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Aus dem Lebensbuch des Schulmeisterleins Michel Haas beschreibt das Leben eines Hauslehrers im frühen 18ten Jahrhundert. Eine spannende historische Novelle Auszug: Das war am sechsten Juni Anno Christi 1697, da schritt vor seiner berühmten Baumschule auf der gräflich Waldeck'schen Pachtung Wetterburg mein Herr Vater seliger gar nachdenklich auf und ab, brummte und pfiff zwischen den Zähnen und kratzte sich oft genug, kopfschüttelnd hinter dem Ohr. Hatte er allen Grund, sonderlich drein zu sehen, denn um ihn her quinkelirten und wimmelten zwölf lebendige Kinder, Büblein und Mägdlein durch einander, im Garten; liefen ihm vor die Füße, hingen sich an seine Rockschöße und verhinderten ihn nach Leibeskräften, einen vernünftigen Gedanken zu fassen und sich ruhigen Gemüthes auf den neuen Haussegen vorzubereiten, mit dem ihn seine Ehehälfte, meine liebe Frau Mutter, eben im Haus hinter den grünen Bäumen und Büschen zu beschenken gedachte.
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Seitenzahl: 56
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Das war am sechsten Juni Anno Christi 1697, da schritt vor seiner berühmten Baumschule auf der gräflich Waldeck'schen Pachtung Wetterburg mein Herr Vater seliger gar nachdenklich auf und ab, brummte und pfiff zwischen den Zähnen und kratzte sich oft genug, kopfschüttelnd hinter dem Ohr.
Hatte er allen Grund, sonderlich drein zu sehen, denn um ihn her quinkelirten und wimmelten zwölf lebendige Kinder, Büblein und Mägdlein durch einander, im Garten; liefen ihm vor die Füße, hingen sich an seine Rockschöße und verhinderten ihn nach Leibeskräften, einen vernünftigen Gedanken zu fassen und sich ruhigen Gemüthes auf den neuen Haussegen vorzubereiten, mit dem ihn seine Ehehälfte, meine liebe Frau Mutter, eben im Haus hinter den grünen Bäumen und Büschen zu beschenken gedachte.
»Das dreizehnte!« sagte er. »Das ist eine Frau! Na, Gott gebe, daß es gut ausgehe!«
Und es ging gut aus. Schlug die Glocke auf dem Thurm sechs Uhr Abends, und der Küster läutete eben den Feierabend aus, da entstand ein großes Getümmel im Garten des Pachthauses zu Wetterburg; die Wehemutter aus dem Dorf hielt über vierundzwanzig zappelnde Händlein und Hände vorsichtig ein schreiend Bündlein meinem Vater unter die Nase, und mein Herr Vater that trotzdem, daß ihm das gar nichts Neues mehr war, einen kleinen Luftsprung –
»Hurrah, ein Jung, ein lebendiger, dicker Jung! Vivat die Alte!«
Damit setzete er im Galopp durch den Garten, und all das Kindervolk folgte ihm mit wildem Geschrei, bis auf ein klein sechsjährig Mägdlein, welches bei der Wehemutter vor der berühmten Baumschule zurückblieb und sich das schreiende Ding in den Windeln erst mit großen Augen genauer betrachtete und allerhand wunderliche Fragen darob stellete und allerlei Antwort begehrete auf Dinge, die Niemand weiß. Das war mein Schwesterlein Johanna Magdalena Haasin, und ist nun lange todt, wie Vater und Mutter und alle die eilf andern Schreihälse, meine Brüder und Schwestern. Gott schenke ihnen und mir die ewige Ruhe!
Viel Thiere: Hunde, Vögel, Eichhörnchen, Katzen gab es in unserm Haus, viel Blumen blüheten vor den Fenstern, Sonnenschein und Mondenschein spielten drum her, und mein Herr Vater strich die Violin wie ein gelernter Meister. Meine Mutter aber sang ihre Wiegenlieder mit so heller Stimme, wie die jüngste Maid; obgleich sie nicht jung mehr war an Jahren, als ich das Licht dieser Welt erblickte. Meine zwölf Geschwisterlein lachten und weinten dazwischen durch alle Tonarten und Niemand wehrete es ihnen, wenn es irgend anging – – wahrlich, das war ein fröhlich Vaterhaus zu Wetterhaus in der Grafschaft Waldeck! –
Anno 1702 ist mein Vater nach Rohden in seine eigene Haushaltung gezogen, als ich grad fünf Jahre alt war.
Hüpfet mir heute noch das Herz, wenn ich dunkel mich erinnere an den lustigen Zug in diese neue Heimath. Als am vierzigsten Tage die Arche Noah geöffnet wurde auf dem Berge Ararat, und Menschen und Thiere hinaustraten in die frische Gottesluft, konnten sie nicht fröhlicher sein, als wir allgesammt. Alle meine Schwestern trugen bunte Kränze von rothen und blauen Kornblumen auf den blonden Haaren, alle meine Brüder schlugen mit hölzernen Löffeln den Reisemarsch an den Messingkesseln, bliesen die Gießkannen und Trichter, daß ihnen fast die Backen platzten. Hoch auf dem ersten Wagen hatte der Mutter und mir, dem Michelchen, der Vater eine schöne Laube von grünem Gezweig gemacht; drin saßen wir und hielten Ordnung über Alles; denn auch die Kühe, Ziegen und Schweine wurden hinten nachgeführt und auch die waren bekränzet nach Gebühr von dem Knecht und den beiden Mägden, die mitzogen, weil sie nicht von unserm Haus lassen wollten.
In Rohden bin ich vierzehn Jahre alt geworden, allda auch in die Schule gegangen und confirmiret. Da zeigte es sich, daß ich eine große Lust hatte zu den Büchern und zum Studiren, was meinem Vater schon ganz recht war, denn Keinen meiner Brüder konnte er anders als durch Schwarzbrot und Wasser und einen schwanken Haselstecken dazu bringen.
Hielt er deshalb einstmal um Weihnachten einen Rath mit dem Mütterlein, wobei ich an der Thür horchete und vernahm, daß mir zu Ostern mein Bündel gemachet werden solle, daß ich gelange an die Quelle der Gelahrtheit, mich satt allda zu trinken nach Herzenslust.
Und als der Schnee vergangen war, die Bäume und Gesträuche wieder ausschlugen, die Himmelschlüssel und Schneeglocken wieder blüheten im Walde, da sagte ich richtig dem Vaterhaus, dem Vater, der lieben Mutter und dem Geschwistervolk Valet und zog fort, schweren Herzens, mit noch zwei Kameraden durch die junggrünen Felder und Wälder, Lippstadt zu.
Ist eine schöne Festung, Lippstadt, und kann von einer Seiten eine gute Stunden in Wasser gesetzet werden, denn der Lippefluß fließet daran her. Diese Stadt ist brandenburgisch und soll vor alten Zeiten einstmal der Graf von der Lippe sie verspielet haben an den König in Preußen bis auf eine Straße, und diese contribuiret an Lippe-Detmold bis auf den heutigen Tag.
Ach, wie schlug mir das Herz gegen die Rippen, als ich die Thürme der Stadt zum ersten Male in weiter Ferne erblickte.
Noch mehr aber schlug es mir, als ich durch das Thor einzog, und meine Wandergenossen waren auch gar stille geworden. Als wir jedoch vor der Thür des Herrn Rectoris standen und Keiner wagte anzuklopfen, da tanzten uns wahrlich genug Funken und Flammen vor den Augen, und als sich endlich doch die Thüre geöffnet hatte, und wir die schwarze Gestalt inmitten der vielen Bücher vor uns erblickten, da tanzten nicht nur die Bücher und Weltkugeln und der große Ofen vor unsern Augen, sondern auch der gestrenge Herr Rektor selber mit.
Es ging aber besser, als wir es dachten in unserer Beklemmung. Auf hob der alte Herr seine bebrillte Nase, da wir uns einschoben in sein Gemach, wie die sieben Schwaben dem Hafen entgegen, und belugte uns von oben bis unten.
» Salvete juvenes!« sagte er. »Tretet näher, Ihr Bürschlein. Der Längste bleibe stehen an der Thür, der Kleinste gehe dicht zu mir heran, an den Ofen mag der Mittlere treten.«
Ich war der Kleinste; ich mußte dicht an den Lehnstuhl und die Seite des Alten.
» Bene!« sagte er und beschaute uns wiederum. »Germanisch Blut, caerulea pubes! Blaue Augen, blond Haar, gute Knochen; aber, aber .... eheu, lasset uns sehen, wie es stehet mit dem Lateinischen.«
Schlecht genug stand es, aber es ging; und alle drei wurden wir sogar in die oberste Classe gesetzet und mich hatte der gelehrte Herr vor Allen in seine Affection genommen. Ihm hab' ich es zu verdanken, daß ich bald genug ein Hospitium bekam bei dem Wallmeister, allwo auch mein Informatorenthum seinen Anfang nahm, indem ich allda drei wilden, bösen Jungen die Buchstaben lehren mußte.
Damit ging das Leiden an, welches ich ausstehen mußte in dieser Welt. Werde auch wohl nicht eher davon loskommen, als bis mich der Tod erlöset.
Auf der grünen Pachtung zu Wetterburg und zu Rohden, in meines Vaters Haus, pfiff und sang Alles, was den Mund aufsperren konnte, als sei es der Familie wie einem Vogelneste angeboren. Das kam mir nun gut zu statten; denn als gemerket wurde, daß ich die Vokalmusik erlernet habe, da durft ich mit in's Chor gehen, auch die Currende mitsingen durch die Straßen, wie unser Mann Gottes, der Doctor Martin, ja auch gethan hat. wovon das Weitere zu lesen ist in seinen Tischreden und auch anderswo. –