Auf der anderen Seite der Sterne - Liv Modes - E-Book

Auf der anderen Seite der Sterne E-Book

Liv Modes

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Beschreibung

"Wir sind durch die Sterne gefallen und haben es nicht einmal gemerkt." Etwas hat sich verändert in diesem Sommer. Plötzlich schlägt Alex' Herz bei Yaniks Anblick schneller und in seinem Bauch tanzen Schmetterlinge Tango. Doch obwohl er seinem besten Freund sonst alles erzählt, muss Alex dieses Geheimnis für sich behalten. Denn seine Gefühle könnten ihm den Menschen nehmen, der ihm am meisten bedeutet.

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Liv Modes

Auf der anderen Seite der Sterne

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

EPILOG

Impressum neobooks

1

»Bald geht es wieder los«, seufzte Alex wenig begeistert.

»Ein Grund mehr, den letzten Rest Freiheit zu genießen«, antwortete die Stimme seines besten Freundes aus dem Handy. Alex suchte sich eine bequeme Position auf der breiten Fensterbank, auf der er saß, und erhöhte die Lautstärke seines Smartphones. Um keinen Preis wollte er etwas verpassen. Unbekümmert erzählte Yanik in allen Einzelheiten, wie er sich diese letzte Woche in Freiheit vorstellte. Eine Bekannte von der letzten Party kam darin vor. Die Erwähnung ihres Namens versetzte Alex einen Stich. Trotzdem überlief ihn bei der Vorstellung von Yaniks abenteuerlustigem Grinsen ein angenehmer Schauer.

»Das sind die letzten Sommerferien unseres Lebens! Was hast du vor, um das zu feiern?«

»Ach, dies und jenes«, erwiderte Alex verlegen und rieb die feuchten Hände an der Hose ab. In Yaniks Stimme lag etwas Verheißungsvolles, von dem Alex ganz kribbelig wurde und das dafür sorgte, dass er nur mit größter Konzentration anständige Sätze zustande brachte. Etwas, das er nicht verstand.

»Ich muss jetzt auflegen«, sagte Alex schnell, bevor ihm etwas herausrutschte, das ihn verraten würde. »Wir sehen uns bald!«

»Oh, okay.« Yanik klang irritiert ob der abrupten Verabschiedung, sagte jedoch nichts. »Mach es gut!«

Alex legte auf und atmete erleichtert aus. Yanik schien nicht bemerkt zu haben, wie heftig sein Herz allein vom Klang seiner Stimme schlug. Vor seinem inneren Auge sah Alex, wie Yanik sein Telefon weglegte und sich gedankenlos ins nächste Abenteuer stürzte, wie es seine Art war. Am liebsten hätte Alex es ihm gleichgetan. Aber Yaniks Frage nach seiner Ferienbeschäftigung ließ ihn nicht los. In Wahrheit wusste er genau, dass er diese letzte Woche damit verbringen würde, sich mit den wildesten Träumen herumzuschlagen, in denen Yanik die Hauptrolle spielte. Den ganzen Sommer ging das schon so. Bei jeder von Yaniks Nachrichten raste sein Herz, er verfolgte jedes seiner Instagrambilder und nachts träumte Alex von ihm. Dass sie mehrere Stunden mit dem Zug voneinander trennten, wo sonst gerade mal ein paar Meter Abstand zwischen ihren Betten waren, machte es nicht besser.

Mit einem tiefen Seufzen rutschte Alex vom Fensterbrett und widmete sich dem Objektiv seines Teleskops, das auf dem Schreibtisch lag. Er wollte es noch einmal reinigen, bevor er es bis zu den nächsten Ferien zurücklassen musste. Wie gern hätte er es mit zur Schule genommen, um mit Yanik die Sterne zu beobachten. Eine verführerische Vorstellung. Doch Alex wollte nicht riskieren, dass die empfindlichen Einzelteile des Teleskops beim Transport Schaden nahmen.

Während er vorsichtig die Linse vom Staub befreite, blieben seine Gedanken an Yanik hängen. Wie sollte er erst mit seinen Gefühlen umgehen, wenn sie wieder in einem Zimmer wohnten und den gesamten Tag miteinander verbrachten?

Am letzten Schultag der elften Klasse war Yanik sein bester Freund gewesen, sein Zimmergenosse und treuer Begleiter bei jeder noch so irren Idee. Das zumindest hatte Alex sich immer und immer wieder eingeredet, bis er im Familienurlaub an einen netten Volleyballspieler geraten war, der ihn nach ihrem ersten Kuss geradeheraus gefragt hatte: »Du hast gerade nicht an mich gedacht. Wer ist es?«

In diesem Moment hatte Alex sich eingestehen müssen, dass er sich in Yanik verliebt hatte. Und er wusste nicht, wer Yanik zum Anfang der zwölften Klasse für ihn sein würde.

Eins stand allerdings fest: Mit Yanik darüber reden konnte Alex nicht. Yanik liebte Mädchen und er kehrte nie ins Internat zurück, ohne von einem neuen Ferienflirt zu erzählen. Er war beliebt und dass er sich nie auf feste Bindungen einließ, tat dem keinen Abbruch. Alex konnte es den Mädchen nicht verübeln. Er war Yaniks dunkelblonden Locken, seinen tiefblauen Augen und dem herausfordernden Grinsen selbst hoffnungslos verfallen. Trotzdem führten ihm Yaniks Bekanntschaften immer wieder schmerzhaft vor Augen, wie hoffnungslos es für ihn stand. Dabei war es keineswegs so, dass Alex Mädchen nicht mochte. Er konnte nur die allgemeine männliche Faszination für den weiblichen Körper nicht nachvollziehen.

Doch Alex traute sich nicht, mit seinen Eltern oder seiner Schwester darüber zu sprechen, von Yanik ganz zu schweigen. Dafür träumte er viel zu oft davon, wie er seiner Familie von seiner Neigung erzählte und immer ging der Traum furchtbar aus.

»ALEEEEX!«

Alex fuhr zusammen. Die durchdringende Stimme seiner älteren Schwester Anita kam aus dem Erdgeschoss und ließ keinen Zweifel daran, dass Alex lieber sofort seinen Hintern nach unten bewegte. Er schlitterte durch den Flur und sprang die Treppe hinunter. Anita kam ihm aus der Küche entgegen. In der Hand hielt sie einen Brief mit einem elitär wirkenden Logo, das Alex nicht genau erkennen konnte. Ihre großen, rehbraunen Augen, die sie beide von ihrer Mutter geerbt hatten, funkelten aufgeregt.

»Die Uni hat geschrieben, dabei war letzte Woche erst Bewerbungsschluss für das Wintersemester«, plapperte sie los. »Ich habe noch gar nicht damit gerechnet, wir haben doch erst Mitte Juli. Bedeutet das etwas Gutes oder etwas Schlechtes? Ich traue mich nicht, den Brief aufzumachen! Was ist, wenn sie mich wieder abgelehnt haben?«

»Ach, gib her!«

Alex schnappte sich kurzerhand den Brief. Anita protestierte schwach und hüpfte nervös von einem Bein aufs andere. Aufreizend langsam öffnete Alex den Umschlag.

»Jetzt mach schon!«, forderte Anita und versuchte vergeblich, ihren Brief zurückzuerobern. Aber Alex brachte ihn außer Reichweite, entfaltete endlich das Papier und überflog die Zeilen. Plötzlich runzelte er die Stirn. Anita hörte auf zu hüpfen und sah ihn entsetzt an.

»Oh nein, bitte nicht«, flehte sie, als könnte Alex noch etwas an dem Geschriebenen ändern. »Bitte lass drei Zusatztests und zwei Jahre Wartezeit nicht umsonst gewesen sein.«

»Sehr geehrte Frau Anita Nikolajew«, begann Alex mit Grabesstimme vorzulesen. »Wir freuen uns, Sie ab dem ersten Oktober als Studentin an unserer medizinischen Fakultät begrüßen zu dürfen!«

»Jaaa!« Anita brach in Freudengeschrei aus und versetzte ihrem Bruder einen Hieb gegen die Schulter. »Du mieser Mistkerl!«, schimpfte sie lachend und fiel ihm um den Hals. Alex tat so, als würde er unter ihrer Umarmung ersticken, doch insgeheim war er genauso erleichtert wie seine Schwester. Anitas Weg zum Medizinstudium war nicht leicht gewesen. Doch ihre Mühe und ihr Durchhaltevermögen hatten sich letzten Endes ausgezahlt und Alex freute sich mit ihr.

»Herzlichen Glückwunsch, Frau Doktor.«

Anita richtete sich stolz auf und setzte eine professionelle Miene auf.

»Welche Symptome weisen Sie denn auf, Herr Nikolajew?«, fragte sie mit verstellter Stimme.

Herzrasen, Nervosität und chronische Yanik-Gedanken, dachte Alex im Stillen, hütete sich aber, es laut auszusprechen. Stattdessen lächelte er wackelig.

»Ah, ich sehe«, fuhr Anita fort. »Sie schweigen. Das scheint mir eindeutig, mein Herr. Sie haben Ihre Zunge verschluckt!«

Alex ließ sich von ihrem Lachen mitreißen, doch seine Gedanken waren bei Yanik hängen geblieben. Zum Glück wechselte Anita abrupt das Thema. »Das muss ich sofort Juan erzählen!«

»Von dem Studium oder meiner Zunge?«, feixte Alex und sah seiner Schwester zu, wie sie überschwänglich in ihrer übergroßen Handtasche nach ihrem Autoschlüssel kramte.

»Du scheinst geheilt zu sein«, entgegnete sie trocken und zog den Schlüssel triumphierend aus der Tasche. »Wir sehen uns zum Abendessen!«

Und schon war sie aus der Tür, um ihrem festen Freund die gute Nachricht zu überbringen. Einen kurzen, wunderbaren Moment lang gab Alex sich der Vorstellung hin, Yanik wäre sein fester Freund. Doch unweigerlich musste Alex wieder daran denken, wie seine Umgebung reagieren würde. Auf komische Blicke seiner Mitschüler im Schwimmbad oder in der Umkleidekabine konnte er gut verzichten, ganz zu schweigen vom Getratsche der Nachbarn. Hier, auf seinem kleinen Dorf, war es schon eine Sensation, wenn jemand ein Mädchen aus der Stadt mit nach Hause brachte. Also versuchte Alex, an etwas anderes zu denken. Diese ganzen Was-wäre-wenn-Fragen und seine verzweifelte, schwindende Hoffnung, dass sie doch wahr werden könnten, führten ihn nicht weiter. Weder in Yaniks Arme noch sonst irgendwo hin.

2

Eine Woche später war Alex der Lösung seines Problems noch keinen Schritt nähergekommen. Je näher die Abfahrt zum Internat rückte, desto nervöser wurde er. Gleichzeitig fieberte er dem Wiedersehen mit Yanik so sehr entgegen, dass er alle fünf Minuten die Uhrzeit überprüfte, um auf keinen Fall den Zug zum Internat zu verpassen.

»Hey, jemand zu Hause?« Anita wedelte mit der Hand vor seiner Nase herum.

»Hm?«, fuhr Alex auf. »Nein, das stimmt nicht, ich bin nicht … was?«

Anita musterte ihn skeptisch. »Du stocherst die ganze Zeit in deinem Essen herum und starrst Löcher in die Luft. Wenn du deine Lasagne nicht mehr willst, gib sie lieber mir, bevor sie kalt wird.«

Alex stieß einen erleichterten Seufzer aus und schob seiner Schwester sein Mittagessen über den Tisch. Seine Mutter redete gerade angeregt auf seinen Vater ein und erzählte von einem Bericht, den sie für ihre Rechtsanwaltskanzlei schreiben musste. Sonst hätte sie Alex sicher pikiert gefragt, ob mit ihrer Lasagne etwas nicht in Ordnung wäre.

»Ist alles okay bei dir?«, fragte Anita leise.

Alex nickte hastig. »Ja, ja. Bin nur nervös, weil morgen die Schule wieder losgeht. Abschlussklasse und so.«

Das war zumindest die halbe Wahrheit. Im Laufe des Sommers hatte Alex seiner Schwester seine Zukunftsängste anvertraut. Seine Eltern lagen ihm seit Jahren in den Ohren und versuchten, ihn auf die eine oder andere Weise in eine bestimmte Richtung zu lenken. Dass Anita nun dem Weg ihres Vaters folgen und Medizin studieren würde, machte es nicht besser, im Gegenteil – Alex spürte förmlich, wie sehr sich seine Mutter wünschte, dass er nun nach ihr kommen und ein Jurastudium wählen würde. Anita kannte den Erwartungsdruck ihrer Eltern selbst allzu gut. Während ihrer Wartezeit auf den Studienplatz hatte ihr Vater sie durch alle möglichen Praktika und Vorbereitungskurse geschleift, um ihre Chancen zu verbessern.«

Daher nickte sie nur verständnisvoll und vertiefte das Thema nicht weiter. Aber es war bereits zu spät. Alex spürte den prüfenden Blick seiner Mutter schon auf sich ruhen.

»Sprecht ihr gerade über den Abschluss?«, fragte sie neugierig. »Hast du dich denn nun für eine Studienrichtung entschieden, Alex? Mach dir keine Sorgen wegen des Durchschnitts. Es gibt so viele interessante Sachen ohne Notengrenze! Die Auszubildende bei uns in der Kanzlei zum Beispiel …«

»Mama!«, unterbrach Alex sie in einem Anflug von Verzweiflung. »Um meine Noten mache ich mir doch gar keine Sorgen. Das Problem ist, dass ich damit alles machen kann! Woher soll ich wissen, welche Richtung die richtige für mich ist?«

»Also, Jura wäre bestimmt etwas für dich. Und ich könnte dir helfen! Du solltest dich aber noch vor den Herbstferien entscheiden, damit ich alle Schritte einleiten kann.«

Alex atmete tief aus und bemühte sich, ruhig zu bleiben. Unter dem Tisch ballte er die Hände zu Fäusten. »Schon klar, Mama. Ich … ziehe es in Erwägung.«

»Natürlich, mein Schatz. Es ist deine Entscheidung. Wir unterstützen dich in allem. Sag nur bald Bescheid, ja?«

Liebevoll lächelte seine Mutter ihm über die kälter werdende Lasagne zu und Alex erwiderte ihr Lächeln gequält.

Seine Eltern wollten nur das Beste für ihn, das wusste er. Doch der drängende Unterton in der Stimme seiner Mutter war nicht zu überhören.

»Ich glaube, ich muss noch was einpacken«, haspelte er deshalb und floh aus der Küche.

Er konnte die fragenden Blicke seiner Eltern förmlich spüren. Seine Ausrede war aber auch wirklich schlecht. Seit der fünften Klasse ging er nun aufs Internat und war über die Jahre ein routinierter Kofferpacker geworden. Alex wusste, dass er alle Sachen beisammenhatte. Doch er hätte es nicht eine Sekunde länger am Esstisch ausgehalten.

Wenige Stunden später saß Alex mit seiner gesamten Familie im Auto. Sie fuhren zum Bahnhof und seine Mutter redete ununterbrochen.

»Du kannst immer anrufen, wenn etwas ist, ja? Wir bezahlen dir die Flatrate nicht umsonst!«

Alex’ Vater brummte zustimmend, während er den Wagen mit der Präzision eines Chirurgen in die Parklücke manövrierte. Er ließ es sich auch nicht nehmen, den Koffer zum Gleis zu tragen.

»