Armageddon Alicetown - Dana Müller - E-Book

Armageddon Alicetown E-Book

Dana Müller

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Beschreibung

Die Hölle droht Alicetown zu verschlucken. Hannah spürt, dass die plötzliche Bedrohung das nahende Ende allen Seins ankündigt. Während Holden darauf besteht, dass Shahur seinem Gefängnis entflohen ist, will Hannah diesen Gedanken gar nicht erst zulassen. Doch dann geschehen Dinge, die sie selbst an der Realität zweifeln lassen. Von einem Augenblick auf den anderen bricht in einer nicht enden wollenden Nacht Chaos aus, das die Welt um sie herum in ein Schlachtfeld des Übernatürlichen verwandelt. Zwischen grauenvollen Wesen und unheimlichen Ereignissen kämpfen die Geschwister und Joe gegen das drohende Unheil, während Emely ihren eigenen Dämonen nachjagt. Hannah setzt alles daran, die Menschen zu retten, die sie liebt, auch wenn das bedeutet, Pater Andrews um Hilfe zu bitten.

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Seitenzahl: 137

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Dana Müller
WARNUNG!
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Ende gut – alles gut!
Die Autorin
Weitere Bücher der Autorin
Legenden
Alicetown
Spuk in Alicetown – Band 1
Fluch in Alicetown – Band 2
Koma in Alicetown – Band 3
Vergessen in Alicetown – Band 4

Dana Müller

Armageddon

Alicetown

Band 5

Mystery Horror

WARNUNG!

Manche Türen sollten lieber verschlossen bleiben!

Kapitel 1

Verfolgt von dunklen Schatten eines erdrückenden Traumes erwachte Hannah aus einem bleiernen Schlaf, der ihre Kraft bis zum Letzten verzehrt hatte. Benommen stahl sie sich aus der Wärme des Bettes und setzte sich auf. Ihr war, als wäre die Zeit in einer schleimigen Blase gefangen. Ein seltsames Gefühl der Stagnation erfüllte sie. Das waren die Nachwehen eines furchterregenden Traumes, an den sie sich nicht mehr erinnern konnte. In ihrem Kopf drehte sich alles und eine unnatürliche Schwere zog ihr Gemüt nach unten. Es sank mit jeder verstreichenden Sekunde tiefer – einem unausweichlichen Abgrund entgegen. Als wäre es mit einem Stein beschwert in ein dunkles Gewässer geworfen worden.

Wie durch eine undurchdringliche Trance vernahm Hannah das Aufspringen ihrer Zimmertür. Ihr nachziehender Blick erfasste Holden. Ihr kleiner Bruder stürmte herein und sah sie aus schreckgeweiteten Augen an. »Der Dämon kommt wieder!«

»Wie kommst du darauf?«

Holden eilte zu seiner Schwester, setzte sich neben Hannah auf die Bettkante und klammerte sich an ihren Arm. »Ich habe es in meinem Traum gesehen. Hannah, er kommt. Er ist fast schon hier!«

»Großer, das war doch nur ein Traum«, flüsterte sie mit beruhigender Stimme, obgleich seine Behauptung ihre eigene Angst schürte.

»Das war nicht nur ein Traum«, widersprach er und lockerte den Griff, um ihr in die Augen zu sehen. »Das war eine Warnung!«

»Lass mich erst einmal richtig wach werden und duschen gehen. Dann reden wir darüber. Ich bin sicher, dass das nichts zu bedeuten hat, aber wenn es dich beruhigt, fragen wir Emely.«

Er nickte. »Emely wird dir auch sagen, dass es eine Warnung ist.« Einen Augenblick lang betrachtete er sie ganz genau, bis er schließlich sagte: »Du hast sie auch erhalten, stimmts?«

»Holden, bitte! Ich fühle mich, als wäre eine Horde Elefanten über mich hinweggetrampelt. Lass mich bitte erst wieder zum Leben erwachen, bevor du mir Löcher in den Bauch fragst«, erwiderte Hannah und stand auf. Sie schlüpfte in ihre Strickjacke und schlich zur Tür.

»Aber, du darfst sie nicht ignorieren«, rief Holden seiner Schwester hinterher.

Sie seufzte, schüttelte den Kopf und verdrehte die Augen, was Holden nicht sehen konnte. Trotzdem sagte er: »Du brauchst gar nicht mit den Augen zu rollen. Das ist wichtig!«

Manchmal machte er ihr Angst. Woher konnte er das wissen? Oder kannte Holden sie einfach so gut, dass er jede ihrer Gesten vorhersagen konnte? Hannah hoffte, dass es genau das war, aber sie wusste auch, dass ihr Bruder mit den Toten reden konnte. Letzteres hatte ihr eine Zeit lang Sorgen bereitet, doch er war mit dieser Gabe vom ersten Tag an umgegangen, als wäre es nie anders gewesen.

Sie war gerade in den Flur hinausgetreten, da erschütterte ein Beben das Haus. Bilder fielen von der Wand und Hannah verlor den Halt. Sie stürzte zur Seite und prallte an die Wand. Im selben Moment schrie Holden wie am Spieß. Hannahs Denken schaltete sich komplett aus. Ihre Beine übernahmen und trugen sie in ihr Zimmer zurück. Da stoppte die Erschütterung abrupt. Einige Gegenstände kippten vom Regal über dem Bett.

»Holden? Wo bist du?« Hannahs Blick rasterte das Zimmer, aber von ihrem Bruder fehlte jede Spur. »Holden, wo hast du dich versteckt? Es ist vorbei, komm raus«, rief sie, doch er antwortete nicht.

Ein Wimmern ertönte. Hannah hatte Mühe, einzuordnen, woher es kam. »Holden, alles ist gut, komm bitte raus.«

»Ich bin hier«, wisperte er.

Sie sah sich um, warf einen Blick unter das Bett und konnte nur feststellen, dass außer einiger Staubmäuse und Schuhkartons nichts und niemand da unten versteckt war. »Wo, hier?«

»Hier oben«, krächzte er.

Für einen Moment war sie sich nicht sicher, was er meinte, doch dann sah sie hinauf und just in der Sekunde, als sie ihn an der Decke klebend erblickte, löste sich sein Körper und landete auf Hannahs Matratze.

Weinend richtete er sich auf und sah seine Schwester anklagend an. »Warum glaubst du mir nicht? Er ist hier!«

Shahur! Dieser Dämon konnte sich nicht befreit haben, denn Emely hatte Vorsorge getroffen. Hätte Holden letztes Jahr diese Behauptung aufgestellt, wäre die Möglichkeit größer gewesen, dass das pure Böse aus seinem Gefängnis entkommen war. Doch jetzt? Nein, hier musste es sich um etwas anderes handeln.

»Wir müssen mit Emely reden. Ich weiß, dass du Angst hast, Großer. Glaube mir, ich habe auch welche. Aber wir dürfen nicht in Panik verfallen. Verstehst du?«

Eine Weile sah er sie mit nassen Augen an. Tränen lösten sich und fanden ihre Wege über Holdens von Blässe erfassten Wangen. Sie reichte ihm ihre Hand. Er ergriff sie zögerlich, dann aber fest. »Wir müssen nach Mom sehen«, sagte er mit tränenbelegter Stimme.

Hannah überkam eine Ahnung, die sie dazu antrieb, sich zu beeilen. So schnell sie konnte, zog sie sich an. Gemeinsam schlichen sie aus dem Zimmer auf den Gang hinaus. Hannah zog es ins elterliche Schlafzimmer, Holden stoppte abrupt. Und dann ereilte Hannah ein rhythmisches Schlagen, das aus dem Erdgeschoss kam. Erschrocken hielt sie inne und blickte zu ihrem Bruder. Warnend hob Hannah den Zeigefinger auf die Lippen. Sie war sich sicher, dass es sich um einen Einbrecher handelte, der das vom Beben verursachte Chaos zur eigenen Bereicherung nutzte. Vorsichtig neigte sie sich an sein Ohr und flüsterte: »Geh Dad wecken. Ich gehe nachsehen, wer das ist.«

Holden schüttelte vehement den Kopf. »Dad kann uns nicht helfen«, wimmerte er.

Aber Hannah hatte keine Zeit für Diskussionen und außerdem wollte sie Holden nicht der Gefahr aussetzen, die allem Anschein nach dort unten lauerte.

»Geh zu Dad«, zischte sie ihn an, drehte sich weg und schlich die Stufen hinunter. So leise sie konnte, bewegte sie sich dem Geräusch entgegen, das wie Hammerschläge dröhnte. Wieder und wieder schlug etwas, wie eine Tür oder Ähnliches. Für den Bruchteil einer Sekunde huschte das Bild der schwarzäugigen Kinder durch ihren Kopf. Sie schluckte. Gänsehaut kroch über ihren Rücken. Mit zitternden Beinen näherte sie sich im seichten Licht des Morgengrauens der Küche. Hannah hielt den Atem an und presste die Lippen aufeinander. Schließlich betrat sie den Raum und sah eine Gestalt am Ofen stehen. Der Umriss eines Menschen zog die Ofentür auf und schlug sie wieder zu. Immer und immer wieder – bis – bis sie schließlich innehielt und zu Hannah herübersah. Ihre leuchtenden Augen wirkten wie zwei glühende Kohlestücke. Als hätten Hannahs Füße Wurzeln geschlagen, war es ihr unmöglich, zu fliehen. Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn.

Und plötzlich schaltete jemand das Licht ein und Hannah erkannte die Person. Es war ihre Mom, die in demselben Augenblick, in dem das Licht den Raum erhellte, in sich zusammenbrach und bewusstlos auf den Küchenfliesen landete.

»Was ist hier los?«, fragte Daniel. Er hastete zu seiner Frau und hob ihren Körper auf den Arm. Rasch trug er sie an Hannah vorbei, die noch immer wie zur Salzsäule erstarrt dastand, nicht fähig, sich zu bewegen, nicht einmal fähig, zu denken. Alles um sie herum schien sich in eine zähe Masse zu verwandeln, sie befand sich mitten in einer Blase, durch die nichts durchzudringen vermochte. Dafür schrie ihre Seele und eine Stimme hallte in ihrem Kopf wider: »Shahur ist zurück!«

Kapitel 2

»Hannah«, rief eine vertraute Stimme.

Der zarte Duft von Weihrauch umgab sie.

»Hannah, du musst jetzt aufwachen!«

Doch sie war umhüllt von einem Nebel, der sich nur langsam lichtete. Eine Kontur zeichnete sich ab. Sie wurde schärfer. Da erkannte sie Emely. Sie war so nah, dass Hannah ihren warmen Atem in Gesicht spürte.

»Emely?«

»Na endlich. Hannah, trink das«, erwiderte sie und führte einen Becher an Hannahs Lippen. Der bittere Geschmack von Salbei mit einem anderen, undefinierbaren Zusatz benetzte Hannahs Lippen. Sie nahm einen großen Schluck und sofort lichtete sich der Nebel ihres Geistes.

Emely lächelte, doch dahinter erkannte Hannah tiefste Besorgnis, ja gar panische Züge.

»Was ist denn passiert?«, fragte sie. Im selben Augenblick, in dem diese Worte über ihre Lippen gegangen waren, erinnerte sie sich an die surreale Situation in der Küche. »Mom! Wo ist Mom?«

Sie sprang auf und kippte mit einem Karussell im Kopf gleich wieder nach hinten auf den Küchenstuhl.

»Ganz ruhig. Kathrin ist wieder bei Bewusstsein. Komm und überzeuge dich selbst«, sagte Emely und reichte ihr die Hand.

Hannah dachte daran zurück, was sie gesehen hatte. »Sei ehrlich zu mir. Wie schlimm ist es?«

Emely betrachtete sie mit einem verdutzten Gesichtsausdruck. »Ich bin kein Arzt. Ich weiß nicht, warum sie ohnmächtig geworden ist. Aber deiner Mom geht es wieder besser. Sie ist im Wohnzimmer.«

Hatte Hannah ihr Kopf etwa einen Streich gespielt? Mit eigenen Augen hatte sie doch gesehen, dass ihre Mom vor ihrem Zusammenbruch nicht ganz sie selbst gewesen war. Sie musste nachsehen, also griff sie nach Emelys Hand und ließ sich langsam aufhelfen.

Im Wohnzimmer entdeckte sie ihre Mutter schließlich. Sie saß gekrümmt auf der Couch und sah aus, als hätte sie giftige Beeren gegessen. Als sie Hannah erblickte, setzte ein Würgen ein, das schneller seinen Höhepunkt fand, als irgendjemand reagieren konnte. So kippte Kathrin nach vorne auf ihre Knie und erbrach mitten auf den neuen Teppich. Hannah hatte noch nie so viel Erbrochenes gesehen. Eine Pfütze von der Größe eines Bärenfells lag nun auf dem Seidenteppich. Es stank nach verwestem Fleisch und etwas blubberte in Kathrins Erbrochenem. Hannah kroch Ekel die Kehle hinauf, gemischt mit kalten Schauern, die sich ihren Rücken hinunter arbeiteten. Just in diesem Moment hatte auch Emely die Erkenntnis getroffen, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zuging. Sie zündete ein Räucherbündel an und murmelte ein Gebet in einer anderen Sprache, während sie auf Kathrins Pfütze zuging. Doch die Blasen in der Masse blubberten immer heftiger und aus der Mitte der Pfütze wuchs etwas, das einem Kopf ungeheuer ähnlich sah. Der Kopf streckte sich hinauf und erhielt alsbald Schultern. Die olivgrüne Masse verwandelte sich unter ihrer aller Augen in eine Figur, ein offenkundig lebendes Wesen, das all die ekelhafte Kotze benötigte, um sich zu formen.

Emely hatte mitten in ihrem Schritt angehalten. Sie sah aus, als wäre sie in ihrer Bewegung erstarrt. Einzig der Qualm des Räucherbündels stieg in zarten Schwaden hinauf. Das Wesen jedoch kümmerte sich allem Anschein nach gar nicht um Emelys Räucherung. Es hatte kein Gesicht und auch keine Finger oder Zehen. Seine äußeren Gliedmaßen ähnelten Matschklumpen, als wären sie in ihrer Vollendung gestört worden. War es das? Hatte Emely mit ihrer Beschwörung und dem Verbrennen des Krauts diesen Prozess unterbrochen? Das Ding erinnerte an einen Golem, an dem die rohe Masse hinunterglitt. Es schwenkte seinen Kopf hin und her, rasterte offenbar die Umgebung und fiel nach vorne auf alle viere. Schließlich sprang es an Emely vorbei, machte einen Satz über Hannah hinweg und rammte die Fensterscheibe, die sofort in unzählige Scherben zerbarst.

Hannah blieb mit zahlreichen Fragen zurück, die alle gleichzeitig über ihre Lippen wollten, was ein Kuddelmuddel der Worte verursachte, die ihre Kehle verließen.

»Wasser«, krächzte Kathrin unterdessen und zog sich auf die Sitzfläche der Couch. »Mein Hals brennt wie Feuer.«

Erst jetzt bewegte sich auch Emely wieder. Sie drehte sich Hannah zu und versah sie mit einem Blick, in dem sie nur eines zu lesen vermochte: Wir sind verloren!

»Wir müssen sofort ins Büro. Ich fürchte, dieses Erdbeben könnte zu Beschädigungen im Tresorraum geführt haben.«

Dem konnte Hannah nur zustimmen. Sie war gerade dabei, in ihre Jacke zu schlüpfen, da erinnerte sie sich, ihren Bruder im oberen Stockwerk zurückgelassen zu haben. Tausend furchtbare Gedanken schossen ihr durch den Kopf. »Wo ist Holden?«

»Als ich kam, ist er zu Joe rüber gerannt. Ich bin mir sicher, dass die beiden drüben auf uns warten«, antwortete Emely.

Auf dem Weg zum Nachbargrundstück überschlugen sich Hannahs Gedanken. »Ist er es – der Dämon?«

»Das kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Allerdings ist es offenbar ein dämonisches Wesen, das sich aus dem Erbrochenen deiner Mutter manifestiert hat. Ich weiß nur noch nicht, wo genau es herkam.«

»Was können wir tun?«

Emely schüttelte den Kopf. »Noch kann ich das nicht sagen. Es gilt herauszufinden, womit das Wesen in Verbindung steht. Ist es ein Gegenstand oder eine Beschwörung?«

Sie betraten das Haus, aber eine unheilvolle Stille schlug ihnen entgegen. Die Schubladen der Flurkommode waren herausgeglitten und das Glas der großen Standuhr gesprungen. Unter Hannahs Schuhen knirschten die Scherben.

»Hast du nicht gesagt, dass Holden hierher gerannt wäre?«

In ihrem Gesicht erkannte Hannah für einen winzigen Augenblick Besorgnis. Doch Emely gelang es, diese sofort wieder zu verbergen. So war es nur ein kurzes Hervorblitzen, das sich Hannah ebenso gut hätte einbilden können. Sie selbst war so sehr besorgt um ihren Bruder und nun auch um Joe, dass sie es gut für möglich hielt, ihre eigenen Gefühle auf Emely zu projizieren. Jedoch waren die Jungs beide nicht hier, was Emelys Masken zu Fall brachte.

»Joe – Holden?«, rief sie mit zitternder Stimme in die erdrückende Stille hinein.

Hannah zog ihr Handy aus der Hosentasche. »Verdammt«, fluchte sie leise. »Mein Akku ist leer. Kann ich deins schnell mal haben?«

»Kind, du weißt, dass ich dieses Ding nicht mit mir herumtrage. Es liegt in einem Schubfach und jetzt frage mich nicht, in welchem. Komm, wir sehen oben nach.«

Doch genau wie im Erdgeschoss herrschte auch hier Totenstille. Alles, was nicht niet- und nagelfest war, lag auf dem Boden verstreut. Das Beben hatte hier offenbar noch schlimmer gewütet, als in Hannahs Haus. Niemand rührte sich, niemand atmete oder antwortete gar.

Hannah drehte auf dem Absatz um und eilte hinunter.

»Warte, wohin willst du?«

»Zum Telefon. Ich muss Holden finden. Dieses Ding – und dann Mom, und jetzt ist Holden verschwunden. Wenn es der Dämon von damals ist, befindet sich Holden in Lebensgefahr.«

»Dann schweben wir alle in Lebensgefahr«, ergänzte Emely und folgte Hannah in die Küche. »Versuche es auch im Büro, ja? Vielleicht hatten sie dieselbe Idee wie ich.«

Voller Erwartung hob Hannah den Hörer ab. Doch ihre Hoffnung wurde von einer Sekunde auf die andere niedergeschmettert. »Die Leitung ist tot.«

»Was? Das ist unmöglich!«

Hannah hängte den Hörer wieder ein und drehte sich zu Emely. Hinter ihr erfasste Hannahs Blick eine seltsame Bewegung. Gebannt starrte sie auf einen Stuhl, der in Kopfhöhe schwebte und sich vollkommen selbstständig um seine eigene Achse drehte. Ehe sie Emely warnen konnte, explodierte die Glühbirne der Küchenlampe.

»Lauf«, schrie ihre Mentorin und packte Hannahs Handgelenk.

Im Bruchteil eines Augenblicks stürmten sie zur Haustür. Sie flohen aus dem Gebäude, als wäre der Teufel hinter ihnen her. Das war er vielleicht auch – was sonst hätte solch eine Macht?

Vollkommen außer Atem und mit einem Gefühl der Zerrissenheit hielten sie erst an der Straße an. Hannah warf einen Blick zurück zum Haus, da begann das Beben von Neuem. Diesmal stärker – so heftig, dass das ganze Haus wackelte und der Weg durch den Vorgarten wie Papier riss. Sie spürte Emelys Umklammerung am Arm. Und als es aussah, als würde das Beben stoppen, begann Joes Zuhause zu kippen. Es neigte sich zur Seite und brach schließlich wie ein Kartenhaus zusammen. Eine gewaltige Staubwolke entsprang dem tosenden Geräusch, das von Emelys herzzerreißenden Schrei durchbrochen wurde. Emely stürzte angesichts der Ruine ihres Lebens auf die Knie und weinte bitterlich. Die Verzweiflung eines gesamten Lebens schien sich in diesem Moment zu entfesseln. Wie eine Explosion erfasste sie Emely und verschluckte offensichtlich den letzten Funken Hoffnung.

Hannah zerrte an Emelys Oberkörper. »Wir müssen hier weg!«

Wie Hannah sie von den Trümmern wegbekommen hatte, wusste sie nicht mehr. Wie in Trance ging sie neben Hannah her und sagte kein Wort. Nicht einmal eine Regung entsprang ihrem Gesicht. Es war, als hätte die Entladung all ihre Emotionen mit sich genommen – gar ein Stück ihrer Seele.

Als sie schließlich vor der alten Wache standen, die nun das Büro für ihre paranormalen Ermittlungen war, drehte sich Emely ihr zu und sagte mit weit aufgerissenen Augen: »Das ist das pure Böse!«

Kapitel 3

Der nächste Schock wartete bereits an der Tür zum Büro. Diese war aus den Angeln gebrochen und jeder hatte Zugang, der daran vorbeiging. Die Treppe wirkte zwar augenscheinlich intakt, doch das Geländer im unteren Bereich fehlte.

»Wie ist das denn passiert?«, raunte Hannah, als sie die ersten Stufen erklomm.