Am liebsten wäre ich tot! - Michael C. Sedan - E-Book

Am liebsten wäre ich tot! E-Book

Michael C. Sedan

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Beschreibung

Jahrelang trampelte Michael Schneider in der Firma der Schwiegereltern und auf der Seele seiner Frau herum. An seinen Kindern hat er sich versündigt! Per Gericht wird er schließlich aus dem Haus gejagt, obwohl er freiwillig ausgezogen war. Seine Kinder schreien in die Nacht. Er schläft in der Besenkammer seiner Schwester. Michael fühlt sich stark, wird aber zusehends weniger Herr seines Körpers. Immer öfter unterliegt er schmerzhaften Tränenausbrüchen! Wie viele Intrigen hält ein Mensch aus?

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Buchbeschreibung:

Legen Sie sich mit Michael in die Besenkammer zum Schlafen, setzen Sie sich neben ihn in den Gerichtssaal und werden Zeuge eines geschmacklosen Aktes der Justiz.

Gehen Sie mit Ihm in die einsame Bergwelt! Erleben Sie, wie gefährliche Blitze direkt neben Ihrer Couch, ihrem Bett einschlagen.

Über den Autor:

Michael C. Sedan schreibt seit seinem 15. Lebensjahr Kurzgeschichten, Theaterstücke und Romane.

Mit seinem ersten Roman "Ich gewinne jeden Krieg!" betrat er im November 2020 die Bühne der Belletristik.

"Ich gewinne jeden Krieg!" ist Teil 1 der Familiensaga "Gute Tochter, schlechter Sohn".

Nach einem kurzen Wortgefecht warf er sich auf das Doppelbett:

»Am liebsten wäre ich tot!«

Augenblicklich begann er bitterlich zu weinen – so mitleidig, dass ich beinahe mitgeweint hätte. Ich ging sofort zu ihm. »Hey, warum willst du denn tot sein?«

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1: »Ich gewinne jeden Krieg!«

Kapitel 2: Vater überlebt Kindergeburtstag

Kapitel 3: »Schreib alles auf!«

Kapitel 4: Der Briefkasten rappelt zum ersten Mal

Kapitel 5: Friedenstaube & rote Rosen oder Alkohol?

Kapitel 6: »Wir drei müssen zusammenhalten!«

Kapitel 7: »Die Hoffnung hebt sich ...«

Kapitel 8: Das Satansweib in der Klosterstube!

Kapitel 9: Sprich, Berg!

Kapitel 10: »Warum ist der Papa auf einmal so klein?«

Kapitel 11: »Papa, weinst du jetzt?«

Kapitel 12: Hört, hört! Der Michael zerstört!

Kapitel 13: Der Katzenverbrenner & die Seelentöterin

Kapitel 14: Die erste Diagnose

Kapitel 15: Ein blindes Huhn findet auch mal ein Schaf

Kapitel 16: Die Flucht nach Süden

Kapitel 17: »Dann hol mich doch!«

Kapitel 18: Der Held vom Sarntal

Kapitel 19: Die Neutrale Zone

Kapitel 20: Die zweite Diagnose

Familiensaga – Gute Tochter, schlechter Sohn

Teil 2

Am liebsten wäre ich tot!

Kapitel 1 »Ich gewinne jeden Krieg!«

Was bisher geschah:

Der junge Malermeister und frisch geprüfte Baudenkmalpfleger Michael Schneider lernt seine Traumfrau Caro am Lippenpfegeständer kennen. Beim ersten Date lernt er ihre Mutter Bertha kennen. Caro taut auf und die zwei werden ein Traumpaar. Bei der Abschlussveranstaltung zum staatlich geprüften Baudenkmalpfleger verschwinden die hübsche Jenny und Michael in ihrem Zimmer. Die zwei kommen sich sehr nah. Michael beichtet Caro am nächsten Tag von dem gewagten Flirt.

Unter dem Schwur, so etwas nicht noch einmal geschehen zu lassen, gerät man schnell wieder in das beliebte Fahrwasser.

Beide verstehen sich sehr gut. Auch Bertha und Michael kommen bestens miteinander aus.

Michael lernt Berthas Mutter, die alte, verbitterte Frau Meyer kennen. Zu seiner eigenen Oma hatte er ein sehr inniges Verhältnis, ebenso zu seiner Lieblingstante Josi in Görlitz. Die zwei frisch Verliebten genießen eine unbeschwerte Zeit mit vielen Partys und Freunden. Die beiden Familien wachsen zusammen.

Die alte Frau Meyer stirbt. Auf der Beerdigung begegnet Michael dem kompletten Meyer-Clan. Berthas unliebsamer Nachbar hat sich in einer Art Förstertracht unter die schwarzen Menschen gemischt.

In Michaels Heimatort erwerben Caro und er ein Haus in bester Wohnlage. Die beiden heiraten. Michael nimmt das Angebot an, die Firma der Schwiegereltern in die zweite Generation zu führen.

Die drei Töchter haben daran kein Interesse. Caro lag die Büroarbeit noch nie. Die ältere Schwester Katja lernt Michael nie kennen. Marion, die Jüngste, möchte nach der Schule ins Ausland. Bruder Daniel starb im Kleinkindalter an einer Virusinfektion.

Neben Schwiegervater Ludwig ist Hermann, Berthas Bruder, Mitgründer und Inhaber der Firma Schmidt und Meier. Er ist ein ungehobelter Klotz, der einzige Chef in Deutschland, der eine Tür aufknallen kann.

Caro wird zum ersten Mal schwanger. Ihre Eltern, die werdenden Großeltern, freuen sich, Bertha hat anhaltend das Gefühl, sie selbst sei die Schwangere.

Über verschiedene Studiengänge lässt sich Michael betriebswirtschaftlich weiterbilden. Hier lernt er die attraktive Saskia kennen. Sie fühlt sich zu ihm hingezogen. Michael klärt die Verhältnisse. Auf der Abschlussparty möchte sie ihn verführen.

Michaels Schwester beendet überraschend das zu lodern beginnende Abenteuer.

Das Baby erfreut alle. Berthas steht in engem Kontakt zu Tochter und Enkel. Eifrig besorgt sie Kinderwäsche und die komplette Kleinkind-Ausstattung.

In der Firma sitzt sie jeden zweiten Tag in Michaels Büro, schwärmt von diesem, gibt Anweisungen zum Baby und private Tipps.

»Du bist unser Traumschwiegersohn!«

»Das ist deine Firma. Du kannst so tun, als wäre es dein eigenes Unternehmen.«

»Lasst euch bloß nicht scheiden!«

Hermann behandelt Michael grob – wie einen Lehrling. Er holt ihn immer mal wieder vom Schreibtisch weg für Hilfsarbeiten in der Werkstatt.

Ludwigs cholerisches Verhalten wird sichtbar: Der LKW-Fahrer ist krank. Hermann bestimmt Michael zum Ersatzfahrer. Ludwig erfährt davon und fährt seinen Schwiegersohn grob an. Die LKW-Fahrt verläuft, bis auf einen kleinen Zwischenfall, reibungslos. Hermann lobt Michael zum ersten Mal. Ludwig schweigt.

Der kleine Jan entwickelt sich prächtig. Nach wenigen Monaten bekommt er Ausschlag in den Gelenken. »Dem Kind muss geholfen werden!«, so die besorgte Oma Bertha. Caro nimmt Salben, probiert verschiedene Diäten bei Jan, benutzt cortisonhaltige Creme. Bertha möchte einen Erfolg. Caro überredet Michael zu einer homöopathischen Therapie. Der Ausschlag wird hierdurch extremer. Caro geht zu Michaels Eltern und beschwert sich, sie dürfe von diesem aus nicht mit Jan zum Arzt. Michaels Vater fährt mit Caro und Jan ins Krankenhaus.

Caro organisiert eine Frau mit besonderen Kräften. Die Heilerin hat keinen Erfolg. Bertha hat eine Ärztin ausfindig gemacht, die eine wirkungsvolle, aber verbotene Creme gegen Ausschlag entwickelt hat. Caro und Michael suchen die Ärztin auf und bekommen die Creme. Sie trägt nicht zur Linderung bei. Bertha hat eine Spezialklinik an der tschechischen Grenze ausfindig gemacht. Michael greift ein. Er vermutet, dass der Ausschlag mit dem Kommen der Zähne zu tun hat. »Wir machen erstmal nichts mehr!« Nach wenigen Wochen ist Jans Gebiss vollständig, der Ausschlag ist weg.

Michael schwört sich, in Zukunft in ähnlichen Situationen früher einzugreifen.

Beruflich lernt er immer mehr die Schattenseiten des Unternehmerlebens kennen. Für nichts ist er sich zu schade.

Fleißig bringt er sich in das Unternehmen ein. Den Rat seines Chefs und Schwiegervaters: »Wenn dir einer über fünfzig sein Wort gibt, kannst du dich darauf verlassen!« nimmt er tief in sich auf.

Privat wird Michael zum Stararchitekten und baut das Eigenheim in ein großzügiges Luxushaus um. Das Herzstück ist die stilvolle Poolanlage, welche über eine Galerie und einer langen Glasfassade mit dem Wohnbereich verbunden ist. Caro ist begeistert: »Du hast uns eine Villa gebaut!« Michaels Eigenleistung wiegt den zinslosen Kredit der Schwiegereltern auf.

Kurz nach der Umbauphase wir der zweite Sohn Alex geboren.

Bereits in der Schwangerschaft behauptet Caro: »Das Kind hat was!« Alex entwickelt sich normal.

Michael, fest in der Gemeinde eingebunden, verkauft auf dem jährlichen Martinsmarkt gebackene Forellen. Die aufwändige Herstellung und die hohe Beliebtheit der Ware lassen keine Vorbestellungen zu. Michael macht keine Ausnahmen, für die Mutter nicht, für die eigene Mutter nicht und auch nicht für die Schwiegermutter. Bertha erteilt schon Tage zuvor den Befehl:

»Und mir legst du eine zurück!«

Zum ersten Mal sind sich Bertha und Michael nicht einig, zum ersten Mal in ihrem Erwachsensein muss sie ein Nein akzeptieren. Schon auf dem Markt zürnt sie: »Hoffentlich bleiben sie dir im Halse stecken!«

Am nächsten Werktag ist Ludwigs Laune in der Firma nicht auszuhalten. Bertha konnte nächtelang nicht schlafen.

In der Firma ist Michael weiterhin das fünfte Rad am Wagen. Der Generationswechsel wird künstlich hinausgezögert.

Caro verfällt in eine Depression und ist sich sicher, dass Alex krank sei. Michael steht zu ihr und fährt mit ihr zu verschiedenen Ärzten. Ihr Verdacht wird nicht bestätigt. »Fahren Sie nach Hause. Sie haben ein gesundes Kind!«

Michaels ehrenamtliche Tätigkeiten verstärken Caros schlechte Laune. Bald merkt er, dass sich die zunehmende Unternehmertätigkeit schlecht mit aktiver Ehrenamtlichkeit kombinieren lässt und beendet die intensive Mitarbeit im Karnevalsverein. Seine Familie ist ihm wichtiger. Das gefällt Caro.

Die Lage entspannt sich wieder in der kleinen Familie.

Am 01. September kommt Bertha um 5 Uhr 45 in Michaels Büro geschossen: »... Und was meinst du, wie schnell wir dich wieder los sind!«

Michael fährt nach Hause, erzählt seiner Frau nichts von dem Auftritt. Er geht zu seinen Eltern. Diese sind aufgebracht! Bertha war zuvor bei ihnen, hat energisch vorgetragen, Michael sei ein Alkoholiker und die Eltern würden nur den Kopf in den Sand stecken. Dann ist sie wieder gefahren.

Ein paar Nächte drauf erzählt Caro ihrem Mann beiläufig, sie habe erneut einen Termin bei einer Ärztin gemacht, obwohl klar abgesprochen war, keine Untersuchungen mehr zu veranlassen, da mehrmals die Gesundheit des Kindes bestätigt wurde. Michael geht für eine halbe Stunde an die frische Luft.

Am anderen Morgen ist Ludwigs Laune wieder unausstehlich.

Selbst seine langjährige Sekretärin traut sich nicht in sein Büro.

Kurz vor Mittag kommt Ludwig zu Michael: »Wir wollen euch heute Abend besuchen.« Michael freut sich.

Es wird jedoch kein gemütlicher Familienabend. Bertha beschuldigt Michael des »Tsychoterrors«, keiner habe in der Nacht gewusst, wo er war. Er habe allen Angst und Schrecken eingejagt. Nachdem Michael nüchtern erwähnt, er sein nur eine halbe Stunde weggewesen, steht Ludwig ihm sanft zur Seite.

Am nächsten Wochenende liegt Michael auf der Couch. Caro stellt sich neben ihn: »Marion kommt jetzt doch in die Firma.«

Michael klärt die Firmenverhältnisse, bietet ein Freiräumen seines Platzes an. Man einigt sich, dass Michael, wie zugesagt, die Geschäftsführung von Ludwig übernimmt und Marion im Unternehmen mitarbeitet. Bertha fehlt bei der Unterredung. Sie selbst sagte des Öfteren: »In der Firma hat der Ludwig und zu Hause habe ich das Sagen!«

Caro erholt sich zügig von ihrer Depression. Sie ist wieder die gewohnte Powerfrau. Alle sind sich einig, dass Alex sich gesund entwickelt. Mit einem Betriebswirtschaftsprogramm modernisiert Michael die Firma Schmidt & Meier. Aus dem zinslosen Darlehn wird eine Schenkung: »Wir haben so viel Geld, das können wir gar nicht mehr alleine ausgeben!«

Caro und Michael schauen nach einem neuen Auto. Ludwig schenkt ihnen einen Audi.

Michael bedankt sich bei seinen Schwiegereltern. Ludwig freut sich: »Wenn’s euch gut geht, geht es uns auch gut!«

Bertha freut sich auf ihre Art: »Das bleibt auch so, wenn ihr immer das macht, was man von euch erwartet!«

Privat genießen Michael und Caro wieder das klassische Familienleben. In der Firma wird die Kalkulation unter der Leitung des werdenden Geschäftsführers auf EDV-Basis umgebaut. Schmidt und Meyer nimmt eine Vorreiterrolle ein. Die Preisliste ist raus. Die Aufträge bleiben aus. Hinter Michaels Rücken bestellen Hermann und Ludwig den Hauptlieferanten.

Der Vertreter und ein Herr aus der Geschäftsleitung des Weltunternehmens rufen Michael dazu, loben ihn und geben an, man hätte die Preise noch höher ansetzen können, schließlich sei man Marktführer.

Nach einem langen Winter folgt eine monatelange Hochkonjunktur mit Rekordumsätzen. Michael hat es geschafft.

Für sein Großprojekt erntet er Respekt und Anerkennung.

Bertha schwört ihn ein: »Der Andreas (Hermanns Sohn), die Marion und du – ihr müsst die Firma weiterleiten!« Michael ignoriert ihre Appelle. Die Nachfolge wurde mit dem Chef der Firma dreimal geklärt.

Ludwig Schmidt bereitet den Geschäftsführerwechsel vor, ist sehr angespannt und höchst cholerisch. »Die mahnende Christel« ist die geschmackloseste Nummer, die sich in der Ära Schmidt abspielte. Sprunghaft befiehlt er, dass jedes Blatt umgedreht werden soll, beschmiert die Rückseiten der Mahnungen und macht die Sekretären Christel dafür verantwortlich.

Die Familie Caro und Michael Schneider freut sich mit ihren beiden Söhnen auf die Zukunft, auf das Jahr 2014. Die privaten und beruflichen Großbaustellen wurden mit Bravour vollendet.

Gemeinsam genießt man ein besinnliches Weihnachtsfest.

Am 01. Februar 2014 werden Michael und Hermanns Sohn zu Geschäftsführern ernannt. Nur wenige Tage später prahlt Bertha auf einer Feier, dass ihre Tochter der neue Ludwig Schmidt sei.

Michael bleibt unerwähnt.

Auf einem Schützenfest wird Michael aus fadenscheinigen Gründen vor die Tür gesetzt. Caro wird unausstehlich und vernachlässigt ihre Hausarbeit. Auf der Kommunionsfeier von Jan sieht Michael Bertha nach Wochen zum ersten Mal wieder.

Sie weist ihn ab. Michael verdächtigt sie, als Strippenzieherin hinter den Handlungen, welche die anhaltende seltsame Stimmung herbeiführen.

Zehn Tage nach der Feier kommt Michael nach Hause, Caro und die Kinder sind weg. Nach der Mittagspause fragt Hermann: »Na, ist dir erstmal die Caro abgehauen?«

Am Sonntag darauf kommen sein Bruder, Caros Onkel und Ludwig fast zeitgleich in Michaels Küche. Er sei ein Hochstapler und habe seine Frau verletzt. Wie auf einer Fußmatte habe er auf ihr herumgetrampelt. Auch Rechtsanwalt Beule ist der Meinung:

»Als Falschfahrer auf der Autobahn meint Michael Schneider, alle anderen fahren falsch!«

Am 01. Mai fährt er nach Görlitz zu seiner Lieblingstante. Ihr kann er alles anvertrauen. Sie beginnt das Gespräch mit: »Deine Schwiegereltern haben nichts mit dem Problem zu tun! Ich habe gestern Abend noch ausführlich mit beiden gesprochen!«

Eine Woche später zieht Caro mit den Kindern wieder ein. Zuvor erfolgte eine große Aussprache mit den Eltern. Bertha nahm nicht teil. Beide Väter sind sich einig: »Jetzt seht zu, dass ihr wieder klarkommt. In jeder Ehe wird mal gestritten. Wir wollen nicht noch einmal wiederkommen.«

Caro und Michael erleben eine schöne Woche. Nach sieben Tagen kommt Bertha mit Ludwig wieder. Es funktioniere nicht mehr. Michael geht zu seinen Eltern. Bertha betritt mit Caro die Küche von Michaels Eltern, als wenn es ihre eigene wäre.

Michael geht raus. Sein Bruder, dessen Frau und seine Schwester kommen hinzu. Michaels Schwester wird von Bertha aus dem eigenen Elternhaus geworfen. Die Schwester ruft Michael an.

Gemeinsam gehen sie wieder zu der „Veranstaltung“. Vor der Schar Zeugen bietet Michael Caro an, es gemeinsam ein paar Wochen zu versuchen und wenn sie dann für eine Zeit alleine wohnen wolle, er freiwillig das Haus verlassen werde. Caro stimmt zu. Bertha antwortet direkt im Anschluss: »Und das machen wir nicht!«

Die Lage entspannt sich, die Beziehung festigt sich wieder, zumindest äußerlich. Als Bertha auf einem Dampfer durch das Mittelmeer reist, ist Caro wie ausgewechselt, voller Energie und Freude wie die vielen schönen Jahre zuvor. Vor der Reise machte Caro einen Termin für ihren Mann beim Rechtsanwalt, welchen er verschob.

Nach der Kreuzfahrt ging es direkt über in den Kreuzzug – die Entchristianisierung des Schwiegersohnes. Mit anderen Worten:

Aus einem Michael sollte ein Schurke gebastelt werden, welcher keinerlei gute Eigenschaften mehr besitzen sollte! Ein Schurke eben! Das Unternehmen von Barbados wurde in der Schlangenschanze zu Münchhausen getarnt als Cocktail-Abend

»Grünschnabel & Ü60+« bis nachts um drei von der Führerin höchst persönlich vorgetragen.

Direkt am anderen Mittag sagt Caro zu Michael: »Ich werde dich verlassen!« Er bleibt zuhause.

Am Freitagmorgen droht ihm Marion mit einer Abmahnung, weil er am Tag zuvor nicht ordnungsgemäß abgestempelt hat. Ein Wochenende kann er noch seine Frau halten, seine Familie beschützen.

Montag in der Früh ruft Caro in der Firma an. Sie verlässt ihn.

Bertha steht mit laufendem Motor vor der Tür. Marion droht Michael mit einer fünffachen Gehaltskürzung, falls die Firma pleite geht, der er eine Lieferung zugesagt hatte.

Am Dienstag, den 17. Juni 2014, hat Alexander Geburtstag. Caro und die Kinder wohnen mit im Haus ihrer Eltern. Michael möchte kurz gratulieren. Alex öffnet die Tür. Nichts ahnend betritt er wie gewohnt das Haus. Caro kommt dazu: »Du hast hier Hausverbot, wir müssen rausgehen.«

Auf dem Treppenstein beugt sich Michael zu seinem Sohn.

Bertha kommt vor die Tür und erteilt Michael Grundstücksverbot. Er will seinem Sohn nur kurz gratulieren.

Bertha redet ihm immer wieder ins Wort und stößt ihn vom Treppenstein. Sie steht dicht vor ihm und fordert ihn auf, er solle sie schlagen. Michael schaut sie nur an. Mit dem Zeigefinger am Kinn fordert sie erneut:

»Schlag mich hier hin!«

Er nimmt die alberne Provokation nicht an. Bertha, Michaels Kinder, Frau und Haus vereinnahmt, holt zum alles entscheidenden Schlag aus: Sie fängt leise an zu reden, Michael sei krank, er müsse dringend eingewiesen werden, er habe sich an seinen Kindern versündigt ...

Michael rastet aus, laut aber nicht ausfallend, ohne Körperkontakt. Caro und die Kinder schauen zu, bekommen die unwürdige Szene hautnah mit.

Ein letzter, sanfter Tatsch hätte gereicht! Jämmerlich wäre der einstige Traumschwiegersohn wie ein seelenloses Wrack in sich zusammengefallen!

Michael fasst sich wieder und fährt in die Firma. Seine Lebenskräfte verlassen ihn. Er kann nicht mehr. Der Wagen droht in einer Kurve herauszuschleudern.

Diese Bilanz auf blutrotem Papier, randgefüllt mit blutroten Zahlen, wäre schon ausreichend, ein Menschenleben zu vernichten, es in die Gosse zu kippen!

Der Gehalt an Unmenschlichkeit lässt sich noch steigern:

Kapitel 2 Vater überlebt Kindergeburtstag

Der Wagen kippte nicht. Die nächste scharfe Rechtskurve säumte eine tausend Jahre alte Eiche. Ich steuerte auf sie zu.

»Mach es einfach!«

Die Reifen quietschten, die Reifen qualmten. Der Wagen zog nach links. Die Stange des Schildes »Landwirtschaftlicher Verkehr kreuzt« drückte sich sanft in die Stoßstange. Für einen Moment blieb ich stehen und starrte auf die deutsche Eiche. So nah war ich ihr noch nie gewesen. Stolz und stumm stand sie vor mir. »Du machst es nicht! Jan und Alex brauchen dich! Du musst denen später alles erklären.«

Beim Einfahren in die Stadt war ich wieder ruhiger. »Ich habe die Alte weder beleidigt noch doof angemacht, ich war sachlich - und zum Ende ein bisschen laut!«

Gemächlich rollte der hochglänzende Firmenwagen mit seinen frechen Blitzleuchten auf den Parkplatz. Kaum schlug ich die Tür des Wagens hinter mir zu, stürmte ich mit eiligen Schritten in das Firmengebäude, zielstrebig auf das Büro von Ludwig und Marion zu und riss ruckartig die Tür auf. Beide zuckten zusammen, schauten mich an und setzen schnell ein aufgesetztes, süffisantes Grinsen auf! Es schoss aus mir heraus:

»Treibt es nicht auf die Spitze! Und lasst dieses dämliche Grinsen sein!«

Die Tür knallte so dermaßen zu, wie sie noch keiner in diesem Laden hat knallen lassen – weder zu noch auf. Ich wagte keinen Blick nach hinten. Ich visionierte, dass die Tür aus den, schon durch Ludwigs zahlreiche cholerische Wutausbrüche ausgeschlagenen Angeln schießt, wie ein Pfeil an meiner Schulter vorbei donnert und mit dem gegenüberstehenden Prospektständer kollabiert. Aber sie blieb im Rahmen. Es reichte ja auch, dass ich aus dem Rahmen fiel! Wütend und eiligen Schrittes trat ich den Weg zum Büro Meyer an. Die Mitarbeiter aus der Fertigung hatten schon Feierabend.

»Herrmann tu mir ein Gefallen, fahr nach Münchhausen und hau deiner Schwester eine auf die Klappe, dass sie zwei Monate nicht aus ihrem Rattenloch kriechen kann!«

»Wieso? Wieso! Was ist denn!«

»Ich war gerade in Münchhausen und wollte kurz Alexander gratulieren. Ich konnte den Kleinen nicht zum Geburtstag gratulieren. Da gibt mir die Alte vor den Kindern Hausverbot und provoziert mich auf’s Allerletzte ...«

Hermann sprang auf und eilte zum Büro Schmidt, Andreas hinterher.

»... Da hab’ ich dieses Biest erst mal nach Strich und Faden zusammengefaltet!«

Hermann knallte die Tür vom Büro Schmidt auf und ging auf Ludwig zu. Er blieb an seinem Schreibtisch stehen.

»Was sollte das?«, sagte er zu Ludwig.

»Was denn?«, antwortete Marion.

»Frag noch so blöd!«, peitschte ich laut dazwischen.

»Ich habe doch gar nichts gemacht!«, konterte das doch so liebe Bertha-Ablegerchen, welches direkt im Anschluss eine Lektion in respektvollem Umgang unter Kollegen bekam! Ich fuhr sie laut an: »Du! Du mischst doch kräftig mit! Dich hat die Alte anscheinend vorgeschickt - um mich weich zu kloppen. Was sollte das denn am Montag mit der Abmahnung?«

Meyer Senior fügte ein: »Was sollte das?«

Meyer Junior fügte deutlich schärfer ebenfalls hinzu: »Was sollte das?!«

Sie schaute betreten auf den Boden. Ich ließ sie aber nicht lange in ihrer seltsamen Position sitzen:

»Und dann gestern, das mit Stein-Montagen! Das war ja der Oberknaller: Dann zieh’ ich dir die Summe vom Gehalt ab! Das muss ich mir mit Sicherheit von dir nicht bieten lassen!«

»Das war’n Scherz!«, bekamen wir als peinliche und stillose Antwort.

»Ach! Und warum lacht dann keiner?!«, platze es aus mir heraus.

Andreas fügte hinzu, während er sie mit scharfem Blick ansah:

»Aber doch nicht in so einer Situation! Als wenn hier nicht schon genug Zündstoff ist!«

In Wahrheit war das kein Scherz! Das war ein Scherzz!!

Ein Scherzz ist ein von mir neu erfundenes Wort:

Es ist ein Scherz mit Zeitverzögerer, deshalb das zweite z angehangen. Ein Scherzz ist ein Scherz, welcher zunächst als glaubwürdiges und ernsthaftes Versprechen oder Androhung ausgesprochen wird. Diejenige, welche das Versprechen gegeben hat, kann zu einem x-beliebigen Zeitpunkt ihr Versprechen brechen, ohne eine Angabe von Gründen. Man braucht sich auch nicht dazu äußern. Einfach machen! Einfach irgendwann, wenn man die Aussage nicht mehr halten kann oder willkürlich seine Meinung ändert, flapsig sagen »Das war’n Scherzz!«

Zum Beispiel, wenn eine Frau einem verspricht:

»Du kannst so tun, als wenn das deine Firma ist!«

Oder:

»Du musst meine Tochter erziehen! Ich habe es nicht geschafft, das ist jetzt deine Lebensaufgabe!«

Oder:

»Andere Mitarbeiter bekommen dafür eine Abmahnung!«

Nur weil man nicht abgestempelt hat. Man kann böse Behauptungen verscherzzen! Alles Scherzze gewesen! Kleine, ganz lustige Scherzzchen!

Ich übernahm wieder die Führung des Gesprächs, leidenschaftlich, laut und impulsiv: »Und was sollte diese Schwachsinnsnummer in Münchhausen? Kann man mir nicht vorher Hausverbot erteilen?« Ich äffte Bertha nach: »Das ist unser Treppenstein! Geh runtaa daa! Ist die Alte eigentlich noch ganz strack? Und das alles vor den Kindern!«

»Schrei doch nicht so rum! Wir können alle gut hören!«, pfeifte es frech aus Fräulein Marion. Und ich kam dann so richtig in Fahrt: »Da frag ich dich ganz bestimmt nicht nach! Wann ich schreien darf und wann nicht. Ich schreie, wann und wo es mir passt und im Moment schreie ich und ich schreie, solange ich will und ich sage dir jetzt schon, dass ich in drei Minuten aufhören werde zu schreien! Aber im Moment schreie ich ...!« Mir flogen die Worte auf die Zunge. Rhetorisch in Höchstform wusch ich dem kleinen rotzigen Balg die teufelsrote Farbe aus dem Schopf.

Das Büro hinter der Glastrennwand war nicht besetzt. Die Zwischentür in der Glaswand geschlossen. Sekretärin Christel hatte sich schon beim großen Türenknall in ein weiter wegliegendes Büro gesetzt. Aber sie konnte bestimmt meine Standpauke durch die drei nichttragenden Wände hören.

Siehe da! Nach drei Minuten war der wütende Michael wieder ein ganz lieber Michael. Die Meyer-Männer und ich verließen das Büro Schmidt. In der Ausstellung versuchte Andreas, mich weiter runter zu holen. Aber ich war schon unten.

Nach dieser Attacke fiel es mir sehr schwer, einen beruflichen Gedanken zu finden. Arbeitskollege Jens rief an. Jens war unser bestes Pferd im Stall. Wir zwei verstanden uns prächtig. Viele Stunden diskutierten wir schon über Politik und Gesellschaft. Wir hatten beide zwei Kinder und wurden für die zusehends moderner denkende Welt immer altmodischer. Familie war uns wichtig. Von Mammi mit Manni, Vati mit Kati hielten wir gar nichts.

Umso bestürzter war er, als Caro vor ein paar Wochen zum ersten Mal zu ihrer Mutter geflüchtet war. »Da steckt die Alte hinter!«

Er fragte, wann die Mitarbeiterbesprechung stattfinden sollte. Wir tauschten noch einige berufliche Kleinigkeiten aus. Dann fragte er: »Und sonst alles klar, Michael?«

Auf diese Frage hatte ich hoffnungsvoll gewartet! Ich machte mir Vorwürfe, weil ich ausgerastet war.

»Alex hatte gestern Geburtstag.«

»Ah schön! Habt ihr ein bisschen feiern können, trotz der Umstände?«

»Nein, ich stehe kurz vor dem Rausschmiss und mir werden wohl fünf Geschäftsführergehälter gepfändet!

Jens?

Jens? Bist du noch dran?«

»Ja, bin ich.« Mit zitternder Stimme und hörbarer Atmung fragte er: »Was hast du gerade gesagt?« Gelassen wiederholte ich das Gesagte. Er seufzte auf: »Die Alte wieder! Sollte die es tatsächlich schaffen?«

»Nein, nicht die Alte. Das kam von der Jungen!«

»Die muss mitmachen. Das darfst du der Marion nicht verübeln.

Und warum hat sie so etwas gesagt?«

»Caro sagte mir am Donnerstag, dass sie mich verlassen werde. Darauf bin ich zuhause geblieben, hatte nicht abgestempelt. Direkt Freitagmorgen kam Marion in mein Büro und patzte mich an, andere Mitarbeiter würden für so ein Verhalten eine Abmahnung bekommen.«

»Der Hermann stempelt doch nie und der Andreas vergisst andauernd abzustempeln.«

»Das wären aber auch Inhaber und nicht nur Geschäftsführer!«

»Das darf doch nicht wahr sein!«

»Gestern Morgen hatte ich einer Auslieferung zugestimmt für Firma Stein-Montagen!«

»Ah ja, die zwei großen Böden für Doppelturnhallen. Schön, dass das geklappt hat. Das hatte ich Frau Stein versprochen, dass wir diese Woche kommen.«

»Marion meinte aber, sie müssten erst bezahlen. Das versucht Ludwig ihr einzuhämmern. Stein-Montagen wären immer schlechte Zahler gewesen, seit vier Generationen ...« Jens lachte. »... Wir haben noch keinen Euro von denen ausgebucht. Aber das fesche Fräulein Marion flammte mir vor den Kopf: »Wenn die pleitegehen, ziehe ich dir die Summe von Gehalt ab!««

»Ach du gütiger Himmel! Was ist denn in das Mädel gefahren?«

»Das war das kleinste Übel.«

»Wie? Was kam denn noch?«

»Ich bin nach Kramers gefahren und hatte für Alex einen kleinen Löwen gekauft. Dann bin nach Münchhausen und wollte Alex kurz gratulieren, ihm das Kuscheltier überreichen und einmal fest drücken. Erst schien alles normal. Alex öffnete die Tür, ich zog wie gewohnt die Schuhe aus und ging rein. Dann kam Caro und sagte mir, ich solle rausgehen. Ich hätte Hausverbot. Ihre Mutter wolle nicht, dass ich reinkomme. Wir sind dann alle raus.« Jens seufzte auf. »Hausverbot, wie albern!«

»Ja, sehr albern! Aber das war mir in dem Moment egal. Ich wollte nur dem Kleinen ein paar nette Worte sagen. Ich kniete vor ihm und dann kam Bertha rausgeschossen in roten Schnürstiefeln.«

»Wie lächerlich macht sich diese Frau?«

»Sie sagte, ich hätte Hausverbot und Grundstücksverbot. Ich sollte mich auf die Straße stellen! Ich sagte ihr, dass ich sofort wieder weg bin, konnte aber nicht einen Satz zu dem Kleinen sagen. Immer wieder unterbrach sich mich mit:

»Los geh!«

»Runter da!«

»Das ist unser Treppenstein!« oder mit:

»Auf die Straße sollst du dich stellen!« Jens unterbrach energisch: »Alles vor den Kindern?«

»Ja.«

»Und deine Frau?«

»Die stand da und hielt sich am Türgriff fest.«

»Unfassbar! Die Bertha weiß gar nicht, was sie ihren Enkeln damit antut!«

»Das habe ich ihr auch gesagt.«

»Und was hat sie geantwortet?«

»Dass ich mich an ihren Enkeln versündigt hätte.«

»Was hast du da eben mitgemacht? Und deine Kinder! Deine Frau!«

»Als mir klar wurde, dass sie mich nur provozieren wollte, bin ich immer ruhiger geworden.«

»Und dann?«

»Hat sich mich von ihrem heiligen Treppenschein geschupst.«

»Wie alt ist die? 60?«

»Fühlt sich unsterblich, sieht aus wie 32, ist aber 64.«

»Oh Mann, Michael! Dass du noch scherzen kannst. Das tut mir alles so leid für dich! Und was hat die immer von dir geschwärmt!«

»Und vor wenigen Minuten stand sie vor mir:

Schlag mich doch! Schlag mich doch!«

Jens schwieg. Sein Atem war schwer. Baute sich Wut in ihm auf?

Kämpfte er mit den Tränen?

»Sie zeigte mit dem Zeigefinger an ihr Kinn, wiederholte noch einmal:

Schlag mich hier hin!

Hier hin sollst du mich schlagen! Los – nun mach schon!«

Jens sagte kein Wort. Er hörte zu. »Dann zog sie ihre letzte Schublade, die Allerunterste, an die normale Menschen nicht dran gehen. Sie provozierte mich auf’s Äußerste. Ich sei krank. Sie wiederholte noch einmal: »An deinen Kindern hast du dich versündigt! Was hast du denen bloß angetan?« Ich müsste mich dringend untersuchen lassen, müsste in eine geschlossene Anstalt. Da habe ich laut herumgeschrien!«

Ich erzählte ihm, was sich in Münchhausen und auch im Büro Schmidt ereignet hatte. Er verurteilte Berthas menschenunwürdige Aktion aufs Schärfste! »... Wenn du da nicht ausgerastet wärst, dann wären dir deine Familie und die Kleinen egal!

Jeder gute Vater wäre da ausgerastet!

Ich glaube, manch anderer wäre der Alten an die Wäsche gegangen! Ne, ne Michael - du hast alles richtiggemacht! Und die Kurze im Büro? Na ja, die kann nicht anders! Die muss da mitmachen! Die kann einem echt leidtun! Die wollte doch gar nicht in der Firma anfangen. Die wollte doch ins Ausland. Was waren die froh, dass du die Firma weitermachst.«

Tat das gut! Tat das gut, von einem guten Freund und netten Arbeitskollegen diese Worte zu hören! Wie seine technischen Beurteilungen fachlich und kritisch durchdacht waren, genauso redete er, wenn er private Einschätzungen abgab! Ein toller Mensch! Das Gespräch mit Jens gab mir ein gutes Stück Kraft. Ich machte mir einen Kaffee und konnte eineinhalbstunden recht konzentriert arbeiten. Meine Schwester rief an und fragte, wie sie Alexander gratulieren sollte. Auch sie musste nun die Tatsachen geschildert bekommen und reagierte deutlich impulsiver wie Jens. Sie wollte direkt nach Münchhausen fahren und Gegenterror veranstalten. Ich konnte sie jedoch bremsen. Als Patentante wollte sie es sich aber nicht nehmen lassen, dem Kleinen zu gratulieren. Sie sagte dann, dass sie abends mit ihrem Freund kurz nach Münchhausen fahre.

Nach 18 Uhr wollte ich zu meinen Eltern fahren und denen ebenfalls die leidige Geschichte erzählen. Doch im Kreisverkehr am Ende des Gewerbegebietes wollten meine Gedanken mit mir Karussell fahren!

»Wie kann man nur so ein albernes, kindisches Verhalten abgeben? Und das mit Mitte sechzig!« Berthas Naivität war Dummheit und Gefahr zu gleich! »Will sie deine Familie zerstören? Ich war doch ihr Traumschwiegersohn.« Es passte alles zusammen: Seit dem 01.02.2014 Terror! Ohne Waffen, ohne Soldaten, ohne Feuer! Psychoterror! Nein das war feinster Psychoterror!

Das Böse schlug zu!

Das war reinster Tsychoterror!

Was 2010 in unserem Wohnzimmer als große Lachnummer verstummte, sollte sich nun als die gefährlichste Waffe auf der kleinsten Parzelle auf deutschsprachigem Gebiet bewähren! Sie hatte den Umgang mit dieser Waffe trainiert! Sie beherrschte die Waffe wie keine andere!

Eine Waffe, welche eine Familie auszulöschen vermochte!

Für immer!

Ohne Kugel!

Ohne Knall!

Ohne Strahlen!

Ohne Gas!

»Sei wachsam! Beschütze deine Familie!«

Diese Wechselwirkung der Gefühle! Ich fluchte vor mich hin!

»Nur weil Bertha nicht alt werden will, bin ich mit fast vierzig wieder in der Pubertät!«

Dann musste ich grinsen! Gerade war ich an gefährlichster Kriegsfront und dann wieder im lustigen Anekdotengeschehen: In dem Kreisverkehr, in den ich eingebogen war, musste mein Freund Anton sich mal blitzartig übergeben. Wir hatten einen Abend zuvor einen unserer ergiebigsten Stammtische! Mit Bier und Wodka! Er bog wie ich in die großzügige kreisrunde Straße und broch großzügig durch sein kreisrundes Lenkrad. »Das hätte ich ja zu gern mal gesehen.« Freud und Leid waren oft nah zusammen!

Am liebsten wollte ich den Kreisverkehr nicht mehr verlassen. Drinbleiben! Mir fehlte die Richtung, mir fehlte die Orientierung – mir fehlte die Lust am Leben.

Einfach so lange kreiseln, bis man raus- oder hochfliegt!

Dann war da jedoch wieder eine Kraft, die mich lenkte. Ich bog ab. Nicht nach Oberhof! Nein - nach Münchhausen! »Das wollen wir doch mal sehen. Und ob ich meinem Kleinen gratuliere. Unseren kann ich ja morgen in Ruhe die Terroraktion erzählen.« Ich war wieder voller Energie. Doch ich war noch viel geladener, als ich zugeben wollte. So nutze ich meine negative Energie. Ich setze sie um in Positive. Meine Eltern waren seelisch und nervlich sehr angeschlagen. Der zweite Auszug von Caro hatte ihnen schon zwei schlaflose Nächte bereitet. Statt also meinen Eltern noch mehr Sorgen zu bereiten, wollte ich meinem Söhnchen ein wenig Horror von seinem Ehrentag nehmen!

Ich fuhr am schwiegerelterlichen Haus vorbei, keine Kinder, keine Menschenseele zu sehen. »Junge! Watt nen Geburtstag!«

Ich fuhr an Ludwigs Bootshaus vorbei, welches ein paar Häuser weiter an der Straße lag. Früher war das Gebäude die erste Autowerkstatt in Münchhausen gewesen. Caros Großvater war Stellmacher. Doch schon zu Ludwigs Kindheit lohnte sich der Betrieb nicht mehr. Für seine kleine Segeljacht war die historische Räumlichkeit wie geschaffen! Das Tor stand auf. Der zu liebe Schwiegervati war am Werken oder Aufräumen. Oder war vor der mächtigen Damenwelt geflüchtet? Ich stellte den Wagen gegenüber auf dem öffentlichen Bürgersteig ab. Da müsste ich wohl Parkerlaubnis haben. Ludwig kam sofort auf mich zu.

»Ich möchte meinem Sohn in Ruhe und vernünftig zum Geburtstag gratulieren!«

»Ja warte! Warte! Ich hole ihn dir raus.« Wir gingen zum Wohnhaus.

»Wenn ich hier gewesen wäre, wäre das nicht passiert.«

»Tja!«

Mehr viel mir dazu nicht ein.

An der Hofeinfahrt blieb ich stehen, Ludwig ging ins Haus. Er schellte nicht. Nein - auf leisen Sohlen ging er ins Haus, übervorsichtig wie er immer war, wenn Gefahr drohte, wenn seine holde Ehefrau zu terroristischen Maßnahmen neigte. Oder waren es militärische Kampfhandlungen? Wir waren ja laut Berthas Empfindungen im Krieg! Im totalen Blitzkrieg, wo Kinder und Greise eingesetzt und seelisch und körperlich verletzt oder gar getötet werden.

Was musste dieser kleine Junge an seinem Geburtstag mit ansehen? Eine grausame Tat, von der er und auch sein Bruder noch oft erzählen werden!

Da stand mein Kleiner!

Auf dem Hof! Er wusste nicht wohin! Traute sich nicht einen Schritt vor und keinen zurück. Hatte ihn die Aktion so verstört oder haben die ihm was gegeben? Er wirkte wie betäubt. Seine schönen großen Augen strahlten nicht mehr! Er schaute ins Leere. Wo ist mein Alexander hin, der mit seinen Freunden unbeschwert und heiter um den Rasensprenger hüpfte? Der so gerne stundenlang in seiner phantastischen Playmobil-Welt versank? Oder der Alexander, der mit seinen Freunden tagelang mit Rohren Leitungen im Sandkasten baute? Keine Freude, kein Lachen. Er hatte bisher noch kein Leid gekannt! Er kannte keine Not. Keinen tragischen Sterbefall, seine Großeltern waren alle noch gesund. Dass er ausgerechnet an seinem Ehrentag so eine Schreckens-Szene miterleben musste, werde ich der scheinbar nicht mehr so gesunden Bertha nie verzeihen!

Wäre Oma Bertha nur mit dem Kreuzfahrtschiff in Seenot geraten. Ein schöneres Geschenk hätte man dem Kleinen nicht machen können. Und Ihre Horrorszene wäre uns allen erspart geblieben. Beim prunkvollen Kapitänsdinner einfach sekundenschnell absaufen!

Ich weilte an der Hofeinfahrt und schaute auf meinen kleinen Sohn. Das Grundstück war an der Hauptstraße entlang mit einer Sichtbetonwand eingefasst. Sehr steril das Ganze! Alle zwei Meter mit einer pflegeleichten Designer-Edelstahllampe bestückt. Ich stand an der Betonmauer.

Ein Vater steht an der Mauer und sieht seinen Sohn, kommt aber nicht an ihn ran, weil ein Terror-Regime die beiden trennt!

Auch wieder Parallelen zu einem Kriegsereignis, wenn auch eines Nachkriegsereignisses, welches Gott sei Dank Geschichte ist. Das Leid ist gleich. Im Großen wie im Kleinen! Es taugt einfach nicht, wenn nur eine oder nur einer was zu sagen hat.

Kindergeburtstag! Wie sehr hatte ich mir als Kind mal einen Kindergeburtstag gewünscht. In den Achtzigern wurde aber noch nicht so viel Wert auf solche Feste gelegt. Alexander erlebte sechs schöne Geburtstage, aber diesen Siebten werde er nie vergessen, diesen verflixten siebten Geburtstag!

Caro nahm ihn an die Hand und brachte Alexander auf die Straße. Er war total verstört. Ein leises »mmh!« kam ihm über die Lippen, als ich mich zu ihm runter beugte. Ich nahm sein kleines rechtes Händchen, drückte es fest zwischen meine Hände.

»Na, mein Kleiner!«

Mehr bekam ich auch nicht raus. Ich, Michael Schneider, welcher eigentlich durchweg als recht redegewandt bekannt war. Ich nahm Alexander in den Arm. Drückte ihn fest an mich. Seine Ärmchen umfassten mich. Das Wort Geburtstag nahm ich nicht in den Mund. Diese kinderfeindlichen Aktionen sollten am besten nicht in Verbindung mit dem Wort Geburtstag gebracht werden. Ich spürte, wie Alexanders kleines Herzchen raste. Ich spürte, wie gut es ihm tat, dass der Papa so nah bei ihm war. Ich spürte seinen Atem, vernahm den Duft seines Kokosshampoos und von ihm selbst, meinem kleinen, süßen Alex.

Wir brauchten keine Worte.

Wir brauchten nur unsere Nähe.

›Mein Junge! Was hat man dir bloß angetan?!‹, dachte ich.

Was haben wohl die Umherstehenden gedacht? Ich glaube, Caro war genauso betäubt wie Alexander. Sie konnte noch nicht klar denken. Wenn es nach Caro gegangen wäre, hätte Alexander schöne Stunden erlebt. Mit einem selbstgebackenen Kuchen, mit Familie, mit Freunden und mit vielen Luftballons - meistens mit Luftballons, die bunte Punkte draufhaben, so wie die Strampelanzüge aus dem Krankenhaus, in welchem unsere beiden Kinder zur Welt kamen. Nein, dies war nicht Caros Werk.

Als ich mich wieder hinstellte, stand die stahlharte, eiserne Bertha nicht auf ihrem Triumphsockel. Konnte sie sich die Vaterliebe nicht mit ansehen? Wollte sie überhaupt Liebe an diesem Tag sehen? Wäre die Party nicht viel schöner, wenn der Schwiegersohn in der Nervenklinik liegen würde? Oder in Frankfurt unter der Brücke?

Mir wurde erlaubt, mit meinen Kindern ein paar Schritte in den nahegelegenen Wald zu gehen. Natürlich nur unter schärfster Beobachtung! Es bestand schließlich Gefahr, dass der kranke Schwiegersohn die Kinder, welchen die Ausreise aus dem gelobten Land für ein paar Minuten gestattet war, kidnappt und entführt! Welch eine künstliche Stimmung das war. Wir drei unterhielten uns, aber man verstand sich nicht. Selbst die Tiere im Wald, welche keine Worte benutzen, fühlten in ihrem Rudel oder in ihrer Rotte mehr Zusammenhalt als wir. Eine Kunst! Eine Isolation! Wir hatten noch nicht begriffen, was in den letzten Tagen passiert war, wir hatten die Schandtat des 17. Junis 2014 noch gar nicht verarbeitet und wussten nicht, was in den nächsten Wochen noch auf uns zukommen sollte! Was sollte ich den Kindern denn sagen? Ich, der Vater, dem man ruck- und abartig gleich die drei wichtigsten Menschen wegnahm. Dem seine väterlichen Kompetenzen über Mittag geraubt wurden. Der selbst ohnmächtig in die Zukunft schaute!

Wir gingen wieder zum schwiegerelterlichen Grundstück und hielten uns im Bereich der Hofeinfahrt auf, welche ja nun eine Art Grenzübergang war. Meine Schwester und ihr Freund waren eingetroffen. Sie hielten sich ebenfalls vor dem Grenzübergang oder auf der Straße auf. Hatten sie auch Grundstücksverbot? Durften sie auch nicht in die »Trotzzone« einreisen? Aber selbstverständlich durften sie! Denn kaum war der Staatsfeind Nummer eins am »Schreckpoint Skandali« gesichtet, trat die Mächtige wieder hervor:

»Hallo ..., hallo Verena, hallo Heiner, kommt rein! Es ist noch Kuchen da! Und wir haben auch Würstchen!«

Rief sie von ihrem geschichtsträchtigen Treppenstein, von dem sie ihr halbes Reich überblicken konnte, welches mit mehr als 1000 rötlichen Natursteinplatten gelegt war. Sie konnte sogar bis zur Mauer schauen und hatte einen herrlichen Blick auf den Grenzübergang.

»Ne, ne! Wir wollen nicht reinkommen! Wir wollten nur kurz gratulieren!«, rief meine Schwester laut zu ihr rüber und leise zu mir:

»Da rein?! Das wär das Letzte, was ich jetzt machen würde! Und wenn ich drei Wochen nichts gegessen hätte!«

Sie überreichte dem kleinen Alexander das Geschenk. Er freute sich darüber. Es freute mich, ihn wenigsten etwas strahlen zu sehen. Während er das Geschenk auspackte, regte sich meine Schwester darüber auf, dass die zweite Patentante Kerstin, die Frau unseres Bruders, scheinbar eingeladen worden war und sie nicht. Kerstin weilte im Haus. Sie war scheinbar der netten Einladung zum Trauerschmaus gefolgt. Schwägerin Marion stand mit Caro und Jan um uns herum. Noch während meine Schwester sich über Kerstin beschwerte, ging Marion ins Haus. Schon nach einer kurzen Weile kam Marion mit Kerstin wieder heraus. Beide stellten sich zügig zu uns auf die Straße! Was war denn im Haus Schreckliches passiert? Nun war es ein Solo-Kaffeekränzchen Ü60? Bertha war allein im edlen Saale. Sie kam nicht raus! Sie kam ab und zu vor die Tür, aber nur bis zur Treppensteinkante. Wie früher der Wellensittich von unserem Mieter, dem man eine kleine Badewanne vor die Käfigtür klemmte, bewegte sie sich nur im Haus und auf dem Stein - also vergleichsweise im Käfig und in der Wanne.

Kerstin war in großer Sorge, zumindest sollte ich das glauben: »Hoffentlich wird bei euch wieder alles gut!«

Ich hörte, wie Caro zu meiner Schwester sagte: »... Eine Zeit lang brachte er noch nichtmals mehr Brötchen mit!«

»Caro! Hier geht es doch nicht um ein paar Brötchen! Deshalb muss man doch nicht gleich abhauen ...«

Da ich meinen Sohn in Ruhe gratulieren konnte und absolut auf diese Diskussionen keine Lust verspürte, ging ich wieder zum Auto. Meine Schwester kam noch hinter mir her.

»Warte mal! Was hat der Spion denn vor?«

»Welcher Spion?«

»Na, das kleine Schwesterleinchen! Kerstin sagte mir eben, Marion wäre ins Haus gekommen und hätte ihr gesagt, sie solle mal schnell rauskommen, draußen würde total über sie abgelästert. Ich hatte mich doch aufgeregt, weil ich dachte, dass Caro Kerstin eingeladen hat. Hat sie aber nicht. Kerstin war auch spontan hier hingefahren, wegen Dennis, der wollte Alexander gratulieren und Jan sehen. Also hätten wir das schon mal geklärt!

Aber die Kurze scheint ja ganz schön falsch zu sein!«

»Die ist sogar superfalsch!«

»Wieso?«

»Erzähl’ ich dir mal in Ruhe.«

Ich stieg ins Auto und fuhr wieder. Auf dem Weg nach Hause war mein Denken blockiert. Ich war mehr damit beschäftigt, mir das Erlebte einzuprägen, als dieses zu verarbeiten.

Ein unbeschreiblicher Schmerz. Aus allen Seiten meiner Seele strömte ...

Was strömt eigentlich aus einer angeschossenen Seele heraus?

»Was stellst du dir eigentlich für seltsame Fragen?«

Aus einem Herzen strömt Blut. Was aber strömt aus einer Seele heraus?