Antillia - MARCAR MARCAR - E-Book

Antillia E-Book

Marcar Marcar

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Beschreibung

Einst war es das geheimste Wort des Mittelalters: ANTILLIA, das auszusprechen bei Todesstrafe verboten war. In diesem letzten Band des Atlantis-Quartetts wird es zum Codewort für die außerirdische Herkunft des Menschen. Alles beginnt in Shamballah, wohin sich die Überlebenden zurückzogen, um dort das alte Wissen zu hüten. Doch nun, in einem neuen Zeitalter, verlässt der rex mundi, der heimliche König der Welt den Himalaya. Zuvor jedoch gibt er dem Abgesandten einer geheimnisvollen Loge das Tempelbanner der himmlischen Gefilde. Es ist für Atlanticia bestimmt, die letzte Nachkommin des Feengeschlechts der Tuatha de Dannan. Bald darauf wird die Kreuzblutträgerin entführt. Die Kidnapper haben es auf den lebenden DNS-Code des Alten Kontinents abgesehen. Aber auch auf den 13. Kristallschädel, den Computer aus Atlantis. Und natürlich auf das palabra perdida, das verlorene Wort, das zu Göttern macht. Alle sind sie hinter diesem ante illa her: Der amerikanische Milliardär W.C.Stone ebenso wie die moderne Gralsrunde, die diesmal sogar Konkurrenz bekommt.

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Seitenzahl: 889

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Dieses Buch ist Teil eines gemeinsamen „Atlantis-Projekts“. Unter dem Pseudonym MARCAR MARCAR entlarvt ein Team von Sachbuchautoren die vielen Geheimnisse und Verschwörungen, die direkt oder indirekt mit dem sagenhaften Kontinent zu tun haben.

In vier Romanen, dem „Atlantis-Quartett“ ATLANTICUS, DIE ATLANTIDEN, ATLANTICIA und ANTILLIA geht es auf eine thrillerhafte Suche nach den historischen Wurzeln, dem lifestyle und Lebensgefühl des verlorenen gegangenen Riesenreiches. Aber auch nach seinen Spuren in der Geschichte, nach seinen Nachfolgern und Erben in Religion, Politik und Kultur. Gemeinsam mit unseren Lesern lösen wir die größten Geheimnisse der Menschheit, die sich letzten Endes alle als „atlantische“ entpuppen:

Weitere Titel des Atlantis Projekts:

Der Atlanticus

Die Atlantiden

Atlanticia

Atlantis Power

atlantic feeling

atlantic eros

atlantic mysteries

PROLOG

Shamballah...

Der König der Welt…

Die Wurzeln der Menschheit…

Die Worte klangen verhangen, mysteriös. So als würden sie ebenso einer anderen Dimension entspringen wie die ausgefransten Silhouetten der zwei Männer in langen Mänteln, die langsam im Nebel auf einander zugingen.

"Shamballah grüßt euch! Der König der Welt grüßt euch!" wurde der hellere deutlicher vernehmbar.

"Meine Welt grüßt die höchste Bruderschaft!"reagierte der dunklere Schatten. In seiner Stimme schwang die Arroganz aber auch die Ehrfurcht von Regierungschefs, Logenbrüdern und Finanzmagnaten, die nichts so sehr fürchteten wie die geistige Hierarchie des Planeten: den innersten und geheimsten Kreis der Menschheit.

"Was will der Herrscher der Welt", fuhr der Mann trotzdem so forsch wie möglich fort. "Was will er mit den Wurzeln der Menschheit?"

Eine kleine Ewigkeit hing die Frage zwischen den in den Nebelschwaden kaum erkennbaren Gipfeln des Himalayas. So lange, dass dem Fremden auch die Wurzeln des sagenumwobenen Reiches einfielen, in dem er sich befand. Atlantis tauchte vor ihm auf. Er sah dessen Astrologen die Aktivitäten des Kosmos beobachten. Er hörte sie den Untergang prophezeien. Er beobachtete, wie die Priester des untergegangenen Inselreiches, das Wissen zu evakuieren begannen. Nach Agarthi, das in den höheren Dimensionen Tibets die verborgene atlantische Tradition hütete. Alle Überlieferungen Zentralasiens berichten von diesem verborgenen Land, von seiner Hauptstadt Shamballah und von den geheimen Menschen. Vor allem jedoch vom Herrscher der unsichtbaren Gefilde, der mit den Gedanken aller Menschen verbunden war. Er beeinflusste die geistige Ordnung. Die materielle lenkte er mit der Hilfe von Religionsführern, Kaisern und Königen.

"Vergesst nicht die anderen!" mischte sich sein Gegenüber unaufgefordert in seine Gedanken ein. "Die nicht ganz so berühmten, deren Ideen dem König der Welt gefallen. Sie unterstützt er auf unsichtbare Art. Seit den Tagen, als sich das göttliche Blut der Atlanter zu verschlechtern begann, steht er an der Seite jener, die das Meer der Leidenschaften hinter sich lassen und das wahre Ziel anstreben."

"Das wahre Ziel?" Tief zog der Dunklere, der Shamballah erst nach einer mühseligen Reise erreicht hatte, die Luft ein. "Darum also die Wurzeln der Menschheit. Dieses Geheimnis der höchsten Eingeweihten, nachdem jeder Mensch insgeheim sucht."

"Das wundersame Mysterium, das sich in allem und jedem verbirgt und trotzdem so selten erkannt wird." Die Gestalt des Abgesandten von Shamballah hing ebenso durchsichtig im Raum wie das höhere Reich selbst und man wusste nicht, ob er sich jeden Augenblick auflösen würde. Ebenso rätselhaft klangen seine Worte. "Das Geheimnis, das uns Verwandelten nur allzu klar ist. Das Alpha, das zum Omega wird und als kollektive Ahnung in den Genen schlummert."

"Der Anfang, der das Ende in sich trägt." Der in grauen Lederhandschuhen steckende Zeigefinger des Besuchers wies in die Richtung des grauen Firmaments, dann auf den grauen Felsen unter sich. "Und dazwischen der blutrote Strom", philosophierte er. "Der Strom menschlichen Blutes, der immer schon für diesen Anfang vergossen wurde und der nicht zu fließen aufhört. Noch heute watet die Erde in Blut, weil ein unbekannter Himmel es fordert. Die Menschheit opfert sich für ihn. Sie leidet für ihn. Sie kniet vor ihm. Sie demütigt sich vor ihm." Entrüstet schüttelte er den Kopf. "Will der König der Welt diesem zwischen Himmel und Erde hin und her fließendem rotem Strom endlich ein Ende bereiten? Soll deswegen die geheimste Geschichte offenbart werden?"

Der Duft von Weihrauch, der ihn an der Stelle einer Antwort einhüllte, nahm ihm beinahe den Atem. Der Mann zuckte zusammen. Er wusste, dass der König der Welt der Sage nach vom Duft des Tempels begleitet wurde. Und seine Vermutung bestätigte sich. Kristallklar drang die Stimme vom Zentrum des verborgenen Reiches bis in die äußersten Täler: "Die Zeit dazu ist reif! Einst kannte die Menschheit eine einfache Wahrheit! Eine universelle Wahrheit, die jeder in seiner Seele trug und die nun zurückkehrt. Die Menschen sind nicht allein. Sie waren nie allein. Und sie werden nie allein sein. Das ewige Reich begleitet sie. Auserwählte werden sogar eingelassen. Dann, wenn ihr Karma den göttlichen Gefilden gerecht wird. Denn Shamballah ist überall. So wie es einst Atlantis war und wieder sein wird. Vor allem heute, da der Wassermann die Schlange des Lichts erweckt. Jahrtausende ruhte sie unter der weißen Pyramide. Doch nun richtet sie sich an den neuen Konstellationen des Weltalls aus. Sie sucht nach einem neuen Zuhause. So wie die Menschheit, die der Kosmos aus dem Alptraum des Kali Yuga aufrüttelt. Auch sie reibt sich den Schlaf aus den Augen und beginnt mit Hilfe der höheren Energien des Himmels und der Erde von einem neuen Goldenem Zeitalter zu träumen. Nun ist die Zeit der Offenbarung der letzten Geheimnisse gekommen! Die Zeit für ein neues Atlantis! Die Zeit, in der der König der Welt den Himalaya verlässt!"

Wie zur Bekräftigung des optimistischen Blicks in die Zukunft, tauchte aus den tiefen Schluchten eine Pyramide auf. Riesig, weiß und strahlend stieg sie ungefähr einen Kilometer vor den beiden Männern in die Höhe. Sie machte erst Halt, als über ihr der Himmel aufriss und sich ihr zu Ehren sogar die Sonne blicken ließ.

Lange Zeit starrten die beiden Männer sie an. Erst nach Minuten, die Stunden zu sein schienen, wandte der groß gewachsene Besucher sich an seinen ebenso großen Begleiter. "Die Prophezeiung? Sie ist Wirklichkeit geworden. Der Herr der Welt kündigt sein lang erwartetes Kommen an. Aber die Pyramide? Die Schlange?"

"Ebenso wie durch den menschlichen Körper schlängeln sich die Energien der Kundalini durch die Erde. An heiligen Orten wie diesen, an Akkupunkturorten, die den Planeten mit dem Kosmos verbinden, pulsiert die Kraft besonders hoch." Kaum erkennbar verneigte sich der Mann im hellen Mantel vor der Pyramide. "Darum wurde diese Pyramide nach dem Untergang von Atlantis von Gedanken ins Leben geatmet. Aber nun, im Morgengrauen einer neuen Welt verabschiedet sie sich ebenso wie der rex mundi vom Himalaya. Wir werden sie nur mehr ein Mal zu Gesicht bekommen: Dann, wenn die Herrin der Dreiecke den unsichtbaren Diamanten an ihrer Spitze sieht. Den magischen Spiegel, der die Gedanken aller Menschen reflektiert."

"Die Herrin der Dreiecke? Ein unsichtbarer und doch sichtbarer Spiegel? Eine Pyramide, die ins Leben geatmet wurde?" erkundigte sich der Botschafter der äußeren Welt.

Auch diesmal schien wieder die Pyramide die Antwort zu geben. Ebenso geräuschlos wie sie gekommen war, begann sie zu versinken, um letztendlich aus der astralen Welt, aus der sie aufgetaucht war, in die Festigkeit des Erdinneren zurück zu kehren.

"Die unsichtbaren Energien des Himmels beleuchten und schaffen die untere Welt." Der Verwandelte warf einen letzten Blick auf das weiße Wunderwerk. "Aber die untere Welt reflektiert die Obere und zündet deren Lichter an. Darum träumen die höheren Dimensionen heute einen neuen Traum für sich und die Menschenwelt." Er drehte sich abrupt um und begann mit dem Abstieg.

"Darum sollen die Mysterien so vielen Menschen wie möglich zugänglich gemacht werden. Nicht nur dem Argentum Astrum, dem Silbernen Stern des Atlantischen Ordens", sinniert der ihm Folgende leise. An der Weggabelung angekommen, an der sie sich getroffen hatten, wagte er es dann, zu fragen: "Sie sollen wohl zu ähnlichen Verwandelten werden wie ihr? Wie die Meister Shamballahs?"

"Zumindest zu Avataren, die wissen, was sie tun", amüsierte sich der Botschafter der himmlischen Domäne. "Auf jeden Fall zollt der König der Welt der heldenhaften Entwicklung vieler Menschen Tribut. Schon immer beschleunigte er die Evolution auf diesem Planeten mit den verschiedensten Mitteln. Heute jedoch schwingt sich nicht nur die Kundalini der Erde auf ihren neuen Platz im Universum ein. Auch die kosmische DNS fordert neue Antworten von den Menschen. Es ist höchste Zeit, sich an den Ursprung zu erinnern. Vor allem, sich zu überlegen, warum der Traum von Atlantis die Menschheit Jahrtausende begleitete."

Beide wandten sich zum Gehen. Der eine in die Höhen der geheimnisvollen Bergwelt des Himalayas. Der andere hinunter in die Tiefen der Täler. Doch dann drehte sich der Mann im hellen Mantel doch noch einmal um. Zumeist hält man uns für Visionen", bemerkte er. "Aber wir wandeln zwischen den Welten. Es gibt sogar ein Tempelbanner Shamballahs. Er griff in die Tasche und zog ein orangerotgrün leuchtendes Seidenbild hervor. "Ein Geschenk des rex mundi!" scherzte er. "Für das kleine Mädchen mit den roten Haaren und dem rot-grün karierten Schottenrock. Der Mann mit der Maske, der Mann hinter dem Silbernen Stern wird es ihr zuspielen."

Inhaltsverzeichnis

PROLOG

DIE MAGIE DES ANFANGS

PRINZESSINNEN UND DRACHEN

DREI WÜNSCHE

EIN GRUSS AUS SHAMBALLAH

FRANKLIN UND SAINT GERMAIN

A NEW DEAL

KRISTALLINE KÖPFE – KRISTALLINE NETZE

JAH – BUL – ON

DIE ANUNNAKI

DIE STERNENGUCKERIN

FÜNFTAUSEND JAHRE ALTE GRÜSSE

WO SICH ERDE UND HIMMEL LIEBEN

DIE SCHICKSALS-REGEL

DIE AUFLÖSUNG DES GEHEIMEN ZENTRUMS

SCHWARZE SCHLEIER

UNTER DEN STERNEN DER MAYA

DER ZERBROCHENE KOPF

HILFERUF AN DIE OBERSTE LIGA

FISCHMENSCHEN

DER GEKLONTE ADAM

PYRAMIDEN ALS HIMMELSLEITERN

AUF DEM DACH DER WELT

DÄMONEN

GUTE GÖTTER – SCHLECHTE GÖTTER

DER HARLEKIN, DER NARR!

DER MYSTERIÖSESTE TURM DER WELT

DIE GEHEIMSTE ALLER MESSEN

FLUCHTBURGEN

DAS SCHWARZE REICH

DUALSEELEN

MEHRERE LEBEN LEBEN

ANTILLIA: DER CODE

KATHARSIS

EIN KONTINENT NAMENS ATLANTICIA

„BABEL“ UND DIE SINTFLUT

HALBSTERBLICHER ODER HALBGOTT

TIBETS GEHEIMNISVOLLE WEISSE PYRAMIDE

AVATARE FÜR EINE NEUE WELT

DER PRIVATJET DES DALAI-LAMA

DIE ERSTE LOGE – DER ERSTE POLITKRIMI

DER MANN OHNE EIGENSCHAFTEN

DAS GESETZ DER MAGIE

WO DIE GÖTTER HERNIEDER STIEGEN

DAS GEHEIME SCHICKSAL AMERIKAS

MANNA: DAS BROT AUS LICHT

VERLORENE MEISTERWORTE

DAS AUGE DER ILLUMINATEN

KÖPFE AUS DEM NETZ

OCCULTUM

ATHANASIUS KIRCHNER’S BERÜHMTE KARTE

DER DECKSTEIN DER PYRAMIDE

DAS GEHEIMNIS DES TODES

ALS DAS BLUT SICH VERSCHLECHTERTE

DIE VERWIRRUNG DER ZUNGEN

DIE MAGISCHE AUFGABE DES LEBENS

WIR ALLE SIND AUSSERIRDISCHE

LUZIFERS BOTSCHAFT

ALPHA UND OMEGA

1.

DIE MAGIE DES ANFANGS

Strahlend weiß und sehr still starren die riesigen Kuppeln in die Unendlichkeit. Hinaus in die azurblaue Weite des großen Ozeans. Hinauf zu einem hellblauen Firmament, von dem sich gerade erst die Sterne verabschiedet hatten. Allein die Venus blinzelte Europas größter Sternwarte noch zu. Die transparente Luft mitten im Atlantik unterstrich ihre Nähe zur Erde. Ihren hell glitzernden Ruf als Morgen-oder Abendstern.

"Wir Menschen waren schon immer besessen von den Sternen." Fernando wies auf das als Göttin der Liebe gerühmte Gestirn. Dann auf das einsam vor ihnen liegende Observatorium. "Ihr Funkeln gibt unserem Leben Licht und Bedeutung. Aber da ist noch etwas Größeres. Etwas Geheimnisvolles." Überlegend runzelte er die Stirn. "Etwas, das mit der Magie des Anfangs zu tun hat." Den kleinen dunkelblauen Jeep verlassend, breitete er weit die Arme in dem kurzärmeligen schwarzen Leinenhemd aus. "Und es scheint ganz so, als würde sich ein geheimer roter Faden von Atlantis über die Sterndeuter von Babylon bis zu diesen Spiegelteleskopen ziehen."

"Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der schönste Stern im ganzen Land?" Tara war wegen der morgendlichen Kühle auf La Palma im Wagen sitzen geblieben. Vor dem heruntergeklappten Spiegel rieb sie sich gerade die Müdigkeit aus den Augen. Augenblicklich fiel ihr nicht nur der alte Kinderreim ein, plötzlich war sie auch hellwach. Weder ihre verschlafenen Augen, noch die rote Mähne, die sie gerade mit den Fingern zu entwirren versuchte, interessierten sie noch. Da war nur noch Fernandos Andeutung. Die Herkunft von den Sternen, die vielleicht tatsächlich wunderschön war. Schöner als alles, was Menschen erblickten, wenn sie im Spiegel ihr kleines Ebenbild betrachteten. Schnell klappte sie diesen zurück und bückte sich, um die Beine ihrer dunkelblauen mit kleinen hellen Punkten übersäten Jeans nach unten zu krempeln. Dann schlüpfte sie in ihre blauen Mokassins. Ihren weißen Pulli lose über ihre Schultern werfend, stieg sie aufgeregt aus. Ihr Blick wanderte zwischen dem einzigen Stern auf dem Himmel, den beeindruckenden Gebäuden des Observatorio del Roque de los Muchachos und Fernando hin und her. Seit Jahren lebte sie nun mit diesem großen braungebrannten Typen mit den dunklen Haaren zusammen. Aber mehr als das Aussehen des Spaniers beeindruckte sie immer wieder seine Art, sie zu überraschen. "Du spielst auf die alte Frage an?" wollte sie wissen. "Drauf, dass eine andere Herkunft alles anders und alles möglich macht? Und das am frühen Morgen und nach der langen kurvenreichen Fahrt von Santa Cruz herauf." Gespielt stöhnte sie auf, um gleich darauf lachend hinzuzufügen: "Habe ich dir übrigens heute schon gesagt, dass ich dich liebe! Nicht nur weil du phantastisch aussiehst…" Mit einem listigen Blick in die Richtung des in Schwarz sagenhaft smart wirkenden Geliebten fuhr sie fort. "…sondern weil es dir immer wieder gelingt, mich aus der Fassung zu bringen."

"Das Kompliment kann ich zurückgeben!" Fernando wandte sich von der Venus ab, kam auf sie zu und umarmte sie. Doch sie machte sich schnell aus der Umarmung frei und wurde ernst. "Die Sterne sind wirklich ein ganz besonderes Thema. Wir betrachten sie immer nur aus der Sicht unseres Sternzeichens. Aber hier… " Sie wies auf das Gelände, das sich 13 Länder teilten, und das nicht ohne Grund als das aufregendste Projekt der grünsten aller kanarischen Inseln gerühmt wurde. "Hier wird auf Anhieb klar, dass das Wissen um das All für die Menschheit schon immer das wichtigste war."

"Und das geheimste." Fernando legte den Zeigefinger an den Mund. Gleichzeitig lief ein ironisches Lächeln über sein markantes Gesicht. "Obwohl es nach all dem, was wir über Atlantis und die heimlichen Herrscher der Welt herausgefunden haben, eigentlich keine Geheimnisse mehr geben dürfte."

Ungeachtet ihrer beachtlichen Größe von einem Meter achtzig, stellte Tara sich auf die Zehenspitzen und legte die Arme auf die Schultern ihres nun gleich großen Freundes."Aber so wie du dreinsiehst, versteckt sich da doch noch irgendwo ein Geheimnis", scherzte sie. "Ein klitzekleines oder vielleicht auch gehörig großes Mysterium. Eines, das wir bis heute noch nicht gelöst haben, weil es vielleicht nicht von dieser Welt ist."

"Ich dachte, du hättest genug von Geheimnissen?" Fernandos beinahe schwarze Augen spiegelten sich in den schräg gestellten blauen Augen seines Gegenübers. "Ich dachte, dass du ganz einfach ein schönes Leben willst. Ein atlantidisches Leben!"

"Ein großes, ein pyramidonales Leben!" Nun breitete auch Tara die Arme weit aus. "Aber dazu braucht es natürlich das letzte atlantische Geheimnis. Die Abstammung der Menschheit. Kommen wir von dem von Sagen umwobenen Kontinent Atlantis, den ein Komet zerstörte? Oder entstammen wir dem berühmten übrig gebliebenen Inselreich?" Sie runzelte die Stirn. "Den elysischen Gefilden der Griechen, dem berühmten Aztlan der Südamerikaner oder wie immer man sich in weltweiten Mythen an Atlantis erinnert. Oder..."

Sie zog das Wort fragend in die Länge und Fernando nutzte dies, um zu spotten: "Mythen, die für die einen die größte Erinnerung der Menschheit sind. Für die anderen ganz einfach ein Mythos." Entrüstet fuhr er sich durch die Haare bevor er befriedigt fortfuhr: "Was sich seit unserem Atlantis-Projekt zwar geändert hat. Seitdem wir mit der wahren Geschichte der Menschheit im Netz unterwegs sind, taucht Atlantis immer öfter auf. Jeden Tag gesellen sich mehr und mehr moderne Atlantis-Fans zu uns und..."

"Wir sind ein Superteam!" unterbrach ihn Tara und fischte aus den Taschen ihrer Jeans die Sonnenbrille, mit der sie zu gestikulieren begann. "Da sind ja nicht nur die vielen Beweise für Atlantis, die wir in den Romanen gesammelt haben. Wir entlarven auch noch die wahren Herrscher der Welt. Alle diese Brüder, die mit Hilfe der Magie des alten Landes seit Jahrtausenden die Welt zu Tode regieren. Darum haben wir ja schließlich die Sachbücher über die immer schon verheimlichten Gesetze der Energie ins Netz geschmuggelt!

"Okay, okay!" beruhigte sie Fernando und sah sie belustigt und bewundernd zugleich an. Tara würde nicht nur jeden Wettbewerb unter irischen Schönheiten gewinnen, sondern mit Sicherheit auch jedes Ranking in Sachen irisches Temperament. "Ich weiß schon, dass wir gut unterwegs sind“, sagte er schließlich. „Was mir noch immer auf der Seele liegt…"

"Du meinst, was deinen großen atlantischen Energiekörper in Schwingung versetzt?" feixte Tara und setzte angesichts der am Horizont auftauchenden Sonne die großen dunklen Brillen auf. "Die Frage aller Fragen. Die Frage, was sich hinter der atlantischen Kultur verbirgt?"

Die Hände in den Taschen seiner schwarzen Wanderhosen vergraben, schlenderte Fernando einige Schritte in die Richtung der modernen Sternwarte. Dann drehte er sich abrupt um. "Für die Menschheit ist es an der Zeit ist, sich zu fragen, woher sie kommt", stellte er jedes Wort betonend fest. "Sind wir Abkömmlinge von Göttern oder von Affen? Oder vielleicht sogar eine von Astronauten gezüchtete Sklavenrasse?"

"Außerirdische, Irdische oder Klone?" Tara hatte etwas Ähnliches erwartet. Trotzdem verwirrte sie die von ihr selbst auf wenige Worte reduzierte Frage so sehr, dass sie sich auf einem Stein niederließ und sinnend hinzufügte: "Atlantische Göttersöhne und Göttertöchter, humanoide Säugetiere oder Biocomputer?" Sie starrte auf die weißen Kuppeln. Ganz so als könnten diese ihr eine Antwort geben. Aber natürlich antwortete da niemand. Die Engländer forschten an den Sternen. Die Schweden an der Sonne. Und die Deutschen, soweit sie wusste, an der Gammastrahlung. Alle diese modernen Blicke ins All erschienen ihr plötzlich unwichtig. Völlig nebensächlich angesichts der Frage, woher die Menschheit kam. "Der Atlantis-Krimi geht also weiter", verbarg sie ihre innerliche Aufregung in einer mechanisch anmutenden Feststellung. "Wir haben ein neues Thema rund um den versunkenen Kontinent."

"Das Beste überhaupt." Fernando zeichnete mit den Spitzen seiner schwarzen Wanderschuhe Kreise in den staubigen Boden. "So wie Atlantis ja ohnehin den größten aller Krimis abgibt. Es existiert offiziell nicht, weil es für gewisse Kreise immer existierte. Von der offiziellen Geschichte verschwiegen, ist es dennoch das Lieblingsthema aller Eingeweihten. Was nicht erstaunt. Schließlich entstiegen sogar die Götter dem okeanos, dem großen, dem atlantischen Ozean. Das gesamte griechische Pantheon stammt von den Okeaniden ab. Dazu haben alle sagenumwobenen Menschen auf irgendeine Weise mit Atlantis zu tun. König Salomon, Jesus, Shakespeare", zählte er an den Fingern der rechten Hand ab, um gleich darauf eine bezeichnende Geste in Richtung des tiefblauen Meeres zu machen. "Aber dem nicht genug. So wie Atlantis einst von den griechischen Inseln bis nach Amerika herrschte, so wird auch heute wieder Weltpolitik von atlantisch inspirierten Geheimgesellschaften gemacht!"

"Der größte Krimi! Die größte Verschwörung!" Auch Tara ließ das Meer, das seinen Namen dem ersten atlantischen König Atlas verdankte, nicht aus den Augen. "Dabei ist alles so klar. Es war genauso, wie die ägyptischen Priester Platon berichteten. Zuerst traf ein Asteroid den Kontinent Atlantis. Übrig blieb ein Reich aus den verschiedensten Inseln. Dieses zweite Atlantis entwickelte sich Jahrtausende nach dem ersten Untergang zu einer hoch entwickelten Zivilisation, die sich selbst zerstörte. Darum verschwiegen die überlebenden Atlanter ihre Mitschuld an der Sintflut. Schließlich sorgten sie dafür, dass Atlantis aus der Erinnerung der Menschen getilgt wurde." Sie seufzte auf, begann aber gleich darauf zu lächeln. "Aber heute wird das Leugnen zusehends schwieriger. Dieselben globalen Zeiten bringen das atlantic feeling zurück. Wir denken wie die Atlanter. Wie fühlen wie sie. Wir haben dasselbe kow how. Im Verkehr. In der Technik. In der Medizin und in der Gen-Technologie. Manchmal glaube ich, der versunkene Kontinent ist längst wieder auferstanden."

"Wir sind Atlantis! rief Fernando laut und betonte jedes Wort. "Auch was die Gefahren betrifft! Darum ist es ja so wichtig, dass wir wissen, woher wir kommen. Erst dann wissen wir auch, wohin wir gehen. Erst dann gleiten uns die Dinge nicht wieder einmal aus der Hand. Erst dann passieren nicht so Dinge wie ein selbstverschuldeter Atomunfall, von dem vielleicht der dem Lehm der Sintflut entstiegene Adam kündet."

"Ich wusste es: Unsere Urahnen waren dir nie ganz geheuer." Tara rieb unschlüssig die Handflächen aneinander. "Aber die Frage, ob die Flut oder klonende Außerirdische bei unserer Schöpfung aus Lehm die Hand mit im Spiel hatten, soll sogar bei den Freimaurern erst ab dem 33. Grad ein Thema sein." Sie schürzte die Lippen. "Womit natürlich wieder alles hinter uns her ist, was Rang und Namen hat. Die Geheimdienste, die Vertreter der Religionen, die Illuminaten, die höchsten Kreise der Politik und vielleicht sogar die Nazis." Schaudernd hob sie die Schultern. "Beim ATLANTICUS ging es noch um den Schatz, der durch die Geschichte rollte, immer wieder auftauchte und verschwand. Aber nun?"

"Der berühmte Tempelschatz", konstatierte Fernando befriedigt. "Auch das größte Vermächtnis des alten Reiches war nicht ohne." Seine monatelange Haft im uralten Serabit-Tempel auf dem Sinai fiel ihm ein. Damals war er nicht nur dem Kristallschädel nahegekommen, der Moses auf dem Sinai blendete, sondern auch den Geheimnissen der ecclesia. Vor allem denen ihres auf atlantischen Geheimnissen aufgebauten Kirchengründers. Aber gerade Jesus, der in Wirklichkeit Iussu hieß und schon in Urzeiten als Menschensohn und Erlöser angebetet wurde, stieß ihn nun vorwärts. "Ich weiß, dass wir mit der Suche nach unserer so lange verheimlichten Herkunft ein Risiko eingehen." Er ging auf Tara zu und legte den Arm schützend um ihre Schultern. "So wie ich weiß, wie sehr du die Schonfrist, die Arbeit an den Büchern und im Netz genossen hast. Aber irgendwie erscheint es mir, als wären wir nicht ohne Grund vor diesen weißen Kuppeln gelandet. Macht ganz den Eindruck, als würden ihre Teleskope nicht nur in den Himmel, sondern auch hinunter zur weißen Insel starren. Und diese ruft uns zu, dass wir heute in einer Art Schlüsselzeit leben."

"Erinnert mich an die Prophezeiung, die uns zusammenbrachte. Weißt du noch? Dieser tibetische Spruch! Er sprach davon, dass aus der Asche der Atlanter neue Generationen erwachsen würden. Und davon, dass diesen dasselbe Schicksal drohe, solange sie nicht aus Atlantis lernen." Tara blickte Fernando fragend an. "Und nun sind wir wieder einmal in atlantischen Zeiten gelandet. Willst du dich deshalb wieder vorwagen?"

Fernando nickte ernst. Doch dann nahm sein Gesicht einen siegessicheren Zug an."Erinnere dich ganz einfach an die andere Prophezeiung!"

"Julia!" rief Tara. "Die alte Schamanin sprach von dem Mädchen aus dem Norden, das gemeinsam mit dem Jungen von der alten Insel die Welt retten könne."

"Und die kanarischen Inseln sind nicht nur Europas größte Badewanne." Stolz wies Fernando um sich. "Sie sind auch die Reste der alten Insel, auf die sich die Überlebenden der Sintflut retteten. Zu den Genen meiner kanarischen Mutter mischen sich zwar die eines spanischen Offiziers…" Er stand stramm und legte mit einem Grinsen die rechte Hand wie zum Salutieren an die Stirn. "Trotzdem betrachtet sich unsereins als legitimer Nachfolger der alten Insel. Dazu eine lady aus dem Norden, die von irischen Druiden abstammt." Er wies auf die langen roten Locken, die bis zu Taras elfenbeinweißen Ellbogen herunterhingen.

"Du vergisst meine deutschen Vorfahren väterlicherseits. Alles strenge Landshuter Richter mit einem Faible für die Astrologie und Alchemie."

"Darum geben wir ja so ein gelungenes Paar ab." Fernandos Hand rutschte von der Schläfe auf das Herz. "Eines, das zumindest zum Teil deine eigene Prophezeiung erfüllt."

"Meine Prophezeiung?" Einen Augenblick war Tara irritiert. Doch dann erinnerte sie sich. "Wir wurden immer von Prophezeiungen begleitet", stellte sie nickend fest. "Darum sah ich auch voraus, dass wir fühlend denken lernen müssen, um immer mehr kristallinen Köpfen zu begegnen. Erst darauf entdeckten wir einen Kristallschädel nach dem anderen." Sie drehte sich um. So als könne sie einen Blick auf den Teide werfen, der mit seinen viertausend Metern alle sieben kanarischen Inseln überragte. Aber von dem Riesen mitten im Atlantik war im Augenblick nichts zu sehen. Trotzdem fuhr sie in seine Richtung gewandt, unbeirrt weiter."Und wir haben sie zurückgebracht. Die Herren der Welt. Die Silizium-Computer, die Atlantis zurückließ, um die Geschichte des finsteren Kali Yuga zu steuern."

"In das erste Refugium nach der Sintflut. Die Felsen-Kathedrale im Inneren des großen Berges am Nabel der Welt", Fernandos strich sich die nach vorne gefallenen Haare hinter die Ohren. "Vielleicht retteten die Überlebenden der Sintflut nicht nur die Kristallschädel dort hinein, sondern auch eine andere Schöpfungsgeschichte." Mit energischen Schritten begann er auf-und ab zu gehen. "Eine schönere als die vom lehmigen Adam und der sündigen Eva. Du hattest natürlich recht. Irgendetwas an ihnen irritierte mich schon immer. Nicht nur, dass sie aus einem Paradies geworfen wurden, das wahrscheinlich Atlantis hieß. Und auch nicht nur der Lehm…"

"Denk‘ an die zwei Meter dicke Lehmschicht, die man in Babylon als Beweis für die Sintflut ausgrub." Tara fingerte an den Perlmutterknöpfen ihrer kurzärmeligen weißen Bluse herum. "Und an die purpurne Königin, deren Gemahl als "Held des Goldenen Landes" gerühmt wurde."

"Sie und ihr mit Purpur und Lapislazuli kostbar ausgestattetes Gefolge waren Atlanter, die die Kolonie Babylon verwalteten", konstatierte Fernando knapp. "Der Hinweis auf das purpurne atlantische Blut, dem alle Königshäuser entstammen. Aber in Babylon wurden noch andere Tontafeln ausgegraben. Auf ihnen wird von außerirdischen Göttern erzählt, die auf dem Planeten Erde eine Sklavenrasse schufen. Erdlinge aus dem Reagenzglas sozusagen. Der eine Teil der Götter soll seinen Geschöpfen wohl gesinnt gewesen sein. Der andere degradierte sie zu Sündern. Wissend, dass Ängste und unterdrückte Gefühle zu Gewalt und Krieg führen." Er schnaufte. "Allein der Gedanke daran macht mich wütend. Und falls dies tatsächlich zutrifft, sollten wir es zumindest wissen!"

"Helle und dunkle Götter. Solche die Liebe, Licht und Harmonie wollen. Und solche, die den Schatten brauchen." Fragend inspizierte Tara den Himmel, auf dem sich inzwischen auch die Venus verabschiedet hatte. "Vielleicht erinnerten sich deswegen die Atlanter im Laufe der Zeit nicht mehr an die Atlantidinnen. An die Töchter des Atlas, die als Stammmütter der Menschheit gerühmt wurden."

"Und mit den göttlichen und magischen Kenntnissen, die sie die Menschen lehrten, wahrscheinlich zu den Guten gehörten." Noch immer aufgebracht, rieb sich Fernando die Schläfen. "Denk doch nur an Platon!“ setzte er hinzu. "Der größte Philosoph der Menschheit ist ja auch der größte Atlantis-Zeuge. Er beschrieb nicht nur die alte Insel, ihre Sitten und ihren Untergang. Nicht nur die berühmte ringförmig angelegte Hauptstadt…"

"Sondern auch die berühmteste aller irdisch-außerirdischen lovestories!" Tara lief auf Fernando zu und beruhigte ihn mit einem langen Kuss. Dann flüsterte sie ihm zu: "Auf atlantischen Inseln scheint man sich immer schon verliebt zu haben. Zumindest haben wir große Vorgänger. Der Gott Poseidon höchstpersönlich ließ sich hier zu einer aus dem Geschlecht der Sterblichen nieder. Und der lovestory mit der der Erde entstammenden Kleito sind nicht nur Atlas und die Atlantidinnen zu verdanken…"

"…sondern laut Platon auch ein treffliches Geschlecht, das noch von seiner göttlichen Herkunft wusste." Fernando hatte sich ein wenig entspannt, zog gleich darauf jedoch seine dunklen Augenbrauen fragend in die Höhe. "Aber vielleicht ist auch alles ganz anders. Platon selbst erzählt, dass die Nachkommen des Gottes im Laufe der Zeit verfielen. Dass sie als geistige Wesen nicht mehr über der Materie standen, sondern sich von dieser einwickeln ließen. Solange bis alles schieflief und das zweite Atlantis in die Steinzeit zurückgeschleudert wurde." Er hob einen Stein auf und warf ihn aufgebracht in Richtung Meer. Dann rieb er sich die Schläfen. "Andererseits kann es durchaus zutreffen, dass wir von Außerirdischen geklont wurden. In Zeiten, in denen wir selbst den Mars kolonisieren wollen, ist das nicht aus der Luft gegriffen. Und irgendwie habe ich das Gefühl, dass wir dies in dritten atlantischen Zeiten schleunigst aufklären müssen." Er hielt kurz inne, um sich dann übergangslos zu erkundigen: "Erinnerst du dich übrigens noch an Antillia?"

"An das palabra perdida? Das berühmte verlorene Wort?" Erstaunt fuhr Tara hoch. "Das geheimnisvollste Wort deiner Kindheit?"

"Und das geheimnisvollste des Mittelalters. Das Wort, das beinahe verloren ging, weil es bei Todesstrafe verboten war, es auszusprechen.

"Antillia" Tara zog das Wort in die Länge, kaute beinahe an ihm herum. So als könnte der alte, geheime Begriff für Atlantis schon beim Aussprechen sein Geheimnis preisgeben. "Aber was soll das palabra perdida mit unserer Herkunft zu tun haben?"

"Was steckt wohl dahinter, wenn ein einziges Wort, noch dazu eines, das nicht ausgesprochen werden darf, ein ganzes Zeitalter inspiriert? Wenn alle großen Entdeckungen diesem einen Wort zu verdanken sind?" Fernando ließ sich zu einem gequälten Lächeln herab. "Natürlich Atlantis! Es war die verheimlichte Insel, deren Wissen den Seefahrern den Weg wies. Aber ich prophezeie dir, dass Antillia noch aus einem anderen Grund als das mysteriöse verlorene Wort galt." Etwas unschlüssig hob er die Achseln. "Ich weiß zwar noch nicht, was es mit der Abstammung des Menschen zu tun hat. Aber irgendetwas flüstert mir zu, dass wir uns auf die Suche nach dem palabra perdida machen sollten."

2.

PRINZESSINNEN UND DRACHEN

"Der Drache! Der Drache! Er stürzt ins Meer!"

Die Stimme klang eindringlich. So hell und klar, dass niemand das sechsjährige Mädchen dahinter vermutet hätte, das aufgeregt auf sie zulief. Tara fing ihre Tochter auf. Betroffen verfolgten beide, wie der leuchtend rot-grüne Drachen vom Wind ins Meer getrieben wurde, um dort letztendlich zu versinken.

"Er ist so hochgestiegen! Bis in den Himmel!" schluchzte das Kind. "Und dann hat mir der Wind das Seil aus der Hand gerissen. Wird Anne sehr böse sein, wenn ich ohne mein Geburtstagsgeschenk zurück zu ihr nach Gran Canaria komme?"

"Du hast ja noch den Schottenrock!" Tara wies auf den Kilt, der dieselben Farben wie der Drachen hatte. "Außerdem…" Sie blickte das ihr wie aus dem Gesicht geschnittene Mädchen sinnend an. "Außerdem ist es vielleicht ein gutes Zeichen, dass du an deinem sechsten Geburtstag einen Gruß an das alte Reich schickst."

"An Atlantis? Dorthin, woher mein Name kommt?" Die Kleine, die für ihr Alter gehörig groß war, zog ihren grünen Pulli zurecht. Danach die beim Laufen nach unten gerutschten grünen Socken. Auffordernd beförderte sie dann die langen roten Haare nach hinten, stellte sich vor ihrer Mutter in Position und erkundigte sich: "Aber was hat Atlantis mit meinem Drachen zu tun?"

"Sehr viel mehr als du glaubst!" Tara warf Fernando einen verschwörerischen Blick zu. "Sogar in der Bibel wird Atlantis als Volk der Drachen bezeichnet. Gott teilte die Gewässer und zerschlug die Häupter der Drachen, heißt es darin. Und der mächtige Meeresdrachen wird nicht ohne Grund rahab genannt."

"Die zwei "A" wie bei Atlantis", gab sich das Mädchen altklug. Genauso wie die "A" in Atlanticia." Sie begann sich im Kreis zu drehen und summte: "Und Atlanticia hat heute Geburtstag. Den schönsten aller Geburtstage. Darum schickt sie auch Atlantis ein Geschenk." Abrupt hielt sie inne und begann zu weinen. "Ich hätte ihn trotzdem so gerne behalten!" Sie flüchtete sich an Fernandos Brust.

"Alles gut Prinzessin!" beruhigte er das orangegrüne Farbenbündel. "Was würdest du sagen, wenn ich dir erzähle, dass der Drache immer zur Prinzessin gehört. Auch dann, wenn er manchmal im Meer versinkt?"

"Man kann uns nicht trennen?" schniefte Atlanticia.

"Niemals!" warf sich Fernando in die Brust. "Der Drache ist das Zeichen von Prinzessinnen! Und einst galt er als mächtiges Wesen, das bis in den Himmel stieg, um den Menschen die Geheimnisse ihrer Herkunft zu enthüllen." Nur kurz verzog er ein wenig zynisch den Mund und blinzelte Tara zu, bevor er an Atlanticia gewandt, fortfuhr: "Darum war der Drache das Wappentier der Atlanter, die als Titanen, als die Mächtigen der Welt galten. Später machten es ihnen andere Herrscher nach. Die chinesischen Kaiser schmückten sich ebenso mit dem Drachen wie die Gralskönige, die Drachenkönige des Mittelalters, die man Pendragons nannte. "

"Und ich bin eine Prinzessin! Eine aus der purpurnen atlantischen Linie!" Stolz klopfte Atlanticia sich auf die Brust. "Darum habe ich zu meinem Geburtstag nicht nur den Drachen bekommen, sondern auch die Reise auf diese schöne Insel." Sie rollte mit den Augen, die ebenso blau wie die ihrer Mutter waren. "Aber vielleicht musste der Drachen wirklich verschwinden", vermutete sie dann. "Vielleicht taucht dafür Diana auf. Die Nachfolgerin der Göttin Danu. Meine Großmutter."

"Setzt du dich einmal einen Augenblick zu mir?" Tara ließ sich auf den Boden gleiten und zog die Knie an. In Windeseile war das Mädchen bei ihr und lehnte sich mit dem Rücken daran. Sie wusste, dass Zöpfeflechten angesagt war. Vor allem, dass dieses von ihr so geliebte Ritual jedes Mal mit einer interessanten atlantischen Geschichte einherging. Tatsächlich begann ihre Mutter nicht nur die dichten roten Haare in kleine Strähne zu teilen, sie begann auch mit Atlanticias Lieblingsthema. "Deine Großmutter war nicht nur eine Nachfolgerin der Göttin Danu. Nicht nur eine aus dem Zaubervolk der Tuatha de Dannan. Sie wollte alle Menschen zu modernen Atlantiden machen. Weil "atla" verkehrt gelesen, auf lateinisch "groß" bedeutet. Und weil wir alle nicht nur die Erde als Mutter haben, sondern auch einen göttlichen Vater: den Kosmos!"

"Auch das Zaubervolk konnte ganz schön groß sein!" entrüstete sich Atlanticia. "So groß wie die Pharaonen, die wegen ihrer Größe "Großes Haus" genannt wurden." Sie wies mit der Hand über ihren Kopf hinaus und zeigte dann auf Fernando. "Oder wie seine Pendragons."

"Die Pendragons waren groß, weil sie weise waren", erklärte Tara ihrer Tochter. "Darum schwebte auch deine Großmutter in ihrem großen atlantischen Energiekörper über der Insel."

"Sie konnte so hochfliegen wie der Drache?" Fragend fingerte die Kleine an den ersten geflochtenen Zöpfen herum.

"Ja, deine Großmutter war immer eine Überfliegerin. Eine Grenzgängerin zwischen den Welten." Der Kloß in Taras Kehle war nicht zu überhören. Noch immer hatte sie es nicht ganz überwunden, dass Diana sie als Dreijährige verlassen hatte, um auf eine Zeitreise nach Atlantis zu gehen. Aber sie fing sich schnell. "Darum erschien sie ihrem Freund Luc auch hier auf La Palma", erklärte sie weiter. "Um ihm und uns zu sagen, dass es einen Grund hat, warum der Traum von Atlantis die Menschheit so lange begleitet. Er beflügelt uns! Gibt uns die Hoffnung, dass wir sehr viel mehr sind als die kleinen Menschen, zu denen sie uns seit Jahrtausenden machen wollen. Und gleichzeitig warnt er uns."

Nachdenklich begann Atlanticia an ihren Haaren zu zupfen. "Weil das heute notwendig ist", stellte sie dann mit einem engelsgleichen Blick fest. "Weil wir die Sterne und alles, was da oben ist, vergessen haben!" In ihren Augen stiegen Tränen auf. "Darum habe ich mir ja den Drachen gewünscht. Und darum wollte ich auch auf die schönste aller Inseln. Damit der Drache Diana aus Atlantis holt. Damit ich endlich meine Großmutter kennen lerne!"

Mit einer zärtlichen Geste wischte Tara die herunterrollenden Tränen von den Wangen ihrer Tochter. "Diana begleitet dich", tröstete sie sie. "So wie sie mich immer begleitet hat. Und natürlich Fernando."

"Ja aber!" begehrt die Kleine auf aber Fernando hörte nicht mehr hin. Mit einem Schlag sah er die Heldin der ganzen story vor sich. In seiner Erinnerung stand er wieder in der Höhle. In dem riesigen unterirdischen Dom, in den die alten Kanarier die kristallinen Schätze vor der Flut gerettet hatten. Wie damals trug Diana das lange grüne Hippiekleid. Wie damals sah sie ihn aus denselben schräg gestellten Augen wie ihre Tochter und Enkelin an. Auch das Rot der Locken war dasselbe. Nur dass die schöne Frau völlig alterslos wirkte, als sie ihr zeitweiliges Auftauchen erklärte. "Wir alle existieren in sich vermengenden Zeitströmen", stellte sie mit ihrer klaren tiefen Stimme fest und wies auf die sie umgebende Acht. Liegend und stehend, mit eckigen und abgerundeten Kanten zierte das Symbol der Unendlichkeit die Zufluchtsstätte. Ähnliche Muster bildeten die beiden Treppen, die sich wie Kundalini-Schlangen in die Tiefe des Berges wanden. Sie hatten ihn bei seinem Eindringen begleitet. Und Diana hatte sie als atlantischen Baum bezeichnet. Als Zentralachse, um die alles wirbelte. Von den Höhen des Himmels bis weit unter den Nabel der Welt.

"Die Canary Islands sind Dianas Tor nach Atlantis. Und irgendwann wirst du sie sehen!" unterbrach Taras Stimme seine Erinnerungen. Sie tröstete Atlanticia mit deren Lieblingsgeschichte, dem zeitweiligen Auftauchen der nie gesehenen Großmutter. Drüben auf Gran Canaria in der Felsen-Kathedrale. Zuletzt jedoch in den tiefen Tälern der mit Sicherheit steilsten Insel der Welt. "Darum wolltest du ja auf den Roque de los Muchachos, den Knabenfelsen", ulkte sie gerade. "Und sag‘ jetzt nicht, dass es die Knaben waren, die es dir angetan haben. Es waren die 2426 Meter Höhe, auf der wir stehen. Hier oben und mit Hilfe des Drachens wolltest du Diana aus ihren außerirdischen Welten hervorlocken."

"Ich weiß, dass die Insel ganz hoch und ganz wenig lang und ganz wenig breit ist." Atlanticia nahm ihre Arme, um die Winzigkeit der isla bonita anzudeuten. "Genau 47 Kilometer lang und 29 Kilometer breit", detaillierte Tara. "

Wieder einmal wunderte sich Fernando darüber, wie ernst sie das kleine Mädchen nahm. Sie macht es ihrer Mutter nach, überlegte er. Auch Diana sah schon in der dreijährigen Tara die große Seele. Nur deswegen kam diese als Erwachsene auf die Idee mit dem kristallinen Denken. Nur deswegen gelang es ihr, sich mit den Symbolen für dieses Denken in Verbindung zu setzen. "Das Schlüsselgeheimnis, das die Eingeweihten bewahrten, als Atlantis unterging", hörte er plötzlich wieder Dianas Stimme und ebenso plötzlich war er sich sicher, dass sie die größte aller Prophetinnen war. Sie war es gewesen, die über die Zeiten hinweggeblickt hatte. Sie hatte ihre Expeditionen zu den größten Geheimnissen der Menschheit inszeniert. Nachdenklich betrachtete er die beiden rothaarigen ladies vor sich. Tara sah in ihren engen Jeans und der hellen Bluse sehr jung, sehr verletzlich und sehr in sich gekehrt aus. So und noch um einiges jünger als Atlanticia hatte sie wahrscheinlich ausgesehen, als Diana ihr prophezeite, dass sie einst den atlantischen Schatz finden würde. Und dass sie nach ihrem einundzwanzigsten Geburtstag auf die Canary islands zurückkehren würde. All das hatte sich erfüllt. Nach dem Tod ihrer Großeltern in München hatte Tara nicht lange gefackelt. Zu dem von ihrer Mutter vorhergesagten Datum war sie vor dem großen weißen Tor von Annes finca auf Cran Canaria gestanden. Gemeinsam hatten sie sich dann mit Dianas bester Freundin auf die Suche gemacht. Um zu guter Letzt tatsächlich den Schatz des ersten Tempels, den atlantischen Computer zu entdecken, fügte er in Gedanken hinzu. Nicht ohne sich wieder einmal darüber zu wundern, wie schnell in dem kleinen Paradies aus dem smarten Fernando Fernandez aus San Fernando ein Sucher geworden war. War er einst ausgezogen, um für den spanischen Geheimdienst Tara auszuspionieren, so trieben ihn nun die großen Fragen der Menschheit ebenso an wie Diana.

"Der Drache! Er ist wieder da! Oma hat ihn mir zurückgeschickt!" Aufgeregt sprang Atlanticia auf und lief in Richtung Meer.

So jäh aus seinen Reminiszenzen aufgeschreckt, hielt Fernando dies sogar für möglich. In den letzten Jahren hatte er sich über Zeitreisen informiert. Seine Lektüre hatte ihm beigebracht, dass die Physik parallele Universen für möglich hielt. Suchend hielt er die Hand über die Augen. Aber der erhoffte Drache entpuppte sich als eines der kleinen roten Fischerboote, die auf den Kanaren den blauen Konkurrenz machten. Selbst ein wenig enttäuscht, lief er Atlanticia nach und hob sie hoch über sich hinaus, damit sie den roten Tupfer besser sehen konnte. "Es ist nur ein Boot, goldenes Mädchen", neckte er sie. "Der orangene Drachen mit den von unserer weltbekannten deutschen Malerin darauf gemalten grünen Dreiecken bleibt dein Geschenk an Atlantis!"

"Glaubst du, dass es weiß, dass ich ein goldenes Kind bin?" Von hoch oben sah sie fragend auf ihn herunter.

"Und dass du heute am 8. August, am Erntedankfest der alten Göttinnen, deinen sechsten Geburtstag hast!" bekräftigte Fernando.

"Dann schicken mir Diana und Atlantis vielleicht doch noch mein Geburtstagsgeschenk zurück."

"Ich fürchte, es bleibt dein Geschenk für den großen Ozean." Tara war ihnen nachgekommen und klopfte sich den Staub vom Hosenboden. "Du liebst ihn ja. Schon als Neugeborene wolltest du in ihn hinausschwimmen", versuchte sie ihre Tochter zu beruhigen. Aber so schnell war der nicht beizukommen.

"Anne und du, ihr habt mir erzählt, dass ich im Meer vor Gran Canaria bei einer Unterwassergeburt zur Welt kam. Und schon deswegen sollte der Atlantik seinem Geburtstagskind sein Geschenk zurückgeben." Sie trommelt gegen seine Brust. "Und jetzt lass‘ mich runter. Ich bin schon groß genug!" Wieder am Boden angelangt, fuhr sie sich mit der Hand durch die roten Locken. Dabei entdeckte sie, dass erst die rechte Hälfte fertig geflochten war. "Auch wenn ich noch nicht wie eine Prinzessin und ein goldenes Kind aussehe." Schmollend drehte sie sich zu ihrer Mutter um und klagte: "Heute geht auch alles schief!"

"Du weißt doch, dass selten etwas ganz schief geht", beruhigte diese die Aufmüpfige. "Die Dinge machen manchmal Umwege. Darum lehnte ich mich jetzt auch an diesen großen Stein und flugs vollenden wir deine Frisur."

"Und ich spiele mit meinem Ei". Ein triumphierendes Lächeln glitt über das kleine Gesicht. "Es kann nicht wie der Drache davonfliegen. Auch wenn es manchmal so aussieht, als würden die Schlangen es hochheben." Bedächtig kramte sie einen kleinen goldenen Beutel aus dem Kilt. Sorgsam das goldene Band öffnend, holte sie dann das Kleinod hervor, das ihr nur an besonderen Tagen genehmigt wurde.

"Die zwei Schlangen und das Ei gehören zur streng geschützten atlantischen Tradition", vernahm Fernando erneut Diana. Sie war es gewesen, die ihm vor ihrem Abschied die zur Materie gewordene Botschaft des versunkenen Reiches in die Hand drückte. Wissend lächelnd hatte sie ihm dabei erklärt, dass die Schlangen die atlantischen Energien symbolisierten. Und dass diese im astralen Licht längst überall am Werk waren.

"Eigentlich sind sie ebenso schön wie der Drache!" An Tara gelehnt, rollte Atlanticia das goldene Ei mit den darum gewundenen Schlangen in der kleinen Hand hin und her. "Und wenn sich, wie Fernando erzählte, in dem Ei nicht nur goldene Ideen für das neue Zeitalter und goldene Kinder wie ich verstecken…"

"Wenn das befruchtete Ei alle Möglichkeiten birgt, dann hoffst du wohl auf die Rückkehr deines Drachen", wechselte Fernando schnell in die Gegenwart. Spontan schien er auch Atlanticias im Augenblick sehnlichsten Wunsch erraten zu haben.

Denn diese nickte so zustimmend, dass Tara beinahe die kleine Nase verfehlt hätte. "Vielleicht helfen dir die Schlangen tatsächlich", vermutete sie auf diese tippend. " Schließlich bist du ja nicht nur deine entzückende Nase, auf der mir ebenso viele Sommersprossen wie auf meiner entgegen blinzeln. Du bist auch nicht nur dein Mund und dein loses Mundwerk!" lachte sie. "Da gibt es ja noch die Energie, die dich antreibt. Die dich lustig und aktiv oder müde und traurig macht."

"Und die Schlangen sind die Energien dahinter", wiederholte Atlanticia das, was ihr Tara ungezählte Male erläutert hatte. "Sie lassen uns in den Himmel oder zur Erde blicken!" Wie zur Bestätigung zog sie die rechte Hand ihrer Mutter zu sich herunter und begann ihm zu erklären: "Das Ei mit den Schlangen hast du mir mitgebracht. Es ist von Diana. Die anderen beiden Schlangen, diese da auf Taras Ring, sind von meiner Urgroßmutter. Sie war eine Druidin. Und sie fand den Ring in der Höhle, in der sie und der deutsche Opa Diana machten."

"Hast du dir gut gemerkt!" lobte Fernando und warf einen nostalgischen Blick auf den Ring mit dem goldenen Leib. Die zwei daraus entspringenden Schlangen waren ihm schon vor Jahren bei seiner ersten Begegnung mit Tara auf dem Flughafen von Las Palmas aufgefallen. Schon damals schien eine der Schlangen in die Höhe zu züngeln, die andere in die Tiefe. "Ihnen ist es ebenso gegangen wie dem Drachen", sagte er leise, mehr an sich selbst als an das Kind gewandt. "Einst wurde aus den Schlangen der Drache. Die irdischen Energien vereinigten sich, um hoch im Himmel als Drache über den Wassern zu schweben. Dann wurde die Dinge umgedreht."

"Der Drache fiel ins Meer?" Atlanticia sah ihn fragend an.

"Der atlantische Drache wurde überheblich. Vielleicht weil auch damals der Wind zu stark war." Tara schob ihren Ring nach oben und unten. "Und dann ging es wie bei dir ganz schnell. Nach Platon soll das sagenumwobene Königreich in einem schlimmen Tag und einer schlimmen Nacht untergegangen sein."

"Sicherlich waren irgendwelche moderne Waffen schuld. Energien, die man erst heute wieder benutzt", erklärte Fernando der wieder traurig das Meer nach ihrem Drachen absuchenden Atlanticia. "Darum war nach dem Untergang von Atlantis alles tabu, was mit Energien zu tun hat. Die Energien im Menschen. Die Energien, die uns umgeben. Und Schlangen und Drachen wurden verteufelt."

"Weil die Schlange Eva zum Kosten am Paradiesapfel verführte!" So schnell, als würden die winzigen Reptilien aus Gold plötzlich auch ihr gefährlich werden, steckte das Mädchen das Ei in den goldenen Beutel zurück.

"Das ist eine lange und komplizierte Geschichte!" Tara nutzte die Gelegenheit, um das atlantische Kleinod unauffällig in ihren Jeans verschwinden zu lassen."Aber ich verspreche dir, dass wir sie eines Tages lösen werden!" Sie lächelte Fernando über Atlanticias Kopf hinweg komplizenhaft zu. Dann begann sie die Zöpfe hoch zu stecken. "Nun jedoch steht die Krönung der Geburtstags-Frisur auf dem Programm. Schließlich will unsere Prinzessin heute noch einiges von der grünen Bananen-Insel sehen."

"Vielleicht die Caldera de Taburiente?" erkundigte sich Fernando bei der Kleinen, die mit einer eitlen Miene die letzten Verschönerungsriten über sich ergehen ließ. „Der riesige Bauchnabel der Insel ist um einiges größer als der deine. Was heißt um einiges?" Er wies auf den orange-grünen Schottenrock. "Der von deinem Geburtstagsgeschenk so farbenfroh verhüllte wird einen Durchmesser von zwei oder drei Zentimetern haben. Der der Insel ist neun Kilometer breit und tausendfünfhundert Meter tief." Aber Atlanticia reagierte weder auf seinen Scherz noch auf den Krater der Superlative. Darum versuchte er es andersrum: "In der Caldera gibt es herrliche Nadelwälder und wir können die tollsten Spaziergänge machen. Außerdem ist der Talkessel der Schauplatz einer der letzten atlantischen Kämpfe. Der Guanchenkönig Tanausú wehrte sich dort lange und erfolgreich gegen die Spanier. Du weißt ja, dass die Guanchen, die Ureinwohner der kanarischen Inseln, die Überlebenden des untergegangenen Reiches sind."

"Natürlich weiß ich das!" gab sich Atlanticia stolz und gleichzeitig ein wenig gelangweilt. "Sie wurden wie die Atlanter von Königen regiert. Sie bauten Pyramiden. Und sie kannten dieselben komplizierten Schädel-Operationen wie die Ägypter…"

"Vor allem begrüßten sie ihre Eroberer, die Spanier mit der Frage, ob sie die große Katastrophe überlebt hätten", warf Tara ein. "Für viele von ihnen bedeutete das das Todesurteil. Da nützten nicht einmal die Guerillataktiken des letzen kanarischen Königs. "

"Tanausú wurde von Alonso Fernandez de Lugo betrogen!" Wie so oft, wenn es um die hilflos hingemetzelten Guanchen ging, wurde Fernando wütend. "Die Spanier versprachen Frieden und freies Geleit, hielten sich jedoch nicht daran. Sie wollten Tanausú sogar als Beutestück dem spanischen König vorführen. Wie viele seiner Landsleute zog dieser jedoch den Tod dem Leben als Gefangener vor."

"Und er sah unser Glückssymbol voraus." Tara zeichnete mit den Schuhen die ägyptische Hieroglyphe in den Sand, die Atlanticia immer wieder entzückte.

"Das Herz mit den zwei Ohren", jauchzte die Kleine. "Es sagt uns, dass wir mit dem Herzen hören sollen! Was ganz schön schwierig und ganz schön schön ist!"

"Der letzte Guanchenkönig war nicht nur tapfer. Er prophezeite auch, dass der große Geist solange schweigen würde, solange die Menschen nicht mit dem Herzen zu hören und zu reden beginnen." Sie umarmte ihre Tochter. "Aber du lernst das ja jetzt. Und im neuen Zeitalter machen es dir sicherlich viele Menschen nach. Sie hören nicht mehr ausschließlich mit dem Kopf, sondern fühlen sich in andere hinein."

"Schon wieder eine Prophezeiung", sagte Fernando mit dem Unterton aller Kanarier, wenn die Rede auf die Konquista kam. "Und das von dem größten Volkshelden der Inseln! Der für seine Ritterlichkeit bekannte Tanausú beging nämlich nicht nur einfach Selbstmord. Er ließ sich noch auf ein Schiff bringen, trat dann jedoch in den Hungerstreik. So kam er nie als Beweis für de Lugos Triumph am spanischen Königshof an." Mit einem bitteren Geschmack im Mund dachte Fernando erneut an seine Herkunft. Nie war er sich sicher gewesen, ob nun mehr Guanchen-Blut oder mehr spanisches Offiziersblut in seinen Adern floss. In den letzten Jahren hatte er sich dann mit Atlantis als seinem wirklichen Herkunftsland getröstet. Aber nun? Er schloss für einen Augenblick die Augen. Nun war wieder einmal alles anders geworden. Nun wollte er sich nicht mit Herkunftsländern und Nationalitäten zufriedengeben. Nun wollte er den Schöpfergöttern selbst auf die Schliche kommen. Zuvor jedoch war Atlanticias Geburtstag angesagt. Er beschloss, es mit göttlicher Hilfe zu versuchen. "Wir könnten auch zum Roque Idafe wandern. Auf dem berühmten Kultplatz soll ein Gott höchst persönlich wohnen."

Aber nicht einmal der angeblich in einem achthundert Meter hohen Basaltmonolith lebende göttliche Idafe fand Gnade vor Atlanticias Augen. "Ich will zu diesem heißen Fleck!" Sie stampfte mit den in grünen Mokassins steckenden Beinen auf. "Zu diesem lebenden Vulkan. Wenn Diana schon nicht am höchsten Ort der Insel erscheint…"

"Glaubst du, dass der Vulkan deine Großmutter ausspuckt", hänselt Fernando. Aber ihm war nicht wohl dabei. Irgendwie hoffte er plötzlich selbst auf ein Wiedersehen mit der Frau aus Atlantis. Schließlich hatte sie ihm nicht nur das Schlangenei als Versprechen für das Zeitalter des Wassermanns vermacht. Sie hatte auch eine ganze Menge aus dem Geheimwissen der Atlanter preisgegeben. Irgendwo darunter, da war sich Fernando plötzlich völlig sicher, war auch der Hinweis auf die Herkunft des Menschen. Eine Art Code, der ihm endlich verraten würde, woher er nun wirklich kam. Abrupt drehte er sich um und ging auf den blauen Wagen zu, den sie sich in Santa Cruz, der wunderschönen alten Hauptstadt der Insel gemietet hatten.

"Okay, dann steht jetzt die Ruta de los Volcanes auf dem Programm!" Tara nahm die unter ihrer Krone aus roten Zöpfen strahlende Atlanticia an die Hand und lachend folgten sie ihm.

All das jedoch nahm Fernando nur mehr am Rande wahr. Was ihn beinahe magisch anzog, war die seidene Fahne. Orange-grün leuchtete sie ihn vom Seitenspiegel des Beifahrersitzes an, obwohl sie eine Stunde zuvor noch nicht dagewesen war. "Ich fürchte, wir hatten wieder einmal Besuch!" wandte er sich alarmiert an Tara, die die Stirn furchte. Allein Atlanticia war nicht im Geringsten überrascht. Sie tänzelte auf das im Wind wehende Banner zu und rief immer wieder: "Es ist nicht mein Drache! Und doch ist es mein Drache! Es ist nicht mein Drache! Und doch ist es mein Drache!"

3.

DREI WÜNSCHE

Drei Wünsche! Es waren drei Wünsche, die sein Leben verändern würden! Und mit ihrer Erfüllung würde er an diesem ganz besonderen Tag beginnen!

Das weiße Badetuch um die schlanken Hüften geschlungen, gab sich William C. Stone vor dem mannshohen Spiegel das Versprechen für seinen Geburtstag. Erst dann musterte er zufrieden seine Figur und kam zu dem Schluss, dass sie es mit sehr viel Jüngeren aufnehmen konnte. Trotzdem waren da diese Sechs und die Null dahinter. Diese Sechzig, die gerade heute nicht zu leugnen war. Mit sechzig kann man sich sehr alt, aber auch sehr jung fühlen, überlegte er, plädierte jedoch sofort für Letzteres. Nach einer Stunde Zen-Meditation und zwei Stunden im Fitnessraum fühlte er sich, als könne er Bäume ausreißen. Oder die Finanz-Welt mit einem neuen Milliarden-Coup erstaunen, fügte er in Gedanken hinzu, wusste jedoch gleichzeitig, dass gerade heute sehr viel Aufregenderes auf dem Programm stand.

Vor sich hin pfeifend ging er ins Ankleidezimmer, wo schon der weiße Seidenpulli bereit lag, und der federleichte schwarze Doppelreiher, den er sogar zu Hause zu tragen pflegte. "Weiß anstatt dem gewohnten Schwarz!" hatte er am Tag zuvor für den Pulli beim Butler geordert. "Nicht weil morgen sechzig Jahre seit meiner Geburt vergangen sind, sondern die sechs Jahre Wartezeit, die ich mir selbst auferlegte."

Henry hatte nur verständnislos genickt. Natürlich hatte er keine Ahnung davon, dass es da noch jemand anderen gab, der am 8. August Geburtstag hatte. So wie Henry sehr viel nicht wusste. Verschwörerisch blinzelte er seinem Spiegelbild zu, das nun, da er angezogen war, einen Mann im besten Alter zeigte. Nicht nur seine Größe und seine Schlankheit ließen ihn jünger wirken als er war. Da gab es auch noch die wasserblauen Augen. Mit ihnen konnte er ebenso schneidend kalt in die Welt blicken, wie jugendlich verschmitzt. Im Augenblick war letzteres der Fall und sich durch die aschblonden Haare fahrend, kam er zu dem Schluss, dass ihm niemand mehr als magere fünfundvierzig Jährchen zugesprochen hätte.

"Trotzdem bin ich sechzig!" sagte er laut zu sich selbst und machte sich in den Vorraum zu seinem Schlafzimmer auf. Hier, in einer Art Mini-Bibliothek, reihten sich seine Lieblingsbücher an kostbare alte Folianten. Und da gab es auch noch den Glastisch, der wie ein kleiner Altar in gerader Linie zu den offenen Flügeltüren und zu seinem Bett stand. Auf ihm lagen die Zeichen der königlichen Kunst: die Kugel, die Pyramide und der Zirkel aus Gold. Seit gestern jedoch war eine vom teuersten Juwelier New Yorks angefertigte Merkaba dazu gekommen. Ein kleiner Sterntetraeder, den er nun in die Hand nahm und hin-und her wog. "Sechzig", sinnierte er. "Und die nach unten und nach oben gerichteten Pyramiden machen mich unweigerlich darauf aufmerksam, dass es Zeit für die drei Wünsche ist. Alles, was das äußere Leben bieten kann, ist erfüllt!" Seine Finger strichen die Dreiecke der Pyramiden entlang. "William Stone Senior war noch Multimillionär. Ich bin Multimilliardär! Aber was bedeuten Milliarden? Was bedeuten Macht und irdischer Einfluss, wenn der Eckstein fehlt?" Er sah zu der Decke hoch, die mit Girlanden aus Stuck verziert war. "The secret", fügte er dann leise hinzu. "Das Geheimnis, das sich in allen mystischen Lehren dieser Welt versteckt. Das verlorene Meisterwort! Das Wort, das uns zu Göttern macht!"

Sein Blick blieb an dem Bild hinter dem kleinen Tisch hängen. Groß, ja mit ihren zweieinhalb Metern beinahe übermächtig, schienen Osiris und Seth die ersten zu sein, die ihn zu seinem Geburtstag beglückwünschten. Der ägyptische Sonnengott in hell leuchtenden Blautönen. Sein dunkler Bruder in Schwarzblau. Nie war er sich sicher gewesen, wem er mehr ähnelte: der Lichtgestalt oder seinem Schatten, dem Brudermörder, der Osiris zerstückelte, um ihn danach den Wassern des Nils zu übergeben. Grübelnd betrachtete er die vielen blauen Dreiecke, welche die Gottheiten umgaben und die das Markenzeichen der Malerin waren. "Anne von Lichtblau wird gewusst haben, warum sie die zwei Brüder mit deinen nach unten und oben weisenden Dreiecken übermalte", sagte er zu der goldenen Doppel-Pyramide in seiner Hand. Während er sie zurück zu den anderen Insignien der Schöpfung legte, fuhr er fort: "So wie die Dame ja vieles zu wissen scheint. Vieles, das bei der Erfüllung meiner Wünsche hilfreich sein kann."

An der Tür klopfte es. Henry, der Butler, brachte ein Glas frisch gepressten Granatapfelsaft, frische Feigen und Datteln. Dazu den üblichen Espresso mit einem der extra für ihn hergestellten Bonbons. "Das Personal, vor allem Janet und ich wollen alles Gute zum Geburtstag wünschen!" Er verbeugte sich und machte, wohl wissend, dass außer ihm niemand das Allerheiligste des Bosses betreten durfte, eine Geste in Richtung der Dienstbotenzimmer im Parterre.

"Deine Glückwünsche sind angenommen!" Stone rang sich ein gequältes Lächeln ab. "Für die anderen habe ich erst später Zeit. Nach dem Frühstück ist zuerst eine Visite im Informationsraum angesagt."

Leise, fast unbemerkt, schloss sich die Tür. Eigentlich müsste er wissen, dass er mich vor dem Bild nicht stören darf, sagte sich Stone ein wenig unwirsch. Doch dann glitt ein ihm selbst immer wieder rätselhaftes Lächeln über sein Gesicht. Wie so oft ließ er sich zum Frühstück dem Gemälde gegenüber nieder. "Du bist keiner meiner Picassos und nicht einmal einer meiner heiß geliebten Dalis", begann er von dem ultramodernen blauen Sessel aus ein seltsames Zwiegespräch. "Dafür könnte ich darauf wetten, dass Diana dabei war, als du gemalt wurdest. Ganz sicherlich war sie es, die dieser Anne die wirkliche Geschichte von den beiden Söhnen des atlantischen Königs Chronos steckte. Die story, dass Osiris und Seth atlantische Prinzen waren, die als Kulturbringer nach Ägypten kamen." Er trank das Glas mit dem Saft aus und begann die letzten Tropfen des blutroten Getränks hin-und her zu schwenken. "Schließlich war der Tod des Osiris für sie schon immer das Symbol für den Untergang des atlantischen Wissens."

Wie zur Bekräftigung verfinsterte sich vor dem Fenster die Sonne. Der helle Osiris wurde nicht mehr vom Licht überstrahlt. Jetzt überflutete die schwarze Bläue seines Bruders den blauen Teppich und gleich darauf den ganzen Raum. Auch ihn überfiel tiefe Trauer. "Diana war Wissenschaftlerin", sagte er, um sich irgendwo fest zu halten. "Sie arbeitete an den großen Mythen der Menschheit. Und ebenso wie wir Stones war sie von der Realität von Atlantis überzeugt." Von dem Beistelltisch nahm er sich eine Dattel, steckte sie sich in den Mund und begann daran herum kauend, auf und abzugehen. "Aber als sie mich heiratete, gab sie ihre Karriere auf", gestand er sich dann mit gepresster Stimme ein. "Ihre Forschungen. Ihre Doktorarbeit. Nur ich und Mark und Atlantis waren noch wichtig." Erst nach einer langen Pause fuhr er nachdenklich fort: "Doch dann war ich der Meinung, dass Atlantis nichts für die normale Menschheit sei. Dass Humanitäts-Gefasel und atlantisches Wissen nicht zusammenpassen." Er spukte den Dattelkern aus. Gleich darauf brach das aus ihm heraus, was ihm beinahe noch mehr zu schaffen machte als Dianas Flucht aus dem alten Anwesen auf Long Island. "Sie ließ sich bei dieser Malerin nieder! Bei dieser Frau von Lichtblau!" Er lachte verächtlich auf. "Und nicht einmal meine besten Leute haben bis heute herausbekommen, wer der Vater ihres zweiten Kindes ist! Der Vater dieser Tara!"

Auf den mit einem Stirnband und der Uräusschlange geschmückten Osiris weisend, fragte er sich: "Und was macht Stone? Was macht der angeblich so steinharte Milliardär, dem nichts ankann?" Verärgert öffnete er das in ein silbernes Papier mit Schachbrettmuster gehüllte Bonbon. "Er spielt nicht wie üblich mit den Menschen Schach! Nein! Er trauert seiner geliebten rothaarigen Frau nach. Und das nicht ein Jahr! Nicht zwei! Nein! Jahrzehnte! Solange bis ein Enkelkind auftaucht, von dem wieder nicht bekannt ist, wer nun der Vater ist!"

Mit einem Schwung beförderte er das zusammen geknüllte Silberpapier zu Füßen des mit der Apophisschlange kämpfenden Seth. Dieser war es dann, der ihn an die in seinen Meditationen immer wieder eingeübte Gelassenheit erinnerte. Im Zeitlupentempo steckte er das Bonbon in den Mund und begann ebenso bedächtig wie immer den exquisiten Geschmack zu genießen. Die gewohnte Distanz kam jedoch erst mit dem bitteren Kaffee ganz zurück. Die Espressotasse in einem Zug leerend, beschloss er, sich unverzüglich in den Informationsraum auf zu machen.

Vorbei an einem Toulouse-Lautrec, einem Miro und einem Klee schritt er die großzügig geschwungene Treppe nach unten. Er schenkte weder den Meistern der europäischen Malerei Beachtung, noch den Dienstboten, die ihm in dem weitläufigen Vestibül des den alten Südstaatenpalästen nachempfundenen Gebäudes begegneten. Er war sich sicher, dass der Butler sie in Schach hielt. Auf ihn jedoch wartete einer der wichtigsten Züge seines ganz persönlichen Schachspiels.

"Tokio? Honkong oder Peking?" fragte Patrick, der Computertechniker, der für die Börsen und ein paar geheime Überwachungsstationen zuständig war, als er eintrat. Dann räusperte sich der rothaarige Ire. "Aber zuerst Sir!" Er stand strammer als der oberste General der amerikanischen Armee. "Zuerst alles Gute zum Geburtstag!"

"Zum Sechzigsten!" fügte der blonde Tom hinzu, stand von den Bildschirmen auf, die Europa und Amerika unter die Lupe nahmen, und gesellte sich zu seinem Kollegen.

Dasselbe Rot wie Dianas Haare, dasselbe Blond wie die Haare von Mark, flüsterte etwas in Stones Hinterkopf. So wie er sich zuerst seine Trauer um Diana eingestanden hatte, war es auch jetzt. Plötzlich konnte er vor sich selbst zugeben, dass er die Computerspezialisten wegen einer Familie eingestellt hatte, die es nicht mehr gab. "Danke, ihr zwei!" Mit einer kameradschaftlichen Geste legte er die Arme auf die Schultern der beiden einen Kopf Kleineren. "Aber heute ist Interessanteres als Wirtschafts-Nachrichten angesagt. Heute beginnen wir mit La Palma!"

"Ist auch schon da, die kleine Schönheit!" Grinsend drückte Patrick ein paar Tasten an einer der vielen Konsolen. Gleich darauf lief auf dem großen Bildschirm in der Mitte des Raumes ein kleines Mädchen in einem grün-orangen Schottenrock auf Stone zu."

"Dieselben Haare", flüsterte Stone und wusste nicht, was ihn mehr bezauberte. Die langen Locken? Der selbstsichere Blick? Oder der orange-grüne Drachen, der die Farbenpracht der Kleinen in den Himmel hinauf zu tragen schien.

"Sie muss Irin sein!" Patrick, der nichts von Diana, von Tara und von der Schonfrist wusste, die er sich selbst auferlegt hatte, fuhr sich durch die eigene Mähne.

"Sie ist Irin!" entfuhr es Stone. "Sie ist sogar eine Kennedy! Und wenn wir Glück haben…" Ebenso abrupt wie er das Gespräch angefangen hatte, brach er es ab. "Und was sagt unser Informant sonst noch?"