Ame no Ato - Kiru Winter - E-Book

Ame no Ato E-Book

Kiru Winter

0,0

Beschreibung

"Und selbst, wenn ich es verstehe, werde ich es nie akzeptieren." Nach dem Tod seines Freundes Shin ist Yurio Akasaki völlig am Boden zerstört. All seine Pläne für die Zukunft sind mit einem Mal nichts mehr wert und ihm ist alles egal. Das ändert sich auch ein Jahr später nicht, als er Akira Katsuki auf dem Dach der Schule begegnet. Der neue Schüler ist das komplette Gegenteil von Yurio und will ihm aus unerfindlichen Gründen aus seiner Lage heraushelfen - auch dann, wenn Yurio selbst überhaupt keine Lust darauf hat. Doch was verbirgt sich hinter Akira und seiner perfekten Fassade? Und wird Yurio endlich lernen, wieder jemandem zu vertrauen?

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 76

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

PROLOG

KAPITEL EINS

KAPITEL ZWEI

KAPITEL DREI

KAPITEL VIER

KAPITEL FÜNF

KAPITEL SECHS

KAPITEL SIEBEN

KAPITEL ACHT

EPILOG

PROLOG

Lachend legt Shin seinen Kopf in den Nacken, sein braunes Haar glänzt im Licht der untergehenden Sonne.

„Das war so komisch, als der uns dieses Plüschtier schenken wollte.“

„Wir haben nicht mal offiziell etwas gewonnen“, bestätige ich und streiche dem Neko-Kuscheltier in seiner Hand über den Kopf.

Wir schlendern nach Hause. Natürlich begleitet er mich, obwohl ich in einem ganz anderen Teil von Tokyo wohne als er. Und selbstverständlich bezahle ich ihm das Taxi. Mit der Zeit werden wir aber immer langsamer, weil keiner wirklich ankommen will.

Als mein Haus in Sicht ist, blitzt er mich mit seinen goldenen Augen an. „Es war heute wirklich schön mit dir“, wispert er lächelnd und zieht mich zu sich heran. Wir bleiben stehen und mein Herz schlägt schneller. Mein Gesicht ist nur wenige Zentimeter von seinem entfernt und ich spüre seinen Atem auf meiner Haut. Er ist ein bisschen größer, also muss ich den Kopf leicht heben, um ihn anzusehen.

„Fand ich auch“, murmele ich, während Hitze in meine Wangen schießt. Wir sind schon ein halbes Jahr zusammen und waren zuvor lange befreundet, trotzdem werde ich noch immer nervös, wenn er mir so nah kommt.

„Dann wiederholen wir das, okay?“, fragt er in sanftem Ton und legt mir eine Hand auf den Hinterkopf. Ich nicke. Schon beugt er sich vor und haucht mir einen Kuss auf die Lippen. Grinsend zieht er sich zurück, bevor ich überhaupt merke, wie mir geschieht.

Einen Augenblick sehe ich ihn nur verblüfft an, bevor ich mich, ohne groß nachzudenken, auf die Zehenspitzen stelle und die Initiative ergreife. Shin wirkt erst verwirrt, dann erwidert er den zweiten Kuss.

Nach fast einer Minute schubse ich ihn leicht weg und hole keuchend Luft. „Brauchst du eigentlich keinen Sauerstoff, oder warum bist du nicht außer Atem?“

Er kichert. „Ich denke, du musst es einfach öfter tun, um deine Ausdauer auf die Probe zu stellen.“

Mein Gesicht wird sofort rot. „Ha ha, sehr witzig“, brumme ich und betrete die Fahrbahn. „Ich gehe mal rein, Geld für dein Taxi besorgen.“ Ein Vorwand, um ein bisschen auf Abstand zu gehen, damit sich mein Herz wieder beruhigt.

„Ich weiß genau, dass das ein Vorwand ist“, ruft er mir lachend hinterher.

„Ist es nicht“, streite ich ab. „Ich habe echt alles ausgegeben beim Essen. Du verdrückst verdammt viel, darauf war ich nicht vorbereitet.“

„Obwohl du mich schon so lange kennst?“ Er zieht eine Augenbraue hoch.

Verdammt, das ist ein Argument! Um ehrlich zu sein, habe ich genug Geld dabei und es ist wirklich nur ein Vorwand. Warum weiß er das immer?

„Ja, ja, sei still, Shin“, tue ich seinen Einwand im Gehen ab. „Wie viel kostet es nochmal?“

„Ähm, ich glaube …“ Shin macht eine Pause und überlegt, also halte ich inne und drehe mich um. Auf einmal weiten sich Shins Augen. „Yurio, pass auf!“, schreit er und streckt eine Hand aus.

Mein Kopf fährt zur Seite und ich blicke direkt in ein Paar gleißend heller Scheinwerfer, die sich auf mich zu bewegen. Mein Herz bleibt stehen und ich bin wie eingefroren. Ich kann mich nicht rühren und das einzige, was mein Gehirn zu der Situation beizutragen hat, ist: „Das war's jetzt“.

Meine Sicht verschwimmt, als mich etwas mit voller Wucht frontal trifft und zu Boden schleudert. Ich komme hart auf dem Asphalt auf und mein Kopf schlägt gegen den Bordstein, sodass der Schmerz von dort aus meine Wirbelsäule hinabschießt. Ein Stöhnen entweicht mir und ich hebe benommen die Lider.

Was, zur Hölle, war das?

Unscharfe Lichter blinken vor meinen Augen, erst nach einigen Sekunden ordne ich sie dem Auto zu, das schief auf der Straße zum Stehen gekommen ist. Der Fahrer ist allem Anschein nach ausgestiegen. Er beugt sich über eine Gestalt am Boden, es wirkt, als würde er sie untersuchen.

Wie betäubt rapple ich mich auf und stolpere auf sie zu, während sich mein Herz zu einem kalten Klumpen zusammenzieht und die Arbeit verweigert. Mein Fuß stößt gegen einen Gegenstand, und als ich mich bücke, um ihn aufzuheben, erkenne ich das Katzenplüschtier. Es ist ganz dreckig, trotzdem drücke ich es an meine Brust.

„Shin?“, frage ich tonlos.

Der Fahrer sieht auf. Es ist ein Mann mit kurzen schwarzen Haaren und einer runden Brille. Seine Augen sind vor Schock geweitet, seine Stimme bloß ein Krächzen. „Das ging alles so schnell … Plötzlich war er da, und ...“

Ich achte nicht auf sein verwirrtes Gemurmel, sondern überwinde die wenigen Schritte, die mich von der Gestalt am Boden trennen, und stürze vor ihr auf die Knie.

Als ich endlich erkenne, wer dort liegt, begreife ich, dass ich es schon viel früher gewusst habe. Shins Augen sind geschlossen, Blut verklebt sein Haar.

„Shin, nein“, stammle ich. „Bitte, mach deine Augen auf.“ Eine Träne rinnt über meine Wange. „Mach schon.“ Eine weitere folgt und tropft auf sein Gesicht. „Shin!“ Meine Stimme klingt immer verzweifelter, während sich der Schmerz in heftigen Wellen in meinem Herzen ausbreitet.

Meine Hände tasten nach seiner. Als ich sie ergreife, ist sie ganz schlaff. Nichts ist mehr übrig von seiner Wärme und Energie. Wieso? Warum geschieht das gerade? Bis eben war doch noch alles gut. Was ist hier los? „Shin, wach auf“, wimmere ich. „Komm schon. Lass mich nicht allein.“

Ich bemerke kaum, wie mir der Fahrer eine Hand auf die Schulter legt.

„Es tut mir so leid“, stößt er in ersticktem Tonfall hervor, hörbar bemüht, nicht in Panik zu verfallen.

Wieder ignoriere ich ihn und breche in haltloses Schluchzen aus, während er sich mit seinem Handy von mir entfernt, um die Polizei oder wen auch immer zu rufen.

Aber das ist mir alles egal – Shin ist weg. Und niemand kann daran etwas ändern. Niemand.

Warum? Warum er? Wieso nicht ich?

Ich stand doch auf der Straße, wieso liegt er dort auf dem Boden und nicht ich?

Tränen rinnen über mein Gesicht und ich kann einfach nicht aufhören zu weinen. Es hat meinen Körper gepackt, rauscht durch ihn hindurch und lässt sich nicht aufhalten.

Wie kann das sein, dass eine Existenz mit einem Mal ausgelöscht wird?

Er hat doch eben noch mit mir gesprochen.

Er kann jetzt nicht einfach tot sein.

Shin muss weiterleben!

Dieser Gedanke setzt sich in meinem Kopf fest und beherrscht mich die nächsten Stunden, Tage, Wochen, Monate. Jahre. Es braucht mehr als die Polizei, das Krankenhaus, Shins Eltern, um mir zu erklären, was passiert ist.

Und selbst, wenn ich es endlich verstehe, werde ich es nie akzeptieren.

Niemals!

KAPITEL EINS

Ein Auge blickt mich aus dem kleinen Handspiegel an. Hellblau mit grauen Sprenkeln. Der dunkelrote Eyeliner, der sich schmal an die Mandelform anpasst, bewirkt einen starken Kontrast. Zu kräftig, um schön zu sein, aber zu schwach, als dass man es als Stil ansehen könnte.

Nein, es sieht aus, als wollte ich, dass Menschen von weitem denken, ich hätte geweint, nur um verwirrt zu sein, wenn sie direkt vor mir stehen. Und ich kann noch nicht einmal sagen, dass es nicht so wäre.

Angestrengt starte ich den Strich am linken Auge, fange direkt über dem Tränenpunkt an, gleite am oberen Rand des Lids entlang, um gegen Ende des unteren Wimpernkranzes aufzuhören. Prüfend betrachte ich mich. Ja, das reicht.

Entschlossen klappe ich den Spiegel zu, lasse ihn in die Tasche gleiten und ziehe an meiner Zigarette, die ich zuvor zwischen die Zähne geklemmt habe. Ich atme aus. Hellgraue Schwaden steigen in den Himmel, der sich über dem Dach der Schule erstreckt.

Bald beginnt der Nachmittagsunterricht. Vielleicht sollte ich dort aufkreuzen.

Seufzend lehne ich mich zurück und schaue, mich mit einem Arm auf dem Boden abstützend, den Wolken zu. Was macht es für einen Unterschied, ob ich erscheine oder nicht? Am Ende bezahlt Kaa-san1 die Schule sowieso, damit ich bestehe.

Alles ist so vorhersehbar. Nie passiert etwas Neues, Unerwartetes, egal, was ich tue, nichts ändert sich.

Ich verbrenne meine teuren Klamotten und färbe meine Schuluniform schwarz – nichts.

Ich fange eine Schlägerei mit irgendwelchen Typen an – nichts (außer einem Krankenhausaufenthalt für mich und einer Gerichtsverhandlung gegen die Typen, welche diese natürlich verloren).

Ich rauche und trinke mit meinen sechzehn Jahren mehr als dreißigjährige Penner – wieder nichts!

Wenn ich vom Dach der Schule springe, passiert dann auch nichts?

Gedankenversunken will ich noch einen Zug nehmen, als mir plötzlich die Zigarette aus der Hand geschnappt wird. Ich zucke zusammen und fahre zu dem Unbekannten herum, den ich überhaupt nicht gehört habe. Weder, wie er die Tür zum Treppenhaus geöffnet hat, noch seine Schritte. Seine Hand hat mich nicht einmal berührt, als er mir die Zigarette weggenommen hat.

Doch jetzt steht er definitiv vor mir. Groß, rotblonde Haare, die im Licht der Sonne schimmern, ein Grinsen auf dem Gesicht.

„Darf ich mal?“, fragt er souverän, wartet die Antwort jedoch nicht ab, sondern nimmt einen tiefen Zug – an meiner Zigarette. Doch irgendwas stimmt nicht. Er atmet zu lange ein, kann es sein …?