt Sam an. »Hundert jeden Tag.« Mit einem leicht verlegenen Lächeln neigt er grüßend den Kopf. »Levi Hansma.«
»Sam«, sagt Sam und legt den Kopf in den Nacken. »Sam Sage.«
»Sam Sage«, wiederholt Levi mit übertriebenen Zischlauten. »Cooler Name, Kumpel.«
»Dein Englisch ist gut. Bist du Deutscher?«
»Holländer. Bist du hier, um ins Casino zu gehen?«
»Nein, nur auf der Durchreise«, erwidert Sam. »Morgen fahre ich weiter. Ich will nach Miami, dann nach New Orleans.«
Levi zieht sich eine Jeans an und zwängt den Kopf durch ein kariertes Hemd, ohne die Knöpfe aufzumachen. »Wir sind zum Spielen hier. Wir sind zu dritt. Hast du Lust, heute Abend mit uns auszugehen?«
Sam ist in Versuchung, Ja zu sagen. Ihm gefällt Levis breites, aufgeschlossenes Gesicht und seine unkomplizierte, freundliche Art. Levis Begleiter stellt er sich als ähnlich liebenswerte blonde Riesen vor. Er vermisst die Kameradschaft unter Männern, seinen Freund Ben und dessen unablässige Neckereien, wenn er alles und jeden auf die Schippe nimmt. Doch er schüttelt den Kopf. »Ich habe kein Geld mehr. Mein Visum läuft bald aus. Hab nur noch drei Wochen.« Er setzt sich auf sein Bett. »Ich war viel draußen unterwegs. Hab schon eine Weile nicht mehr in einem Bett geschlafen.«
»Bist du Musiker?« Mit dem Kopf deutet Levi auf die Gitarre.
Sam hält kurz inne. »Ja«, sagt er dann. Er setzt sich aufrecht hin. »Das bin ich.« Er macht den Kasten auf, legt die Hand auf seine Akustikgitarre und tätschelt sie liebevoll.
»Wow. Gestern Abend waren wir in einer Bar. Die Musik war gut«, erzählt Levi. »Das war an der Pacific Avenue.« Er zieht die Stirn kraus. »Wie hieß die Bar noch gleich …« Er hebt einen Finger. »Ally’s. Das war’s. Ist nicht weit von hier. Sie haben so eine Art Rock gespielt. Live. War gut.«
»Wenn der Eintritt frei ist, dann schaue ich mir das vielleicht an«, meint Sam. Er schnuppert an seinen Achseln und verdreht die Augen. »Ich denke, ich sollte erst mal duschen, bevor ich was essen gehe. In den vergangenen Wochen bin ich ein bisschen verlottert.«
»Verlottert?« Levi hebt die Augenbrauen. »Das Wort kenne ich nicht.«
Sam grinst. »Verwildert.«
Levi begreift und öffnet den Mund zu einem stummen »Ah«. »Die Gemeinschaftsduschen sind am anderen Ende des Flurs. Unten an der Straßenecke ist eine Hotdog-Bude.« Er reckt den Daumen hoch. »Wir sehen uns.«
Der Waschraum ist leer. Es riecht wie in einem öffentlichen Schwimmbad nach Füßen und Desinfektionsmittel, und ein undichter Duschkopf tropft. Sam tritt die Turnschuhe von den Füßen, zieht die abgewetzte Jeans aus und lässt das schwarze Sweatshirt auf den gekachelten Boden fallen. Dann stellt er sich unter den Wasserstrahl und lässt ihn sich auf die Kopfhaut, die wunden Schultern und den Nacken prasseln.
Er betrachtet das schmutzige Wasser, das an seiner Haut hinunterrinnt, und sein Blick fällt auf das neue Tattoo. Er verzieht das Gesicht. Lucinda wird es schrecklich finden, und dieser Gedanke versetzt ihm mittlerweile vertraute Gewissensbisse. Er muss eine Telefonzelle suchen. Er hatte versprochen, sich einmal die Woche zu melden. Und er weiß, dass sie bei jedem seiner Anrufe hofft, dass er wieder bereit ist, in das gemeinsame Leben zurückzukehren. Seit dem letzten Studienjahr in Oxford, als sie beide ein Paar wurden, hegt Lucinda große Pläne: nach London gehen, sich um ihre ersten Stellen bewerben, zusammenziehen, die neue Wohnung einrichten. Und jetzt soll er sich in der Anwaltskanzlei, in der er arbeitet, zum Partner hocharbeiten. Er hat versucht, ihr zu erklären, dass er das nicht will. Aber sie hört gar nicht hin. Ihm graut vor der bemühten Unterhaltung, bei der jede Pause vom Knacken in der Leitung verstärkt wird.
Im Bestattungsgeschäft bin ich immer noch ein Frischling. Besonders hart ist es bei den jung Verstorbenen. »Es bringt nichts, wenn man sich die Sache zu Herzen nimmt, da ist gar nicht genug Platz drin für alle«, sagt Ray. Doch anders als er habe ich keine vierzig Jahre damit zugebracht, mich an die Alltäglichkeit des Todes zu gewöhnen.
Nach der Arbeit nehme ich den Minibus zur Maryland Avenue und steure auf meine Lieblingsbank an der Promenade zu. Hier verbringe ich gern ein paar Minuten damit, einfach hinaus aufs Meer zu blicken. Dann geht es mir besser.
Du solltest abends mal ausgehen, ermahnt mich Frank ständig. Du musst leben. Genau das will ich: mir einen Drink in einer Bar holen, laute Musik, um mich herum das ungezähmte Gedränge anderer Menschen. Ich sehne mich nach der beiläufigen Berührung einer Hand an meiner Schulter, nach ein paar Witzeleien. Die einzigen Menschen hier in dieser Stadt, die ich kenne, sind Ray und meine Chefin Eunice. Mit keinem der beiden werde ich was trinken gehen. Und so gern Frank mir diesen Gefallen auch tun würde, so verbieten es leider die Umstände.
Ich gehe die Stufen zum Strand hinunter. Direkt am Wasser schlüpfe ich aus den Schuhen, setze mich auf den kalten Sand und wackle mit den Zehen, bis meine Füße halb eingegraben sind.
»Gehst du mit mir was trinken?«, frage ich eine Möwe in der Nähe, und sie fixiert mich mit einem skeptischen Auge, schlägt mit den großen Flügeln und erhebt sich über das Blau. »War bloß eine Frage«, brumme ich und lege die Arme um die Knie.
Hinter mir kreischen die Menschen auf der Achterbahn, die Spielautomaten klingeln, und die Leute auf der Promenade plappern und jauchzen. Der Wind hat aufgefrischt, bläst mir Sand in die Augen und weht Abfallreste von der Promenade herunter. Als ich mich auf den Heimweg mache, klatscht ein Papier gegen meinen Knöchel und bleibt dort kleben. Ich bücke mich, um es abzustreifen. Es ist der Flyer eines Clubs: Ally’s auf der Pacific Avenue. Freier Eintritt. Live-Musik. Ich will ihn zerknüllen und in den Müll werfen, doch dann wandern meine Augen zurück zu dem, was dort steht.
Na los, drängt mich Frank. Das ist ein Zeichen. Riskier mal was. Wen kümmert es, ob du alleine in eine Bar gehst? Das hier sind die Achtziger, Mädchen. Vielleicht lernst du ja jemanden kennen, findest Freunde.
Ich zerknautsche das Blatt in der Hand.
Trau dich!, fordert mich die Stimme heraus.
Ich weiß gar nicht, wann ich angefangen habe, mir die Stimme meines Bruders vorzustellen, ich muss wohl noch ziemlich klein gewesen sein. Inzwischen ist er eine ganz eigene Persönlichkeit. Seit Jahren begleitet er mich, und er gab mir Kraft, wenn ich mich wieder einmal in einer dunklen Ecke verkroch und auf Moms Schluchzen im Nebenzimmer lauschte, während Dad ihr versprach, dass er damit aufhören werde und es – Hand aufs Herz − ganz bestimmt das allerletzte Mal gewesen sei, dass er ein beschissenes Casino von innen gesehen hatte. Dads Lügen haben mir beigebracht, nicht zu vertrauen, aber Frank hat mich nie im Stich gelassen. Wann immer wir bei Nacht und Nebel aus einem Mietshaus flüchteten, war er an meiner Seite und flüsterte mir tröstliche Worte zu, während ich mich bemühte, mit Mom und Dad Schritt zu halten, die, beladen mit Koffern, durch die Dunkelheit hetzten. Schon früh wurde mir klar, dass ich an nichts festhalten konnte, was mir etwas bedeutete; selbst mein altes Stofftier, ein abgewetzter Hund namens Titch mit nur einem Ohr, blieb in einem dieser Häuser zurück, das wir verließen, in einer Stadt, in die wir nie mehr zurückkehrten. Alles, was finanziellen Wert besaß, konnte jederzeit in Dads Taschen verschwinden, und alles, was ich liebte, konnte jeden Augenblick verloren gehen. Nichts war sicher. Frank aber konnte nicht verschwinden, weil seine Stimme in meinem Kopf war.
Ich blicke hinunter auf den zerknüllten Zettel in meiner Hand. Frank weiß, dass ich nicht kneifen werde. Also gut, sage ich. Du hast gewonnen. Was bist du für ein Quälgeist. Aber ich gehe in diesen Club.
Das Bett im Hostel ist zu verlockend, um ihm zu widerstehen. Nach der Dusche und einem viel zu schnell heruntergeschlungenen Hotdog kriecht er in seine Schlafkoje und schließt die Augen. Zwei Stunden, mehr nicht, denkt er.
Als er aufwacht, mit trübem Blick, Zwiebelgeschmack im Mund und einer eingetrockneten Senfkruste an der Wange, ist bereits früher Abend. Er tastet nach den Turnschuhen und entdeckt in einem davon einen Zettel. Bis heute Abend bei Ally’s! Levi.
Er rechnet sich aus, dass ihm noch etwas Zeit bleibt, um sich umzusehen, kurz irgendwo etwas zu essen und herauszufinden, was die Stadt zu bieten hat, bevor er Levi und seine Freunde trifft. Er steckt den Reiseführer ein.
Eine Weile läuft er an der Promenade entlang, sieht sich die Spielhallen an, legt den Kopf in den Nacken, um an den hoch aufragenden Casinos hinaufzublicken. Ganz plötzlich bemerkt er sie, und es fühlt sich beinahe an wie ein Stromschlag. Sie steht von einer Bank auf. Man kann sie schwer übersehen: Sie ist groß, schlank und von Kopf bis Fuß schwarz gekleidet, und ihr Gesicht wirkt so traurig, dass er sich fragt, ob sie von einem Begräbnis kommt. Seine Bewegungen erstarren, als sie vorbeigeht, so dicht, dass er einen Blick auf den Wangenknochen im Profil und das Schimmern ihrer bloßen Haut erhaschen kann. Im Sonnenlicht funkeln ein paar goldene Strähnen im hellbraunen Haar, das sie sich aus der Stirn gestrichen und am Ansatz ihres langen Halses zusammengebunden hat. Niemand sonst scheint sie zu bemerken, als sei sie ein Geist, denkt er. Er sieht ihr zu, wie sie die Stufen zum Strand hinuntergeht, ihre schweren Arbeitsstiefel stampfen ganz und gar ungeisterhaft über die Holzbohlen, und er folgt ihr mit Blicken über den Sand bis ans Wasser. Am liebsten würde er ihr hinterhergehen, sein Körper zuckt unwillkürlich und will sich in Bewegung setzen, aber sie wirkt, als wolle sie alleine sein. Er wendet sich ab.
Es wird kühl, als die letzten Sonnenstrahlen versickern. Er setzt sich an einen Ecktisch in ein Café namens Beach Shack, bestellt sich einen Teller Pommes und einen Cappuccino, während er den menschenleeren Strand im Auge behält. Er hofft, dass er das Mädchen noch einmal zu Gesicht kriegt, und denkt, dass er sie in ihren schwarzen Kleidern kaum verpassen dürfte. Aber sie taucht nicht mehr auf. Enttäuscht widmet er sich dem Reiseführer. Ihn interessieren die Fakten und Geschichten der Orte, die er besucht. Er bestellt sich noch einen Kaffee und liest über die Schießereien auf den Straßen von Atlantic City in den Zwanzigerjahren nach.
Nachdem die Kellnerin zum vierten Mal nachgefragt hat, ob er noch etwas wünscht, klappt er das Buch mit Schwung zu, steht auf und streckt seine steifen Muskeln. Er findet das Ally’s auf der Pacific Avenue und fragt den Türsteher, welche Band spielt. Schon jetzt dröhnt ohrenbetäubendes Gebrüll aus dem Innern heraus. Der massige Kerl in dem schwarzen Parka und der dunklen Brille legt die Hand um die Ohrmuschel.
»Wer spielt heute?«, schreit Sam noch einmal.
»The Magic Men«, sagt der Türsteher. »Eine Coverband.«
»Eine Coverband?« Sams Stimmung sinkt. Er zögert. Vielleicht gibt es ja noch eine andere Band, irgendwas Authentisches, Interessantes, die in der Nähe spielt. Andererseits ist es kalt, und der Eintritt ist frei. Er schwankt, kann sich nicht entscheiden.
»Sam! Sam Sage!«
Levi überragt die Schulter des Türstehers. Er kommt ihm entgegen, flankiert von zwei rotgesichtigen jungen Männern, die Sams Erwartungen so sehr entsprechen, dass er lachen muss.
»He, Kumpel.« Spielerisch knufft ihn Levi gegen die Schulter. »Da bist du ja. Es wird dir gefallen. Ist echt cool hier.«
Und so wird Sam von drei blonden Riesen in den Club eskortiert, die ihm allesamt auf den Rücken klopfen und ihn auf ein Bier einladen.
Der Sicherheitsmann winkt mich durch, der Eintritt kostet nichts. Im Innern des kleinen Clubs ist es eng und laut.
Schultern und Ellbogen schubsen und rempeln mich an, als ich mir den Weg zum Tresen bahne, wo ich mir ein Miller Lite geben lasse. Die Menge klatscht und johlt. Ich drehe mich zur Bühne um, auf der sich vier Typen grinsend vor einem Schlagzeug, einem Keyboard und zwei Gitarren aufstellen. Einer von ihnen greift sich das Mikrofon und brüllt: »Atlantic City! Wir sind die Magic Men. Und wir haben heute Abend unsere Lieblingssongs mitgebracht.«
Sie fangen mit einer Coverversion von Aerosmiths Walk This Way an, und das Publikum tobt. Ich trinke einen Schluck Bier. Zunächst denke ich, dass der verschliffene Gesang mit einem Fehler am Mischpult zusammenhängt, doch als der Sänger über sein Gitarrenkabel stolpert, wird mir klar, dass er betrunken ist. Es gibt Gelächter und Pfiffe, und er reckt den Daumen hoch und nimmt den nächsten Song in Angriff. Mitten im Lied taumelt er nach vorne, offenbar hat er vor, die Hüfte nach Elvis-Manier kreisen zu lassen, doch sein Fuß verfängt sich in einem Lautsprecherkabel, und mit einem überraschten Schrei stürzt er Kopf voran von der Bühne. Kreischend bricht die Musik ab, jammernd klingt die Gitarre nach, ein letzter Schlag auf das Hi-Hat. Über den Bühnenrand gebeugt, starren die anderen Bandmitglieder auf ihren Sänger hinunter.
Kräftige Sicherheitsleute schieben sich nach vorne. Es herrscht gespenstische Ruhe, bevor das Durcheinander der Gespräche wieder auflebt.
»Scheiße«, sagt jemand. »Vielleicht ist er bewusstlos.«
»Nee, der Typ ist bloß knülle«, sagt ein anderer. »Wetten, der hat gar nichts mitgekriegt.«
Es gibt Gelächter und Buhrufe, als die Türsteher den Sänger mit versteinerter Miene halb fortschleifen, halb tragen. Ein Mann im Anzug klettert auf die Bühne und bittet mit schwenkenden Armen um Ruhe. »Der Manager«, sagt jemand. Aber die lärmende Menge will nicht schweigen. Die Mitglieder der Band stehen zusammen und beratschlagen sich, ihre Gesichter in den Stroboskoplichtern sind besorgt. Noch ein Mann kommt auf die Bühne, vermutlich ein Roadie, denn er trägt ein schwarzes T-Shirt und Jeans. Er sagt etwas zu dem nervösen Mann im Anzug, der sich am Kopf kratzt. Jetzt redet der neue Kerl eindringlich auf die Band ein. Sie diskutieren, gestikulieren. Der neue Typ kommt nach vorne und nimmt das Mikrofon.
»Hi«, sagt er. »Wie es aussieht, ist der Sänger heute … nicht in der besten Verfassung.« Es folgt Gejohle und Pfeifen. Er wartet ab, bis es leiser wird. »Mein Name ist Sam Sage. Wenn ihr mich wollt, dann übernehme ich gern ein paar Coversongs.«
»Und ob ich dich will«, schreit eine Frau. Noch mehr Gelächter.
Sam Sage wirft ihr einen amüsierten Blick zu. Er hat einen breiten Mund und ein schiefes Lächeln. Schnell zähle ich eins und eins zusammen: der Mund, der Akzent. Es ist der Typ, den ich heute Morgen auf der Promenade gesehen habe. Ich erinnere mich an die Gitarre, die er bei sich hatte. Er streicht sich mit der Hand durch das strubbelige schwarze Haar und schließt kurz die Augen. Dann nickt er und schnippt mit den Fingern. One. Two. Three. Der Raum verstummt. Die Bandmitglieder blicken sich an, zucken die Achseln, und der Keyboarder beginnt, eine sanfte Tonfolge zu spielen. Sam macht den Mund auf und stimmt das Lied Because the Night von Patti Smith an. Es ist eines meiner Lieblingslieder. Als das Schlagzeug einsetzt und er zum Refrain ausholt, singen alle im Raum mit, und ich will, dass sie die Klappe halten, denn er ist gut. Richtig gut.
Sam Sage singt noch mehr Coversongs. Als es vorbei ist, klatschen sich die Bandmitglieder gegenseitig stürmisch ab vor Erleichterung. Das Publikum applaudiert und jubelt. Sam springt von der Bühne in die Menge, und ich sehe, wie sich Hände ausstrecken, um ihm auf die Schulter zu klopfen, und ein hochgewachsener blonder Mann ihm ein Bier in die Hand drückt.
»Muss schön sein, ein Held zu sein«, sagt ein Mann neben mir.
»Er war toll«, sage ich.
»Ich finde ihn eingebildet«, sagt ein Typ links von mir. »Wenn ich auf die Bühne gegangen wäre, hätte ich das auch hingekriegt.«
»Bist du aber nicht«, erwidere ich.
Die Toilette ist voller Mädchen, die sich um einen Platz vor dem Spiegel drängen. Während ich in der Kabine sitze, dringen körperlose Stimmen durch den Spalt über der Tür herein. »Echt süß«, sagt eine.
»Ich steh total auf diesen Akzent«, seufzt eine andere.
»Ich hole mir seine Telefonnummer.«
Danach wasche ich mir die Hände und bücke mich zum Wasserhahn, um ein paar Schluck lauwarmes Wasser zu trinken. Ich richte mich wieder auf und wische mir die Lippen und das Kinn mit dem Handrücken ab. Das Mädchen neben mir beugt sich dicht an den Spiegel und klimpert mit ihren schwarz getuschten Wimpern. Dann richtet sie sich auf und zwinkert mir zu. »Dieser Engländer hat ja voll den Aufstand ausgelöst. Aber ich würde auch nicht Nein sagen.«
Als ich wieder reingehe, hat die Band die Instrumente abgebaut. Ich habe keine Lust, im Gedränge herumzustehen und alleine zu trinken. Ich entdecke Sam Sage in der Menschenmenge, die Leute greifen nach seiner Hand und schütteln sie, schlagen ihm freundschaftlich auf den Rücken. Er hat es verdient, denke ich. Er hat den Abend gerettet.
Ich habe es getan, erzähle ich Frank. Ich habe ganz alleine einen Abend in einer Kneipe verbracht. Aber jetzt läuft Discomusik vom Band, und alle sind total besoffen. Ich gehe jetzt nach Hause und kümmere mich um Mom.
Gut gemacht! Frank klingt überrascht. Das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, Schwesterchen. Mann, ich bin stolz auf dich.
Draußen glitzern die Lichter von der Promenade auf dem dunklen Meer. Der Sandstreifen zwischen mir und dem Wasser ist eine im Schatten liegende Leerstelle. Ich weiß, dass nachts die Junkies unter dem Pier herumhängen, Jugendliche mit Springmesser in der hinteren Hosentasche, aber ich gehe trotzdem hinunter zum Strand und ziehe die Schuhe und Socken aus. Ich will über den Sand laufen und über Sam Sage nachdenken, darüber, wie er dort oben auf der Bühne geklungen hat, wie er ins Publikum gelächelt hat und wie es einen Augenblick lang so schien, als würde er mich geradewegs anlächeln.
Kaum war der Frontsänger ins Publikum gefallen, hatte Levi ihn gegen die Rippen geknufft. »Geh du auf die Bühne!«, drängte er ihn. »Die brauchen dich da oben, Kumpel. Du kannst doch singen, oder?«
Er hatte sich gewehrt, aber sobald Levi die Tatsache kundgetan hatte, dass Sam ein Sänger war, hatten die drei Holländer ihn hochgehoben und behutsam hinter den Lautsprechern abgesetzt. Er blinzelte ins Licht, überwältigt von der neuen Perspektive. Dann übernahm sein Instinkt. Es fühlte sich gut an, vor einem Publikum zu stehen. Nur einen kurzen Augenblick überkam ihn die Angst, und sein Mund wurde trocken, doch dann strömten die Worte heraus. Von dem idiotischen Sänger abgesehen, bestand die Band aus Profis. Nach dem Konzert stopfte ihm der Manager ein Bündel Dollarnoten in die Hand und fragte ihn, ob er den Rest der Woche singen würde oder wenigstens so lange, bis die Band eine Lösung gefunden hätte.
Während die blonden Riesen ihn mit heftigem Schulterklopfen beglückwünschen, späht er zum Ausgang, wo er eine vertraute Gestalt sieht. Sein Herz macht einen Satz. Da ist sie. Das große Mädchen vom Strand. Kurz kann er ihr Gesicht erkennen, als sie in die Menge blickt, und erinnert sich an den Ausdruck: diese unendliche Traurigkeit, ihre Reglosigkeit. Er muss mit ihr reden. Sie ist gerade dabei aufzubrechen. Panik steigt in ihm auf.
So schnell es geht, bahnt er sich den Weg zur Tür, aber alle scheinen ihn zum besten Freund haben zu wollen. Er schiebt sich weiter, vorbei an den erwartungsvollen fremden Menschen und den Fingern, die sich nach ihm ausstrecken, an den Worten, die auf ihn hereinprasseln, und den Fragen, die sich wie Hindernisse vor ihm auftürmen.
Verdammt, denkt er, als er schwer atmend vor dem Club steht. Er hat sie verloren. Auf der Straße herrscht wildes Treiben. Eine Horde Urlauber schiebt sich vorbei, deren Gesichter vom Blinken und Pulsieren der Casinolichter verzerrt sind. Es stinkt nach Frittierfett und Alkohol. Er schnuppert, trotz allem ist er hungrig, und nimmt noch einen anderen Geruch wahr. Den Atlantik. Er folgt dem Duft, seine Schritte verschmelzen mit dem Menschenstrom und leiten ihn zur Promenade. Während er den Betrunkenen ausweicht, lenkt ihn der Salzgeruch dem Strand, Meer und Nachthimmel entgegen. Er stützt sich auf das Geländer an der Promenade und hält sich wie an einem Floß im Sturm daran fest. Dort draußen herrschen nur das schwärzeste Blau und das Schimmern der Sterne. Eine Bewegung erregt seine Aufmerksamkeit, und er blickt nach unten. Auf dem Strand entfernt sich eine Gestalt.
»He!« Ungeschickt stolpert er hinter ihr er.
Mit gestrafften Schultern und geballten Fäusten wirbelt sie herum, und ihm wird bewusst, dass sie Angst hat. »Entschuldigung.« Er bleibt stehen und hebt die Hände. »Ich will dir nichts tun. Ich habe nur …«
Sie starrt ihn an. Aus ihrer Furcht ist vorsichtige Zurückhaltung geworden, in ihrem skeptischen Blick liegt Neugierde. »Du bist der Typ aus dem Club.« Sie legt den Kopf schief, sodass ihr das Haar über die Wange fällt. »Sam Sage.« Sie spricht seinen Namen aus, als wolle sie beweisen, dass sie sich daran erinnere.
Beschämung sitzt ihm wie ein Kloß in der Kehle.
»War cool, was du da drin gemacht hast«, sagt sie. »Ganz schön mutig.«
»Genau genommen hatte ich keine Wahl … trotzdem danke.« Er zuckt die Schultern. »Lustig, ich habe dich heute Nachmittag gesehen.«
»Du hast mich gesehen? Heute Nachmittag?« Ihre Augenbrauen schießen hoch.
Ihm ist nicht ganz klar, warum sie so überrascht ist. »Ja. Du hast ein Stück weiter vorne auf einer Bank an der Promenade gesessen.« Er deutet vage in die Richtung. »Und dann bist du zum Strand hinuntergegangen.«
Sie tritt einen Schritt zurück und verschränkt die Arme. »Hast du mich beobachtet?«
»Du bist mir aufgefallen«, sagt er schnell. »Du bist irgendwie herausgestochen, weißt du, alle waren aufgedreht und haben gelacht, und da warst du, von Kopf bis Fuß in Schwarz, und hast ausgesehen, als hättest du irgendwas Wichtiges vor. Und du hast so …«
»Was?«
»Traurig ausgesehen«, sagt er.
»Oh.« Mit diesem einzelnen Laut scheint alle Luft aus ihr zu weichen.
»Ist etwas … Schlimmes passiert?«, fragt er.
Aber im selben Moment sagt sie: »Das war meine Bank …«
Sie muss lachen, weil sie beide gleichzeitig losreden. Er auch. Die Luft zwischen ihnen knistert von der nervösen Anspannung. Sie hat ein nettes Lachen, denkt er. Es wirkt offen und aufrichtig, und sie legt dabei nicht die Hand vor den Mund wie so viele.
»Deine Bank?«
»Na ja, nicht wirklich meine persönliche. Aber sie ist mir ans Herz gewachsen. Von dort aus hat man einen wunderbaren Blick. Und dann ist da diese Widmung …«
»Widmung?« Er kommt ein paar Schritte auf sie zu. Zwischen ihren Vorderzähnen ist eine Lücke, die er unglaublich liebenswert findet.
»Na ja, du weißt schon. So eine kleine Tafel an der Rückenlehne. Ich lese die so gern. Sie sind wie kleine Geschichten über Liebe und Verlust. Ich male mir immer aus, für wen sie sind, denke mir Geschichten über diese Leute aus.«
»Ja«, sagt er verwundert. »Ich weiß, was du meinst. Lustig, ich mache das auch immer.«
»Ehrlich?« Ihre Augen werden ganz groß. »Ich hätte nicht gedacht, dass außer mir noch jemand so was macht.«
Er bemerkt, dass sich eine Haarsträhne in ihrem Ohrring verfangen hat; sie bildet einen zarten Kringel, den er berühren und entwirren möchte. Ihre Haarfarbe liegt irgendwo zwischen Blond und Braun. Wie nennt man diese Farbe? Honigblond vielleicht. Oder bernsteinfarben?
»Was steht denn auf der Plakette?«, fragt er. »An deiner Bank.«
»Für Frank, der den Ausblick von dieser Bank so sehr liebte. Ich weiß, dass du noch immer neben mir sitzt.«
Sein Puls setzt aus, als er die Worte wiedererkennt. »Das steht da?« Dann erinnert er sich an den ersten Teil der Widmung. »Hast du den Mann gekannt, diesen Frank?«
»Nein. Er hat einfach nur denselben Namen wie jemand … jemand, der mir wichtig ist.«
»Dein Freund?«
Sie schüttelt den Kopf. »Nein, nicht so was.« Sie kratzt sich an der Nase. »Bist du Engländer?«
Erleichtert nickt er. »Ich bin aus London.«
»Machst du Urlaub?«
»So ähnlich. Ich bin herumgereist. Mein Visum ist fast abgelaufen.« Kann er in ihren Augen wirklich Enttäuschung erkennen? Womöglich ist es einfach nur Wunschdenken. Aber in dieser Sekunde trifft er eine Entscheidung. »Für den Rest meiner Reise bleibe ich hier«, erklärt er. »Ich kann im Ally’s jobben, bis sie Ersatz gefunden haben. Ich war noch nie in Atlantic City. Hättest du Lust, mir die Stadt zu zeigen?«
Still lächelt sie in sich hinein. Dann schenkt sie ihm einen langen, durchdringenden Blick. »Warum ich?«
Hart schlägt das Herz gegen Sams Rippen. »Ich kenne niemand anders.«
»Mich kennst du auch nicht.«
»Nein, aber … na ja … ich dachte, vielleicht wärst du so nett und …«
»Ich bin kein Groupie, nur dass das klar ist.«
»Nein.« Sam reißt die Augen auf. »Um Gottes willen, nein. Das wäre mir nie in den Sinn gekommen …«
Sie zuckt die Achseln. »Hier gibt es nicht viel zu sehen. Die Touristen halten sich an die Promenade und die Casinos.«
»Na ja«, erwidert er langsam und gibt sich den Anschein von Beiläufigkeit. »Vielleicht könntest du mir dann ja die echte Stadt zeigen?«
»Glaube kaum, dass sie dir gefällt.«
Er blickt auf seine Turnschuhe hinunter und kickt in den Sand. Ist das ihre Art, Nein zu sagen? Dann sieht er auf. Sie bückt sich, und er bemerkt, dass sie sich die Schuhe anzieht. Es sind nicht mehr die groben Männerschuhe vom Nachmittag, sondern rote Pumps. Sie trägt auch nicht mehr Schwarz. Sie hat glitzernde kurze Socken an und ein rot-gelbes Kleid. Sie richtet sich wieder auf und streicht das Kleid mit den Händen glatt. »Nach der Arbeit«, sagt sie. »Morgen nach der Arbeit können wir uns treffen.«
»Super.« Er bemüht sich, nicht allzu dämlich zu grinsen. »Kann ich dich nach Hause begleiten?«
Ihr Kopf zuckt zurück, und sie wendet sich ab. »Nicht nötig.«
»Es ist nur … Na ja, ist es nachts am Strand nicht gefährlich?«
»Ich komme alleine zurecht.« Wieder blickt sie ihn durchdringend an. »Außerdem haben wir uns gerade erst kennengelernt, also weiß ich nicht, ob ich darauf vertrauen sollte, dass du mich sicher nach Hause bringst.«
»Natürlich, entschuldige. Ich wollte nicht …«
Nachgiebiger sagt sie: »Ich wohne hier. Ich kriege das schon hin.«
»Klar.« Er steckt die Hände in die Hosentaschen.
»Dann gute Nacht.« Sie dreht sich um und will gehen.
»Warte!« Seine Hände fahren aus den Taschen, seine Stimme wird zu einem Kieksen, und von seiner vorgeblichen Coolness ist nichts mehr übrig. »Wo arbeitest du?« Er räuspert sich. »Damit ich dich abholen kann.«
Sie zieht die Augenbrauen zusammen, als sei das eine schwierige Frage. »Treffen wir uns einfach am Strand«, sagt sie nach einer Pause. »Dort, wo du mich das erste Mal gesehen hast. Gegen halb sechs.«
»Super«, sagt er noch einmal. Er ist in der Lage, Verse und Liedtexte aus dem Ärmel zu schütteln, diesem Mädchen gegenüber aber bringt er nichts als Einwortsätze heraus. Bevor sie sich umdrehen kann, sagt er schnell: »Ich weiß gar nicht, wie du heißt.«
Sie wirkt argwöhnisch, als wittere sie eine weitere Fangfrage, dann nickt sie. »Catrin Goforth.« Sie streicht sich das Haar hinters Ohr. »Manche Leute nennen mich Cat.«
Er wartet ab und blickt ihr hinterher, bis sie in der Dunkelheit verschwunden ist. Das Geschrei und Getrappel auf der Promenade über ihm klingt, als stamme es aus einem Albtraum. Kurz illuminiert die blinkende Leuchtreklame einen Strandabschnitt, der gleich darauf wieder in schwarze Dunkelheit fällt. Die Vorstellung, dass sie alleine unter dem Pier durchgeht, gefällt ihm nicht. Aber sie wird wissen, was sie tut, beschwichtigt er sich selbst. Sie ist beinahe so groß wie er und macht weit ausholende, energische Schritte. Er erinnert sich an das, was sie gesagt hat, wie sie ihm mit hocherhobenem Kinn gegenübertrat, bereit, sich zu wehren, obwohl sie Angst hatte – all das zeigt ihre Selbstsicherheit. Da war nur etwas in ihrem Gesicht, das den Eindruck erweckte, sie sei verletzlich – eine Wachsamkeit, als verberge sie einen Schmerz.
Catrin Goforth. Der Name klang nach der Heldin eines Theaterstücks, irgendwas Klassisches, Komisches. Ein Oscar-Wilde-Stück vielleicht. Manche Leute nennen mich Cat, hatte sie gesagt. Leute. Jetzt kommt es ihm merkwürdig vor, dass sie nicht gesagt hat »meine Freunde« oder »meine Familie«. An ihr ist nichts Katzenhaftes. Weder hat sie eine Stupsnase noch Schlitzaugen. Sie hat kantige, klare Gesichtszüge, einen breiten Mund mit weißen amerikanischen Zähnen, dem nur die Lücke zwischen den vorderen Schneidezähnen die kleine notwendige Unvollkommenheit verleiht, und diesen festen blau-gelben Blick, dessen Offenheit verunsichert.
Als er sich zurück zur Promenade aufmacht, verflüchtigt sich die Freude darüber, dass sie sich einverstanden erklärt hat, ihn zu treffen. Er hätte ihr nicht hinterhergehen dürfen. Ihm steht es nicht zu, irgendeine Art von Beziehung anzubahnen, wo er zu Hause eine Freundin hat. Er kann die Sache nicht absagen, denn er hat ihre Telefonnummer nicht. Er wird sich also mit ihr am Strand treffen müssen. Wobei es eine ziemlich vage Verabredung ist, wie ihm jetzt bewusst wird. Vielleicht taucht sie gar nicht auf. Falls doch, können sie ja einen Kaffee trinken, und dann geht jeder seiner Wege – eigentlich keine große Sache.
Wäre da nicht der Umstand, dass es sich durchaus wie eine große Sache anfühlt. Trotz seines Vorsatzes, den Menschen aus dem Weg zu gehen, ist er im Verlauf der vergangenen Monate auf seiner Reise schon aus reiner Notwendigkeit einer Menge Fremder begegnet, netten Menschen, die ihm Ratschläge gaben oder den Weg erklärten, die ihm ihre Lebensgeschichte erzählten, ihn im Auto mitnahmen oder sogar ihr Mittagessen mit ihm teilten. Doch keiner dieser Leute hat bei ihm dieses Gefühl geweckt. Er versucht, »dieses« Gefühl zu definieren, und kommt zu dem Schluss, dass er es am ehesten eine unerklärliche Vertrautheit nennen würde und gleichzeitig das berauschende Gefühl, auf dem Gipfel eines Bergs zu stehen und in einen wirbelnden Abgrund hinabzusehen.
Er denkt daran, wie sie auf sein Angebot, sie nach Hause zu begleiten, reagiert hat, fast so, als habe er sie beleidigt. Womöglich hat er zu bestimmend gewirkt, wie ein Macho, während er es doch eigentlich nur richtig machen wollte. Eine der vielen Regeln, die ihm seine Erziehung eingebläut hat, ist, dass man ein Mädchen sicher bis vor die Haustür zu bringen hat. Aber die Welt, die ihm diese Regeln anerzogen hat, liegt in Trümmern. In seinem Kopf hört er die Stimme seines Vaters, die ihn auffordert, ein Mann zu sein, zu tun, was sich gehört, und sich ehrenhaft zu verhalten. »Verpiss dich, Dad«, zischt er leise.
Manchmal braucht es nur den Hauch eines Geruchs, um ihn unerwartet und in Sekundenschnelle zurückzukatapultieren, geradewegs so, als sei er wie Alice ins Kaninchenloch gefallen. Selbst nach all den Jahren. Wummms. Auf direktem Weg in die Hölle. Dieser ganz spezielle Duft setzt sich aus unterschiedlichen Bestandteilen zusammen. Kreide. Silberpolitur. Nach Hormonen müffelnde Achseln, von Akne gepeinigte Haut, schwitzende Handflächen. Angst. Davor war ihm nie bewusst gewesen, dass Angst einen Geruch besaß, aber an jenem ersten Tag im Internat wurde ihm das klar.
Vor ihm war es die Schule seines Vaters gewesen. Sein Vater war Schülersprecher gewesen, sein Name stand auf der Ehrentafel. Pokalsieger. Mannschaftskapitän in den Cricket- und Rugbyteams der ersten Liga. Sein Rekord über 400 Meter war nie gebrochen worden. Ein paar Lehrer waren so alt, dass sie schon seinen Vater unterrichtet hatten, und als sie den Zusammenhang herstellten, blickten sie durch ihre verschmierten Brillengläser auf ihn herab und sagten: »Soso, du bist sein Sohn? Nun denn.« Und er spürte, dass er den Erwartungen nicht entsprach, dass er eine Enttäuschung war, genau wie zu Hause.
Er war ein Spätentwickler, klein für sein Alter, was ein immenser Nachteil war, nachdem die meisten Altersgenossen über Nacht mehrere Zentimeter zu wachsen schienen, ihre Körperbehaarung eifrig spross und Waden und Unterarme täglich muskulöser und kräftiger wurden. Selbst aus den Teams der dritten Liga wurde er hinausgeworfen und seine Sportschuhe in den Wipfel eines Baums geschleudert.
Fast täglich wurde er verprügelt. Da war Oberschüler Salt, dem er zu dienen hatte, mit Gürtel in der Hand. Sieben ordentliche Hiebe. Gründe gab es genug: Tagträume, Lächeln, angebrannter Toast, unzureichend polierte Knöpfe an Salts Kadettenuniform. Oder aber sein Widerstand, wenn eine Hand in seine Hose schlüpfte, wenn er zurückwich, weil man ihn begrapschte und sich an ihm rieb. Also rannte er fort. Er brauchte sechs Stunden, Stunden, in denen er voller Angst durch Dunkelheit und Regen lief, in Straßengräben auf die Knie stürzte und sich an der windigen Autobahn um Mitfahrgelegenheiten bemühte. Als er nass und erschöpft zu Hause ankam und erklärte, warum er fortgelaufen war, verprügelte ihn sein Vater dafür, dass er eine miese Petze war. Daraufhin wurde er zurückgeschickt, wie ein Paket. Scham übermannte ihn, Scham über seine Schwäche, darüber, dass er nie werden würde wie sein Vater.
Als Sam zurück im Hostel ist, kriecht er in seine Schlafkoje und zieht sich die Decke über den Kopf. Der holländische Trupp ist noch unterwegs. Über sich hört er, wie sich ein Körper auf der Matratze hin und her wälzt, dazu gedämpftes Schnarchen. Er wird jetzt nicht über seinen Vater nachdenken. Draußen dröhnt der Verkehr, das Hostel liegt in der Nähe der Stadtautobahn. Er wünschte, er könnte das leise Raunen des Meers wahrnehmen, aber alle Außengeräusche werden vom Zischen der Reifen auf dem Asphalt und dem Röhren der Motoren vereinnahmt. Diese Stadt ist ein unerforschtes Rätsel für ihn. Irgendwo in einer der fremden Straßen ist dieses Mädchen. Cat. Hoffentlich ist sie wohlbehalten an ihrem Ziel angekommen. Bestimmt ist sie mittlerweile in ihrem eigenen Bett, ihrem eigenen Zimmer. Vielleicht träumt sie. Der Gedanke an Cat ist irgendwie tröstlich. Er wünschte, er hätte diesen widerspenstigen Haarkringel berührt und zwischen den Fingern gespürt, wie er sich anfühlt.
Als ich zu Hause war, konnte ich nicht einschlafen. Dass ich diesen Jungen am Strand getroffen hatte – beinahe hatte es gewirkt, als habe er nach mir gesucht, als wäre ich der einzige Grund, dass er sich dort in der Dunkelheit und Kälte herumtrieb. Aber das ist unmöglich, oder? Die Begegnung hat mich in einen Schockzustand versetzt. Ich fühle mich, als hätte man mir in den Magen getreten, und nun liege ich wie ein Käfer auf dem Rücken und versuche mühsam, mich aufzurappeln. Natürlich will ich ihn wiedersehen. Aber ich traue der Sache nicht. Wie könnte es auch anders sein. Ich habe darauf gesetzt, dass Franks Stimme sich Gehör verschafft und mir erklärt: Das alles passiert wirklich, und du hast es verflucht noch mal verdient, Cat. Doch er schweigt hartnäckig.
Mädchen sind total scharf darauf, mit Typen wie Sam Sage ins Bett zu gehen – das habe ich ja gehört, als ich auf dem Klo saß. Ich sollte ihn mir aus dem Kopf schlagen und abhauen, bevor es zu spät ist. Bestimmt ist er arrogant und oberflächlich, das kann gar nicht anders sein, so wie er aussieht und sich ausdrückt. Ich brauche keinen Mann in meinem Leben. Ich bin nicht wie Mom.
Ray zieht die Luft zwischen den Zähnen ein und schüttelt missbilligend den Kopf, als ich das zweite Mal einen falschen Leichnam aus dem Kühlraum bringe. »Was ist heute nur los mit dir, Mädchen?« Er schickt mich fort, um eine Frau in mittleren Jahren zu schminken, deren Verwandte darauf bestehen, ihr von Angesicht zu Angesicht Lebwohl zu sagen. Sie ist seit drei Tagen tot, und da man sie nicht einbalsamiert hat, sieht sie nicht allzu gut aus. Neongrüner Pilz hat sich über ihren Wangen ausgebreitet. Sie ist eher pummelig, und ich habe festgestellt, dass dickere Frauen schneller verwesen.
Ich mache es mir neben ihr bequem und klappe die große Make-up-Tasche auf. Darin befinden sich sämtliche Kniffe der Bestattungsbranche: Mundverschlüsse, Nadelinjektoren, perforierte Augenkappen, um die Augenlider zu fixieren. Dazu kommt ein reiches Sortiment an handelsüblichen Kosmetika: Fläschchen mit Grundierung, Lippenstifte, sogar Wimperntusche. Es wird eine Menge Arbeit, ihren Verfall zu vertuschen. Das Etikett an ihrem Zeh sagt mir, dass sie Cindy hieß. »In Ordnung, Cindy, fangen wir an.« Ich beuge mich näher heran. »Ich kann nicht zaubern«, erkläre ich ihr, »aber den ein oder anderen Trick habe ich schon auf Lager. Ich gebe mein Bestes, damit du auf der Party was hermachst.« Und dann kümmere ich mich darum, ihren Mund zu schließen, und gebe den Lippen ein gefälliges leichtes Lächeln.
Beim Arbeiten male ich mir eine Geschichte aus, in der sie am Leben ist und als Hauptfigur im Mittelpunkt des Geschehens steht und sich ihr Herzenswunsch erfüllt wie bei einem modernen Aschenputtel.
Zusammen mit den Urlaubern in ihren bunten Freizeithosen, grellen Windjacken und verspiegelten Sonnenbrillen steige ich aus dem Minibus. An meiner Bank mache ich halt und sehe hinunter zum Strand. Da steht er und blickt über die Brandung auf den Atlantik. Ich erkenne seinen Hinterkopf sofort, das dunkle Haar ist immer noch zerzaust und wird in der Meeresbrise umhergeweht.
Frank flüstert mir zu. Vielleicht ist er der Richtige.
Es gibt keine Märchen, ermahne ich ihn, als ich die Stufen zum Strand hinuntergehe, während mir das Herz in der Brust zu zerspringen droht. Außerdem ist allgemein bekannt, dass es keinen Traumprinz ohne Riesenego gibt. Meine Schuhe mit den Schutzkappen knirschen über den Sand. Während ich auf ihn zugehe, versuche ich, mir eine schlaue Bemerkung auszudenken, irgendwas Geistreiches.
Noch bevor ich ihn erreicht habe, dreht Sam Sage sich um. »Hallo«, sagt er mit seinem britischen Akzent, in dem jeder Laut strammsteht. »Du bist da.«
»Ja«, bringe ich krächzend heraus. »Da bin ich.«
»Also …« Er deutet auf die Stadt. »Wohin willst du mich führen?«
Ihn führen? Darüber habe ich gar nicht nachgedacht. Ich habe mir nicht erlaubt, weiter zu denken als bis hierher. »Hm. Setzen wir uns einen Augenblick auf die Bank«, sage ich schnell. »Ich … kann erzählen, was es zu besichtigen gibt, die Sehenswürdigkeiten und so. Dann … kannst du dir was aussuchen.«
»Also schiebst du mir den Schwarzen Peter zu«, sagt er mit leicht geschlossenen Lidern.