Aussichtslose Liebe - Nicole Morf - E-Book

Aussichtslose Liebe E-Book

Nicole Morf

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Beschreibung

Claudia und Thomas sind seit 22 Jahren glücklich verheiratet und haben drei gemeinsame Kinder. Seit geraumer Zeit hat Thomas viel Stress bei der Arbeit und ist diesbezüglich absolut überfordert. Er vernachlässigt dadurch seine Frau zusehends und im Bett herrscht schon lange Funkstille. Claudia leidet sehr darunter. Als Thomas auf Geschäftsreise ist, bekommt sie Besuch von Philipp, einem langjährigen Freund ihres Mannes. Claudia lässt sich auf ein verhängnisvolles Abenteuer ein. Er ist besessen von ihr und entführt sie eines Tages in eine Waldhütte . . .

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Claudia Brunner ist 43 Jahre alt. Sie ist eher ein häuslicher Typ und liebt das Kochen, wobei sie auch eigene Rezepte, selber kreiert. Backen gehört ebenfalls zu ihrer grossen Leidenschaft, wo sie sich verwirklichen kann. Sie liebt es, ihre Kreationen mit den unterschiedlichsten Backutensilien zu verzieren, denn da sind keine Grenzen gesetzt. Neulich hat sie für eine Geburtstagsfeier einen ausgefallenen Kuchen, in Form eines Wohnwagens gebacken, wozu sie eine eckige Kuchenform verwendet hat. Vier grosse, runde Biscuits haben als Räder gedient, während sie die Rechteckigen, um die Fenster einzubauen, benötigt hat. Der Wohnwagen hat eine weisse Zuckerglasur erhalten, wie bei einem Zitronencake. Der, aus Biscuits bestehende Boden, hat sie mit grüner Lebensmittelfarbe eingefärbt, sodass der Camper von einer grünen Wiese umgeben gewesen ist. Ihr Kuchen hat grossen Anklang bei der Feier gefunden und sie ist ebenfalls stolz auf sich selbst gewesen. Zudem kann sie sich auch mit Kreuzworträtseln und kniffligen Ratespielen die Zeit gut vertreiben. Ihre schönste Beschäftigung ist es aber, Mutter von drei Kindern zu sein, die nicht unterschiedlicher sein könnten. Alessia ist ihre älteste Tochter und hat erst vor einer Woche ihren zwanzigsten Geburtstag gefeiert, indem sie eine grosse Party auf die Beine gestellt hat. Sie ist ziemlich extrovertiert und mag es im Mittelpunkt zu stehen, zudem ist sie bodenständig und weiss, was sie will. Seit zwei Monaten hat sie einen neuen Freund, der Marco heisst und italienische Wurzeln hat, jedoch dringt das italienische Temperament bei ihm nicht so durch. Im Gegensatz zu Alessia, die gerne und viel redet, ist Marco eher der ruhige Pol und zieht sich lieber in den Hintergrund zurück. Claudia findet, dass sie nicht zusammenpassen, aber Gegensätze ziehen sich bekanntlich an, dennoch glaubt sie, dass die Beziehung nicht von langer Dauer sein wird. Sie redet da ihrer Tochter nicht rein, da sie alt genug ist und ihre muss eigenen Erfahrungen sammeln muss. Rico ist siebzehn Jahre alt und manchmal ziemlich chaotisch unterwegs. Er lebt einfach in den Tag hinein und alles ist immer easy. Musik bedeutet ihm alles. Er ist Schlagzeuger einer vierköpfigen Rockband, namens Future. Er investiert seine ganze Freizeit in seine Band, die er mit seinen Kumpels aus der Schule vor etwa vier Jahren gegründet hat. Sie haben sogar einige Songs selber geschrieben und auch schon kleine Auftritte gehabt. Für eine Freundin findet er jedoch keine Zeit, obwohl er bei den Mädchen sehr gut ankommt. Er sieht mit seinen blonden Haaren und dem frechen Haarschnitt gut aus. Die Seiten und der Nacken sind sehr kurz, beinahe kahl rasiert. Eine rote Haarsträhne in den Fransen, macht die Frisur geradezu perfekt. Rico nimmt sich morgens für das Styling immer genügend Zeit, dafür kommt das Frühstück meistens zu kurz. Natascha ist mit ihren elf Jahren das Küken der Familie, deshalb wird sie von ihren Geschwistern, die sie in allen möglichen Situationen in den Schutz nehmen, vergöttert. Auch sie legt mit ihren jungen Jahren schon viel Wert auf ihr Äusseres und schaut sich dabei viel von ihrer älteren Schwester Alessia ab. Sie ist schüchtern, kann aber einen ziemlichen Dickschädel haben. Wenn sie mal was behauptet, dann bleibt sie beharrlich bei ihrer Meinung. Ihre Fähigkeiten zeichnen sich durch ihre Kreativität aus. Sie kann sehr gut Malen, vorallem aber macht sie sehr schöne Bleistiftzeichnungen und auch beim Basteln hat sie die ausgefallensten Ideen. Dann ist da noch Thomas, ihr liebevoller Ehemann, der 46 Jahre alt ist. Er ist gross, schlank und sehr sportlich. Um seinen Körper in Schwung zu halten, besucht er wöchentlich, manchmal auch zweimal in der Woche, ein Fitnessstudio. Was er aber dem Fitnessstudio vorzieht, sind Wanderungen in der Natur, wobei er gut vom Alltag abschalten kann. Thomas hat eine gute Portion Humor und ist meistens zu einem Spässchen aufgelegt. Wenn ihm jedoch wirklich etwas gegen den Strich geht, kann er schon mal ausrufen und auf den Tisch klopfen, ansonsten ist er bei anderen Menschen sehr beliebt.

Vor zweiundzwanzig Jahren haben sich Claudia und Thomas kennengelernt. An diesem Abend hat Claudia ihre ältere Schwester Sandra und ihren Schwager Michi zum Spaghetti-Plausch eingeladen und hat sie mit drei selbstgemachten Saucen, wie Carbonara, Bolognese und eine mit Lachsstreifen, verzaubern wollen. Da die beiden überzeugte Vegetarier und leider auch ziemlich heikel was Essen betrifft sind, hat sie gedacht, dass sie mit Spaghetti nichts falsch machen kann. Ihre Schwester hat ihren selbstgemachten Lieblingsdessert, das einem Panna Cotta ähnlich kommt, aber mit Baylies zubereitet, mitbringen wollen, jedoch ist dann alles ganz anders gekommen.

Claudia ist spät dran gewesen, da sie noch einkaufen und ihre 2 ½- Zimmerwohnung ein bisschen auf Vordermann hat bringen müssen. Ihre Wohnung ist für einen Single im Grundriss ziemlich gross gewesen, aber sie hat dafür einen relativ kleinen Balkon gehabt, wo gerade noch ein kleines Tischchen mit zwei Stühlen Platz gefunden haben. Drei Balkonkistchen mit wunderschönen, herunterhängenden Betunien, in rot, gelb und weiss haben den Balkon geziert. Claudia hat schon viele Komplimente von ihren Nachbarn für die farbige Blumenpracht erhalten. Sie legt zudem viel Wert auf die Wohnungseinrichtung und hat mit Dekorationen, die sie meistens von einem Einrichtungshaus bezogen hat, das Beste aus der Wohnung herausgeholt. Sie ist im Besitz einer grauen Polstergruppe gewesen, die sie als Gästebett hat ausziehen können, was sehr praktisch und auch schon einige Mal in Gebrauch gewesen ist. Sie hat den Verkäufer gefragt: „Gibt es diese auch in anderen Farben?“ „Nur noch in Schwarz.“ hat er geantwortet und ihr das Stoffmuster gezeigt. Die Entscheidung hat sie schnell getroffen, da sie keine Schwarze mehr haben wollte. Das öde Grau hat sie dann mit schönen, grünen Kissen aufgepeppt und somit hat sie dann ganz toll ausgesehen. Es ist typisch für Claudia, dass sie unangenehme Arbeiten vor sich herschiebt und alles andere ausser Putzen macht, denn dies gehört, weiss Gott nicht zu ihrer Lieblingsbeschäftigung. Kleider bügeln ist da ein bisschen eine Ausnahme, da sie die Arbeit vor dem Fernseher erledigen und sich dabei ihre Lieblings-Serie „Castle“, eine Krimiserie, anschauen kann. So hat sie beinahe das Gefühl gehabt, die Wäsche bügle sich von selbst.

Claudia hat sich auf den Weg gemacht, um die Einkäufe für ihren Besuch zu erledigen und ist zur Bushaltestelle geeilt, hat aber den Bus um ein Haar verpasst. „Verdammt noch mal!“, hat sie vor sich hin geflucht. „Das hat ihr gerade noch gefehlt.“ Laut Fahrplan ist der nächste Bus erst eine halbe Stunde später gefahren, da ist ihr nichts anderes übrig geblieben, als zu warten. Aus lauter Langeweile hat sie aus ihrer Tasche ein Päckchen Zigaretten hervorgekramt und angezündet. Sie hat einige tiefe Züge genommen und hat sich dabei etwas entspannt. Mit etwa zwanzig Jahren hat sie zusammen mit ihrer Kollegin Sophie angefangen zu Rauchen. Als ein kleiner Lebensmittel-Shop seine Neueröffnung gefeiert hat, haben die Angestellten an der Kasse ein Feuerzeug mit dem Logo des Shops K2000 verteilt. Sie haben den kleinen Laden mit dem Willkommensgeschenk verlassen und sich auf dem Weg begeben. Claudia hat Sophie nur kurz angeschaut und sie ist der Meinung gewesen, den Gedanken ihrer Kollegin lesen zu können. „Claudia“, hat Sophie ihren Gedankenfluss unterbrochen und sie gefragt: „Sollen wir uns Klimmstengel kaufen, was meinst du?“ „Ein Feuerzeug haben wir jetzt ja.“ Claudia hat gelacht und gesagt: „Ich habe soeben das Gleiche gedacht.“ Sie sind wieder zum K2000 zurückgelaufen und haben den Laden erneut betreten. Sophie hat sich noch ein paar Kaugummis und einen Deo zum Sprayen geschnappt und gesagt: „Das können wir gut gebrauchen, damit wir nicht nach Rauch stinken.“ Claudia tut es ihr gleich. Sie haben sich zur Kasse begeben, um die Zigaretten zu kaufen, die oberhalb der Kassiererin in einem Gestell gewesen sind. „Habt ihr noch etwas vergessen?“, hat die mollige, aber freundliche Kassiererin gefragt und hat die Artikel vom Förderband genommen, um sie zu scannen. „Wir müssten noch zwei Päckli Parisienne haben, bitte“, hat Claudia gesagt. Ihr ist gerade keine andere Marke in den Sinn gekommen. Draussen haben sie sich dann ihre erste Zigarette angezündet und sind sich dabei mega cool und erwachsen vorgekommen.

An der Bushaltestelle haben sich unterdessen einige Leute versammelt. Claudia hat ihre Zigarette ausgedrückt, als der Bus gekommen ist und die Leute eingestiegen sind. Der Buschauffeur ist dann endlich losgefahren und hat pünktlich an der Haltestelle „Zentrum Sonnenhof“ gehalten. Die Leute sind ausgestiegen und die meisten von ihnen haben sich ins Einkaufszentrum begeben, um ihre Einkäufe zu erledigen.

Die Wolken haben sich zusammengebraut und es hat leicht zu tröpfeln begonnen. Laut Wetterbericht sollte es am späteren Abend noch ziemlich stark zum Regnen kommen. Es ist April gewesen und das Wetter hätte nicht passender sein können, denn die Sonne hat zwischendurch mal hinter den Wolken hervorgeschaut.

Claudia hat sich zum Laden, beziehungsweise zu den Einkaufswägen begeben, die vor dem Eingang ineinander gereiht gewesen sind. Um einen Wagen entnehmen zu können, hat es ein Zweifranken-Stück benötigt, jedoch hat sie keinen in ihrem Geldbeutel finden können. Normalerweise hat sie immer einen Jeton dabei, da sie aber gelegentlich ihr Geldbeutel, sowie ihre Handtasche wechselt, hat sie ausgerechnet heute keinen. Sie hat sich kurzerhand an den Mann vor ihr gewendet: „Entschuldigen Sie bitte“, der Mann hat sich zu ihr umgedreht, „Könnten Sie mir eventuell Geld wechseln?“ „Einen Moment, bitte“, hat der sympathische Mann gesagt und sich wieder an sie gewendet: „Nein, ich habe leider kein Wechselgeld, aber einen Jeton, habe sogar noch einen zweiten, ist mal ein Werbegeschenk gewesen.“ „Sie können ihn behalten.“ „Wirklich?“, „Oh vielen Dank.“ hat sie gesagt und sich über sein Geschenk gefreut. „Gern geschehen und viel Spass beim Einkaufen.“ Claudia hat nun ihren Einkaufswagen ins Getümmel gesteuert und ist froh, wenn sie ihren Einkauf bald hinter sich hat. Sie ist vor dem Käse-Regal stehen geblieben und bei der grossen Auswahl ist sie unschlüssig gewesen, welchen sie nehmen soll. Plötzlich ist der Mann, der ihr den Jeton geschenkt hat, lächelnd hinter ihr gestanden und hat gesagt: „Da hat man die Qual der Wahl, nicht?“ „Ich kann Ihnen den Limburger empfehlen.“, Er hat auf den kleinen Käse in der roten Verpackung gezeigt und hat gemeint: „Dieser stinkt zwar fürchterlich, aber schmeckt hervorragend.“ „Ok, Sie haben mich überzeugt, ich probiere ihn mal“, hat sie scherzhaft gesagt und ihr Gegenüber etwas genauer betrachtet. Er hat ein kantiges, männliches Gesicht und trägt einen Drei-Tage-Bart, leicht grau meliert. Sie hat sich eingestehen müssen, dass ihm diesen sehr gut steht und irgendwie interessant macht. Zudem hat sie gefunden, dass er nicht allen Männern steht und bei einigen sogar ungepflegt aussieht. „Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.“ hat er gesagt. „Das wünsche ich Ihnen auch, danke.“ Claudia hat ihren Einkauf fortgeführt und sich danach an die Selfservice-Kasse begeben, um ihre bereits selbst gescannten Artikeln, mit der Kreditkarte zu bezahlen. Sie hat mit ihren zwei gefüllten Einkaufstaschen den Laden verlassen und ist vom Wetter überrascht worden, denn mittlerweile ist es vom leichten in strömendem Regen übergegangen. „Oh nein, da werde ich ja triefend nass und ein Regenschirm habe ich auch nicht mitgenommen.“ hat Claudia gedacht und über sich selber genervt. Sie hat sich unter das kleine Vordach des gegenüberliegenden Schuhgeschäfts begeben und die schweren Einkaufstaschen abgestellt. „Was, schon so spät?“ ,hat sie erschrocken festgestellt, als sie die grosse Uhr mit einer digitalen Anzeige in einem Uhrengeschäft gesehen hat. Die Leuchtziffern haben bereits 14:47 Uhr angezeigt und sie hat noch so viel zu erledigen, bis der Besuch kommt und ihr nächster Bus fährt erst wieder in einer halben Stunde.“ Eine etwas ältere, aber sehr modern gekleidete Dame mit einem Rollator, hat ebenfalls dort Unterschlupf gefunden. Sie hat sich zu Claudia gewendet und mit dem Finger, an dem sie einen prunkvollen Ring getragen hat, zum Himmel gezeigt und gesagt: „Dort hinten wird es schon wieder heller und es hört bestimmt bald auf zu schütten..“ „Ja, hoffentlich.“ hat Claudia gesagt und sich um ein Lächeln bemüht. Es ist irgendwie nicht ihr Tag gewesen und sie hat sich gestresst gefühlt. Hätte sie doch nur früher mit den Vorbereitungen angefangen. Claudia hat ihr Handy aus der Handtasche genommen, als sie ihren neuen Klingelton „We will rock you“ von Queen gehört hat. Als sie das Profilbild ihrer Schwester auf dem Display gesehen hat, hat sie ihren Anruf entgegengenommen und gesagt: „Ja Sandy, was gibt’s?“ „Hallo Claudia, ich glaube, wir müssen das Essen verschieben.“ Sie hat irgendwie aufgeregt geklungen. „Michi hat einen Unfall gehabt.“ „Er ist mit dem Fahrrad gestürzt und ich habe ihn in den Notfall bringen müssen.“ „In den Notfall?“, hat Claudia besorgt gefragt, „Wie schlimm ist es?“ „Er hat sich beim Sturz dermassen seine Kniescheibe zertrümmert und seinen rechten Fuss stark verdreht.“ „Wir müssen abwarten, was der Arzt sagt.“ „Wir warten beinahe schon eine Stunde auf ihn und Michi hat ziemliche Schmerzen und im Notfall haben sie alle Hände voll zu tun.“, hat sich ihre Schwester beklagt. „Ich halte dich auf dem Laufenden und wegen dem Essen tut mir echt leid, aber das holen wir nach, o.k?“ „Ganz bestimmt.“ hat Claudia geantwortet. „Grüsse Michi von mir und richte ihm alles Gute aus.“ „Das mache ich.“ Somit haben sie ihr Gespräch beendet.

Es hat einige Minuten später aufgehört zu Regnen. Claudia hat nun ihre beiden Taschen gepackt und dann ist es passiert. Sie hat ihren Augen nicht getraut, als sie gesehen hat, wie die Einkaufstaschen am Boden nachgelassen haben und beinahe alle Lebensmittel auf die Strasse gekullert sind. Die Dame mit dem Rollator ist zu ihr rüber gekommen und hat zu ihr gesagt: „Ich würde Ihnen gerne helfen, aber leider kann ich mich nicht gut bücken, wissen Sie, ich bin nicht mehr die Jüngste.“ Claudia ist beinahe den Tränen nahe gewesen. „Was ist heute nur los mit mir und wie kann ich nur so blöde sein, Einkaufstaschen aus Papier auf den nassen Boden zu stellen?“ „Das ist doch logisch, dass die Papiertüten dann reissen,“ hat sie gedacht und sich darüber geärgert. „Ich glaube, der junge Mann kommt Ihnen zur Hilfe,“ hat die ältere Frau gesagt und in seine Richtung geschaut. Tatsächlich ist es der Mann gewesen, der ihr den Jeton geschenkt und gerade noch eine Käse-Empfehlung abgegeben hat. „Warten Sie hier“, hat der Mann gesagt, „Ich hole Ihnen stabilere Tüten.“ In der Zwischenzeit hat sie sich überlegt, ob sie ihn als Dankeschön zum Kaffee einladen soll. Sie hat ja wieder genügend Zeit, da ihre Schwester gerade zum richtigen Zeitpunkt angerufen hat und es ihr, ehrlich gesagt, gerade gelegen kommt. Nur schade, dass es unter solchen Umständen hat geschehen müssen. „Der arme Michi, hoffentlich bekommt er bald etwas gegen seine Schmerzen.“

Als ihr „Helfer“ wieder mit den Tüten zurückgekommen ist, hat sie bereits wieder schmunzeln können und hat zu ihm gesagt: „Jetzt haben Sie mir schon so viel geholfen und nun bin ich an der Reihe: „Kann ich mich bei Ihnen mit einem Kaffee revanchieren?“ Claudia hat gehofft, dass es nicht wie eine Anmache geklungen hat, denn sie weiss ja nicht, ob er verheiratet ist. „Ich nehme ihre Einladung gerne an.“, hat er gesagt und hilft ihr die Taschen wieder einzuräumen. „Hätten Sie jetzt Zeit?“, hat Claudia gefragt: „Gleich um die Ecke hat es ein hübsches Café.“ „Ah, Sie meinen sicher das Flamingo?“ „Ja genau.“, sagt sie. Eine grosse Blechfigur, in Form eines Flamingos, steht vor dem Eingang des Cafés. In seinem Schnabel trägt er ein Schild, auf dem in Grossbuchstaben „FLAMINGO“ und darunter mit schwarzer, geschwungener Schrift „Café und Bar“ steht. Das Café ist gut besucht und beliebt bei jung und alt.Die Serviertochter ist gerade dabei gewesen, die kleinen Tische abzutrocknen und wieder für die Gäste herzurichten. Da es nur ein Platzregen gewesen ist und die Wolken der Sonne wieder Platz gemacht haben, haben sie sich entschieden, draussen an einer der Tische zu setzen. Während sie auf die Bedienung gewartet haben, hat er zu Claudia gesagt: „Ich bin übrigens Thomas.“ „Das freut mich und ich heisse Claudia.“ So hat ihre Liebe angefangen.

Thomas kommt mit einigen Couverts und einem Paket in der Hand, das an Claudia adressiert ist, von der Arbeit nach Hause. Er gibt ihr einen flüchtigen Kuss und wendet sich gleich wieder der Post zu und fragt sie: „Hast du wieder mal bei Ali Express bestellt?“ Ali Express ist eine Internetplattform, wo man sämtliche Artikel weltweit zu spottbilligen Preisen bestellen kann, vorausgesetzt man hat eine Kreditkarte. Er reicht ihr das Paket und sie antwortet erfreut: „Endlich ist meine Handtasche gekommen, auf die ich schon fast drei Wochen gewartet habe.“ Bei Ali Express können die Lieferfristen bis zu einem Monat dauern.

Thomas öffnet einen Brief, der mit dem Logo der Firma Sazzio versehen ist, bei der er mittlerweile auch schon über neun Jahre angestellt ist. Bald kann er sein 10-jähriges Jubiläum feiern. Diese setzen sich mit Hochspannunsanlagen auseinander, ein sehr interessanter, aber zugleich anspruchsvoller Beruf, bei dem viel abverlangt wird. Gelegentlich kommt es vor, dass er auf mehrtägige Montage im In- oder Ausland, gehen muss. Das weitentfernteste Land, das er je bereist hat, ist Japan gewesen. Er hat danach viel Interessantes über das Land des Lächelns, wie über deren Kultur, die Menschen, sowie Essgewohnheiten, zu erzählen gehabt. Thomas hat in gewissen Ländern oft Schwierigkeiten was das Essen anbelangt, da er sehr heikel ist und sich sagt: „Was ich nicht kenne, das esse er nicht.“ Da bleibt einem nichts anderes übrig, als die Essensauswahl ziemlich einzuschränken, umso mehr freut er sich, wenn er wieder zu Hause ist. Claudia verwöhnt ihn aber nicht allzu sehr, da ihre Einstellung ganz anders als seine ist, nämlich: „Was auf den Tisch kommt, wird gegessen.“ Das führt immer wieder zu Diskussionen.

„Ah, die Einladung für das Sommerfest ist gekommen.“, sagt Thomas. „Sollen wir uns wieder anmelden? “fragt Claudia. Die Firma Sazzio lädt grosszügig ihre Mitarbeiter mit Anhang ein. „Das letzte Mal war es echt lustig.“, sagt Claudia. Thomas rollt mit seinen Augen, schmunzelt und sagt: „Du hast einiges an Alkohol getrunken und warst so betrunken, dass ich dich stützen musste.“ ,sagt er, lacht und nimmt sie herzlich in die Arme. Leider kommt das in letzter Zeit immer weniger vor. Er hat viel Stress im Geschäft und wenn er nach Hause kommt, ist er oft müde und manchmal auch gereizt. Oft bleiben Zärtlichkeiten zwischen ihnen immer mehr aus und sie leidet ziemlich darunter. Sie hat ihn diesbezüglich auch schon angesprochen, aber er bestätigt nur, dass er am Abend wirklich müde sei und dafür nicht so viel Zeit habe. Somit sind die Diskussionen beendet.

Am letztjährigen Firmenanlass hat Thomas Claudia nach dem Fest ins Auto gehievt und sie ist sofort eingeschlafen. Er ist im Dunkeln eine abgelegene Strasse entlang gefahren und plötzlich hat er von Weitem eine Gestalt wahrgenommen. Es hat den Anschein gemacht, als ob dieser eine Mitfahrgelegenheit gesucht hat.“ „Maus“ hat er gerufen, in der Hoffnung, dass sie wach wird, was aber nicht der Fall gewesen ist. Sie hat nur kurz den Kopf gehoben. Thomas hat sich entschieden diesen Jungen, schätzungsweise im Alter zwischen 30 und 35 Jahre alt, mitzunehmen. Man weiss ja nie was ihm hätte passieren können, so alleine auf der Strasse. Er haltet mit der alten Peugeot - Familienkutsche direkt vor seinen Füssen an. Ganz mulmig dabei ist es ihm schon nicht.