Aus jedem Dunkel steigt ein Licht - Hans Ernst - E-Book

Aus jedem Dunkel steigt ein Licht E-Book

Hans Ernst

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Beschreibung

Petra Hallander, Tochter eines der reichsten Bauern im Umkreis von Schaibach, soll standesgemäß heiraten. Dieter ist ebenfalls Erbe eines großen Hofes und seit vielen Jahren als Ehemann vorgesehen. Doch Petra verliebt sich in den mittellosen Kleinbauern Florian. Und obwohl es zu schlimmen Auseinandersetzungen mit ihrer Familie kommt und Dieter obendrein böse Intrigen spinnt, hält Petra bedingungslos zu ihrem Florian.

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LESEPROBE ZU

Vollständige E-Book-Ausgabe der im Rosenheimer Verlagshaus erschienenen Originalausgabe 2005

© 2017 Rosenheimer Verlagshaus GmbH & Co. KG, Rosenheim

www.rosenheimer.com

Titelfoto: Wolfgang Ehn, Mittenwald

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

eISBN 978-3-475-54726-3 (epub)

Worum geht es im Buch?

Hans Ernst

Aus jedem Dunkel steigt ein Licht

Petra Hallander, Tochter eines der reichsten Bauern im Umkreis von Schaibach, soll standesgemäß heiraten. Dieter ist ebenfalls Erbe eines großen Hofes und seit vielen Jahren als Ehemann vorgesehen. Doch Petra verliebt sich in den mittellosen Kleinbauern Florian. Und obwohl es zu schlimmen Auseinandersetzungen mit ihrer Familie kommt und Dieter obendrein böse Intrigen spinnt, hält Petra bedingungslos zu ihrem Florian.

1

Friedliche Sonnenstille lag über dem Tal der Schaibacher Ache. Die Luft flimmerte vor Hitze, obwohl der September nahte. Wie aus Glas geblasen türmten sich die Berge über dem dunklen Fichtenwald, zwischen dem man da und dort die hellen Flächen von Feldern schimmern sah.

Es war Samstag. Um zwei Uhr läutete die Glocke vom Kirchturm zu Schaibach den Sonntag ein. Das bedeutete aber noch nicht für alle Feierabend. Der Bäcker und der Metzger schlossen ihre Läden, der letzte Kunde verließ den Supermarkt. Unbeirrt aber warf die St.-Josefs-Glocke ihren schönen Klang über die Dächer und Hügel hin, damit alle es wussten, die da noch draußen auf den Wiesen und Feldern arbeiteten: Der Tag des Herrn ist nah – der Sonntag will kommen ...

Die Kirche lag auf einem der vielen Hügel, von denen das Dorf umsäumt war. Nachdem der letzte Ton verklungen war, hängte der Mesner Andreas Kumpf im Glockenhaus das Seil in den eisernen Haken und schloss die Kirchentür hinter sich. Eine Weile blieb er am Eingangsgitter des Friedhofes stehen und schaute über die ungleichen Grabmäler hin. Auf dem noch frischen Hügel der Katharina Matz waren die Kränze schon im Verwelken. Vor einem anderen Grabstein kniete die Frau Strangl und zupfte Gras aus den Blumen und im Ligusterstrauch hinter dem Grabmal des Fabrikanten Baldauf pfiff eine Amsel.

»Ja, ja«, sagte der alte Kumpf sinnierend vor sich hin, »einmal geben wir alle den Löffel ab und dann haben wir alle das gleiche Haus aus sechs Brettern. Drum ist es bei weitem besser, man lebt so gut es geht auf dieser buckligen Welt.«

Dann stieg er die dreißig Steintreppen hinunter bis zurStraße, trippelte am schneeweiß getünchten Pfarrhaus vorbei und kam zur Brücke, die über die Ache führte.

Dort lag inmitten eines gut gepflegten Obstgartens sein kleines Anwesen. Unter all den vielen Bäumen ragte groß und fast majestätisch der »Alte Jakob« heraus, ein Apfelbaum, dessen Stamm eine Bank umgab. Der Stamm war so dick, dass ihn zwei Männer mit den Armen gerade umfassen konnten. Seine Rinde war rau und bucklig wie ein ausgefahrenes Kopfsteinpflaster. Unzählige Herzen und Buchstaben waren vor Jahrzehnten schon in seinen Stamm geschnitzt worden. Er stand ja auch ganz dicht neben der Straße und lud mit seiner Bank förmlich zum Verweilen ein. Immer wieder hatten sich die Wunden geschlossen, waren vernarbt und unverwüstlich stieg auch heute noch der Saft von den Wurzeln hinauf bis zur breiten Krone, in der die Stare ihre Nester hatten und deren Laub so dunkelgrün und saftig war, als stünde der Baum noch in seinen besten Jahren.

Niemand wusste eigentlich, wer ihm den Namen Jakob gegeben hatte. Es war ja auch seltsam, dass ein Baum einen menschlichen Namen trug. Vielleicht deshalb, weil er Jakobiäpfel trug. Oder war er vielleicht einmal an einem Jakobstag gepflanzt worden? Der Mesner wusste das nicht und schon sein Vater hatte von dem Baum nie anders als vom Jakob gesprochen.

Die Beine von sich gestreckt, die Daumen drehend, saß nun der Mesner unterm Apfelbaum. Es war ein geruhsames Platzerl hier, so recht zum Träumen für junge Menschen und zum Nachdenken für die Alten. Die Ache plätscherte friedvoll dahin, in den Uferbüschen sangen die Vögel um die Wette, und wenn man den Blick etwas hob, konnte man droben den Kreuzigungshügel sehen, ein paar Aussiedlerhöfe und dann begann der Wald.

Vom Haus herüber hörte man Stimmen und das Scheppern von Putzeimern. Der Mesner wusste, dass erjetzt im Haus nicht gern gesehen war. Wenn die Weiber putzten, stand er ihnen meist im Weg, wenigstens behaupteten sie es. Er schaute auf die Uhr. Es war jetzt halb drei. Ab vier Uhr gab es beim Metzgerwirt den ersten warmen Leberkäs, frisch aus dem Rohr heraus. Das durfte er nicht versäumen.

Ein Ladewagen, hoch mit Grummet beladen, kam jetzt um die Wegkehre gerattert. Auf dem Traktor saß in Hemdsärmeln ein derbknochiger älterer Bauer. Das war der Hoider vom Joch, der hier herunten in der Ebene noch ein paar Wiesen hatte.

Als er den Mesner sitzen sah, hielt er an und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

»So schön möcht ich’s auch einmal haben wie du«, sagte er, »so am hellichten Tag unterm Jakob sitzen können!«

»Bei der Nacht sitzen eh oft genug andere da«, antwortete der Mesner.

Der Hoider schmunzelte und strich seinen Bart aus den Mundwinkeln. Vielleicht dachte er daran, dass auch er einmal vor dreißig Jahren in einer linden Maiennacht mit seiner Mariann hier gesessen war, als er sie vom Maitanz heimbegleitet hatte.

»Setz dich halt ein bissl her zu mir«, lud der Mesner ein. »Den Teufel wirst heut auch nicht mehr zerreißen.«

»Nein, wenn ich heimkomm, ist Feierabend. Hast eine Prise für einen armen Kleinbauern?«

»Kleinbauer ist gut«, lachte der Mesner. »Hat achtzig Stück Vieh im Stall und geht ihm überhaupt nichts ab!« Er zog die Dose aus seiner Hosentasche und langte mit zwei spitzen Fingern hinein. Der Hoider aber lud sich gleich einen sanften Hügel in die Mulde des Handrückens zwischen Daumen und Zeigefinger.

»Bei dir geht halt gleich immer ein halbes Packl drauf, wenn man dich einmal schnupfen lässt«, meinte der Mesner.

»Reut es dich? Vom Besten ist es ja auch grad keiner.«

»So war es doch nicht gemeint, Hoider. Wie weit bist denn schon mit dem Grummet?«

»Ein paar Fuder noch von der Lackerwiese, dann ist alles herinnen.«

»Hast ja eine gute Hilf gehabt heuer.«

»Ja, den Brandl Florian. Ein fleißiger Bursch.«

»Haben die das Häusl vom Niederegger gekauft oder bloß gepachtet?«

»Nein, schon gekauft. Sind zwei recht brave Leut, die Frau Brandl und ihr Sohn. Das Anwesen ist halt ein bissel sehr klein, darum muss ja auch der Flori nebenbei als Betriebshelfer arbeiten. Das heißt, am ersten September hat er im Forstamt angefangen.«

»Wo sind sie denn eigentlich herkommen, die zwei?«, wollte der Mesner wissen.

»Von Lechbruck drüben sind sie. Der Mann soll im Wald verunglückt sein.« Der Hoider stand wieder auf und krempelte die Ärmel seines Hemdes herunter. »Was gibt’s sonst Neues, Mesner?«

»Wüsst nichts Besonderes. Dass die Hallander Petra wieder daheim ist, weißt ja.«

»Ja, das hat meine Alte gehört, als sie bei der Matz Katharin auf der Beerdigung gewesen ist. Soll sie nicht den Bruckwieser Dieter heiraten?«

»Hab ich auch schon gehört, ja. Das Geld kommt ja immer dorthin, wo schon genug ist. Kommst morgen nach der Kirch auf einen Tarock zum Metzgerwirt?«

»Ich bin doch jeden Sonntag dort«, antwortete der Hoider und fuhr wieder los. »Weiter geht’s, damit wir Feierabend kriegen.«

Langsam rumpelte das Gefährt davon, verschwand hinter einer Wegbiegung und bewegte sich dann bergwärts, wo auf einem weithin gestreckten Hügelrücken der schöne Hoiderhof stand. Der Mesner blieb noch sitzen. Feierabendliche Stille machte sich breit. Im altenApfelbaum rauschten die Blätter in dem leise ziehenden Wind und die Sonne bekam schon goldenen Glanz.

Purpurner Schimmer ergoss sich über die abgemähten Wiesen und über den tiefblauen Schatten der Wälder und ließ die Berge Stein gewordenen Flammenzeichen gleichen. Ganz windstill war der leuchtende Abend und das Vogelgezwitscher in den Bäumen klang schon ein wenig schlafensmüde.

Unweit des schmucken Holzhauses am Waldrand, auf einer Bank unter den ersten Fichten des steil aufsteigenden Waldes, saß ein junger Bursche. Die Arme hinter der Lehne verschlungen, den Kopf zur Seite geneigt, sah er hinunter auf das Dorf, wo zwischen den Häusern schon die Dämmerung zu wachsen begann.

Florian Brandl war jetzt dreiundzwanzig Jahre alt. Er war groß und schlank gewachsen. In seinem schmalen, braun gebrannten Gesicht leuchteten zwei hellblaue Augen und über seiner Stirn bauschte sich ein Gewirr von dunklen Locken.

Im Frühjahr erst hatten er und seine Mutter dieses kleine Anwesen erworben, das man »zum Niederegger« hieß. Der Grund reichte gerade aus, um die wenigen Kühe zu füttern. Aber war das nicht schon ein gewaltiger Reichtum gegen die zwei Zimmer, die sie vorher in Lechbruck bewohnt hatten?

Florian hatte den Sommer über beim Hoider als Erntehelfer gearbeitet und nun war er seit dem ersten September im Forstamt als Waldarbeiter angestellt. Er hatte noch nicht viele Freunde in Schaibach, kam auch wenig unter die Leute und ins Wirtshaus gleich gar nicht, weil er sparsam jede Mark zurücklegen musste, denn sie hatten auf dem Häusl noch ein paar tausend Mark Schulden.

Aus dem Haus hörte man das Scheppern von Geschirr. Ein paar Hühner gackerten noch wohlig im warmen Sand vor dem Haus und das eingefangene Quellwasser plätscherte eintönig in den viereckigen Zementbottich.

Auf dem Gesicht des Burschen lag friedvolle Stille. Bald würde er den ersten Lohn erhalten und nun kam er sich wie ein kleiner Krösus vor, dessen Gedanken bereits kühn in die Zukunft schweiften. Vielleicht, dass man im nächsten Frühjahr weitere Kühe kaufen konnte, ein paar Schweine dazu und mehr Hühnervieh? Dann könnte man vielleicht auch droben die zwei Zimmer an Urlauber vermieten. O ja, da und dort ließ sich schon etwas herausholen. Man musste nur erst einmal richtig Fuß gefasst und das Gefühl der Fremdheit verloren haben, das immer noch in ihm nistete.

Plötzlich horchte er auf. Hatte nicht ein Ast hinter ihm geknackt? Gleich darauf trat ein Mädchen mit einem Henkelkorb aus dem Wald und stutzte, als es den einsamen Menschen auf der Bank sitzen sah.

Der Henkelkorb war mit Moospolstern gefüllt, und als das Mädchen nun den Schritt verhielt, sah es gerade so aus, als sei es von jemandem bei etwas Unrechtem ertappt worden. Aber es war ja nicht strafbar, so eine kleine Menge Moos zu holen, und zudem kam sie aus dem Wald ihres Vaters, des Hallander, dem an die achtzig Tagwerk dieses prächtigen Bergwaldes gehörten. Dem Hallander gehörte auch die Quelle, von der die Brandl-Leute ihr Wasser hatten. Und darum war es wohl ein wenig spaßig, dass das Mädchen jetzt fragte, ob es einen Schluck Wasser nehmen dürfe.

Florian war aufgestanden und sah mit staunenden Augen auf dieses herrlich gewachsene Dirndl, das den Korb niedergestellt hatte und nun mit der hohlen Hand etwas Wasser auffing.

»Wart einen Augenblick«, sagte er. »Du kannst einen Schluck Apfelsaft haben. Bier haben wir leider nicht.«

Das Mädchen sah ihn an, lange und nachdenklich. Dann lächelte es.

»Nein, dank schön. Wasser macht lichte Augen.«

Sie ließ die Hand jetzt sinken, neigte den Kopf weit nach unten und fing mit dem Mund den Strahl des Wassers auf. Dann richtete sie sich wieder auf, wischte sich mit dem Handrücken über die Lippen und lachte wieder.

Florian war eigentlich nicht gerade schüchtern. Aber jetzt spürte er plötzlich ein ungewohntes Gefühl von Beklemmung. Und doch konnte er keinen Blick von ihr wenden. Sie war schlicht gekleidet. Um das rechte Handgelenk trug sie ein schmales goldenes Kettchen, an dem ein kleines Medaillon hing. In der hoch aufgesteckten blonden Haarkrone schimmerten zwei silberne Nadeln von der Größe einer Kirsche. Von der gleichen Art waren auch die beiden Ohrringe.

»Dank schön fürs Wasser«, sagte sie jetzt.

»Aber geh, das ist doch kaum der Müh wert«, meinte er, griff sich dabei ans Kinn und fügte hinzu: »Dich hab ich noch nie gesehen.«

»Geb ich gern zu. Ich bin ja auch erst seit drei Wochen wieder daheim.«

»Ach so, du warst fort?«

»Ja, drei Jahre. In der Ramsau hinten. Da hab ich einem Onkel, der dort Pfarrer war, den Haushalt geführt. Jetzt ist er gestorben und ich bin wieder daheim.«

»Bist in Schaibach unten daheim?«

»Ja, mitten in Schaibach. Ich hab dich übrigens auch noch nie gesehn. Früher gehörte hier alles dem Niederegger.«

»Ja, und wir haben das Anwesen im Frühjahr gekauft.«

»Ach, so ist das! Und wer ist ›wir‹?«

»Meine Mutter und ich. Brandl heißen wir, ich bin der Florian.«

Sie setzte sich auf den Brunnenrand. Zum ersten Mal sah sie ihn jetzt länger an, so als ob sie ihn prüfen wollte. Von ihrem Blick ging eine magische Kraft aus. Wenigstens schien es ihm so. Aber er schlug seine Augen nicht nieder, dachte nur, dass sie genauso groß sei wie er und dass es bequem war, sich in die Augen zu schauen, ohne dabei auf- oder niederblicken zu müssen.

»Hast du dich denn in Schaibach schon eingewöhnt?«, fragte sie schließlich.

»Ich bin noch wenig unter die Leut kommen bis jetzt.«

»Na, in die Kirch wirst doch hinunterkommen sonntags.«

»Das schon. Aber in der Kirch lernt man keine Leute kennen.«

»Aber hernach im Wirtshaus oder auf der Kegelbahn. Da treffen sich die Schaibacher Burschen doch alle.«

Er überlegte, was er antworten sollte. So wie er sie einschätzte, wusste sie wohl kaum, was Armut bedeutete, und wahrscheinlich hatte sie nicht mit dem Pfennig rechnen müssen.

»Ja, weißt«, sagte er schließlich, »Wirtshaus und Kegelbahn kosten Geld. Und bis jetzt kann ich mir noch nicht recht viel erlauben. Wir haben noch Schulden auf dem Häusl und –« Er stutzte und fuhr sich mit der Hand über die Stirn. »Aber warum erzähl ich dir das alles? Ich kenn dich ja gar nicht.«

Sie rutschte wieder vom Brunnenrand und griff nach dem Henkelkorb.

»Recht oft komm ich ja hier nicht vorbei«, meinte sie. »Aber ich hoffe, dass ich dich doch drunten im Dorf einmal treffe. Jetzt muss ich heim, es fängt schon zu dunkeln an.«

Sie reichte ihm die Hand hin. »Gute Nacht – Florian, glaub ich, hast du gesagt?«

»Ja, Florian. Und du?«

Sie machte ihre Hand aus der seinen los.

»Ich bin die Hallander Petra.«

Dann ging sie von ihm weg. Die Dämmerung war mittlerweile aus dem Tal heraufgekrochen. Nach zehnSchritten konnte er kaum mehr ihre Gestalt erkennen. Es war ihm ganz eigenartig zumute.

Im Wohnzimmer wurde es hell. Eine Weile stand er noch und horchte auf den Schritt, der zuweilen von dem steinigen Weg herüberklang. Dann ging er ins Haus.

Die Mutter deckte den Tisch fürs Abendbrot. Sie war eine große, stattliche Frau mit viel Silber im Haar. Die Trauer um den frühen Verlust des Mannes und Vaters hatte die beiden in Herz und Gedanken einander recht nahe gebracht. Frau Brandl hatte diesen Buben fast allein großziehen müssen und er hatte ihr nie Kummer gemacht. Florian kannte auch keine Geheimnisse vor ihr und hätte auch jetzt eine ganz ehrliche Antwort gegeben auf ihre Frage, wer das Mädchen da draußen am Brunnen gewesen sei. Aber merkwürdigerweise war pötzlich in ihm etwas wie verschlossen. Erst als die Brandlin zum zweiten Mal fragte: »Wer war denn das Mädchen vorhin?«, da antwortete er:

»Ich weiß nicht viel mehr, als dass sie Petra heißt. Hab sie heute zum ersten Mal gesehn.«

Die Mutter goss ihm aus einer Kanne heiße Milch in eine kleine Schüssel und schob ihm den Brotlaib hin. Dann schenkte sie sich selber ein.

»Ich habe selten so ein schönes Mädchen gesehn«, sagte sie.

Florian blickte auf und lächelte.

»Als du in ihrem Alter warst, musst du genauso schön gewesen sein, wenn nicht schöner.«

»Komm jetzt, Bub! Du musst doch deiner alten Mutter keine solchen Sachen sagen!«

»Für mich bist du nicht alt, Mutter.«

»Schau das Silber an in meinem Haar, dann rechne dir die Jahre aus.«

»Ich weiß doch, dass du fünfzig bist.«

»Schon zwei Jahre drüber. – Also, Petra heißt sie?«

»Ja, Petra Hallander.«

Frau Brandl blickte so blitzartig auf, als hätte ihr jemand einen heißen Schrecken eingejagt.

»Hall – an – der?«

»Das muss der große Bauernhof unterhalb der Kirche sein«, meinte Florian. »Sagt dir der Name was?«

»Nein! Wie kommst du darauf?«

»Ich hab nur so gemeint.« Er schnitt sich noch eine Scheibe Brot ab, brockte es ein und aß die Schüssel leer. Hernach zündete er sich eine Zigarette an. Die Brandlin beobachtete ihn während der ganzen Zeit aufmerksam. Sie sah die kleine, dünne Falte zwischen seinen Brauen und das Nachdenkliche in seinem Blick.

»Florian, fehlt dir irgendetwas?«, fragte sie.

Er hatte sein Gesicht mit Rauch eingehüllt. Hinter dieser bläulichen Mauer hervor fragte er:

»Was soll mir denn fehlen?«

»Du bist so nachdenklich.«

»Aber, Mutter, das bildest du dir bloß ein.«

Sie gab sich zufrieden, räumte das Geschirr ab und Florian ging vors Haus. Ganz unvermittelt war die Nacht gekommen. Ein klarer Sternenhimmel war über den Bergen zu sehen. Die Wipfel des Waldes rauschten in einem warmen Wind und einmal klang der Ruf einer Eule auf. Er hörte sich an wie ein Kinderweinen.

Florian achtete kaum darauf. Er schaute talwärts, wo sich ein heller Schein über den Dächern wölbte. Das kam von den Straßenlampen, die in Schaibach brannten.

Nur eine Viertelstunde wäre es bis dorthin. Aber was wollte er dort? Er könnte doch nur vor dem Haus stehen, in dem das Mädchen wohnen musste, das heute hier auf dem Brunnenrand gesessen war und Wasser getrunken hatte.

Seltsam, dass diese Begegnung ihn so stark berührte, dass sich all seine Gedanken mit der Petra beschäftigten, dass er sie so deutlich vor sich sah, jede Linie ihres Gesichtes, jede ihrer Bewegungen.

Frau Brandl trat unter die Tür.

»Da bist du, Florian?«

»Ja, ich komm aber gleich.«

Er warf seine Zigarettenkippe weg und ging hinein. Bald darauf erlosch das Licht im Haus. Es wurde ganz still. Nur die Eule fing nach einer Weile wieder zu weinen an.

2

Die Glocken von Schaibach riefen zum Hochamt.

In der großen, mit Lärchenholz ausgestatteten Stube des Hallanderhofes stand Ulrich Hallander, der ältere Sohn, vor dem Spiegel und rasierte sich. Er war ein großer, breit gewachsener Bursche und hatte etwas Ähnlichkeit mit seiner Schwester Petra, die soeben hereinkam und auch an den Spiegel wollte.

»Bist du noch nicht bald fertig, Ulrich?«

»Gleich werd ich’s haben, Schwester. Nur nicht so hektisch! Ein eiliger Mensch hat kein Glück.«

Ulrich wischte sich den Seifenschaum vom Gesicht. Dann drehte er sich um. Die Schwester war bereits im Sonntagsstaat und wollte sich nur noch vor dem Spiegel den schwarzen Bänderhut aufsetzen. Ulrich zog die Brauen in leichter Verwunderung hoch.

»Teufel, du wirst ja immer schöner, Schwester! Wie kommt das?«

Petra spürte, wie ihr eine leichte Röte über die Stirn huschte.

»Dass dir überhaupt nie was Gescheites einfällt«, antwortete sie, drückte den Hut mit der schmalen Krempe über das Haar und ordnete die Bänder, dass sie leicht gewellt über den Rücken fielen.

»Nein, ehrlich, Petra: Ist es vielleicht, weil der Bruckwieser Dieter heut kommt?«

Petra fuhr herum.

»Was heißt Dieter? Seit ich zurück bin, war er erst dreimal da!«

Ulrich räumte sein Rasierzeug zusammen und lachte.

»Reg dich doch nicht gleich so auf, Schwester! Du tust ja grad, als wenn du Angst hättest vor der Hochzeit.« Er nahm ein Handtuch und ging ins Bad. Bei der Tür drehte er sich nochmals um. »Dass ich es nicht vergess, Petra: Der Schneider war gestern da, als du Moos geholt hast, und hat das Theaterstück gebracht, das er geschrieben hat. Du sollst da, glaub ich, mitspielen. Dort im Schrank liegt es.«

»Ich hab noch nicht zugesagt«, antwortete die Petra ablehnend. »Ich hab ihm gesagt, dass ich mir das nochmals überlegen will.«

»Er schaut heut wieder vorbei, hat er gesagt.«

Die Tür schloss sich hinter dem Burschen. Zwischen Petras Brauen stand eine strenge Falte. Dann lachte sie hart vor sich hin. Die Worte des Bruders klangen in ihr nach:

»Angst vor der Hochzeit ...«

Nein, Angst hatte sie nicht. Aber sie war auch nicht begeistert davon. Das war so eine Sache, die zwischen ihrem Vater und dem alten Bruckwieser abgemacht worden war, vor Jahren schon. Der Dieter war kein übler Bursch, wenn man davon absah, dass er oft überheblich tat und seinen Bauernstolz gern zu offen zeigte. Aber das hätte sie weniger gestört. Stolz und etwas überheblich waren ja auch die Hallanders. Gestört hatte sie eigentlich mehr die Selbstverständlichkeit, mit der der Dieter annahm, dass sie ihn heiraten würde. Er hatte sich nie Mühe gegeben, ihr Herz zu erobern, und Petra konnte sich noch genau erinnern, wie rasch sie bereit gewesen war, dem Ruf des geistlichen Onkels in der Ramsau zu folgen, ihm vorübergehend den Haushalt zu führen, nachdem die Tante Gertraud plötzlich gestorbenwar. Diese Trennung von daheim kam ihr wie gerufen. Wie ein Geschenk des Himmels hatte sie es betrachtet, etwas, das bereits unabänderlich schien, hinausschieben zu können.

Aus der kurzen Zeit, die vorgesehen war, waren drei Jahre geworden. Wohl war der Dieter zuweilen auch in der Ramsau erschienen, aber bei weitem nicht so oft, wie man von einem Menschen hätte erwarten können, den Sehnsucht und Liebe trieben.

In dem stillen und friedvollen Pfarrhaus hatte Petra begonnen, über vieles nachzudenken. Der Onkel war eine aufgeschlossene Persönlichkeit gewesen und hatte ihr einmal gesagt:

»Weißt du, Petra, am liebsten wäre mir ja, du würdest immer bei mir bleiben. Ja, so ein egoistischer Mensch bin ich. Aber da ist doch dieser Bruckwieser Dieter, den du heiraten willst.«

»Soll«, hatte sie geantwortet und daraufhin hatte der Pfarrer ihr eine lange und eindringliche Predigt gehalten über den Sinn der Ehe und dass nur die Liebe, die wirkliche und wahre Liebe, die einzige Voraussetzung für ein dauerhaftes Glück sein könne.

Nun war aber der Onkel gestorben und Petra war heimgekommen.

Die Glocken läuteten wieder. Es war Zeit, zur Kirche zu gehen. Doch Petra musste sich erst gewaltsam losreißen von einem merkwürdigen Gedanken. Sie hatte die ganze Zeit am Fenster gestanden und zu der Höhe hinaufgeschaut, auf der das Niedereggerhäusl stand.

Ja, seit gestern war etwas anders geworden. Sie fühlte es, aber sie wagte kaum, es sich einzugestehen, weil sie dabei das Gefühl hatte, eine alte Ordnung stürze jäh zusammen, ohne für das Neue ein Tor zu öffnen.

Sie griff nach dem Gebetbuch, das auf dem Fenstersims lag, und ging. Im Flur stieß sie auf den Vater, den Stephan Hallander, der auch zum Hochamt wollte. Erfasste gerade in seine Westentasche, ob er das nötige Kleingeld für den Klingelbeutel dabei habe.

»Du bist noch da?«, sagte er. »Dann können wir ja miteinander gehn.«

Die Sonne lag gleißend über dem Dorf. Auf der Achenbrücke begegnete den beiden der in Schaibach im Ruhestand lebende Professor Gebhardt, der mit seinem weißen Zwergspitz einen Morgenspaziergang machte. Freundlich zog der alte Herr den Hut vor dem Riesen im grauen Trachtenanzug, der so selbstbewusst neben seiner schönen Tochter schritt.

»Guten Morgen, Herr Hallander. Guten Morgen, Petra.«

»Guten Morgen, Herr Professor.« Der Hallander war höflich, wo er meinte, dass es sich lohne, höflich zu sein. Den Burschen, der von einem Seitenweg her gekommen war und beim Friedhofsgitter so freundlich sein Hütl rückte, beachtete er schon nicht mehr. Das war doch der Hungerleider vom Niederegg droben, erinnerte er sich flüchtig und wandte sich dem Gasteiger zu:

»Wie steht’s mit einem Tarock hernach beim Metzgerwirt?«

Die Petra aber war feuerrot geworden. Seit sie an diesem Morgen erwacht war, hatte sie sich gewünscht, dass auch er zum Hochamt herunterkomme. Nun stand er da. Sein leuchtender Blick hing an ihr. Sie nickte ihm zu. Aber stehen bleiben, nein, das konnte sie wohl nicht. Sie schaute sich unter der Kirchentür flüchtig um und sah, dass auch er langsam auf das Glockenhaus zukam.

Feierlichte Orgelklänge umfingen sie, das Sakristeiglöckchen erklang und der Pfarrer schritt mit den Ministranten zum Altar. Etwas später begann er mit der Predigt. Er sprach von einem großen Abschied und meinte damit den Sommer, sprach vom ersten Reif, der Blumen und Blüten knickte, dass aber dies alles kein Tod in Ewigkeit sei, sondern dass alles sich erneuere und auferstehe.

Der noch junge Pfarrer von Schaibach war ein guter Prediger, und seit er hier amtierte, war das Gotteshaus stets gut besucht. Heute aber hatte er eine andächtige Zuhörerin weniger, denn was er den Menschen ins Herz predigen wollte – die Hallander Petra bekam kaum etwas davon mit. Sie blickte geradeaus zu dem vielfarbigen Mosaikfenster, hinter dem die Sonne schien und hinter dem sie die hügeligen Herbstwiesen wusste, die ganze leuchtende Schönheit eines Spätsommermorgens. Es kostete sie Selbstbeherrschung genug, sich nicht ein einziges Mal umzudrehen – spürte sie doch dauernd den Blick zweier Männeraugen in ihrem Rücken. Ihr Herz klopfte ungewöhnlich laut, als erwartete es etwas Besonderes. Noch nie hatte sie mit solcher Ungeduld das letzte Amen herbeigesehnt. Immer hatte sie mit einem leisen Zorn auf diejenigen geschaut, die sich schon beim letzten Segen aus der Kirche schlichen. Heute tat sie es selber. Das Gebetbuch fest an die Brust gedrückt, ging sie an den Bankreihen vorüber und vergaß sogar, ihre Spende in den Opferstock zu werfen. Aber wie sehr enttäuscht war sie, als sie den Florian nirgends sah. Die Sonne schien auf einmal gar nicht mehr so hell und der Gesang der Vögel war traurig.

Sie stieg die Steintreppen hinunter und ging am Mooskoglwirt vorbei, wo bei der Kegelbahn unter den Kastanienbäumen einige Burschen standen. Darunter war auch der Bruckwieser Dieter, der es aber gar nicht der Mühe wert fand, ein paar Worte mit ihr zu wechseln. Er winkte ihr nur nachlässig zu und rief herüber:

»Grüß dich, Petra! Halt mir den Daumen, dass ich jetzt ein paar Achtzehner schreib!«

Petra verzögerte den Schritt nicht, gab auch keine Antwort, sondern nickte dem Dieter nur flüchtig zu und ging weiter zum Supermarkt, der jeden Sonntag nach dem Hochamt für eine Stunde öffnete, obwohl dies verboten war. Aber wo kein Kläger, da auch kein Richter. Nicht einmal die Polizisten nahmen Notiz davon.

Im Supermarkt erstand sie nur ein paar Kleinigkeiten und ging dann, um nicht mehr beim Mooskoglwirt vorbei zu müssen, an der Ache entlang bis zur Brücke.

Ein leichter Wind war aufgekommen und spielte mit Petras Hutbändern; er bauschte sie auf wie zwei schmale schwarze Flügel und legte sie hernach wieder zurück.

Plötzlich stockte ihr Schritt. Auf der Brücke lehnte sich jemand mit beiden Armen auf das Geländer und schaute auf das Wasser hinunter. Bei ihrem ersten Schritt auf die hölzernen Bohlen wandte er sich um. Ein verlegenes Lächeln auf dem Gesicht, schaute er ihr entgegen. Schüchtern streckte er ihr die Hand entgegen.

»Grüß dich, Petra.«

Ihr Blick versank für Sekunden in dem seinen. »Grüß dich, Florian«, antwortete sie und wunderte sich, dass ihre Stimme so ruhig klang.

»Du wirst mir doch nicht bös sein, Petra, dass ich auf dich gewartet hab?«

Ihre Hand ruhte noch immer in der seinen. »Du hast auf mich gewartet? Warum?«

»Ja, warum? Das frag ich mich auch schon die ganze Zeit. Ich hab es einfach tun müssen, Petra. Ich weiß selber nicht warum, ich weiß nur, dass ich froh bin, dich wiederzusehen.«

Jetzt erst befreite sie ihre Hand aus der seinen, ganz langsam, als könne sie sich aus der warmen Geborgenheit seiner Hand nur schwer lösen. Sie lehnte sich neben ihn an das Geländer und schaute gleichfalls hinunter auf das eilig fließende Wasser, das so klar war, dass sie das Spiegelbild ihrer Gesichter darin sahen.

Petra wartete darauf, dass er etwas sage. Aber er blieb stumm. Sie fühlte nur, wie seine Augen mit einer solchen Zärtlichkeit und Wärme auf ihr ruhten, wie sie es bisher noch nie gefühlt hatte.

»Sonst geh ich ja meistens in die Frühmesse«, begann sie endlich zu reden, nur um irgendetwas zu sagen. DieEhrlichkeit hätte es verlangt, dass sie hinzugefügt hätte: Bloß heut hat’s mich ins Hochamt getrieben ... Doch das verschwieg sie, weil sie die Frage nach dem »Warum« fürchtete, die er wohl stellen würde. Er aber sagte:

»Ich bin heut auch in der Frühmesse schon hier unten gewesen, mit meiner Mutter.«

Überrascht drehte sie ihm ihr Gesicht zu.

»Warum?«

»Nun«, lachte er, »wenn man jemanden gern sehen will, dann darf einem kein Weg zu zeitig sein.«

Petra betrachtete ihn schweigend. »Gestern um diese Zeit hast du mich noch gar nicht gekannt«, sagte sie schließlich.

»Leider nicht.«

»Und heut willst du mir schon weismachen, dass du meinetwegen zweimal den Weg gegangen bist!«

»Ich will dir gar nichts weismachen, Petra.«

»Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass eine so kurze Begegnung, wie wir sie gestern gehabt haben –«

Sie hatten sich jetzt beide umgedreht und standen mit dem Rücken an das Geländer gelehnt. Unweit von ihnen schwirrten Stare und Schwalben um die Krone des »Alten Jakob« und unter der Haustür des Mesnerhäusls stand die Sabine, die Tochter der Mesnerleute, und schaute neugierig zur Brücke herunter.

»Ja«, gab Florian zu, »du hast Recht. Die Begegnung war kurz, aber sie hat ausgereicht, dass ich hernach noch lange an dich hab denken müssen. Das müsstest du eigentlich gefühlt haben.«

Ihr verschlug es fast den Atem vor Freude. Das Herz klopfte rasend. Natürlich hatte sie es gefühlt und sie fühlte auch jetzt mit glücklichem Bewusstsein, dass er die Wahrheit sprach. Gleichzeitig aber stieg ein schwerer Gedanke in ihr auf.

Das hat ja alles keinen Sinn, dachte sie. In der Mittagsstille hörte man von der Kegelbahn herüber das Rollender Kugeln und das Poltern der stürzenden Kegel. Dort war der Bruckwieser Dieter, dem das Spiel wichtiger war, als eine Stunde mit ihr zu plaudern. Dieser junge Bruckwieser war schon an ihr Leben gebunden worden, noch ehe sie ihr Herz hatte sprechen lassen können. Jetzt aber wollte das Herz sprechen, wollte ein neues Lied singen. Sie lauschte dieser fremden, zärtlichen Melodie, die in ihrem Herzen sang, und durfte sich doch dieser wundersamen Weise nicht hingeben, durfte nicht aus der Bahn brechen, nicht vom Weg abweichen, der ihr vorgezeichnet war. Klar und nüchtern überdachte Petra alles. Es hieße, gegen eiserne Schranken anzurennen, wollte sie ausbrechen und dem Verlockenden folgen, das wie ein Wirbelsturm über sie hereinzubrechen drohte. Und es wäre ein Fehler, dem Menschen, der sie so zärtlich mit Blicken streichelte, auch nur eine kleine Hoffnung zu machen.

Schweren Herzens entschloss sie sich, ihm zu sagen, dass es keinen Sinn hätte, jemals wieder irgendwo auf sie zu warten. Aber sie brachte es nicht fertig. Sie fühlte, dass er ein guter, unverdorbener Mensch war, dem man nicht wehtun sollte.

Sie stieß sich vom Brückengeländer ab. »Ich muss jetzt heim, Florian.«

»Ja«, erwiderte er sofort. »Es fällt ja sonst auf, wenn du so lang weg bist.«

»Das auch«, gab sie zu, wartete ein Weilchen und fügte hinzu: »Ich hab mich gefreut, Florian, dass ich dich getroffen hab, aber ich weiß nicht, ob es gut ist, wenn du öfter auf mich wartest.«

Über seiner Stirn war wieder eine kleine, scharfe Falte. Sein Mund wurde streng und schmal.

»Das musst du wissen, Petra.«

»Ja, eben, weil ich es weiß.«

»Ich kann mir schon denken, warum«, stieß er heraus und schob dabei die Unterlippe trotzig vor. »Was bin ich denn schon gegen dich? Morgen früh muss ich für eineganze Woche wieder ins Holz. Achtzehn Mark in der Stunde verdient man da. Und Überstunden muss ich machen, denn eine Vierzigstundenwoche kann ich mir noch nicht erlauben, ehe nicht die Schulden an unserm Häusl abbezahlt sind.« Seine Stimme war ein wenig ins Schwanken gekommen. Doch er hatte sich schon wieder gefasst. »Ich bin dir nicht bös, Petra. Aber musst mir schon erlauben, dass ich ein bissl geträumt hab. Von einem Glück, weißt, nach dem sich schließlich jeder Mensch einmal sehnt. Und wenn die Sehnsucht stark ist, dann wird man halt leichtsinnig und schaut auch einmal über einen Zaun hinüber, hinter dem es für unsereins nicht so viel zu hoffen gibt. Servus, Petra, und – lass es dir immer recht gut gehn!«

Noch ehe sie etwas darauf erwidern konnte, war er schon weggerannt.

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