Atlan 33: Die grausame Welt - H.G. Francis - E-Book

Atlan 33: Die grausame Welt E-Book

H. G. Francis

0,0

Beschreibung

Sie überleben das Ende ihres Schiffes - und brechen auf zum Todesmarsch Auf Terra, den Welten des Solaren Imperiums und den Stützpunkten der USO schreibt man Mitte Juli des Jahres 2408 Standardzeit. Für Lordadmiral Atlan und seine USO-Spezialisten hat längst eine neue Phase in der Auseinandersetzung mit der Condos Vasac, den kosmischen Gegenspielern der Menschheit, begonnen, denn die CV hat erstmals eine neue, gefährliche Waffe eingesetzt - die Hyperfalle. Diese Waffe, wäre sie schon ausgereift, würde den Gegnern der Menschheit die Herrschaft im All sichern. Atlan weiß das, und er weiß auch, dass es höchste Zeit ist, die Weiterentwicklung einer solchen Waffe zu unterbinden. Alles muss unternommen werden, um das Geheimnis der Hyperfalle zu enträtseln und die geheimnisvollen Machthaber der Condos Vasac zu stellen. Atlans Vorhaben, den Gegner mit einem Köder aus der Reserve zu locken, ist bereits verwirklicht. Die Condos Vasac hat angebissen, und USO-Spezialist Sinclair M. Kennon, dessen neue Maske ihn als seltsamen Professor mit einer noch seltsameren Erfindung ausweist, wurde programmgemäß entführt. Jetzt befindet sich Kennon als Gefangener auf einem Kampfschiff der Akonen. Dieses Schiff, unbemerkt verfolgt von der siganesischen Miniaturausgabe eines Raumschiffes, nimmt Kurs auf DIE GRAUSAME WELT ...

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Nr. 33

Die grausame Welt

Sie überleben das Ende ihres Schiffes – und brechen auf zum Todesmarsch

von H. G. Francis

Auf Terra, den Welten des Solaren Imperiums und den Stützpunkten der USO schreibt man Mitte Juli des Jahres 2408 Standardzeit.

Für Lordadmiral Atlan und seine USO-Spezialisten hat längst eine neue Phase in der Auseinandersetzung mit der Condos Vasac, den kosmischen Gegenspielern der Menschheit, begonnen, denn die CV hat erstmals eine neue, gefährliche Waffe eingesetzt – die Hyperfalle. Diese Waffe, wäre sie schon ausgereift, würde den Gegnern der Menschheit die Herrschaft im All sichern.

Atlan weiß das, und er weiß auch, dass es höchste Zeit ist, die Weiterentwicklung einer solchen Waffe zu unterbinden. Alles muss unternommen werden, um das Geheimnis der Hyperfalle zu enträtseln und die geheimnisvollen Machthaber der Condos Vasac zu stellen.

Atlans Vorhaben, den Gegner mit einem Köder aus der Reserve zu locken, ist bereits verwirklicht. Die Condos Vasac hat angebissen, und USO-Spezialist Sinclair M. Kennon, dessen neue Maske ihn als seltsamen Professor mit einer noch seltsameren Erfindung ausweist, wurde programmgemäß entführt.

Jetzt befindet sich Kennon als Gefangener auf einem Kampfschiff der Akonen.

Die Hauptpersonen des Romans

Professor Lorb Weytchen – Sinclair M. Kennon in neuer Maske.

Kamla Romo – Ein kleiner Mann in einem ungewöhnlichen Versteck.

Oberst Trant Amoys – Kommandant eines Kampfschiffes der Siganesen.

Gelo Raztar, Anga Tanga, Vant Russo und Rik Botarr – Besatzungsmitglieder der BISPALO.

Aksamee – Burgherr auf der »grausamen Welt«.

Yeknor – Ein Mann, der den Sturz der »Götter« beobachtet.

»Tram Amoys hatte den klaren Befehl, die Nachrichtenkapsel zu bergen und der Spezialabteilung der USO zu übergeben. Sie lag in der zerstörten Sonde. Amoys drang in das Gebiet ein, obwohl er über keinen Schutzanzug verfügte. Er musste sich darüber klar sein, dass die radioaktive Strahlung zu hoch war. Er konnte sie nicht länger als maximal fünf Minuten ertragen, ohne die Letalgrenze zu überschreiten. Die Kapsel befand sich nicht am vorgeschriebenen Platz. Amoys benötigte 28 Minuten für seine Aufgabe. Er verdankt es nur einem Zufall, dass er überlebte. Während seiner Suche löste er einen Kurzschluss aus. Die elektrische Entladung erschütterte die Sonde. Die Trümmer verschoben sich und schirmten Amoys vor der Strahlung ab. Er beendete seinen Auftrag in der Überzeugung, zu stark verseucht worden zu sein, um noch eine Überlebenschance zu haben. Um so überraschter war er, als er erfuhr, dass er Glück gehabt hatte. Jetzt erst begann er, darüber nachzudenken, dass er sein Leben eingesetzt hatte, um die ihm gestellte Aufgabe zu erfüllen.

Mir ist dieser Mann unheimlich. Er ist in der Lage, alles zu vergessen, was ihm sonst heilig ist, wenn es darum geht, einen wichtigen Auftrag zu erledigen. Ich bin der Meinung, dass es gefährlich ist, ihm eine hohe Verantwortung zu übertragen.«

Magnetbandnotiz von Captain Vant Russo vom 18.6.2399

1.

Der Erkyloter legte die Hand über die Augen und blickte über die Lagune. Bis zur anderen Seite war es nicht weit. Er konnte es schaffen, wenn der Wind weiterhin so kräftig blies. Links von ihm schoben sich die Felsen bis unmittelbar ans Wasser. Sie bildeten eine unüberwindliche Barriere. Rechts erstreckte sich das Meer bis zum Horizont. Yeknor gegenüber wellten sich einige Hügel, auf denen nur vereinzelt Bäume wuchsen. Drei leuchtend rote Vögel kreisten über dem Land und suchten nach Beute. Erstes Grün spross auf den Hügeln. Kelchartige Blüten bildeten erste Farbflecke auf dem sonst braunen Land. Im Dunst der Ferne konnte der Erkyloter die Berge erkennen. Sie schimmerten violett im Licht der Sonne, die fast senkrecht über ihm stand.

Yeknor kniff die Augen zusammen und versuchte, weitere Einzelheiten auf der anderen Seite der Lagune zu erkennen, doch die Entfernung war noch zu groß. Er nahm die Wurflanze auf, die er ins Gras gelegt hatte, und schob sie zu dem Floß hinüber, das er am Ufer verankert hatte. Er lächelte zufrieden, als er einige Lederbeutel auf dem Gefährt verstaute. Vorsichtig öffnete er einen von ihnen und schüttete sich etwas gelben Staub auf die Haut. Dann strich er sich damit über die Wangen, die braungebrannten Arme und unter die Achseln. Er prüfte sorgfältig, ob die armlose Lederweste seinen Oberkörper fest genug umschloss. Dann stülpte er sich den Bronzehelm über den Kopf und stieß sich vom Ufer ab. Dabei stemmte er das stumpfe Ende der Lanze gegen den Grund der Lagune. Schnell gewann das Floß Fahrt. Es glitt auf die Wellen hinaus. Das Wasser wurde tiefer, und der Erkyloter konnte sich nicht mehr abstoßen. Jetzt aber spürte er den Druck des Windes. Er blieb aufrecht stehen, um möglichst viel Widerstand zu bieten. Dabei beobachtete er die Wasseroberfläche. Er konnte auch den Grund der Lagune sehen. Rote Korallenbänke bildeten bizarre Formen. Gelbe und grüne Fische umkreisten die zusammengebundenen Baumstämme.

Yeknor ließ sich auf die Knie sinken. Seine Hände krallten sich um die Lianen, die er um die Stämme geschlungen hatte. Immer erregter blickte er um sich. Die Fische schienen einen gefährlichen Feind anzukündigen.

Da hörte er ein lautes Schwirren über sich. Er hob den Kopf. Unmittelbar über ihm schwebte ein Rieseninsekt in der Luft. Die vier Flügel bewegten sich mit so großer Geschwindigkeit, dass Yeknor die Umrisse nicht mehr erkennen konnte. Dafür waren die Einzelheiten des gepanzerten Körpers um so besser zu sehen. Das Insekt drückte die sechs überlangen Beine fest an den Leib. Die Facettenaugen starrten auf den Mann herab, und aus dem geöffneten, dreieckigen Rachen schob sich ein langer Saugstachel hervor.

Yeknor griff erneut zu einem der Beutel, ließ ihn dann jedoch wieder fallen.

»Du wirst mich in Ruhe lassen«, sagte er. »Du wirst dich von dem Blütenstaub ebenso täuschen lassen, wie alle anderen Voolgats bisher.«

Er nahm eine Axt auf, um nach dem Insekt zu schlagen. Er verfehlte es jedoch, da er sich nicht genügend weit aufgerichtet hatte. Das Floß schwankte gefährlich. Er hielt sich fest und senkte für einen kurzen Moment den Blick auf das Wasser. Da entdeckte er das Ungeheuer, das sich mit weit vorgestreckten Tentakeln über die Korallen schob. Sein einfaches Wasserfahrzeug trieb viel zu langsam. Unwillkürlich suchte er nach einem Werkzeug, mit dem er paddeln konnte, um schneller voranzukommen. Da stürzte sich das Insekt auf ihn herab. Er spürte die scharfen Krallen am Oberarm und schlug nach dem Blutsauger. Er traf ihn – aber es war dennoch zu spät für ihn. Der Stachel bohrte sich ihm durch die Haut. Ein unerträglicher Schmerz raste durch seinen Körper. Yeknor schrie gellend auf. Kraftlos strich seine Hand über das Insekt hinweg, ohne es abstreifen zu können.

Der Duft des Blütenstaubes hatte seine Wirkung verloren. Der Voolgat hatte sich nicht täuschen lassen. Yeknor brach zusammen und fiel auf das Gesicht. Der Schmerz versiegte, obwohl sich der Stachel jetzt noch viel tiefer in seinen Arm grub. Der Unterkörper des Insektenleibes begann zu pumpen, und die Blutbeutel füllten sich. Yeknor vergaß das quallenförmige Ungeheuer, das unter dem Floß hindurchkroch. Seine Augen starrten blicklos auf das Ufer der Lagune. Nur noch wenige Meter trennten ihn vom ersten Baum.

*

Hyperdim-Ingenieur Gelo Raztars Gesicht verfärbte sich dunkelgrün, als Captain Vant Russo seine geringschätzige Beurteilung des Halbraumspürers mit der Bemerkung abschloss: »Zertrampeln und als Müll ausschleusen sollte man dieses Ding. Dass immerhin fast zwanzig Männer und Frauen um diesen Kasten herumtanzen wie die Medizinmänner beim Regentanz um den Dorfplatz, kommt mir doch reichlich albern vor.«

»Kosmonaut Russo«, sagte Raztar mit frostiger Stimme. Er richtete sich zu seiner vollen Größe von 10,01 cm auf, musste aber dennoch zu Russo hochblicken. »Niemand hat Sie nach Ihrer Meinung gefragt. Wir alle halten es für erheblich besser, wenn Sie Ihre Freizeit in Ihrer Koje oder im Trainingszentrum der BISPALO verbringen, nicht aber hier.«

»Ganz recht«, stimmte Kommandant Trant Amoys zu. »Hier stören Sie nur, Russo.«

Oberst Amoys durchquerte die Kommandozentrale mit ruhigen Schritten. Obwohl er wenigstens fünfzig Zentimeter von den beiden Männern entfernt gewesen war, hatte er jedes Wort verstanden. Seine schwarzen Augen ließen erkennen, dass er einen scharfen Befehl würde folgen lassen, wenn der Kosmonaut nicht unverzüglich ging.

»Meine humorvollen Bemerkungen waren lediglich dazu gedacht, die gespannte Atmosphäre ein wenig aufzulockern«, lächelte Captain Vant Russo, »leider scheint hier niemand das notwendige Feingefühl für meinen Witz zu haben.«

»Ganz recht«, antwortete Ingenieur Raztar. »Ihre grobschlächtigen Worte passen besser in eine ertrusische Umgebung, nicht jedoch in eine siganesische Kommandozentrale, in der hart gearbeitet wird.«

Vant Russo grüßte mit militärischer Armbewegung, wobei er ironisch übertrieb, um zu zeigen, dass er durchaus nicht beeindruckt war. Er verließ die Zentrale des Schweren Schlachtkreuzers BISPALO.

Oberst Trant Amoys schüttelte nachdenklich den Kopf. Ihm missfiel das Verhalten des Kosmonauten. Er erwartete, dass auch unter den besonderen Umständen dieses Fluges die Nerven nicht versagten.

Seit drei Tagen jagte die BISPALO in immer kürzer werdenden Linearetappen hinter dem akonischen Superschlachtschiff HISTOMON her. Der verfolgte Raumer näherte sich dem Zentrum der Galaxis. Die Schwierigkeiten, der HISTOMON zu folgen, wurden immer größer.

Amoys blickte auf den Zielbildschirm des Halbraumspürers. Das Gerät hatte eine Kastenform und war mit unübersehbar vielen Schaltern ausgestattet. Der Bildschirm flackerte ständig. Verschiedenartige Störungsstreifen unterbrachen das Zeilenbild immer wieder.

Ein violetter Punkt leuchtete in der Bildmitte. Er vergrößerte sich ab und zu, schrumpfte anschließend schnell wieder zusammen, und schien dann wieder in unzählige Fragmente zu zerplatzen. Hin und wieder verschwand er völlig vom Bild.

»Es ist zum Verzweifeln«, sagte Hyperdim-Ingenieur Gelo Raztar. »Es funktioniert einfach noch nicht richtig. Wir haben viel zu viele Störungen.«

Oberst Trant Amoys lächelte. Er lehnte sich an den Rahmen des Ausgangsschotts und verschränkte die muskulösen Arme vor der Brust. Das dunkle Haar fiel ihm leicht in die Stirn, konnte einige Narben jedoch nicht ganz verdecken.

»Ich sehe das ganz anders«, entgegnete er. »Ich finde, es ist ein Glück, dass wir den Auftrag bekommen haben, diesen Hyperraumspürer zu erproben. Ohne ihn wäre es uns kaum möglich, der HISTOMON zu folgen.«

»Eben«, stimmte Raztar zu. »Es wäre mir nur lieber gewesen, wenn dieser Auftrag nicht so heikel gewesen wäre. Alles hängt davon ab. Wenn wir uns abhängen lassen, dann hat Lorb Weytchen nur wenig Aussichten, mit heiler Haut davonzukommen.«

Einer der Ingenieure am Hyperraumspürer stieß einen Fluch aus. Das Bild wurde erneut durch Störungen überzogen. Als es sich schließlich wieder klärte, war der violette Punkt verschwunden. Gelo Raztar krauste besorgt die Stirn. Die beiden Männer näherten sich den Spezialisten, die an dem neuentwickelten Gerät arbeiteten. Die vier Siganesen schwitzten vor Aufregung. Obwohl schon fast drei Minuten verstrichen waren, erschien der Punkt noch immer nicht wieder im Bild.

»Das sieht schlimm aus«, murmelte Raztar. Er blickte den Kommandanten an. »Wenn wir den Augenblick verpasst haben, in dem sie den Linearraum verlassen haben, finden wir sie nie wieder.«

Oberst Trant Amoys trat ebenfalls dichter an den Hyperraumspürer heran.

»Wie funktioniert dieses Teufelsding, Gelo?«, fragte er.

»Im Augenblick miserabel.«

»Ich meinte die Frage etwas anders«, lächelte der Oberst.

Raztar grinste. Er zupfte sich am rechten Ohr und blickte auf sein Chronometer. Der dritte Tag ihrer Verfolgungsjagd neigte sich bereits seinem Ende zu.

»Der Hyperraumspürer ist ein reichlich kompliziertes Gerät«, erklärte er. »Wir können nicht erwarten, dass unsere Ingenieure ein so schwieriges Problem, wie die Verfolgung eines anderen Raumschiffes durch den Linearraum, in so kurzer Zeit lösen können. Ich nehme an, dass wir mit einem perfekt funktionierenden Gerät frühestens in dreißig Jahren rechnen können – wenn es uns überhaupt gelingt, es bis zur absoluten Einsatzreife zu entwickeln.«

Raztar lächelte verlegen, als er merkte, dass er die Frage des Kommandanten immer noch nicht beantwortet hatte.

»Der Hyperraumspürer reagiert unter Ausnutzung der Energiekonstante, die von einem normalen Raumschiffstriebwerk innerhalb der Linearzone erzeugt wird, auf die veränderten Schwingungsimpulse. Sie entstehen durch das kalupähnliche Kraftfeld, das jedes Raumschiff innerhalb des Linearraumes einhüllen muss. Bekanntlich schirmt es die Energieformen der vierten und fünften Dimension ab.«

»Na also«, nickte Trant Amoys. »Damit kann ich schon etwas anfangen. Rhodan und Atlan werden noch ein wenig warten müssen, bis wir ihnen einen Halbraumspürer übergeben können, den sie dann auch wirklich einsetzen können. Dreißig Jahre meinst du? Eine lange Zeit.«

Gelo Raztar lachte.

»Eine lange Zeit? Das meinte der Spezialist Monty Stuep ebenfalls. Man wird langsam verwöhnt, scheint mir. Nicht alle Probleme lassen sich von heute auf morgen lösen. Da – wir haben sie wieder.«

Einer der siganesischen Ingenieure hatte einen Schrei ausgestoßen. Der Punkt war wieder auf dem Bildschirm erschienen. Auch der Kommandant atmete auf. Ein Lächeln entspannte sein Gesicht. Gelo Raztar blickte zu ihm auf. Amoys war nicht gerade schön zu nennen. Sein Gesicht war breit und wirkte massig. Die Nase war stumpf, und die Lippen waren aufgeworfen, wie es für die Männer aus den südlichen Regionen Sigas typisch ist. Die Narben auf seiner Stirn bewiesen, dass auch er den Kämpfen mit den Wasserkartaken nicht aus dem Wege gegangen war. Auf Siga hatte man nur wenig Verständnis dafür, dass die Jugendlichen aus den südlichen Küstenregionen sich immer wieder auf das Meer hinauswagten, um den Kampf mit diesen gefährlichen Bestien zu bestehen. Für einen Mann aus dem Süden aber schien es unvorstellbar zu sein, dieses Duell nicht gewagt zu haben. Gelo Raztar wäre sehr überrascht gewesen, wenn Amoys die Ätznarben auf seiner Stirn nicht unter dem nach vorn gekämmten Haar verborgen hätte. Er war nicht der Mann, der seine Härte und seinen Mut erst unter Beweis stellen musste. Wer mit ihm zusammenarbeitete, merkte sehr schnell, was in ihm steckte. Der größte Teil der achtundachtzigköpfigen Besatzung hatte sich freiwillig dem Kommando Amoys' unterstellt. Nur die Ingenieure, die an dem Hyperraumspürer arbeiteten, und einige andere Spezialisten, waren zu diesem Sonderauftrag abgestellt worden. Auch der Kosmonaut Vant Russo gehörte zu ihnen. Raztar hatte den Eindruck, dass die Zusammenarbeit mit diesem Mann noch besser hätte sein können. Er wischte sich ein paar Schweißtropfen von der Stirn.

»Wir haben noch einmal Glück gehabt«, sagte er.

Oberst Amoys nickte.

Der Erste Offizier der BISPALO näherte sich ihm und reichte ihm eine kleine Plastikscheibe. Amoys las sich die Nachricht durch.

»Wenn auch diese Linearetappe im gleichen Ausmaß verkürzt wird, dann kehrt die HISTOMON in den nächsten Minuten in den Normalraum zurück«, sagte er. »Ist alles vorbereitet?«

»Alles in Ordnung«, bestätigte der Offizier. »Das Schiff kann sofort folgen. Die Funkabteilung ist vollbesetzt. Sobald die Daten von der astronomischen Abteilung hereinkommen, werden wir versuchen, Funkverbindung aufzunehmen.«

»Das wird uns wohl kaum gelingen«, entgegnete der Kommandant. »Wir können nur hoffen, dass unsere Sendung irgendwo aufgefangen wird.«

Er nickte dem Offizier zu, verließ dann die Kommandozentrale und ging in die astronomische Abteilung hinüber, die sich unmittelbar anschloss. Die fünf Astronomen saßen vor den Beobachtungs- und Erfassungsgeräten, die jetzt noch keine verwertbaren Ergebnisse lieferten, aber schon im nächsten Moment Aufschluss über ihre Position geben konnten. Drei Astrophysiker und die beiden Kosmonauten Captain Vant Russo und Agil Arru standen hinter dem Sessel der Astronomin Anga Tanga. Das Mädchen beugte sich über Berechnungstabellen, während sie mit der linken Hand die Tastatur eines Computers bediente. Captain Russo hatte ihr eine Hand auf die Schulter gelegt und sprach lachend auf sie ein. Sie kümmerte sich nicht darum.

Oberst Amoys räusperte sich, doch der Kosmonaut schien nichts zu bemerken. Erst als der zweite Kosmonaut ihn antippte, richtete er sich auf und blickte über die Schulter zurück. Sein Lächeln erstarb. Er krauste die Stirn und drehte sich dann betont langsam um. Jetzt merkte auch Anga Tanga, dass etwas vorgefallen war. Sie beendete ihre Berechnungen und erhob sich. Mit einem spöttischen Blick auf den Kosmonauten sagte sie: »Sie kommen sicherlich, um Captain Russo darauf aufmerksam zu machen, dass es seine Pflicht ist, seine Kräfte während seiner Freizeit zu regenerieren.«

»Ich laufe nicht im Schiff herum, um meine Offiziere an ihre Vorschriften zu erinnern«, entgegnete Amoys ruhig. »Ich dachte immerhin, sie wüssten auch so, welche Verantwortung sie zu tragen haben.«

»Heute blitze ich überall ab«, lächelte Russo. »Dabei hoffte ich, Anga Tanga dafür zu gewinnen, mich in den Schlaf zu singen. Ich kann sonst schlecht einschlafen.«

»Angas Hobby ist meines Wissens die Weltraummalerei, nicht aber die Betreuung kindlicher Gemüter«, sagte Amoys abweisend. »Wenn Ihre Nerven den Anspannungen nicht gewachsen sein sollten, dann lassen Sie sich von Dr. Botarr einen Tranquilizer geben. Das wird Sie beruhigen. Und jetzt verschwinden Sie endlich.«

Anga Tanga ergrünte leicht, als der Kommandant sie anblickte. Sie strich sich eine Locke aus der Stirn und reichte ihm dann die Berechnungen. Ihre auffallend großen Augen leuchteten auf, als er lächelte und ihr anerkennend zunickte.

»Wenn ich hier noch einmal jemanden erwische, der hier nichts zu tun hat, dann werde ich Disziplinarstrafen verhängen, die alles übersteigen, was Sie in Ihrer bisherigen Dienstzeit kennen gelernt haben«, sagte Amoys. »Sie haben meine bisherige Großzügigkeit gründlich missverstanden, Captain Russo.«

Der Kosmonaut, der an der Ausgangstür stand, setzte zu einer Entgegnung an, schwieg dann jedoch. Er strich sich über seinen Lippenbart und verließ die Station ohne eine weitere Bemerkung.

»Ich habe das Gefühl, einige Herren haben immer noch nicht begriffen, dass sich dieser Einsatz grundlegend von allen früheren Einsätzen unterscheidet«, erklärte der Kommandant. »Man hat uns diesen Auftrag erteilt, weil man davon überzeugt ist, dass wir der Verantwortung gewachsen sind. Bei dieser Verfolgungsjagd geht es um so viel, dass jede Laxheit schon verhängnisvolle Folgen haben kann. Ich werde daher hart durchgreifen, wenn ich noch einmal Kenntnis davon erhalte, dass meine Befehle missachtet werden. Ich hoffe, ich habe mich nunmehr deutlich genug ausgedrückt.«

*

Hyperdim-Ingenieur Gelo Raztar drückte die Alarmtaste, als der violette Fleck vom Bildschirm verschwand, ohne dass eine Störung vorangegangen war. Der Kommandant reagierte sofort. Er gab den Befehl, das Linearmanöver zu beenden. Die BISPALO kehrte in den Normalraum zurück. Auf den Bildschirmen zeichnete sich ein sternenübersäter Sektor der Galaxis ab.