Atlan 43: Doppelgänger des Mächtigen (Blauband) - H. G. Francis - E-Book

Atlan 43: Doppelgänger des Mächtigen (Blauband) E-Book

H. G. Francis

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Beschreibung

8000 Jahre vor Beginn der irdischen Zeitrechnung: Nach wie vor kämpft Atlan von Gonozal um sein Erbe. Seit der Vater des Kristallprinzen ermordet wurde, regiert Imperator Orbanaschol III. über Tausende Sonnensysteme des Großen Imperiums. Der Kristallprinz und seine Freunde haben es jedoch nicht nur mit diesem Feind zu tun. Wasserstoffatmende Maahks greifen das Sternenreich der Arkoniden an - und es gibt eine geheimnisvolle Macht, die das Imperium mit Doppelgängern zu destabilisieren versucht. Ihr gelingt es sogar, den Imperator durch einen Duplo Orbanaschols zu ersetzen. Nur der Kosmokriminalist Lebo Axton erkennt die Gefahr und setzt alles daran, sie zu beseitigen. Unterdessen nimmt der Kristallprinz bei den Arenakämpfen der KAYMUURTES teil. Als amnestierter Sieger könnte er direkt zu Orbanaschol vordringen. Doch das Vorhaben droht zu einem Desaster zu werden, als Atlan den letzten Kampf verliert ... Enthaltene ATLAN-Heftromane Heft 269: "Der Agent und der Giftexperte" von H. G. Francis Heft 270: "Doppelgänger des Mächtigen" von H. G. Francis Heft 277: "Arena des Todes von Whark" von Hans Kneifel Heft 278: "Der letzte Kampf" von Hans Kneifel Heft 279: "Der Sieger und der Tote" von Hans Kneifel Heft 280: "Agentenschule Cerrgoor" von Kurt Mahr

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Nr. 43

Doppelgänger der Mächtigen

Prolog

Lebo Axton: Erlebnisse, Gedanken und Notizen, Geheimspeicher im Ovalkörper von Gentleman Kelly

Obwohl es für mich Jahrhunderte her ist, erinnere ich mich genau an die Zeit ab dem Jahr 2400, als der Menschheit der Sprung zur benachbarten Andromeda-Galaxis via Sonnentransmitter gelang. Dort trafen wir auf das aus den Lemurern hervorgegangene Volk der Tefroder, gewannen die Erkenntnisse über die Erste Menschheit und natürlich die Meister der Insel – kurz MdI. Letztere waren Menschen und – genau wie Perry Rhodan, Atlan und andere – durch Zellaktivatoren potenziell unsterblich. Für rund 20.000 Jahre hatten sie ein fürchterliches Schreckensregime über eine ganze Sterneninsel errichtet, bis sie im Kampf gegen das Solare Imperium und die mit diesem verbündeten Maahks, aktuell in meiner jetzigen Gegenwart die Erzfeinde der Arkoniden, besiegt und getötet wurden …

Eins der maßgeblichen Machtmittel, auf die die MdI ihre Herrschaft gründeten, war zweifellos das der Multiduplikatoren als jenes Instrument, das ihnen die Herrschaft in vielfältiger Hinsicht sicherte. Es handelte sich um Aggregate unterschiedlicher Größe und verschiedener Varianten, denen es möglich war, Ausrüstungsteile, ganze Raumschiffe und sogar Lebewesen fast beliebig zu vervielfältigen. Auf diese Weise stand den Meistern eine Streitmacht zur Verfügung, deren Verluste an Truppen und Material nicht nur jederzeit aufgefüllt, sondern innerhalb weniger Tage sogar verdoppelt und verdreifacht werden konnten. Hinzu kam, dass kopierte Lebewesen den Meistern bedingungslos unterstanden. Die heimliche Ersetzung der politischen, wissenschaftlichen und militärischen Führung eines Volkes durch solche Duplikate war für die Meister oft der erste und entscheidende Schritt und führte letztlich zu einer Langzeitunterwanderung. Selbst die rebellierenden Maahks hatten noch drei Duplos im Neunerrat, die erst durch Lordadmiral Atlans Mission enttarnt werden konnten.

Kapazität und Leistungsfähigkeit eines Multiduplikators waren von dessen Energieversorgung abhängig. Die Geräte arbeiteten nach einem ähnlichen Prinzip wie ein Materietransmitter, jedoch fand kein Materietransport statt. Aus transformierter Hyperenergie wurde vielmehr inmehreren Degenerationsstufen eine Basismasse materialisiert, welche mittels Primärtransmittereffekt gemäß den Daten der Atomschablone in der Materialisator-Endstufe stabilisiert wurde und ihre endgültige Stofflichkeit und Form gewann. Die MdI verfügten über eine Vielzahl verschiedener Duplikatortypen. Sie waren entweder auf sogenannten Duplikatorschiffen installiert oder in planetare Fabrikationsanlagen integriert – die größten befanden sich auf dem Planeten Multidon; gigantische Anlagen, um den Nachschub an Technik, Material und Personal zu gewährleisten.

Zu einem Multiduplikator gehörten mehrere Baueinheiten, die – ebenso wie die notwendige Energieversorgung und die Steueranlagen – als Gesamtgerät wie auch in getrennten Komponenten zum Einsatz kommen konnten. Basis war einerseits der Strukturaufzeichner – er diente der Registrierung der Gesamtstruktur eines zu duplizierenden Objekts oder Lebewesens, die anschließend auf einer Atomschablone gespeichert wurde. Aus einer Schablone konnten bis zu zehn Millionen Lebewesen dupliziert werden. Zum Zweiten gab es die eigentliche Multiduplikatoranlage mit dem Verstofflichungsbereich des Basismassen-Materialisators. Hier entstanden beziehungsweise materialisierten die Duplikate. Das konnten bei Einzelduplikationen auch innerhalb des Strukturaufzeichners geschehen, jedoch ebenso in separat ausgewiesenen Bereichen.

Duplizierte Lebewesen wurden kurz Duplo genannt. Äußerlich und im gesamten Körperaufbau stimmten sie grundsätzlich mit den Originalen überein. Selbst das ganze Wissen, jede Erinnerung und jeder Charakterzug des Vorbilds waren vorhanden. Gelöscht und durch andere ersetzt wurden Ansichten und Überzeugungen. Ebenso war es möglich, noch während des Duplizierungsprozesses vergleichbar einer Hypnoschulung zusätzliches Wissen zu vermitteln. Jedem Duplo konnte überdies unmittelbar nach der Herstellung ein sogenannter Reizwellenempfänger in den Schädel eingesetzt werden, ein münzgroßes Gerät, über das die Kunstwesen von den Meistern der Insel gezielt gesteuert und nötigenfalls getötet werden konnten. Als Auflösungsprogramm wurde jene Eigenschaft bezeichnet, die bewirkte, dass die Körper zunächst zerflossen und sich dann komplett auflösten. Eine andere Sonderfunktion dürfte jene gewesen sein, die in einigen Fällen bei der Benutzung von Transmittern zum Verschwinden der Duplos führte.

Persönlich teilgenommen habe ich an diesen Ereignissen nicht, weil ich im Jahr 2396 auf Lepso den Kampf gegen das galaktisch organisierte Verbrechen aufgenommen hatte und mein Körper am 3. August 2406 beider Flucht in einem diskusförmigen Raumschiff vom Typ Space-Jet weitgehend vernichtet wurde. Als USO-Spezialist hatte ich aber Zugang zu diversen Geheiminformationen – und ich hätte nie gedacht, später einmal leibhaftig mit diesen Dingen konfrontiert zu werden. Inzwischen hat sich aber mein Verdacht in Gewissheit verwandelt. Die Perfektion der Doppelgänger und die Beteiligung von Tefrodern lassen keinen Zweifel mehr, dass mindestens einer der Meister der Insel hinter den Aktionen steht. Nur durch einen Multiduplikator können die so überzeugend echten Doppelgänger entstanden sein. Andererseits bezweifele ich, dass es eine gemeinsame Aktion der MdI mit dem Ziel ist, die Macht über die Milchstraße in ihre Hand zu bekommen. Alles klingt eher nach einem »Einzelabenteuer«.

Ich erinnere mich überdies daran, dass bald von den ursprünglich dreizehn MdI sechs die Rebellion wagen werden, weil sie die wahre Identität des bislang anonym agierenden Anführers »Faktor I« in Gestalt von Mirona Thetin herausgefunden haben. Ob das jedoch mit den aktuellen Ereignissen zusammenhängt, bleibt mir verschlossen. Ich weiß nur, dass Faktor I um 8000 vor Christus einen Hyperfunkimpuls auslöste, der die Leben spendende Energie der Zellaktivatoren dieser Rebellen-Meister in tödliche Strahlung verwandelte. Anschließend beherrschten nur noch – zweifellos in neuer Reihenfolge – die sieben Überlebenden Andromeda und damit auch die Tefroder: Faktor I (Mirona Thetin), Faktor II (Trinar Molat), Faktor III (Proht Meyhet), Faktor IV (Miras-Etrin), Faktor V (Nevis-Latan), Faktor VI (Toser-Ban) und Faktor VII (Regnal-Orton).

Ich bedauere, dass ich mit niemandem darüber reden kann. Ich muss über die wahren Hintergründe schweigen, da in dieser Zeit absolut nichts von der Existenz der Meister der Insel verbreitet werden darf – denn ich stamme aus der Zukunft. Als Sinclair Marout Kennon liege ich seit dem 20. Februar 2844 auf dem Konturbett von Zharadins Traummaschine auf Meggion, die vom Ischtar-Memory programmiert und verändert wurde. Wissenschaftler schlossen mich an das separate Lebenserhaltungssystem an, das einspringen musste, sollte die Energieversorgung durch die Vollprothese versagen, in der ich als Gehirn mehrere Jahrhunderte lang existiert habe. Die Übermittlerglocke – mit einer modifizierten SERT-Haube kombiniert – senkte sich über meinen Kopf. Oft habe ich mir gewünscht, meinen alten Körper zurückzuerhalten. Nun habe ich ihn wieder: Seit dem 10. Prago des Ansoor 10.498 da Ark arkonidischer Zeitrechnung lebe ich nun hier, nenne mich Lebo Axton. In den Augen der Arkoniden bin ich ein Zayna.

Nach wie vor frage ich mich, welcher Natur der Körper tatsächlich ist, und ebenso, wie es der Traummaschine möglich sein kann, ihn zu erzeugen und aufrechtzuerhalten. Ist es nur ein Traum? Oder bin ich doch körperlich hier? Auf eine Weise in die Vergangenheit geschleudert und materialisiert, die über meinen Verstand geht? Lordadmiral Atlans Vermutung, er müsse eine naturgetreue Materieprojektion sein, hat einiges für sich. Fast täglich werde ich durch mein jetziges Leben mit der Frage konfrontiert, inwieweit meine Handlungen und Entscheidungen Konsequenzen haben oder nicht. Mein Wissen aus der Zukunft besagt eindeutig, dass dieses oder jenes passieren wird. Es ist aus Sicht des Sinclair Marout Kennon des 29. Jahrhunderts, der für die USO Atlans und das Solare Imperium Perry Rhodans tätig war, eine geschichtliche Tatsache und fest gefügte Vergangenheit. Aus Sicht des Lebo Axton sind diese Ereignisse aber noch offene Zukunft. Oder nicht? Muss geschehen, was ich als Vergangenheit kenne? Und wenn nicht – wie wirkt sich das auf die Zukunft aus?

Lebe ich in der realen oder doch nur in einer Traumwelt? Befinde ich mich wirklich in der Vergangenheit? Handelt es sich bei meinem Körper nur um eine Projektion, mag er auch noch so materiell und echt erscheinen? Ich spüre Schmerz und Freude, körperlich wie psychisch. Und wenn ich mich in Lebensgefahr befunden habe, zitterte ich um mein Leben, weil ich nie genau wusste, ob ich wirklich sterben oder eben nur in der Traummaschine aus einem Traum erwachen würde. Ist die unterschwellige Angst vor einem Zeitparadoxon begründet oder nicht? Ist die Vergangenheit festgeschrieben und alles determiniert? Wie steht es dann um die Willensfreiheit?

Das klassische Paradoxon der Zeitreisen und ihrer Folgen. Es verknotet einem das Gehirn. Aufgelöst werden kann es nur, wenn man Gesetzmäßigkeiten voraussetzt, die entweder keine gravierenden Änderungen gestatten, also eine gewisse »Trägheit der Zeit« postulieren, die solcherart Manipulationen verhindern. Oder aber das umfassende Feld paralleler Universen voraussetzen, in deren Spektrum letztlich alles realisiert ist. Ich weiß nicht, welche Alternative mir lieber ist. Andererseits verfestigt sich immer mehr meine Überzeugung, dass ich bei Weitem nicht so vorsichtig zu sein brauche. Ich kann die Zukunft gar nicht manipulieren und auch kein Zeitparadoxon hervorrufen, so seltsam das auf den ersten Blick auch erscheinen mag. Vielmehr befinde ich mich in einem Kreis der Zeit, aus dem ich wahrscheinlich gar nicht ausbrechen kann.

1.

Trivid-Ansprache des Atlan-Doppelgängers am 1. Prago der Katanen des Capits 10.499 da Ark

… ist Orbanaschol mit Mordmethoden, Erpressung, Freiheitsberaubung und Bestechung zu seiner heutigen Machtstellung aufgerückt. Am Anfang stand der Mord an meinem Vater, Imperator Gonozal dem Siebten. Die gedungenen Mörder Orbanaschols waren Sofgart, der später der Blinde Sofgart genannt wurde, Anführer der gefürchteten Kralasenen. Er ist tot. An ihm habe ich meine Rache vollzogen. Orbanaschols ehemaliger Erster Diener Offantur, heute Kristallmarschall und Chef der mörderischen Tu-Gol-Cel, gehörte ebenso zu den Mördern wie Psollien, Jagdspezialist von Erskomier. Ein weiterer Beteiligter, Mascant Amarkavor Heng, lange unfähiger Kommandeur von Trantagossa, lebt ebenfalls nicht mehr.

Ich bin jedoch nicht wegen Offantur oder Psollien ins Arkonsystem gekommen. Mir geht es nur um Orbanaschol, den Hauptverantwortlichen. Er soll wissen, dass seine letzten Tontas gekommen sind. Ich rate ihm, sie nicht leichtfertig zu vertun, sondern sie dazu zu nutzen, alles zu erledigen, was noch zu erledigen ist. Orbanaschol wird in spätestens zwei Pragos nicht mehr unter den Lebenden weilen. Ich, Atlan, Kristallprinz von Arkon, bin gekommen, um seinem Schreckensregime ein Ende zu bereiten. Ich rufe alle aufrechten Arkoniden zum Kampf gegen Orbanaschol auf. Wir stehen am Anfang einer neuen, einer besseren Zeit. Tod dem Imperator! Tod Orbanaschol dem Dritten.

An Bord des imperialen Jagdpalastes: 16. Prago des Eyilon 10.500 da Ark – noch sechsundzwanzig Pragos bis zum Beginn der Amnestie-KAYMUURTES

Während sich der Jagdpalast Mekra-Titula weiterhin im Sublichtflug näherte, dem vierten von zwölf Planeten der knapp dreißig Lichtjahre vom Arkonsystem entfernten gelben Sonne Titul, zapfte sich Sinclair Marout Kennon alias Lebo Axton roten, zähflüssigen Tsan-Saft aus dem Servomaten der Kabine, kehrte zum Tisch zurück und setzte sich. Ihm gegenüber saß Gentleman Kelly.

Der Roboter stammte vom Schrottplatz, und das war ihm auch anzusehen. Auf dem Ovalkörper aus Arkonstahl von einem Meter Länge und rund vierzig Zentimetern Durchmesser saß ein dreißig Zentimeter langer Spiralhals. Der Kopf war kugelförmig und hatte in der Mitte ein umlaufendes Organband mit Quarzlinsen, Sprechmembran, Antennen und Geruchssensoren. Aus dem Ovalkörper entsprangen zwei Arme und zwei krumme Beine. Bügelförmige Fußstützen in Höhe der Beinansatzgelenke und Griffe auf den Schultern gestatteten es, dass Axton hinter Kellys Rücken bequem stehen, sich festhalten und über den Kopf des Roboters hinwegsehen konnte. Thi-Laktrote Gun Eppriks »Bastelstube« entstammte das Flugaggregat, und auch in anderer Hinsicht hatte Axton den Roboter beträchtlich aufgerüstet.

»Du bist dran«, sagte der Verwachsene. Auf den Tisch wurde holografisch das Imperatorspiel projiziert, ein Spiel, das ein hohes Maß an Intelligenz, Entschlusskraft, Konzentration und Einfühlungsvermögen erforderte. Das Spiel war außerordentlich schwierig. Das war der Grund dafür, dass es nur von einem kleinen Kreis von Arkoniden gespielt wurde. Mit dem Tai-Thur Zhdopanthi, wie es auch genannt wurde, konnte die hohe Politik des Imperiums nachvollzogen werden. Das bedeutete, dass innenpolitische Kenntnisse ebenso vorausgesetzt wurden wie außenpolitische Weitsichtigkeit sowie das Geschick, einen drohenden Krieg zu vermeiden, oder den Mut, einen Angriffskrieg zu führen. Da die Variationsmöglichkeiten bei diesem Spiel unbegrenzt waren, verlief jede Auseinandersetzung mit einem Kontrahenten anders. »Du bist dran«, wiederholte Axton ungeduldig. »Warum entscheidest du dich nicht?«

»Die Situation ist ungünstig für mich.«

»Das ist kein Grund, beleidigt zu sein. Du musst etwas tun.«

Das intellektuelle Duell mit dem Roboter dauerte nun schon zwei Tontas. Axton war mit sich und seiner Leistung zufrieden. Er hatte Kelly förmlich niedergekämpft. Von den nächsten Spielzügen musste es abhängen, wer siegte. Der Terraner zweifelte nicht mehr daran, dass er es sein würde, denn alle Voraussetzungen sprachen für ihn. Kellys Positronik hatte sich im kosmopsychologischen Denken als unterlegen erwiesen.

»Also gut«, sagte Kelly mit gedämpfter Stimme. »Ich bestelle den Dreifachen Sonnenträger und erstrangigen Politfaktor des Planeten R-5536 zum Hof.«

»Ein hervorragender Spielzug«, sagte Axton lobend; aus den Augenwinkeln bemerkte er, dass auf dem stumm geschalteten Wandbildschirm durch Texteinblendung eine Sondermeldung von Arkon-Vision angekündigt wurde. »Du zwingst mich damit zum Umdenken; die Situation hat sich für mich geändert. Aber das wird dir nichts helfen. Warte mal …«

Er beugte sich nach vorn und stützte sich mit den Ellenbogen auf den Tisch. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken, ein eigenartiges Kribbeln machte sich im Nacken bemerkbar, vom Magen breitete sich ein bedrückendes Gefühl aus. Zunächst machte sich Axton keine Gedanken darüber und versuchte, sich zu konzentrieren, aber es gelang ihm nicht. Er wurde durch das körperliche Unbehagen abgelenkt. Dabei wusste er, dass der nächste Spielzug Kelly endgültig erledigen musste. So gut war die Entscheidung des Roboters doch nicht gewesen. Aber was war zu tun?

Kelly blickte auf. Das Organband am Kopf des Roboters glänzte im Lichtschein der Leuchtplatten an der Decke. Bewegten sich die Antennen? Unwillkürlich horchte der Terraner in sich hinein. Und plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Kelly sandte Signale im Infraschallbereich aus, um ihn zu stören und abzulenken. Axton wusste nur zu gut, dass mit gezielt eingesetzten Infraschallstößen ein »demütiges Gefühl in der Magengegend« hervorgerufen werden konnte. Er schrie: »Hör auf damit!«

»Ich verstehe nicht. Was meinst du, Liebling?«

»Du willst nicht verlieren, du Blechbestie!« Der Verwachsene kreischte in ohnmächtigem Zorn. »Du hast erkannt, dass du das Spiel nicht mehr gewinnen kannst, wenn alles regulär zugeht, und jetzt versuchst du es mit einem dreckigen Trick.«

»Aber Schätzchen, wie kommst du auf so etwas?« Kelly gab seiner Stimme einen beleidigten Beiklang.

»Hör auf damit.« Axton lief erneut ein Schauer über den Rücken.

»Ich weiß wirklich nicht, was du …« Weiter kam Kelly nicht. Axton griff nach dem Glas Tsan-Saft und schleuderte es dem Roboter an den Kopf. Kelly wich nicht aus. Das Glas zerplatzte, der Saft verteilte sich über den Kopf.

»Das war das letzte Mal, dass ich mit dir gespielt habe«, sagte Axton zornig. »Verdammter Betrüger! In die Hygienekabine mit dir. Säubere dich.«

»Mit Wasser?«

»Womit sonst?«

»Wasser könnte meinem Teint schaden.«

»Das Maß ist voll.« Axton tat, als suche er seinen Kombistrahler. »Ich werde diesen Blechkretin vernichten.«

Kelly erhob sich und antwortete würdevoll: »Ich beuge mich der Gewalt und dem Terror.«

Axton verdrehte die Augen, musterte den Wandbildschirm und stellte den Ton auf laut, als die Sondermeldung begann. Kurz darauf wusste Axton nicht, ob er lachen oder weinen sollte. In einem Ton, dessen falsches Pathos allen Zuhörern mit Verstand auf die Nerven gehen musste, hatte der Sprecher soeben einen großen Sieg der Imperiumsflotten verkündet. Im Eynorc-System sei eine gewaltige Schlacht gegen einen eindringenden Maahk-Verband geschlagen und gewonnen worden. Die Schlachtflotte des Großen Imperiums sei von Ihrer Erhabenheit persönlich zu einem glanzvollen Sieg geführt worden.

Abgesehen davon, dass sich Imperator Orbanaschol III. keineswegs im Eynorc-System befand, sondern an Bord seines Jagdpalastes, war auch das genannte System an sich strategisch derart unwichtig, dass die Methans dort nie mit einer Riesenflotte angreifen würden. Axton wusste nicht, ob die Sondermeldung auf direkten Befehl Orbanaschols gesendet wurde oder ob es sich um eine Eigenmächtigkeit des Flottenzentralkommandos in vorauseilendem Gehorsam handelte, um das derzeit sehr angeschlagene Image des Höchstedlen aufzupolieren – fest stand, dass vor wenigen Pragos ebenso lautstark der diesjährige Jagdausflug des Imperators nach Mekra-Titula verkündet worden war und es überdies fast schon eine Frechheit war, eine Nachricht wie die über die »Schlacht im Eynorc-System« Arkoniden vorzusetzen, die die ARK SUMMIA abgeschlossen und einen aktivierten Extrasinn hatten.

Axton schüttelte den Kopf, als der Sonderbericht über die Raumschlacht von Eynorc mit schmetternden Fanfarenklängen zu Ende ging. Unwillkürlich fragte er sich, ob Orbanaschol tatsächlich zu solchen Mitteln griff – oder greifen ließ? –, um nach den Attentaten des Atlan-Doppelgängers auf der Kristallwelt und der fürchterlichen Blamage bei der Wahl seine Reputation aufzubessern.

Mit der Wahl am 1. Prago des Eyilon 10.500 da Ark, dem siebzehnten Jahrestag von Orbanaschols Inthronisation, hatte sich der Imperator vom Volk bestätigen lassen wollen, dass er hoch in seiner Gunst stand. Das Wahlergebnis sollte demonstrieren, dass seine Politik ebenso wie die Politiker, die sie machten, von einer überwältigenden Mehrheit befürwortet wurden. Deshalb hatte auch eine Einzelabstimmung über die Mitglieder des Thi Than stattgefunden, obwohl dieser de facto aufgelöst war und dort nur des Imperators Speichellecker saßen. Von vornherein war klar, dass die Abstimmung ein ungeheuerlicher Betrug war. Orbanaschol dachte gar nicht daran, ablehnende Stimmen dort zur Geltung kommen zu lassen, wo er es nicht wollte; das Abstimmungsergebnis stand schon im Voraus fest – zumal politische Persönlichkeiten und Politiker, die Orbanaschol unbequem geworden waren, miserable Ergebnisse aufweisen sollten. Der Imperator wollte vor die Öffentlichkeit treten, um ihr zu sagen, dass er noch beliebter geworden war und dass seine Erfolge anerkannt wurden.

Überall im Großen Imperium war am Wahltag auf den Bildschirmen zunächst die Mitteilung erschienen: Endergebnis: 97,3 Prozent der Stimmen für Orbanaschol III. Die Gäste im Kristallpalast hatten ein Triumphgeschrei angestimmt, waren aufgesprungen und jubelten. Dann kam die Ergänzung: 97 Prozent der Stimmen für Orbanaschol III. – den Mörder des rechtmäßigen Imperators Gonozal VII. Darunter stand in Klammern: Das Ergebnis wurde auf Befehl Orbanaschols III. manipuliert.

Axton erinnerte sich genau: Schlagartig wurde es still in der Halle. Entsetzt blickten die Anhänger Orbanaschols auf die Schirme. Der Imperator wurde leichenblass. Seine Wangen schienen einzufallen, und die Augen schienen aus den Fettwülsten hervorzutreten. Der Schock zeichnete das Gesicht des Diktators in erschreckender Weise. Orbanaschol öffnete den Mund, wollte etwas befehlen, aber nur einige unverständliche Laute kamen über seine Lippen. Die Stimme versagte ihm, er wartete darauf, dass die Techniker die Sendung endlich abbrachen, aber in den Sendezentralen schien man wie gelähmt zu sein. Endlich schrie Orbanaschol auf. Er schrie, als würde er langsam von einem Messer zerschnitten, war in diesen Augenblicken vermutlich nahe daran, den Verstand zu verlieren.

Plötzlich wirbelte der Imperator herum. In seiner Hand funkelte ein Kombistrahler. Er suchte den Mann, den er für dieses Desaster verantwortlich machte: Skaranore Schankkou. Dieser sprang auf und fuhr so heftig zurück, dass er einige Stühle und Tische umkippte. Abwehrend streckte er die Hände aus. Er versuchte, etwas zu sagen, aber seine Lippen verweigerten den Dienst. Orbanaschol schoss. Der grelle Thermostrahl durchbohrte Schankkou und tötete ihn auf der Stelle. Dann richtete der Imperator die Waffe auf die Bildschirme, doch diese waren bereits erloschen. Auf einem der kleineren Schirme stand die Meldung: Die Sendung ist leider gestört.

Axton hatte sich mit unmenschlicher Kraft beherrscht, um nicht laut loszulachen, während Orbanaschol auf den Ausgang der Halle zustürmte. Die Gäste sprangen links und rechts zur Seite, um ihm Platz zu machen. Niemand sprach. Alle beobachteten die panikartige Flucht des Imperators von der Stätte der größten Niederlage, die er je erlitten hatte.

Zu deutlich wurde, dass sich Misswirtschaft und Korruption immer fataler auswirkten. Zu viele Kolonialwelten waren wegen eklatanter Unfähigkeit Opfer der Methans geworden, Nachschub und Versorgung gerieten ins Stocken. Der Angriff der Methans auf den Hauptstützpunkt Trantagossa war ein Schock gewesen; viele Flottenorbtonen hofften, ein heilsamer – doch die meisten wussten, dass es nur eine trügerische Hoffnung war. Vielen war bewusst, dass es an der Führung des Großen Imperiums lag, dass es zu solchen Ereignissen kam. Die arkonidische Flotte war stark genug, um alle Vorposten der Zivilisation wirksam zu schützen. Dass das nicht geschah, dass ein militärisch völlig unbegabter Mann wie Orbanaschol III. nur seine eigenen Interessen verfolgte – das war das eigentliche Übel!

In den Augen vieler war er der schlechteste Imperator, den das Große Imperium seit vielen Generationen hatte. Ältere erinnerten sich noch gut an seinen Bruder Gonozal. Dieser Mann hatte nicht gezögert, als Begam persönlich die Flotten zu befehligen, sofern es die Lage erforderte. Was war von den hartnäckigen Gerüchten zu halten, dass der Totgeglaubte wieder aufgetaucht war? Als die Raumschlacht von Marlackskor schon fast verloren schien, war er erschienen, und allein sein Name hatte Wunder bewirkt. Er hatte gehandelt wie in alten Zeiten, hatte die Flotte vor dem sicheren Debakel bewahrt …

Als Axton den Imperator am 5. Prago des Eyilon 10.500 da Ark erstmals wieder traf, hatte dieser etwa zehn Kilogramm Gewicht verloren und war noch immer vom Schock gezeichnet gewesen. Auch in den nächsten Tagen war Orbanaschol kaum ansprechbar; Axton kam allerdings zu Ohren, dass der Imperator mit Blick auf seine Reputation einerseits darüber sprach, nicht darauf verzichten zu wollen, wieder als Schirmherr der bald anstehenden KAYMUURTES zu glänzen, und sich andererseits fest darauf versteifte, den für Mitte des Eyilon angesetzten Jagdausflug nach Mekra-Titula anzutreten.

Ersteres war mehr als verständlich – galten doch die alle drei Arkonjahre im Dubnayor-System stattfindenden Arenakämpfe neben den jährlichen Reifeprüfungen der ARK SUMMIA als die wichtigsten und traditionsreichsten, ja fast heiligen Feierlichkeiten. Die KAYMUURTES waren also bestens geeignet, den Ruhm des Imperators wieder allen deutlich vor Augen zu führen. Vorberichte, die Eröffnungsfeier, die eigentlichen Wettkämpfe – jeden Tag gab es mehrere Tontas galaxisweite Übertragung. Auf Tausenden Welten gab es Wettschalter, gewaltige Vermögen wurden auf diesen oder jenen Kämpfer gesetzt. Das ganze Imperium fieberte den Spielen entgegen. Schon jetzt nahm die Vorberichterstattung mehr Platz ein als alle anderen Sparten der Unterhaltung. Angesichts der Ereignisse musste Orbanaschol versuchen, von den KAYMUURTES zu profitieren.

Umso unverständlicher erschien Lebo Axton die gefälschte Berichterstattung zur »Raumschlacht von Eynorc«, vor allem angesichts des Jagdausflugs nach Mekra-Titula.

»Ausgerechnet Mekra-Titula«, murmelte der Verwachsene. Genau dieses Ziel hatte der Atlan-Doppelgänger Kirko Attrak genannt, bevor er durch den Transmitter geflüchtet war. Axton fragte sich nach wie vor, warum Atlan II sich ausgerechnet dorthin wenden wollte, denn auf Mekra-Titula gab es außerordentlich wenige Möglichkeiten, seine Flucht fortzusetzen. Und warum hatte er es Attrak gesagt? Wollte der falsche Atlan, dass Orbanaschol das erfuhr? Fast schien es so. Axton wusste, dass sich diese Welt zwischen dem Arkonsystem und Karaltron befand, wo der Duplo erstmals aufgetreten war. Axtons Versuch, Atlan II abzufangen, war ohne Erfolg geblieben. Es war, als habe es den Doppelgänger nie gegeben. Unwillkürlich fragte sich Axton, ob die Transmitter-Benutzung vielleicht sogar ein kalkulierter Selbstmord gewesen sein könnte, hatte das doch in anderen Fällen zum Verschwinden von Duplos geführt. »Andererseits … da vermutlich ein MdI für die Aktionen verantwortlich ist, dürfte es mit den Atlan-Doppelgängern noch längst nicht zu Ende sein.«

Auf der Kristallwelt war wieder Ruhe eingekehrt. Angesichts der Terroraktionen waren die Aufrufe des Duplos verpufft; einen allgemeinen Aufstand hatte es nicht gegeben. Imperator Orbanaschols Ruf war allerdings ziemlich ramponiert. Und nicht nur deshalb ging der Kosmokriminalist davon aus, dass eben Orbanaschol weiterhin das eigentliche Ziel war. Dass von Atlan eine Atomschablone und dann ein Duplo hergestellt worden waren, konnte schwerlich bereits ursprünglicher Bestandteil der Planung gewesen sein, denn vom Celista Conoor Baynisch wusste Axton, dass der Kristallprinz eher durch Zufall in die Ereignisse von Travnor verstrickt worden war.

»Nein, Orbanaschol war und ist das eigentliche Ziel! Würde er durch einen Duplo ersetzt, wäre das ein ureigenes Geschöpf des Meisters der Insel, der dann im Hintergrund nach Belieben die Fäden ziehen könnte …«

Eine mehr als erschreckende Vorstellung – wenngleich Derartiges nicht der überlieferten Geschichte entsprach, die Axton kannte. Vielleicht, weil er hier und jetzt eingreifen würde beziehungsweise eingegriffen hatte? Doch genau das bereitete dem Verwachsenen Kopfzerbrechen. Wie sollte er gegen eine Macht im Untergrund vorgehen, die über Möglichkeiten wie die Multiduplikatoren verfügte? Axton vermutete, dass es Dutzende oder gar Hunderte Duplos im Arkonsystem und auf anderen Imperiumswelten gab, die in nichts von ihren Originalen zu unterscheiden waren und jederzeit bereit waren, im Sinne ihres Auftraggebers aktiv zu werden. Da bislang noch kein Orbanaschol-Duplo existierte, musste davon ausgegangen werden, dass mindestens ein Multiduplikator zur Verfügung stand. Befand er sich im Arkonsystem? Oder … auf Mekra-Titula?

Axton war sich sicher, dass der Jagdausflug eine Falle für Orbanaschol sein sollte. Die Recherchen des Kosmokriminalisten hatten ergeben, dass der Imperator diese jährlichen Jagdausflüge seit 10.486 da Ark unternahm. Seit vierzehn Arkonjahren gab es somit einen Ansatzpunkt, auf den sich die Planung des MdI hatte ausrichten können.

Im Gegenzug liefen die Vorbereitungen für die Jagdexpedition seit Jahresbeginn. Der Imperator pflegte stets besondere Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, wenn er Arkon I verließ. Dieses Mal wurde ein ganzes Flottenkontingent aufgeboten – immerhin 1000 Einheiten der insgesamt 10.000 Raumschiffe zählenden 1. Imperiumsflotte als »Geleitschutz-Einsatzgeschwader der Thronflotte«. Sie unterstanden Ta-moas Cormon Thol als kommandierendem Mascant im Flottenzentralkommando auf Arkon III; der Admiral als Flottenkommandeur hatte gleichzeitig das Oberkommando der Elitetruppen des Imperators inne. Keins der Schiffe sollte auf Mekra-Titula landen, sondern den Planeten und das Titul-System hermetisch abriegeln.

Sogar der Jagdpalast würde im Orbit verbleiben. Das Gebilde war auf der Basis eines modifizierten Flottentenders konstruiert. Die Plattform, deren Oberseite einem fachen Teller glich, erreichte 2800 Meter Durchmesser und 700 Meter Dicke. Eine bis zu 1000 Meter hohe Schutzfeldkuppel überwölbte die in der Mulde angeordnete Parklandschaft, in deren Zentrum sich neben vielen kleineren »Gebäuden« – eigentlich ja Aufbauten der Plattform – der Trichterbau der eigentlichen Jagdresidenz 250 Meter hoch erhob. Sie war dem eigentlichen Hofstaat und dem Stab des Imperators vorbehalten; Besuche von anderen fanden nur bei Audienzen und vor allem den Festivitäten statt. Insbesondere Letzteres war seit dem Aufbruch vor knapp zwei Pragos Hauptzeitvertreib – die Adligen der Jagdgesellschaft feierten fast pausenlos und würden das Ziel in einer Art geistigem Dämmerzustand erreichen …

Auf dem Jagdplaneten selbst sollte der Imperator keinen Schritt tun können, ohne überwacht zu werden. Ein Heer von Sicherheitsleuten diente der Sicherung. Basis würde eine vom Jagdpalast mitgeführte »Schwebende Insel« von 300 Metern Durchmesser sein, die als einziges Raumschiff landen sollte. Auf ihrer Oberseite gab es ebenfalls unter einer Prallfeldkuppel künstliche Gärten, Wasserspiele und dergleichen mehr. Noch nie zuvor waren derart weitgehende Sicherheitsvorkehrungen getroffen worden. Und dennoch war sich Axton sicher, dass die gegnerische Seite auch das einkalkuliert hatte. Er selbst nahm an der Reise auf besondere Einladung Orbanaschols teil – quasi als zusätzlicher Sicherheitsbeauftragter.

Kelly kehrte gesäubert aus der Hygienekabine zurück und drehte sich vor Axton hin und her. »Gefalle ich dir so, Schätzchen?«

»Wo ist meine Schusswaffe …?« Axton streckte die Hand aus.

Nach einem Glockensignal verkündete eine einschmeichelnde Stimme, dass der Jagdpalast bald in den Orbit von Mekra-Titula einschwenken würde. Die Landung der Schwebenden Insel als »imperiale Jacht« sei für den Mittag Lokalzeit geplant. Der Wandbildschirm zeigte den Jagdplaneten, Textblöcke lieferten die wichtigsten Informationen. Axton kannte die Daten längst. Mekra-Titula war etwas kleiner als die Kristallwelt und verfügte über eine geringere Schwerkraft; die Eigenrotation war mit fast exakt vierzehn Tontas deutlich kleiner als die zwanzig Tontas der drei Synchronwelten von Tiga Ranton.

Nur einer der drei großen Kontinente war mit rund 100.000 Arkoniden extrem dünn besiedelt. Axton hatte zu seinem Erstaunen festgestellt, dass die stolzen Mekra-Titulaner keinen direkten Abgeordneten Arkons auf ihrer Welt duldeten – und dass Orbanaschol damit einverstanden war. Das war die eigentliche Überraschung gewesen. Mekra-Titula gehörte zwar zum Großen Imperium, doch hier gab es keinen Tato als Planetengouverneur oder einen anderen vergleichbaren zivilen Vertreter. Es hieß, die Mekra-Titulaner seien in planetarischen Angelegenheiten äußerst empfindlich und wollten sich von niemandem ins Gehege kommen lassen.

Weil dergleichen einen Mann wie Orbanaschol noch nie interessiert hatte, er aber dennoch den Jagdplaneten jedes Jahr besuchte und sogar die extrem teuren Jagdlizenzen bezahlte, hatte Axton etwas tiefer gegraben. Schon die Information, dass der maßgebliche Mann namens Mec Kralan den Titel eines Goltan-moas trug, hatte den Kosmokriminalisten auf die richtige Spur gebracht. Erster Goltan wurde nämlich der jeweils höchste TGC-Vertreter eines Planeten genannt. Und die Politische Geheimpolizei des Imperators mit dem verharmlosenden Akronym Tu-Gol-Cel wurde von niemandem anders als von Offantur Ta-Metzat befehligt.

Tussan Goldan Celis stand für die »Goldan-Augen des Imperiums«, wobei Goldan oder Goltan dem Argus der griechischen Sage entsprach – einem Riesen, der hundert Augen hatte, von denen immer ein Teil wachte. Mehr noch als die Celistas der normalen TRC-Geheimdienste waren die Männer der Politischen Geheimpolizei des Imperators in ihren dunkelroten Uniformen berühmt und berüchtigt für ihr Misstrauen, ihr skrupelloses Verhalten und ihre technisch perfektionierten Verhörmethoden samt der Unbedenklichkeit in der Wahl ihrer Mittel. Orbanaschol unterhielt eine ganze Anzahl unabhängig arbeitender Nachrichten- und Geheimdienste, aber Offanturs TGC war darunter bei Weitem der schlimmste.

Orbanaschol hätte kein willfährigeres Werkzeug finden können als seinen ehemaligen Ersten Diener und zugleich engsten Vertrauten, der schon vor dem Mord an Gonozal VII. viele schmutzige Geschäfte für seinen Herrn erledigt hatte. Nach der Machtübernahme im Jahr 10.483 da Ark war der Mann rasch zum Ta-moas erhoben worden – zum »Ta-Fürsten Erster Klasse« im Sinne eines Erzherzogs – und als Dreifacher Sonnenträger Mascant mit besonderer Auszeichnung. Äußerlich ein gut aussehender Arkonide mit einem angenehmen Gesicht und ausgesucht guten Manieren, verbarg sich hinter dieser Fassade der Charakter eines Mannes, der notfalls über Leichen ging. Sein offizieller Titel des »Kristallmarschalls« als Mitglied des Berlen Than lautete Gos’Mascant oder Ka’Mascantis, was einem Hofmarschall als oberstem Beamten des imperialen Hofes entsprach. Von Amts wegen war er Vorgesetzter der Zeremonienmeister.

Für Axton gab es keinen Zweifel daran, dass Mekra-Titula im besonderen Gefecht zwischen Offantur Ta-Metzat und Orbanaschol eine wichtige Rolle spielte. Nach einigem weiteren Nachbohren hatte er herausgefunden, dass dem Gos’Mascant vom Imperator der Jagdplanet als persönliches Lehen zugeteilt worden war, während der Höchstedle im Gegenzug die jährlichen Jagdausflüge unternahm – einschließlich hoher Zuwendungen für die Erteilung der Jagdlizenzen. Inwieweit ein beträchtlicher Teil der Mekra-Titulaner TGC-Angehörige waren, ließ sich nicht herausfinden, aber der Kosmokriminalist ging davon aus, dass es so war. Vorsicht war insbesondere auch beim für Sicherheit und Ordnung zuständigen Mann angesagt – Trom Warkrat war als Athor Addag’gosta der Polizeichef auf diesem Planeten.

Eher desinteressiert verfolgte Lebo Axton die auf dem Wandbildschirm dargestellten Bilder des Landeanflugs. Die drei Kontinente von Mekra-Titula waren annähernd gleich groß. Westlich des Hauptsiedlungskontinents Arkrat-Titulon befand sich Arkrat-Takaal, der Ostkontinent hieß Arkrat-Tikul. Die Hauptstadt Titulon lag an der Ostküste im Norden von Arkrat-Titulon am Ende eines Fjords, der etwa zwanzig Kilometer tief ins Land reichte. Die Trichterhäuser der etwa dreißigtausend Einwohner zählenden Stadt erhoben sich von den Hängen sanft ansteigender Berge und waren weit über das Land verstreut. Weiter im Landesinneren breitete sich das kleine Landefeld aus, auf dem kaum mehr als Orbanaschols Jacht Platz fand. In einem schlichten Kuppelbau befand sich die Überwachung des Raumhafens, der von einem dichten Wald aus roten, blauen und gelben Bäumen umsäumt wurde.

Lebo Axton war der Einzige, der die imperiale Jacht verließ; alle anderen blieben an Bord. Er grinste. Der Kommandant der Schwebenden Insel würde den Vertretern von Mekra-Titula mitteilen, dass der Imperator erst später eine Delegation empfangen könnte, da er noch mit unaufschiebbaren Arbeiten beschäftigt wäre. Axton wusste, dass Orbanaschol im Bett lag und noch etliche Tontas benötigen würde, den Alkoholspiegel in seinem Blut so weit abzubauen, dass er sich wieder auf den Beinen halten konnte.

Als einer der Offiziere die Bodenschleuse öffnete, gab Axton Kelly das Zeichen, ihn nach draußen zu tragen. Ein eigenartiges Gefühl beschlich den Verwachsenen, als der Roboter ihn zu der silbrig schimmernden Kuppel trug. Er hatte das Gefühl, allein auf dieser Welt zu sein. Obwohl er wusste, wie unsinnig eine solche Vorstellung war, konnte er sich nicht dagegen wehren. Er blickte zur gelben Sonne, die hoch im Zenit stand. Der Temperatur und dem Zustand der Vegetation nach schien es Anfang Sommer zu sein.

Als er sich bis auf wenige Schritte der Kuppel genähert hatte, öffnete sich ein Schott, und ein untersetzter Mann trat ins Freie. Er blinzelte in die Sonne und beschattete seine Augen mit der linken Hand. »Es gibt also tatsächlich jemanden an Bord, der nicht besoffen ist.« Er lachte herablassend. »Mit einem Zayna wie Ihnen wollte der Höchstedle wohl kein Zechgelage veranstalten, wie?«

Axton blieb ruhig. Er hatte nicht damit gerechnet, dass jemand von diesem Planeten so klar und deutlich sagen würde, was er über die Zustände an Bord der Jacht dachte. »Seltsame Vorstellungen haben Sie. Aber bleiben Sie ruhig dabei, wenn es Ihnen Spaß macht.« Er versuchte, zuvorkommend zu lächeln, aber sein Gesicht verzerrte sich wie unter einem Krampf. Axton legte sich rasch eine Hand vor den Mund und massierte sich die Wangenmuskeln mit Daumen und Zeigefinger. Er räusperte sich. »Ich benötige einige Informationen. An wen muss ich mich wenden?«

»Fliegen Sie nach Titulon. Dort können Sie sich an Mec Kralan wenden. Der Erste Goltan wird Ihnen sagen, was er für nötig hält.«

»Danke.« Der Kosmokriminalist registrierte die seltsame Formulierung, stellte aber keine weiteren Fragen, weil er fürchtete, doch keine Antwort zu bekommen. »Kann ich hier einen Gleiter mieten, oder muss ich auf die Maschinen der Jacht zurückgreifen?«

Der Mann runzelte die Stirn und blickte ihn forschend an. »Sie gehören also zum Fußvolk – und somit nicht zu denen, die sich einen Bordgleiter nehmen können, ohne vorher einen Antrag stellen zu müssen.«

Axton verzichtete darauf, die falschen Vorstellungen des Mekra-Titulaners zu korrigieren.

»Also gut.« Der Arkonide zeigte mit dem Daumen über die Schulter. »Hinter der Kuppel stehen ein paar Mietgleiter. Sie können einen davon nehmen, sofern Sie genügend Skalitos haben.«

»Habe ich.« Axton grüßte, indem er die Hand hob, dann dirigierte er Kelly um die Kuppel. Er hätte auch auf dem Rücken des Roboters zur Hauptstadt fliegen können, aber er wollte die öffentlichen Transportmittel nehmen, um nicht unnötig zu provozieren. Für ihn war klar, dass die Bewohner von Mekra-Titula vom Besuch des Imperators erwarteten, dass Orbanaschol und sein Tross viel Geld ausgeben würden. Wie richtig diese Annahme war, erkannte Axton, als er sich hinter die Steuerelemente des Mietgleiters setzte. Die Mekra-Titulaner forderten mindestens den zehnfachen Preis dessen, was auf der Kristallwelt verlangt wurde. Axton warf die notwendigen Skalitos ein und drückte eine Taste, die mit Titulon beschriftet war. Kurz darauf landete er auf einem kleinen, staubigen Platz vor dem Trichterhaus der Hauptverwaltung.

Hinter dem Schreibtisch saß ein bärtiger Arkonide. Er trug ein Lederhemd, das sich straff über seinem überaus fetten Oberkörper spannte. »Sie sind der Mann, der mich sprechen wollte? Man hat Sie bereits angemeldet.«

»Sie sind Mec Kralan?«

»Der bin ich. Und wie ist Ihr Name?«

»Lebo Axton.« Der Verwachsene ging zu einem Stuhl. Kelly folgte ihm, griff ihm sanft unter die Arme und hob ihn auf das Sitzmöbel, das so hoch war, dass Axton es nur mit äußerster Mühe allein hätte besteigen können.

»Sie wollen eine persönliche Jagdlizenz erwerben?« Kralan musterte seinen Besucher eingehend. »Der Betrag muss vor Beginn der Jagd in bar hinterlegt werden.«

»Das ist mir klar«, antwortete der Verwachsene. »Wie viel?«

»Hunderttausend Chronners für eine Periode von neun Mekra-Titula-Tagen.«

Der Terraner fiel vor Überraschung fast vom Stuhl. Er hatte mit einer hohen Summe gerechnet, aber das … Der Jahresverdienst eines einfachen Orbtonen betrug rund 30.000 Chronners, 100.000 kostete ein kleineres Privatschiff. Kamen Chronners nicht per Kreditchips als reine Verrechnungseinheit zum Einsatz, sondern in Form von Bargeld, handelte es sich um farbige Lochmünzen aus Cholitt-III, einer Edelmetall-Luurs-Legierung mit einem dreiprozentigen Anteil von absolut temperaturstabilem Luurs-Metall. Auf genormte Stäbe mit Verschraubung gezogen, wurden entsprechende Münzeinheiten zu sogenannten Bündeln zusammengefasst; beim Aufziehen auf Schnüre hießen sie Paket. Die Münzvorderseite zeigte die Zahl, die Rückseite das Symbol der Drei Welten. Untereinheiten waren Merkons und Skalitos, wobei ein Chronner zehn Merkons oder hundert Skalitos entsprach.

»Was ist mit Ihnen?«, fragte Kralan argwöhnisch. »Haben Sie das Geld nicht?«

»Mich interessiert nur, ob Sie wirklich persönliche Lizenzen vergeben, während der Imperator auf Mekra-Titula seiner Jagd nachgeht.«

»Sie dürfen selbstverständlich nicht auf dem Kontinent jagen, auf dem der Höchstedle sein Lager aufschlägt.«

»Also bleibt das beste Gebiet für mich gesperrt?«

»Dafür zahlen Sie auch nur hunderttausend.«

»Das ist ein Argument, das ich anerkennen muss«, erwiderte Axton spöttisch. »Eine Frage: Ist seit Ende letzten Jahres ein Fremder angekommen?«

Er beschrieb den Atlan-Doppelgänger. Kralan hörte mit gerunzelter Stirn zu. »Ich weiß nicht, was das mit Ihrer Jagdlizenz zu tun hat.«

»Gar nichts. Ich bin jedoch mit für die Sicherheit des Imperators verantwortlich. Der von mir beschriebene Mann stellt ein hohes Sicherheitsrisiko für Seine Erhabenheit dar. Deshalb muss ich wissen, ob er hier auf Mekra-Titula angekommen ist oder nicht.«

»Sie wollen also gar keine Lizenz?«, murmelte Kralan enttäuscht.

»Ist dieser Mann hier, Erster Goltan?«

Kralan stand auf. Er war mehr als zwei Meter groß und noch erheblich dicker, als Axton geglaubt hatte. Das wurde erst jetzt deutlich, als der Verwachsene ihn in seiner ganzen Gestalt sehen konnte. Kralan ging um den Schreibtisch, blieb vor Axton stehen und kratzte sich nachdenklich das Kinn. Mürrisch sagte er: »Ich wusste doch, dass es Ärger geben würde.«

»Warum antworten Sie nicht auf meine Frage?«

»Weil ich nicht genau weiß, ob dieser Mann hier ist. Seit den Katanen des Capits sind insgesamt fünf Männer angekommen. Alles Fremde, die niemals zuvor hier waren. Ich werde mich erkundigen, ob der Gesuchte dabei ist. Kommen Sie wieder vorbei. Vielleicht weiß ich dann mehr.«

»Sie könnten auch die Orbtonen der Jacht verständigen.« Axton lächelte. »Man kennt mich an Bord.«

Er stellte sich auf den Stuhl und kletterte auf den Rücken Kellys. Mec Kralan beobachtete ihn verblüfft. Axton grüßte freundlich und verließ den Raum.

An diesem Morgen des zweiten Tages hatte Kralan überraschenderweise mitgeteilt, wo drei der in der letzten Zeit angekommenen fünf Männer geblieben waren. Axton hatte nicht damit gerechnet, dass ihm der Erste Goltan schon so bald helfen würde. Doch Kralan schien seinen Widerstand aufgegeben zu haben.

»Als Erster Goltan hatte ich die Pflicht und besondere Ehre, Seine Erhabenheit zu begrüßen«, hatte Kralan gesagt, als er Axton in seiner Kabine an Bord aufgesucht hatte. »Ich habe den Höchstedlen auf Mekra-Titula begrüßt und ihn willkommen geheißen. Und da ich nun schon einmal hier bin, hielt ich es für angebracht, auch mit Ihnen zu sprechen.«

Axton lächelte, als er daran dachte, wie sich Kralan verhalten hatte. Allzu deutlich war geworden, dass er sich nach ihm erkundigt und eine Antwort erhalten hatte – womöglich von Offantur Ta-Metzat persönlich –, mit der er nicht gerechnet hatte. Immerhin war Axton Cel’Athor der Tu-Ra-Cel-Sektion Innenaufklärung. Das Gespräch war kurz und informativ gewesen. Der Erste Goltan hatte Axton versprochen, dass er herausfinden würde, wo die restlichen beiden Männer geblieben waren. Von Jagdlizenzen war nicht mehr die Rede gewesen.

Die angegebene Hütte, deren Lage Kralan genau beschrieben hatte und von einem Mann namens Wessolan angemietet worden war, stand etwas außerhalb von Titulon direkt am Wasser des Fjords und war an einer Stelle errichtet worden, an der sich eine fache Einbuchtung gebildet hatte. Ein kleiner Kahn dümpelte an einem Bootssteg auf den Wellen. Lebo Axton flog auf dem Rücken Kellys an den steil aufsteigenden Felswänden des Fjords entlang. Im Wasser konnte der Terraner einen Schwarm großer Fische sehen. Mekra-Titula bot seinen Einwohnern reichliche Möglichkeiten, sich aus der Natur zu versorgen. Auf dem Weg zu der Hütte hatte Axton ganze Herden jagdbarer Tiere beobachtet.

Kelly landete auf einem Felsbrocken, der aus dem Wasser ragte. Axton spähte zum Holzhaus, das nun nur noch etwa dreißig Meter entfernt war. Einige Bäume schirmten ihn ab, sodass er sich nähern konnte, ohne befürchten zu müssen, vorzeitig entdeckt zu werden. Der Terraner fragte sich, ob sich der Atlan-Doppelgänger in dem Haus aufhielt. Er konnte es sich nicht vorstellen. Befand sich der Gesuchte überhaupt auf Mekra-Titula, musste er wissen, dass der Imperator eingetroffen war. Diese Tatsache musste ihn zu erhöhter Aufmerksamkeit veranlassen.

»Weiter!«, befahl Axton leise und setzte sich aufrecht, als Kelly dicht über dem Boden auf das Haus zuflog. Seine Hand legte sich auf den blauen Gürtel, der sich ihm unter der Kleidung um die Hüften spannte. Das Gebilde fühlte sich wie ein lebendes Wesen warm und geschmeidig an und schien mitunter lautlos zu flüstern; von ihm ging eine magische Kraft aus, die sich Axton nicht erklären konnte. Das Band war etwa einen Millimeter dick, wog fast nichts und sah aus, als wäre es aus Millionen winziger, blau leuchtender Kristalle zusammengesetzt.

Plötzlich öffnete sich die Tür des Hauses. Ein weißhaariger Mann trat heraus. Er war fast zwei Meter groß und schien noch jung zu sein. Axton konnte sein Gesicht nicht sehen, da er sich von ihm entfernte und zu einem Holzstapel ging, der unter einem Baum aufgeschichtet war. Der Verwachsene wartete ab, bis der Arkonide einige Holzscheite aufgenommen hatte, ehe er Kelly ein Zeichen gab. Der Roboter richtete sich auf und stellte sich auf die Füße.

»Guten Morgen«, sagte Axton. »Sind Sie Wessolan?«

Der Arkonide fuhr unglaublich schnell herum, riss die Arme kraftvoll hoch und schleuderte das Holz, das er in den Armen gehalten hatte, auf Axton. Dieser duckte sich nicht weniger schnell und suchte Schutz hinter dem Kopf des Roboters. Kelly wich nicht aus, hob die Hände schützend und fing so die Holzscheite ab. Der Arkonide rannte bereits zum Haus und schnellte sich an Kelly vorbei, bevor dieser oder Axton ihn aufhalten konnte.

»Bleiben Sie stehen!«, schrie der Kosmokriminalist, doch der Mann reagierte nicht auf diesen Befehl. Für einen Moment konnte Axton sein Gesicht sehen. Es war grob geschnitten. Die Nase war breit und stumpf, die fliehende Stirn mit Narben bedeckt. Der beste Maskenbildner des Imperiums hätte die Züge Atlans nicht so verunstalten können, ohne gleichzeitig die anatomischen Gegebenheiten des Schädels grundlegend zu verändern.

»Hinterher, schnell!«, befahl der Kosmokriminalist, als der Mann im Haus verschwand. Kelly reagierte so blitzartig, dass der Verwachsene fast von seinem Rücken gefallen wäre. Der Roboter raste los, stürmte hinter dem Arkoniden ins Haus. In den Räumen war es so dunkel, dass Axton im ersten Moment nur eine schemenhafte Bewegung sehen konnte. Instinktiv sprang er von Kelly weg und stürzte auf weiche Felle, sodass er sich nicht verletzte. Ein nadeldünner Thermostrahl zuckte quer durch den Raum, verfehlte den Kopf Kellys ganz knapp und schlug in den Türrahmen ein.

Axton erkannte voller Entsetzen, dass er getroffen worden wäre, wäre er auf dem Rücken Kellys geblieben. Er riss sich den blauen Gürtel von den Hüften und schleuderte ihn blind in die Richtung, in der er den Mann vermutete. Das Band schien unendlich langsam durch den Raum zu schweben, wobei es sich mehr und mehr erhellte, bis der ganze Raum in ein intensiv blaues Licht getaucht war. Der Arkonide blieb wie angenagelt auf der Stelle stehen und zielte auf Axton, löste den Thermostrahler aber nicht aus. Das blaue Band erreichte den Mann und ringelte sich in schlangengleichen Bewegungen um das Handgelenk, bis ein hässliches Knirschen zu hören war. Der Arkonide schrie gellend auf, während er versuchte, sich das schimmernde Gebilde vom Arm zu reißen, aber es war zu fest.

Kelly hatte inzwischen längst Axton erreicht und hochgerissen. Als sich der Thermostrahl in das trockene Holz des Türrahmens bohrte, schlugen sofort Flammen hoch. Innerhalb von wenigen Augenblicken brannte das ganze Holzhaus. Der Roboter stürmte mit dem Verwachsenen auf den Armen ins Freie. Der Arkonide folgte erst viel später, flüchtete durch eine Feuerwand nach draußen. Noch immer umgab der blaue Gurt seinen Arm. Axton streckte die Hand nach ihm aus, und das blaue Gebilde glitt zu ihm wie von geheimnisvollem Leben erfüllt. Es schlängelte sich an seinem Arm entlang und schob sich unter die Kleidung, wo es sich um die Hüften legte und zu einem Ring schloss.

Der Arkonide hatte davon gar nichts bemerkt. Schreiend und halbwegs blind vor Schmerzen, rannte er bis an die Felsen am Ufer und stürzte sich ins Wasser. Sein Gesicht war von Panik gezeichnet, als er wieder auftauchte. Kelly und Axton erwarteten ihn. »Wie kann man nur?«, sagte der Kosmokriminalist ironisch-vorwurfsvoll. »Kommen Sie aus dem Wasser.«

Der Mann gehorchte. Seine Haltung zeigte an, dass er resignierte und keinen Widerstand mehr leisten wollte. Er sagte mit rauer Stimme: »Ich hätte nicht gedacht, dass Sie mich finden würden.«

»Uns entgeht keiner«, entgegnete Kelly. »Wir haben noch jeden erwischt.«

»Allmählich glaube ich das auch.« Der Mann war erschöpft und hielt sich das gebrochene Handgelenk. »Also gut. Was werden Sie mit mir machen?«

»Ich würde sagen, wir schicken ihn zurück und probieren aus, wie lange er unter Wasser bleiben kann«, sagte Kelly zu Axton gewandt. »Was meinst du, Schätzchen?«

Der Arkonide wich einen halben Schritt zurück.

»Sei still, Kelly.« Axton kletterte auf den Rücken des Roboters. »Sie sind ein Narr, Wessolan.« Er blickte den Mann forschend an und war sich absolut sicher, dass er keine Maske trug und folglich nicht der Atlan-Doppelgänger sein konnte. Er lenkte Kelly einige Schritte weiter von dem brennenden Haus weg, da dieses eine fast unerträgliche Hitze ausstrahlte. »Sie haben sich eine Menge Ärger eingehandelt und werden dafür geradestehen müssen, dass die Hütte abbrennt.« Er zögerte kurz, schilderte dann aber dem Mann, wie der Atlan-Doppelgänger aussah. »Dieser Mann ist mit Ihnen oder kurz nach Ihnen nach Mekra-Titula gekommen. Ich will von Ihnen wissen, ob Sie ihn gesehen haben oder mehr über ihn wissen.«

Wessolan ließ sich stöhnend auf einen Felsen sinken. »Soll das bedeuten, dass Sie mich gar nicht verhaften wollen?«

»Was Sie getan haben, ist mir völlig egal. Ich suche den Mann, den ich Ihnen beschrieben habe, und ich würde Ihnen raten, den Mund aufzumachen, wenn Sie etwas wissen.«

»Wir bekommen Besuch«, sagte Kelly. Axton blickte in Richtung Titulon und sah, dass sich ein gelber Gleiter näherte. Die Maschine flog mit hoher Geschwindigkeit.

»Haben Sie den Mann gesehen?«, fragte der Kosmokriminalist scharf. Der Arkonide, der offensichtlich auf anderen Welten Verbrechen begangen hatte, rieb sich den Arm und schwieg. Axton merkte, dass er sich Hilfe von den Insassen des Gleiters erhoffte. »Wenn Sie nicht reden, bevor der Gleiter gelandet ist«, sagte er drohend, »sorge ich dafür, dass Sie für das bezahlen, was Sie getan haben. Mich selbst interessiert nicht, was Sie verbrochen haben, das bedeutet jedoch nicht, dass ich Sie schonen werde, sollten Sie noch länger schweigen.«

»Also gut«, erwiderte Wessolan mit gepresster Stimme. »Ich habe den Mann gesehen.«

»Wo?«

»Er ist mit dem gleichen Raumschiff gekommen wie ich. Er trug eine Maske, aber ich habe es gemerkt.« Er fluchte leise vor sich hin.

»Sie haben versucht, ihn zu erpressen, aber es ist Ihnen nicht geglückt.«

»Warum fragen Sie, wenn Sie doch schon alles wissen?«

»Wo ist der Mann jetzt?«

»Ich weiß es nicht. Lassen Sie mich in Ruhe.«

Der Gleiter landete. Mec Kralan sprang heraus und stürmte auf Axton zu. »Sie haben wohl den Verstand verloren?«, brüllte er außer sich vor Zorn. »Was fällt Ihnen ein, sich in dieser Weise hier aufzuführen? Verschwinden Sie, oder Sie werden etwas erleben!«

Axton stützte sich mit den Ellenbogen auf den Kopf Kellys. »Immer langsam«, sagte er gelassen. »Ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen.«

»Dafür weiß ich das umso besser«, entgegnete der Erste Goltan und zeigte auf die brennende Hütte. »Ich fordere Sie auf, sofort von hier zu verschwinden. Sollten Sie das nicht tun, bekommen Sie erhebliche Schwierigkeiten.«

Axton blieb ruhig. »Wollen Sie sich nicht anhören, was ich zu sagen habe?«

Kralan blickte ihn grimmig an. »Was glauben Sie, was der Imperator tun wird, sobald ich ihm eröffne, dass wir ihm in diesem Jahr keine Jagdlizenz geben können, weil ein Mann namens Lebo Axton gegen die Gesetze von Mekra-Titula verstoßen hat? Was glauben Sie, was er tun wird, wenn ich ihm sage, dass es nur eine Alternative für ihn gibt: Abreise oder Ihren Kopf?«

»Schon gut«, entgegnete der Terraner besänftigend. »Ich räume das Feld.« Er gab Kelly ein Zeichen. Der Roboter stieg sanft auf. »Ah, Kralan. Bevor ich es vergesse: Können Sie mir etwas Neues sagen?«

Der Erste Goltan wandte ihm demonstrativ den Rücken zu. Kelly beschleunigte und flog in einer Höhe von etwa fünfzig Metern über das Wasser Richtung Titulon. Axton wusste nicht, was er von dem Verhalten Kralans halten sollte. Wieso sympathisierte der Erste Goltan mit einem Kriminellen? Warum hatte er nicht einmal gefragt, wer für das Feuer verantwortlich war? Steckte gar der Gos’Mascant als Chef der TGC dahinter? Axton war sich keiner Schuld bewusst. Er dachte auch nicht daran, die Suche nach dem Atlan-Doppelgänger aufzugeben. Dafür lag aus seiner Sicht nicht der geringste Grund vor, ganz im Gegenteil. »Ich möchte wissen, wie ernst die Warnung gemeint war. Was glaubst du? Würde Kralan dem Imperator tatsächlich die Jagdlizenz verweigern, sollte ihm irgendetwas nicht passen?«

»Roboter sind vollkommene Geschöpfe«, antwortete Kelly. »Vollkommener als Lebewesen.«

»Vollkommen – vollkommener? Was soll der Quatsch? Ich habe dir eine klare Frage gestellt, und darauf erwarte ich eine Antwort.«

»Die habe ich bereits gegeben«, behauptete der Roboter. »Ich habe festgestellt, dass Roboter vollkommener als Lebewesen sind. Sie wissen – oder sie wissen nicht. Sie können nicht glauben. So etwas bleibt einem Lebewesen wie dir vorbehalten. Das ist auch der Grund dafür, dass ich mich über deine Erfolge nur wundern kann.«

Axton wurde blass. »Jetzt reicht es aber. Ich bin bereit, mir allerlei Frechheiten gefallen zu lassen, irgendwo aber ist eine Grenze.« Er stutzte. »Moment … Ich habe noch immer keine Antwort. Wird Kralan konsequent das tun, was er behauptet hat, oder blufft er nur?«

Axton hatte das Ende des Fjords erreicht. Einige Männer standen am Ufer. Sie waren aus den Häusern, die direkt am Wasser lagen, gekommen. Feindselig blickten sie Axton an. Fraglos kreideten sie ihm an, dass die Hütte brannte. Axton verzichtete darauf, mit ihnen zu sprechen, weil er nicht daran glaubte, dass sie ihn überhaupt anhören würden. Er war der Fremde, der von der Kristallwelt gekommen war. Überdies war er ein Krüppel. Das genügte offenbar bereits, eine Mauer der Ablehnung zu errichten. Axton flog über sie hinweg und ließ Kelly an den Hängen der Berge bis zu vier Häusern aufsteigen, die auf einem kleinen Plateau errichtet waren. In einem von ihnen hatte einer der anderen Neuankömmlinge Quartier bezogen.

Dieses Mal näherte der Terraner sich nicht heimlich, sondern ganz offen. Kelly landete direkt vor der Tür. Da kein Klingelknopf oder etwas Entsprechendes vorhanden war, klopfte der Roboter an. Wenig später öffnete sich die Tür. Ein Arkonide, der kaum größer war als Axton, trat heraus. Er blickte argwöhnisch zu dem Verwachsenen auf. »Können Sie nicht von dem verdammten Roboter absteigen?«

»Das ist nicht weiter schwierig.« Axton ließ sich auf den Boden gleiten. Nun überragte ihn der Arkonide um einige Zentimeter. Falls dieser Mann der einzige Bewohner des Hauses war, konnte er keinesfalls der Atlan-Doppelgänger sein. »Leben Sie allein hier?«

»Geht Sie das etwas an?«

»Allerdings. Ich bin Sicherheitsbeauftragter des Imperators und suche einen Mann, der vor einigen Pragos, aus dem Arkonsystem kommend, hier auf Mekra-Titula eingetroffen ist. Sollten Sie die Möglichkeit haben, mir bei der Suche behilflich zu sein, würde ich Ihnen dringend raten, das auch zu tun.«

»Ach, Sie drohen einem Bürger von Mekra-Titula?«, fragte ein hochgewachsener Arkonide, der in diesem Moment durch die Tür ins Freie trat. Er hatte ein scharf geschnittenes, schmales Gesicht. Seine Augen standen eng beieinander. Axton zuckte zusammen – der Mann war Polizeichef Trom Warkrat. Zweifellos war er vom Ersten Goltan informiert worden und überprüfte seinerseits die Verdächtigen.

»Ich suche einen Mann, der wahrscheinlich ein Attentat auf den Imperator verüben wird«, antwortete Lebo Axton kühl. »Es dürfte selbstverständlich sein, dass mir jeder hilft, den Anschlag zu verhindern und den Mann zu finden.«

Der hochgewachsene Arkonide zog eine Karte aus seiner Brusttasche und hielt sie Axton hin. »Ich bin Athor Addag’gosta Trom Warkrat. Sollten Sie irgendwelche Sorgen haben, unterrichten Sie mich. Ich werde alles für Sie erledigen.«

»Ach, tatsächlich? Ich habe nicht den Eindruck, dass ich mit wesentlicher Hilfe von Ihrer Seite rechnen kann. Im Gegenteil – es scheint, als wollten Sie mich behindern, wo immer nur Sie es können. Ich weiß, dass der von mir Gesuchte auf Mekra-Titula angekommen ist. Er ist einer jener fünf Männer, die vor Kurzem hier eingetroffen sind. Es sollte also nicht schwer sein, ihn aufzuspüren.«

»Mekra-Titula ist ein großer Planet. Nicht einmal zwei Prozent seiner Oberfläche wurden kultiviert. Wer sich hier verstecken will, kann für den Rest seines Lebens untertauchen. Das hängt nicht davon ab, ob Sie behindert werden oder nicht. Das liegt einfach an der Natur dieser Welt.« Der Polizeichef lächelte herablassend. »Unabhängig davon gefällt es uns nicht, wenn sich Fremde gebärden, als seien sie die Herren von Mekra-Titula.«

»Ich habe schon verstanden«, erwiderte Axton.

»Hoffentlich.«

Grußlos wandte sich der Kosmokriminalist ab, stieg auf den Rücken des Roboters und flog davon. Er sah ein, dass er auf diese Weise keine Fortschritte erzielen konnte. Axton hatte genügend kosmopsychologische Erfahrung, um zu erkennen, woran er war. Die Frage war, ob er es nur mit der besonderen Mentalität der Mekra-Titulaner zu tun hatte. Versuchte Offantur seine Anstrengungen zu torpedieren? Oder musste Axton angesichts der vermuteten Falle für Orbanaschol viel größer denken? Der Atlan-Doppelgänger war auf dem Jagdplaneten nur ein Randaspekt – viel wichtiger war »der Rest«. Sollte es hier einen Multiduplikator geben, würde er nicht einfach irgendwo in der Wildnis stehen. Ebenso musste eine ausreichend große Bedienungsmannschaft vorhanden sein – also Duplos oder gar Tefroder. Und vor diesem Hintergrund stellte sich naturgemäß die Frage, ob Mec Kralan und Trom Warkrat noch die Originale waren.

Als Axton zur Plattform der Jacht zurückkehrte, wusste er, dass er nicht einfach abwarten durfte, sondern sich entscheiden musste, in welcher Richtung er tätig werden wollte. Ihm war bewusst, dass er auf Mekra-Titula zu stark eingeengt war. Er musste sich befreien. Dazu benötigte er die Hilfe des Imperators. Orbanaschol musste dafür sorgen, dass ihn die Bevölkerung dieses Planeten mehr unterstützte.

Axton erhob sich und verließ die Kabine. Kelly blieb allein zurück. Mühsam schleppte sich der Verwachsene durch die Gänge der Schwebenden Insel. Er fühlte sich nicht wohl. Seine Kräfte ließen überraschend schnell nach. Ein Kampfroboter schirmte das Deck ab, das der Imperator für sich, seine engsten Freunde und das Dienstpersonal beanspruchte.

»Ich muss den Imperator sprechen«, sagte Axton. »Es ist wichtig.«

»Sie können passieren.«

Axton ging weiter und keuchte. Vor der großen Luxuskabine, die Orbanaschol bewohnte, fing ihn ein weiterer Roboter ab. Axton erklärte, dass er den Imperator sprechen musste.

»Er ist zurzeit nicht zu sprechen«, antwortete die Maschine abweisend. Sie sprach in einem näselnden, hochmütig klingenden Ton. »Melden Sie Ihre Wünsche über Interkom an. Der Imperator wird sich mit Ihnen in Verbindung setzen, wenn er Zeit für Sie hat.«

Lebo Axton hatte keine Kraft. Er wandte sich ab, ohne überhaupt nur den Versuch zu machen, an dem Roboter vorbeizukommen. Als er seine Kabine wieder erreicht hatte, kroch er erschöpft ins Bett. Vor seinen Augen flimmerte es, und sein Magen revoltierte so heftig, dass er glaubte, sich übergeben zu müssen. Doch der Schwächeanfall klang bald ab. Der Kreislauf stabilisierte sich wieder, Axton fühlte sich besser. Er ging in die Hygienekabine und duschte sich kalt ab. Danach konnte er leichter atmen, seine Augen tränten nicht mehr.

Während dieser Schwächeperiode dachte er nicht ein einziges Mal an jenen perfekten Körper, in dem er mehrere Jahrhunderte lang als Sinclair Marout Kennon gelebt hatte, jenen Körper aus Stahl, Plastik und biologisch lebender Substanz, der von dem Rest seines Ichs, von seinem Gehirn, gelenkt worden war. In diesem Körper – seiner Vollprothese – hatte Axton keine Schwäche gekannt. Im Gegenteil, er war so stark und leistungsfähig gewesen wie ein Haluter. Selbst Hochleistungsroboter hatte er im Zweikampf besiegt, und erhöhte Gravitationswerte waren ihm noch nicht einmal bewusst geworden.

Dennoch hatte er diesen Körper abgrundtief gehasst, denn er hatte sich in ihm wie ein Roboter gefühlt, war kein Mensch gewesen. In dem schwächlichen, verkrüppelten Körper, den er seit seiner Ankunft in dieser Zeit sein Eigen nennen durfte, war er Mensch. Er hatte Hohn, Spott und Verachtung lächelnd ertragen, denn diese hatten ihm immer wieder nur bestätigt, dass er ein Mensch war. Körperliche Nachteile waren unwichtig für ihn geworden. Aus Schwächeanfällen war er stets gestärkt hervorgegangen, weil sie ihm immer wieder jene psychologische Kraft verliehen hatten, die er so dringend für seine Existenz benötigte.

Er kleidete sich an, aß ein wenig und erteilte Kelly den Befehl, ein Interkomgespräch mit Orbanaschol anzumelden. Der Roboter hatte diese Anweisung kaum ausgeführt, als der Imperator auch schon antwortete. Sein aufgeschwemmtes Gesicht erschien auf dem Bildschirm. Seine Augen waren stark gerötet. Orbanaschol war anzusehen, dass er die letzten Tage ausschließlich seinen Vergnügungen gewidmet hatte. Vom Gewichtsverlust in den Tagen nach der Wahlblamage war nichts mehr zu sehen. Er fragte mit keifender Stimmer: »Was gibt es, Axton?«

»Ich habe Schwierigkeiten, Euer Erhabenheit, obwohl ich inzwischen herausgefunden habe, dass der Atlan-Doppelgänger tatsächlich auf Mekra-Titula eingetroffen ist. Das ist auch alles. Die örtlichen Behörden verweigern mir jede Hilfe und bestehen darauf, alles selbst zu regeln.«

Orbanaschol seufzte, seine Augen weiteten sich ein wenig. Als erkenne er nicht, wovon Axton sprach, fragte er: »Ja und?«

»Atlan zu finden und an seinem Plan zu hindern wird so gut wie unmöglich sein, sofern ich mich auf Mekra-Titula nicht freier bewegen kann und solange ich keine Unterstützung bekomme.«

Der Imperator griff nach einem Glas, das außerhalb des Erfassungsbereichs der Kamera stand, hob es an die Lippen und trank es gierig aus. Dann blickte er Axton wieder an und schüttelte den Kopf. »Da kann ich nichts machen. Wenn die Mekra-Titulaner darauf bestehen, planetarische Angelegenheiten allein zu regeln, muss ich sie gewähren lassen.«

»Eure Sicherheit ist keine planetarische Angelegenheit«, protestierte der Kosmokriminalist.

Orbanaschol gähnte gelangweilt. »Bitte, Axton, verderben Sie mir nicht die Jagd. Sehen Sie zu, wie Sie klarkommen, aber lassen Sie mich in Ruhe. Ich will mich ganz auf die Jagd konzentrieren. Sonst interessiert mich derzeit überhaupt nichts.«

Er schaltete ab. Der Verwachsene blickte verblüfft auf den Bildschirm. Mit einer solchen Antwort hatte er nicht gerechnet. Blitzschnell zog er seine Schlussfolgerungen aus dem Verhalten des Imperators. Offantur! Nur das besondere Verhältnis zu dem Mitverschwörer und die gegenseitige Kenntnis des Mordanschlags auf Gonozal VII. konnten Orbanaschols Reaktion begründen. Mekra-Titula war Teil der Übereinkunft zwischen den beiden, denn Axton konnte sich nicht vorstellen, dass es irgendwo im Großen Imperium etwas gab, was sich Orbanaschol nicht auch ohne Zustimmung der entsprechenden Planetenbevölkerung genommen hätte. Er hatte sich bisher stets brutal über alles hinweggesetzt, was sich ihm in den Weg stellte. Nicht so auf diesem Jagdplaneten. Das war eine völlig neue Situation für Axton.

2.

Erste Trivid-Ansprache des Atlan-Doppelgängers am 35. Prago des Tartor 10.499 da Ark:

Ich bin der rechtmäßige Thronfolger des Großen Imperiums, der Sohn Gonozals des Siebten. Mein Vater wurde auf Befehl meines Onkels Orbanaschol ermordet. Der Imperator behauptet, mein Vater sei bei einem Jagdunfall umgekommen. Das ist eine Lüge. Orbanaschol weiß selbst am besten, dass er den Befehl erteilt hat, diesen Jagdunfall zu inszenieren und auf diese Weise meinen Vater zu ermorden. Der Meuchelmörder Orbanaschol soll wissen, dass ich meine Rechte geltend mache. Das ist der Beginn des Endkampfs um den Thron von Arkon, auf den ich allein Anspruch habe. Ich bin zur Kristallwelt gekommen, um das Volk der Arkoniden von einem niederträchtigen, gewinnsüchtigen und unfähigen Diktator zu befreien. Dies ist der Beginn der Sterbetonta von Orbanaschol dem Dritten.

Mekra-Titula: zweite Tonta, 17. Prago des Eyilon 10.500 da Ark – achte Tonta Lokalzeit – noch fünfundzwanzig Pragos bis zum Beginn der Amnestie-KAYMUURTES

»Schätzchen, wach auf. Da ist jemand, der dich sprechen will«, sagte Kelly.

Lebo Axton schreckte aus dem Schlaf hoch und hatte Mühe, sich zurechtzufinden, sodass der Roboter seine Worte wiederholen musste. »Hoffentlich ist das nicht einer deiner dämlichen Scherze«, sagte er drohend, als er aus dem Bett stieg. »Ich zertrümmere dich, sofern du keinen triftigen Grund hattest, mich zu wecken.«

Axton ging zum Interkom, der eingeschaltet war, aber weder Bild noch Ton übermittelte. Er gab die Verbindung frei, und der Mann aus dem Fjord erschien auf dem Bildschirm. Wessalon trug den Arm mit dem gebrochenen Handgelenk in einer Schlinge. Axton wischte sich das schüttere Haar aus der Stirn. Er hatte nicht erwartet, dass sich dieser Mann an ihn wenden würde. »Was gibt es?«

Wessalon verzog das Gesicht zu einem unterwürfigen Lächeln. Es wirkte abstoßend auf den Verwachsenen, doch Axton ließ sich nicht anmerken, was er empfand. »Sie haben da von einem Mann gesprochen, den Sie suchen. Sind Sie an ihm noch interessiert, Erhabener?«

»Das bin ich.«

»Ich könnte Ihnen vielleicht gewisse Hinweise geben.«

Lebo Axton nickte. »Lassen Sie hören. Sie werden es nicht bereuen.«

»Könnten wir nicht vorher regeln, was das bedeutet?«

»Was verlangen Sie?«, fragte der Kosmokriminalist schroff.

Der Mann nannte eine hohe Summe. Axton schüttelte den Kopf und machte ein Gegenangebot, das noch nicht einmal fünf Prozent dessen ausmachte, was Wessalon gefordert hatte.

»Unter diesen Umständen erfahren Sie nichts von mir.«

»Sie müssen wissen, was Sie tun«, entgegnete Axton kühl. »Wenn Sie reden, verschaffen Sie mir einen Zeitgewinn. Das ist alles. Reden Sie nicht, benötige ich ein paar Tage mehr, den Mann zu finden.«

»Also gut. Der Mann, den Sie suchen, hat diesen Kontinent verlassen. Er befindet sich auf Arkrat-Tikul. Wo er genau dort ist, weiß ich allerdings nicht. Das ist alles.«