Anal und Sexual - Lou Andreas-Salomé - E-Book

Anal und Sexual E-Book

Lou Andreas Salomé

0,0

Beschreibung

Die Abhandlung "Anal und Sexual" von Lou Andreas-Salomé, einer Schülerin Sigmund Freuds, behandelt die Zusammenhänge von Libido, Anal-Lust, Ekel und Tabu. | Als eine der ersten Frauen schrieb die Autorin unverblümt über Sexualthemen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 74

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Innentitel

Klappentext

Lou Andreas-Salomé – ›Anal‹ und ›Sexual‹

Über Salomé (Nachruf von Sigmund Freud)

Kurzbiographie der Autorin

Impressum

Fußnoten

Klappentext

Lou Andreas-Salomé wurde 1861 in St. Petersburg geboren, ihr Vater Gustav Salomé stammte von südfranzösischen Hugenotten ab, die Mutter Louise war norddeutsch-dänischer Herkunft. Lous weit gespannte intellektuelle Interessen führten sie zu einer erstaunlichen Anzahl von Freundschaften und Beziehungen zu bedeutenden Personen ihrer Zeit, darunter Nietzsche, Wagner, Freud und Rilke.

Ihre zweite Lebenshälfte widmete Lou Andreas-Salomé der Psychoanalyse und wurde eine der ersten weiblichen Psychotherapeuten. Auch schrieb sie als eine der ersten Frauen über weibliche Sexualität und Sexualität im Allgemeinen.

Ihre Abhandlung ›Anal und Sexual‹ behandelt die Zusammenhänge von Libido, Anal-Lust, Ekel, Tabu und analer Anziehungskraft.

Lesen Sie mehr über die Autorin im Anhang

Lou Andreas-Salomé – ›Anal‹ und ›Sexual‹

I.

Nahezu üblich geworden war es seit einiger Zeit, der Wiener Schule ihre Betonung der Regressionen auf das anale Gebiet als eine Art von Rückständigkeit vorzuhalten, – ungefähr wie wenn, anstatt sachlicher Weitererörterung der Probleme, man sich lieber verbohre in den ausgerechnet unbehaglichsten Familienklatsch. Und doch ist eher Anlass zu glauben, gerade dieser Punkt, mehr als irgend ein anderer vielleicht, harre erst noch endgültiger Erledigung, – schon allein weil er derjenige ist, auf den sich letztlich alle Reste der Verunglimpfung zurückziehen, die Freuds Hinweis auf den sexuellen Faktor entgegenstand und -steht.

Denn wie stark der Widerstand dagegen auch von jeher gewesen ist und insbesondere gegen Freuds ›infantile Sexualität‹, – immer noch erscheint der Abscheu davor ganz erheblich geringer als der vor dem Analsexuellen speziell. Ja während man im ersten Fall sich über die Zumutung empört, des Kindes Zärtlichkeiten durch das Wort »sexuell« zu besudeln, erweist sich im zweiten Fall dies verfemte Sexuelle seinerseits empörend besudelt durch seine Bezugnahme auf Anales. Wie ja auch die kindlich zärtlichen Auslassungen am elterlichen Körper in jeder Form gerührten Blickes betrachtet zu werden pflegen und sich unbeschränkt gehen lassen dürfen, während über dem anderen Gebiete von vornherein großgeschrieben das erste »Pfui!« prangt, das wir in uns aufzunehmen haben. Dadurch leitet es eben die für jedermann so bedeutungs- und beziehungsvolle Geschichte des ersten Verbotes ein.

Der Zwang zur Triebenthaltung und Reinlichkeit wird dadurch zum Ausgangspunkt für die Ekelerlernung überhaupt, für den Ekel kat exochén1, der nie wieder ganz verschwinden kann, weder aus dem Erziehungswerk, noch aus dem unserer eigenen Lebensgestaltung. Ein solcher Sachverhalt lässt aber vermuten, hinter dem Normal-Ekel und -Widerstand von uns allen möchten nicht selten Einsichten versteckt bleiben, weil man sie aus diesem Bezirk nicht aufstöbern mag, – ganz ähnlich wie die pathologischen Widerstände bei Neurotikern Einsichten hinter sich verbergen, deren Aufdeckung die Genesung bedingt, indem sie den bewussten Blick auf das Tatsächliche erst freimacht. So könnte es wohl sein, dass gerade auf diesem Gebiet, dem wir (im gewöhnlichen Fall) mit unseren praktischen Erfahrungen und Überwindungen am frühesten zu entwachsen scheinen, unserer Erkenntnis manche späteste Frucht erst noch reift.

In der Tat kann der Umstand nicht leicht wichtig genug genommen werden, dass jenes erste »Pfui!« und Verbot andeutungsweise schon einsetzt zu einer Zeit, wo wir von uns kaum noch wissen, für uns sozusagen noch nicht existieren, wo unsere Triebregungen fast noch unabgegrenzt erscheinen gegen die Umwelt, – und uns als die unseren recht eigentlich erst fühlbar werden durch diesen Verbotszwang, der mithin unser Erwachen zu uns selbst gewissermaßen einführend begleitet. Allerdings ist etwas wie ein Gebot auch schon verknüpft mit der anderen frühesten Lebensregulierung, derjenigen der Nahrungsaufnahme, allein diese enthält nur passiven Verzicht, ein Nichterlangenkönnen. Hier hingegen richtet sich nicht bloss eine enttäuschende Grenze von der Aussenwelt her gegen das neugeborene, soeben noch allverbundene Wesen auf, sondern es wird veranlasst, eine eigentümliche Tat zu tun: Eine Tat wider sich selbst, eine Grenzsetzung innerhalb des eigenen Antriebes, – in der Beherrschung seines Analdranges gleichsam die erste echte »Verdrängung« an sich zu vollziehen. Wollte man derartige, beinahe rein biologisch ablaufende, Vorgänge bereits mit den stattlichen Namen aus der Psychologie belegen, die ihren späteren, geistes-verständlicheren Zusammenhängen gewidmet werden, so könnte man sagen: Es geschieht das Interessante, dass der kleine Ichkeimling sich gleich anfangs unter einem ihn hochtreibenden Druck von »Askese« äussert, dass sie es ist, die sein beginnendes Wachstum am unverwechselbarsten unterscheidet von den ihn umwuchernden Triebreizen als solchen. Denn erst in diesem Zurückgeworfensein auf sich selbst, in dieser primitivsten Ich-Übung am zu beherrschenden Triebreiz, wird das an ihm Erlebte – sowohl Zurückhaltung wie Abgabe, – um eine Spur näher dem Bewussten, Persönlichen gerückt.

Seinerzeit wurde so charakteristisch gelacht, als Freud auf die an das Stuhlverhalten geknüpfte Anallust des Säuglings aufmerksam machte, und doch ist es diese Lust, durch die das kleine Ich sich aller frühest als Herr der Situation zeigt, die mit einer Unterdrückung begann. Indem, zum triebnegierenden Zwang von aussen her, die Anallust das positive Moment heranbringt, – die autoerotische Freude an der eigenen Leiblichkeit, – schließt sich das Menschenkind mit seinem kritisierten Körperleben wieder als identisch zusammen: In der Anallust ist das Ich wieder triebgemäß, der Trieb aber ich-gemäßer, bewusstseinshafter geworden als in seinem unwillkürlichen Ablauf, – die Lust an ihm schon zu einem Spannungsresultat. So sieht das menschliche Ich sich hineingestellt in die es gleich ursprünglich umkämpfenden Gegensätze von Aussenhemmungen und Innendrängen als eine Art von Ausgleichsvollzug, – als eine Aktionsweise gewissermaßen, die zwischen diesen beiden Tatbeständen vermittelt, an beider Gegensätzlichkeit gelangt es selber erst zu seiner Wesensäusserung, indem es dadurch in prinzipieller Weise die Einheit auszudrücken hat von Verlangen und Verzicht, von Sein und Soll, oder – wenn man diesen schon weit vorwegnehmenden Bezeichnungen auch gleich die emphatischste hinzufügen will, die im späteren Verlauf zur gegensatzvollsten wird, – von »Leib« und »Geist«.

Wie wir nun durch das Verbot uns wider uns selber stemmen lernen, und wie dadurch in der Anallust wir nur um so betonter uns zurückgewinnen, so ergibt sich daraus ebenfalls ein Doppelverhältnis zur Umwelt für uns. Verbot und Strafe verletzen die restlose Ineinandergehörigkeit von Welt und Einzelgeschöpf: Es ist schon früh von Freud selbst, dann besonders von Ferenczi und Jones dargetan worden, inwiefern aus solcher libidinösen Urenttäuschung der erste Hass aufspringt, um diese notwendige und scheinbar harmlose Wunde zu vergiften. Unter den Eigenschaften, die Freud dem Analcharakter zuschreibt, richten sich zwei – der Trotz und der Geiz, – gegen die Aussenwelt, die sich aus ihrer Unzertrennlichkeit mit uns löste und zu einem fremden Gegenüber aufrichtete: Vor der man in die Egoität sich flüchten muss, der eigenen Haut sich wehren, den selbstischen Genuss in Sicherheit bringen. Der dritte Zug im Analcharakter – Pedanterie, auch als Hypermoralität (gleichsam als moralischer Waschzwang) – kehrt sich nicht nur gegen die Welt, sondern trägt die Gegensetzung bereits ins eigene Innere, zwiespältig geworden bezüglich eben jener Anallust, die in Trotz und Geiz noch selbst-einig, ob auch schon sublimiert, überlebte. Vergleicht man das mit der anders gerichteten Libidoäusserung des Säuglings, – die die andere Leibesöffnung, den Mund, zur erogenen Zone hat, – so sieht man (im normalen Durchschnittsfall) statt dessen das Kind zwiespaltlos und protestlos in lauter bejahende Liebe aufgenommen: Diese Richtung, die alsdann auf den »Inzest« hinauslaufende, erscheint ursprünglich von Sonne und Seligkeit begleitet, an Stelle der vielen Düsternisse durch die »Erziehung der Sphinkter2«. Allerdings siedelt auch in der Inzestliebe sich ja der Hass an, doch immerhin mehr sekundär und zu seinen schlimmsten Bedeutungen oft erst vergrößert in der Schuldphantasie Neurotischer. Noch ehe er einsetzt, ist die Brust dem Munde entgegengekommen in einer scheinbaren Identität von Ich und Aussenwelt, die noch viel später wie eine Urerinnerung, wie ein Wiedersehen, schweben mag über jeder neuen Objektsbesetzung. Von der uranfänglichen Eltern- (Mutter-) Einheit mag wohl ein Schein in so letzte Lebenstiefen hinabreichen, dass daran religionsbildende Kräfte wirksam werden konnten und alle Zuversicht einer »Gotteskindschaft«, während die anale Libido, unter der hassweckenden Grunderfahrung des Vereinzeltwerdens, von ihrer Basis an gewissermaßen satanisiert, ausgehen muss vom Protestdogma: »ich und der Vater (die Mutter) sind nicht eins.«

Wie wir aber durch den ersten Fall zurück gelangen zum Objekt als zu dem mit uns liebeseinigen, so würde vielleicht ohne die grobe Unterstreichung der Fremdheit im zweiten Fall die Welt als Gegenüber unserem Gefühle nie genügend objektiv werden. Und überdies ist ja erst von dorther der dritte Weg zum Weltverhalten freigelegt worden, auf dem das Kind zu einem seiner wichtigsten Lebenszusammenhänge gelangt: Indem es im Anal-Erotischen selber Erzeuger, »Elternmacht«, wird, – indem es Teile von sich zu Aussenwelt gewandelt sieht, ohne sich selbst daran zu verringern, so dass die abgetrennte Welt sich ihm wiederschenkt, in noch intensiverer Einswerdung, als auf dem entgegengesetzten Wege: – vom entgegenkommenden Objekt zum Subjekt, – denkbar ist. Seit Freud drängt sich die Bedeutsamkeit solcher frühesten Eindrücke allmählich auf, ihre unterirdischen Verknüpfungen mit dem Wesen aller Produktion, der denkerischen wie künstlerischen Tätigkeit, werden von der psychoanalytischen Forschung mehr und mehr herausgearbeitet. Und hat Freud