Auszeit mit Fremden - Michael Kootz - E-Book

Auszeit mit Fremden E-Book

Michael Kootz

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Beschreibung

Selbst, aber anderswo... Oder: Was zeigt sich von uns wenn sich die äußeren Umstände ändern? Die Menschen in meinen Erzählungen verschlägt es an Orte und in Situationen, die ihnen fremd sind. Da ist der schüchterne Familienvater, der sich die Bank mit einer Kröte teilen muss, oder der Bademodenhersteller, der in die Pampa entführt wird. Auf einer Klassenfahrt kochen allseits Sehnsüchte hoch, der Entwicklungshelfer erbt ein Firmenimperium, und die Beautyoptimiererin ist plötzlich angewiesen auf die Hilfe von Fettwanst, Putzfrau und Kaffeetante:: Was passiet mit ihnen? Was lassen sie geschehen, und was machen sie daraus?

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Seitenzahl: 356

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Erzählungen schreiben zu können empfinde ich als großes Geschenk. Manche tauchen in fast fertiger Form in meinen Gedanken auf, an anderen ändere und feile ich über Monate oder länger. Meist macht es mir einen Heidenspaß, manchmal zieht sich der Vorgang quälend lange hin. Immer allerdings bin ich verblüfft über das, was sich in meinem Kopf zu eigenen Wirklichkeiten zusammmenfügt. Mir selbst scheinen meine Texte nie ganz fertig zu sein.

Andere Erzählungen von mir sind bereits erhältlich: Sechs unter dem Titel 'Unvertraut' (ISBN 9783755733423 , Books On Demand, 2021) und der Text 'Kummerkonzert' in der Anthologie 'Pandemie' (Hirnkost Verlag, Berlin 2020). Weitere Bände sind in Vorbereitung.

Inhalt

Kaltes Wasser

Frühe Vögel und eine Kröte

Zikaden und Grillen

Die letzten Stunden der kostbarsten Wochen

Erlenmeyers Räume

Hochland

Ausblicke und Ansichten

Tagebuch und Henkelbecher

Total bescheuert, das alles hier

Auszeit, Freizeit, Spielzeit

Zur Entstehung dieses Buches

Kaltes Wasser

Als sie den Kies auf dem Parkplatz vor dem Gasthof knirschen hörte, setzte die Frau mit dem Lockenkopf ihren Putzeimer ab. Sie schob die gehäkelte Gardine beiseite, nur so weit, dass sie aus dem Fenster spähen konnte: Sehen wollte sie, wer da aussteigen würde aus dem goldbraunen Cabrio, einem Volvo. Aber nein: Niemand stieg aus, sondern jemand glitt heraus, eine blonde Frau. Biegsam wie eine Bodenturnerin floss sie aus dem Fahrzeug, richtete sich langsam auf und streckte die Arme gen Himmel, bevor sie sich einmal um die eigene Achse drehte. Indem sie schließlich sekundenlang kerzengerade stehen blieb, präsentierte sich Dr. Sigrid Anne Berking, vor wem auch immer.

„Schon wieder eine von denen…“, murmelte die Frau hinter der Gardine, ehe sie ihren Putzeimer nahm. „…wieder mal so eine“, seufzte sie. Was genau sie damit meinte, hätte die Frau auf Nachfrage nicht zu beantworten gewusst. Es war ohnehin niemand da, der sie hätte fragen können; es sollte sich aber klären.

Die Fahrerin des Cabriolets schien sich wohlzufühlen, so wohl, dass sie sich tief atmend von neuem dehnte und streckte, immer das Meer unterhalb des Gasthofs im Blick. Katzenhafte Bewegungen von Rumpf und Armen waren es, nach links und rechts, nach oben und unten. Zum Abschluss rollte sie den Kopf, bei geschlossenen Augen. An die Wirksamkeit dieser Übungen glaubte sie, mehr noch: Von deren Notwendigkeit gerade nach einer langen Autofahrt war Sigrid fest überzeugt, und sie hätte nichts dagegen gehabt, dabei beobachtet zu werden, zumal sie sicher war, dabei natürlich gut auszusehen, heißt: Sehr gut auszusehen, und zugleich ganz natürlich. Eine Frau, sichtlich noch vor der Lebensmitte, in bester Verfassung und bester Stimmung.

Auf den letzten Kilometern hatte die Straße dicht am Ufer der weiten Bucht entlanggeführt. Sigrid hatte sehen können, dass inmitten der See eine Insel lag… oder waren es mehrere kleine? Sicher war sie nicht, da sie die Wasserfläche noch nicht hatte überschauen können. Der Gasthof jedoch lag am Hang. Sein Parkplatz bot einen guten Blick aufs Meer, das hier weit ins hügelige Waldland griff. Von dieser Höhe aus erkannte Sigrid inmitten der Bucht deutlich die Handvoll Inselchen, putzige Eilande - manche wohl nicht größer als der Parkplatz eines Einkaufszentrums. Unregelmäßige Fleckchen Land waren es, von denen einige bloß einen Steinwurf voneinander entfernt zu sein schienen. Schroffe, rötliche Felsen ohne Strand zeichneten sich an den Ufern ab. Im Inneren der Eilande leuchtete vereinzelt das frische Grün von Rasenflächen, es gab auch Bäume und wenige weiß strahlende Punkte: Sommerhäuschen. Auf der am nächsten liegenden Insel konnte Sigrid einen Bootssteg erkennen, der sich hinaus in die See schob. Deren Wasser zeigte sich kühl seidenblau. Seide!! Blau!! Sigrid genoss die Worte mehr noch als den Anblick selbst, denn seidig war eines ihrer liebsten, und Seidenblau ihre Lieblingsfarbe. Seidig, das gab Sigrid ihren Patientinnen gern als Maßstab für Schönheit, als Motto. Bevorzugt illustrierte sie es durch ihre eigene Haut, ihre eigenen Haare: „Schauen Sie, meine Dame, das ist möglich, wenn man sich dermatologisch beraten lässt; wenn Sie im Anschluss die richtigen Produkte verwenden, wenn Sie sich therapeutischen Fachkräften anvertrauen und, natürlich, selbst etwas Mühe aufwenden.“

Seidig auch Sigrids Kleidung, schimmernd, ohne aufdringlich zu glänzen.

Der allerletzte Kilometer bis hier heraus zum Gasthof hatte sich als Schotterpiste erwiesen, ärgerlicherweise, obwohl die Straße sogar noch weiter führte, bis zur Kurklinik… und die galt doch als einigermaßen mondän. Verstimmt schüttelte Sigrid den Kopf. Sie ging um ihr schimmerndes Cabriolet herum, erst links, dann rechts zurück; es hätten sich frische Kratzer im Lack finden können, aber zum Glück: Entwarnung. Als Dr. Berking am Ende ihrer Runden aufblickte, lag wieder die Bucht vor ihr. Im Dunst des Vormittags waren die entferntesten Eilande nur unscharf zu ahnen, man sah aber, dass sich hinter ihnen die Bucht zum offenen Meer hin öffnete, wo sich sonnenbeglänzt ein haushohes Fährschiff nach Süden schob. Leichter Wind ließ das Wasser glitzernd aufblitzen und verstreute unzählige Kristalle. Sigrid fühlte sich erinnert, aber an was? Diamantsplitter, fand sie und war stolz auf sich, Diamantsplitter auf einer Nagelfeile. Diamantsplitter. Traumhaft!

Das reicht jetzt, entschied sie. Sigrid wurde streng mit sich: Nicht zum Vergnügen bin ich hier, sondern um zu arbeiten. Ich bin ziemlich genial, bescheinigte sie sich, mein Konzept ist fantastisch, es wird ein Premium-Wochenende.

Sie hatte das Cabrio abgeschlossen, als sie stutzte: Außer ihrem Wagen stand nur ein Auto auf der weiten Schotterfläche, ein verbeulter Kleintransporter mit örtlichem Kennzeichen. Der gehört zum Haus, vermutete Dr. Berking. Nur kurz war sie war irritiert, dass von denen, die sie als ihr Team bezeichnete, noch niemand eingetroffen war; dann hatte sie die Erklärung: Ich bin halt die Nummer Eins. Sie war zufrieden.

Indem der Parkplatz klein und uneben war, ohne Einfriedung und nicht asphaltiert, passte er zum Hotel, einem zweistöckigen Gebäude mit fast flachem Dach. Es blieb verborgen, woraus dieser Bau errichtet war, denn waagerecht angebrachte Bohlen bedeckten die Fassade, überlappend wie die Planken eines Wikingerschiffs. An geschützten Stellen zeigte das Holz Reste grünen Anstrichs, weithin war diese Farbe allerdings schuppig aufgeplatzt oder fehlte ganz. Dort schimmerten die Bretter silbrig, jedenfalls dann, wenn ein Sonnenstrahl darauf fiel. Das Dutzend kleiner, quadratischer Fenster wirkte wie nachträglich in die Wände hineingeschlagen. HAUS ZUM FERNBLICK stand in verblassten roten Buchstaben auf einer Planke über der niedrigen Eingangstür, inmitten der Front. Flankiert wurde diese Tür von zwei Blumenkübeln: Alte Plastikbottiche waren dies, wie man sie zum Mischen von Mörtel benutzt, und irgendwann hatte jemand mit breitem Pinsel Blumensträuße darauf gemalt - verblichen zwar, aber lebendiger als das mickrige Pflanzengrün, das sich dort nun aus der Erde wagte.

Sigrid schüttelte den Kopf. In dieser Bude, dachte sie, da werden wir uns ja kaum aufhalten müssen; arbeiten werden wirdochin der Kurklinik. Gottseidank!

Auf den Stufen zum Eingang schlug ihr türkisfarbener Rollenkoffer hart auf. Klack – klack – klackklack. Sigrids Schritte dagegen waren nicht zu hören, nicht einmal, nachdem sie die Innentür geöffnet hatte und durch die Halle zum Empfangstresen ging. Auf schmalen Füßen in flachen Schuhen glitt Sigrid vorwärts, schwebte fast und stand schließlich still. Wartend blickte sie sich in der kleinen Halle um: Die Wände mit Federbrettern verkleidet, altersbraunes Kiefernholz. Seitlich jeweils niedrige Türen, durch deren Milchglas ein blasser Schein dämmerte; aber vielleicht war es nur der Schimmer des Glases selbst. Sein Licht bekam der Raum jedenfalls von einer Neonröhre unter der Decke, denn vor den Fensterchen zum Parkplatz hingen dichte Gardinen. Links von der Rezeption, deren Pult aus breiten Brettern grob gezimmert war, erhoben sich bis hohe, zerschrammte Holzfächer, alle leer bis auf zwei, in die Rucksäcke gezwängt lagen. Rechts bedeckten Landkarten die Wand, Wanderkarten vielleicht, und, auf eine Korkplatte gepinnt, irgendwelche kleinen Informationsblätter,. In den Ecken der Halle drängten sich Holzstühle um fleckige Tischchen, über denen kleine Hängelampen hingen, ausgeschaltet. Hier möchte ich nicht in die Schmutzecken schauen, dachte Sigrid, aber ein Wochenende werd‘ ich überleben.

Sie war erwartet worden, aber gezeigt werden sollte ihr das nicht: Ruhig wrang die braunlockige Frau, die in der Nische neben der Eingangstür den Boden geputzt hatte, das Wischwasser in den Eimer. Den stellte sie beiseite und stopfte ihre gelben Gummihandschuhe in die Tasche der Kittelschürze, bevor sie auf Sigrid zukam. „Guten Tag“, sagte die Frau, „guten Tag.“

„Doktor Sigrid Anne Berking.“ Eigentlich, fand Sigrid, sollte das genügen. Die Putzfrau, fast einen Kopf kleiner als der Gast, nickte langsam, stirnrunzelnd. Sigrid betrachtete die Frau: Unfrisierte Locken um ein jung wirkendes Gesicht, gelbes Haarband. Unter ihrem fleckigen Kittel trug die Person einen grob gestrickten dunkelgrünen Pullover, die Ärmel hatte sie hochgeschoben bis über ihre Ellbogen; dazu einen verwaschenen Jeansrock mit Fransen, darunter lila Strumpfhosen, in denen kräftige Waden sich abzeichneten. Mit Sicherheit haben die Strümpfe Löcher, war Sigrids Überzeugung, und nur wegen der schmutzig weißen Gummischuhe der Putzfrau konnte sie es sich nicht durch Augenschein bestätigen; Leider nicht.

„Doktor Sigrid Berking. Dermatologin.“ Pause. „Hautärztin.“ Pause. „Ich bin wegen der Fortbildung hier, die Planungsgruppe hat mich angemeldet.“ Aus ihrem dunkelblauen, schmiegsam weichen Lederrucksäckchen zog sie die Unterlagen, legte Rucksack und Papiere dann mitten auf den Tresen.

Die Frau in der Kittelschürze antwortete langsam. „Ja, schon. Ich überlege nur grad‘ … die Tagung fängt ja erst morgen an. Samstagnachmittag. Geht also bis Montag. Ich mach‘ gerade noch klar Schiff, sehen Sie ja. Aber für morgen sind Sie dann angemeldet.“

Was ist das denn jetzt? Morgen? Die Frau hat Nerven! „Entschuldigung, natürlich fangen wir heute an. Heute Nachmittag. Ich würde jetzt gern auf mein Zimmer.“

Die Putzfrau war hinter den Tresen getreten, wo sich vermutlich ein kleines Podest befand, denn nun war sie auf Augenhöhe und musterte Sigrid wortlos: Der blaue Reif im schulterlangen blonden Haar wurde begutachtet, das ebenmäßige Gesicht, die leichte, schimmernde Jacke im namenlosen Farbton zwischen Perlmutt und Flieder, dazu die locker fallende sportliche Hose aus makellos weißem Jeansstoff und - dabei stellte die Frau sich auf ihre Zehenspitzen und lehnte sich vor - schließlich Leinenschuhe in Altrosa. Weiße Sohlen, hellgraue Schuhbänder. Nun, aus der Nähe, roch die Frau die zarte Duftwolke um Sigrid Berking.

Teuer, alles wohl ganz schön teuer, murmelte die Frau im grünen Pullover. Sie drehte den Bildschirm des Rechners so, dass die Besucherin darauf blicken konnte. „Schauen Sie mal, das ist die Mail, mit der Sie angemeldet worden sind. Sie und fünf Kolleginnen. Samstag bis Montag. Wegen dem Feiertag am Montag so geplant, vermute‘ ich.“

Kolleginnen? Von wegen, denkt die Ärztin, spricht es aber nicht aus. Hilfskräfte, es gibt einen Kopf bei der Sache, und das bin ich. Sie Die Putzfrau räuspert sich.

„Sie selbst können ja heut schon ihr Zimmer beziehen, das Haus ist ja fast leer.“ Die Frau putzte sich die Nase, entschuldigte sich dafür und fügte hinzu, dass der Gast sicher oben in der Psychosomatischen Kurklinik zu Mittag essen könne; „ … zu einem erhöhten Preis, klar; schmeckt aber, sagen die Leute.“

Sigrid schluckte. Möglicherweise hab ich die Mails zu flüchtig gelesen; aber Lehrgänge sind doch wirklich nie, nie, nie von Samstag bis Montag. Schwachsinn! Gern hätte sie die Person hinter dem Empfangstresen jetzt laut beschimpft, blieb aber stumm, denn: Lächerlich machen wollte sie sich nicht. Blöde Ziege, dachte sie ersatzweise, und: Du dummes Schaf! Sie räusperte sich. „Dann zeigen sie mir mal das Zimmer.“ Die Andere nahm das Rollenköfferchen und löschte das Deckenlicht.

O weh. Als Sigrid den kleinen Raum betrat, wurde ihr bewusst, dass sie für sich selbst immer, Immer!!! Doppelzimmer buchte, wenn sie auf Reisen war. Dies hier war nun eindeutig ein Einzelzimmer, zudem: Der Schrank war ein frühes Modell von IKEA, schäbigt und mit Schrammen; das Bett zwar neuer, aber sehr schmal. Gegenüber in der Ecke ein Fernseher, klein, aber immerhin. Der Geruch allerdings… Luftgetrocknete Wäsche, erkannte Sigrid; die Laken werden rau sein. Die Laken, und die Handtücher auch.

„Wo ist mein Bad?“

„Links am Ende des Flurs, für die fünf Zimmer hier im Ersten. Oben ist noch eins, für den zweiten Stock.“

Sigrid fand keine Worte, sie verdrehte die Augen. Die Andere verstand, sie räusperte sich. „Die beiden Gruppenzimmer, die haben aber noch extra Nasszellen.“

„Dann werd‘ ich wohl erst mal eine Dusche nehmen.“ Durch ein Eckfenster sah Sigrid das Meer und in der Ferne die Inselchen.

„Warten Sie lieber bis halb sieben, dann gibt’s warmes Wasser“

„Wie bitte?“

„Warmes Wasser ab halb sieben.“

„Ich bestehe darauf, jetzt warm duschen zu können. JETZT.“ Das ist ja nicht zu fassen. In was für eine Klitsche bin ich hier denn geraten, jede Jugendherberge ist da ja besser. Nicht mal Warmwasser! Die Frau in den Gummistiefeln war schon an der Tür, als der Gast sie am Ärmel des grünen Pullovers festhielt: „Ich möchte die Geschäftsführung sprechen.“

„Dann kommen Sie bitte mit nach unten.“

In der Halle trat die kleine Frau hinter den Empfangstisch. Sie zog die Kittelschürze aus, nahm ihr Haarband ab, strich sich Locken zurück, dann schaute sie auf. „Miriam. Ich bin die Geschäftsführerin. Sie haben eine Beschwerde?“

„Wo gibt’s denn sowas, dass man im Hotel kein warmes Wasser hat?“

Die Frau blickte Sigrid in die Augen. „Jaaa … wo gibt’s denn sowas? Hier gibt’s das. Mehr geht noch nicht, wissen Sie. Wir haben dies Haus hier letzten Herbst übernommen; war früher eine Herberge für Wanderer, stand dann leer, na ja. Wir setzen auf die Besucher von Leuten in der Klinik, und auch auf Wanderer, klar. Pö-a-pö versuchen wir das Haus auf Vordermann zu bringen. Das dauert aber und muss sich dann erst noch rumsprechen.“

„Und warmes Wasser gehört nicht zum Vordermann, wie ich sehe.“

Die Geschäftsführerin zuckte die Achseln. Sigrid sah, dass sie Kaugummi kaute. Kaugummi! Vermutlich schon die ganze Zeit! Die Frau schüttelte bedächtig ihre Locken, bevor sie antwortete.

„So auf Verdacht heizen… das ist für uns nicht drin, bei den Zimmerpreisen, die wir nehmen können… .Warmwasser morgens bis neun, dann wieder ab achtzehn Uhr dreißig. Steht übrigens auch im Kleingedruckten. Im Winter? … Mal sehen. Wir haben ja erst Mai.“ Sie kaute, mit geneigtem Kopf. „ Sorry, ich muss jetzt doch mal arbeiten.“

In Frau Dr. Sigrid Anne Berking wurde ein Schalter umgelegt. Zack! Keine Dusche. Kahles Zimmer. Kratzige Bettwäsche. Keine Gäste im Haus. Tote Zeit. Ihr Blutdruck schoss nach oben, die Ärztin fand sich irgendwo zwischen Wut, Panik und Verzweiflung: „Und was, bitte, soll ich hier den ganzen Tag tun?“ Kaum ausgesprochen - schon blass im Gesicht: Wie sie ihn an sich selbst hasste, diesen Jammerton, dies kleinmädchenhafte Fordern, als ob meine Mami oder sonstwer gefälligst für Dr. Sigrids gute Laune zu sorgen hat. Wie peinlich! Aber wie berechtigt, irgendwie, oder? Und doch peinlich. Sie kniff die Lippen zusammen.

Mit gerunzelter Stirn blickte die Geschäftsführerin durch die Ärztin hindurch und bis zum Meer weit hinter dem dunklen Holz der Eingangstür. „Sie könnten spazieren gehen. Bisschen wandern, wenn sie so Schuhe mithaben. Oder was lesen, paar Bücher haben wir ja schon. Oder natürlich auch paddeln.“

„Sie haben Boote?“

„Und Sie können paddeln? - Na denn. Komm‘ Sie, schauen Sie mal selbst.“ Gummischuhe eilten voraus, mit geübten Schritten auf einem Trampelpfad zur Bucht. Ihnen folgten Leinenschuhe mit weißen Sohlen, leicht und kleinschrittig, bemüht, nicht etwa in Matsch zu treten. Es ging aber alles gut.

Als die Frau namens Miriam die rückwärtige Tür der Halle öffnete, stockte ihrer Begleiterin der Atem. Seit der Schulzeit hatte Sigrid Berking nicht mehr ein solches Bootshaus gesehen, seinen Duft nicht mehr in der Nase gespürt. Dutzende von Paddelbooten ruhten im Dämmerlicht der hölzernen Halle wie tot auf Böcken aus Holz. Andere lagen, an die Wände gekauert, auf stählernen Tragarmen. Mit ihren weich gerundeten Rümpfen, mit ihren spitzen Enden erinnerten diese Kajaks Sigrid immer noch an riesige, nach dem Fang ausgelegte Fische, an Fische in matten Farben, an Fische, die nach Wasser und Algen rochen, aber vor allem süßlich, nach Kunstharz. Ach ja, Kajaks… . Hinten in der Halle, bei den zwei schweigenden Frauen, brannte kein Licht, aber vorne, zum Meer hinaus, flutete Sonnenschein durch das weit geöffnete Tor. Eine Rampe aus dunklen Bohlen führte hinab ans glitzernde Wasser.

„Riesige Auswahl“, sagte Sigrid irgendwann, „wer soll all die Boote denn fahren?“

„Mal seh‘n. Haben wir von dem Wanderverein mit übernommen; lauter alte Schätzchen; wollten die nicht mehr.“

Sigrid musterte die Kajaks: Vor allem Einer, meist gedrungene Wildwasserboote, sowie ein paar kurze Zweier. Die Farben mussten einst schreiend gewesen sein - Rot, Orange, Lila, Hellgrün und Rosa …, nun sämtlich verblasst, zerkratzt, verschrammt. Dazu gab es ein halbes Dutzend breiter Kanus in Schlammfarben, grün oder braun. Nahe dem Wassertor freilich hob sich ein Boot von allen anderen ab, sehr lang, schmal, leuchtend gelb; Sigrid zeigte darauf. „So alt nun auch wieder nicht, die Schätzchen, wenn ich das da hinten sehe.“ Miriam ging voran, pochte auf eins der alten Kajaks, dann auf das gelbe Boot: „Polyethylen, hören Sie! Klingt dumpfer. Vom Gewicht her nicht so tünstig, aber ideal wegen den Felsen hier. Unkaputtbar. Hat Erik mitgebracht.“

Alte Schnepfe, dachte Sigrid, natürlich weiß ich, was ein Boot aus Polyethylen ist. Aber dir werd‘ ich grad erzählen, dass ich zweimal Silber gemacht habe, Wildwasser-Landesmeisterschaften, auf dem Gymnasium.

Unter all den gedrungenen Kajaks mit ihren gedeckten Farben, mit den zerschrammten Rümpfen leuchtete ihr das schmale Boot strahlend gelb entgegen.

Eine goldene Königin, oder der goldene König von allen Booten hier.

„Das werd‘ ich fahren.“

Miriam schien zu überlegen. „Ist mehr so ein Rennboot, der Fischotter; na gut, auch zum Wasserwandern, um Strecke zu machen. Hat im Heck ein Schott, sehn Sie mal, ist da ja breiter, viel Stauraum. Ist ein bisschen kipplig, findet Erik. Und man benötigt die Hecksteuerung, wegen der Länge. Der Otter ist sonst echt schwer rumzukriegen.“

Erst jetzt sah Sigrid den am Bug aufgeklebten Namen: Fischotter. Leuchtend blaue Schrift. Hecksteuerung…, dachte sie, … im Leben hab ich beim Wildwasser keine Hecksteuerung gehabt, meine Liebe. Vielleicht brauchst Du ja die Hecksteuerung … „Den Otter krieg‘ ich schon rum, glauben Sie mir. Den nehm‘ ich.“

Die andere sah auf ihre Armbanduhr. „Na gut. Spritzdecke und Steuerblatt liegen drin, müssen sie bloß einhängen und die Steuerschnüre dranbinden. Rettungswesten hängen im Schrank, Paddel suchen Sie sich selbst aus. Mittlere Länge, würd ich sagen. Wenn sie mit uns zu Abend essen wollen, rufen Sie vor fünf an. Jetzt haben wir bald elf Uhr. Ich geh‘ weiter arbeiten.“ Durchs Wassertor trat sie hinaus in die Sonne und verschwand um die Ecke der hölzernen Halle.

Endlich ist die weg! Sigrid griff sich ein Paddel, leuchtend blau. Wie der Bootsname … schöner Kontrast zum Gelb; Landesfarben. Gut werden wir zwei aussehen. Jetzt mal gucken, ob ich alles dabei habe. Hallo Weißkittel

Am Reißverschluss ihres blauen Rucksacks baumelte ein daumengroßer Arzt aus Plastik, das Geschenk einer Kollegin. Weißer Kittel, rotes Stethoskop, dunkle Brille. Sigrid zog am Ärztchen und überprüfte ihre Ausstattung: Geld und Handy? – Unverzichtbar, immer dabei. Heute dazu auch die Sonnenbrille? Vorhanden. Das Fläschchen mit einem isotonischen Getränk? Eingepackt. Dazu etwas Heftpflaster und zwei Energieriegel - man weiß ja nie. Als Sigrid das lange gelbe Boot die Bohlen hinuntergleiten ließ, klopfte ihr Herz. Herzklopfen? Alleine auf dem Wasser war sie seit Jahren nicht mehr gewesen, erst recht nicht auf dem Meer – aber warum nicht! Es war ein begeistertes Herzklopfen, und Sigrid vergaß sich darüber zu ärgern, dass die Andere ihr beim Boot nicht zur Hand gegangen war.

Die Geschäftsführerin wartete auf dem Parkplatz, bis sie die blonde Frau im Boot sitzen sah, auf dem Wasser, und sie beim Paddeln beobachten konnte. Ziemlich kurzes Paddel, fand sie, und ganz schön wacklig im Otter, hab ich ihr doch gesagt. Mit dem Gleichgewicht hatte die Frau dort unten aber nur kurz zu kämpfen. Schlangenlinien! beobachtete Miriam als nächstes, doch schon hatte die Andere sich auf das Boot eingestellt und glitt geradeaus. Wie paddelt die denn? Die Augen der Beobachterin wurden groß, denn ohne dass Spritzer aufstiegen, schnitten die Paddelblätter ins Wasser, und wenn sie herausgezogen wurden, löste sich kaum ein Tropfen. Miriam pfiff durch die Zähne. „Die Frau kann’s echt“, sagte sie laut, „die kann’s wirklich.“ Ein Lied summend, ging sie zurück an ihre Arbeit.

Links, rechts, links, rechts … Sigrid hielt auf die erste Insel zu. Sie mochte es, ihre Arme und Schultern zu spüren, wenn das Paddel das Boot vorwärts zog, und genoss die leichten Drehungen des Rumpfes. Ob der Wuschelkopf mir wohl nachschaut? Ob die Hoteltante sauer ist, dass ich keine Rettungsweste trage? Sigrid lachte und freute sich am Gleichmaß der Züge: Links, rechts, links, rechts … Nun konnte sie entspannt den kommenden Tagen entgegensehen, hoch zufrieden war sie schon jetzt mit ihrem Konzept, mehr noch: Sie war stolz auf ihre geniale Idee, auf das neue Angebot, das Sigrid für den Gesundheitsmarkt entwickelt hatte: Skin Care in Motion, die völlig neue Integration von Physiotherapie und Skin Beauty Care. Die verbindende Idee, wusste Sigrid, sie war das Entscheidende, denn die notwendigen Produkte standen doch längst bereit. Was man noch brauchte, das waren Fälle, also richtige Menschen, praktische Beispiele; bunte Fotos für Online-Auftritte und für Presseberichte, dazu begeisterte Berichte von Kundinnen.

Der scharfe Bug des Bootes schnitt lautlos durchs Wasser, das hier, am Ende der Bucht, spiegelglatt lag.

Sogar die Multiplikatoren habe ich schon, dachte Sigrid zufrieden, und das ist erst der Anfang. Fünf Praxen für Physiotherapie hatte die Dermatologin schon gewonnen für ihr Konzept, bei dem es nur Gewinner geben konnte: Die Physiotherapeuten würden Trainings anbieten, die versprachen, die Hautstraffung besonders zu fördern. Auf die kritischen Hautpartien müssten während der indizierten Übungen freilich speziell formulierte, hochpotente Lotionen einwirken. Diese Lotionen nun würde niemand anderes als Sigrid den Patientinnen verordnen, selbstverständlich individuell, nach eingehendster Untersuchung… Respekt und persönliche Zuwendung waren hier die Stichworte.

Eine Möwe ließ sich wenige Bootslängen vor Sigrid ins Wasser fallen, eine zweite folgte, sie schienen zu streiten; Wasser spritze, als einer der Vögel aufstieg und schreiend nach Süden davonflog. Der andere hob ebenfalls ab und flog in östlicher Richtung.

Sigrid war von sich begeistert. Die individuell aktive Physiotherapie gäbe den Kundinnen das stolze Bewusstsein, Verantwortung für sich zu übernehmen, an sich zu arbeiten. Dass es sich bei alledem nicht um Leistungen der Krankenkasse handeln konnte, verstand sich von selbst. Gerade die hohen Ausgaben würde den Patientinnen aber das Gefühl geben, sich wirklich einmal etwas zu gönnen.

Warm war ihr geworden, von der Sonne und auch vom Paddeln. Seit wann hatte sie das nicht mehr getan? Fünfzehn Jahre waren das mindestens, aber fit war sie ja: Schwimmen, Yoga ... Ihre dünne Jacke stopfte sie hinter die Sitzlehne, zum Rucksäckchen. Baseballkappe und Sonnenbrille musste sie aufbehalten, denn zwar brachte ein leichter, stetiger Ostwind Kühlung, doch die Sonne hatte Kraft. Es würde bald Mittag sein.

SKIN BEAUTY PHYSIOTHERAPY … oder: SKIN AND BEAUTY PRACTITIONING…? SHINY SKIN PROJECT? Was für ein Schwachsinn. Sigrid lachte laut. Um den Namen gab es Diskussionen, klar war nur: Englisch musste er sein. Für die Kundschaft entscheidend wären letztlich Papiere, nämlich die seriös aufgemachten Zertifikate an der Wand, die üppig gestalteten Prospekte, die Visitenkarten und dergleichen mehr. Das Sahnehäubchen wären freilich die Empfehlungen, die man einander ausstellen würde. Sigrid würde den Therapeuten gestatten, ihr Angebot mit dem Zusatz NACH DR. MED. SIGRID ANNA BERKING, DERMATOLOGIN zu versehen; sie selbst wiederum würde darauf hinweisen, dass ihre Verordnungen dem ARBEITSKREIS SKIN BEAUTY entsprächen. Gemeinsam würde man herausstellen, dass das Verfahren KLINISCH ERPROBT sei. Deshalb kam man ja an diesem Wochenende hier zusammen: Nach zwei Tagen mit freiwilligen, begeisterten Teilnehmerinnen aus der Kurklinik für Psychosomatische Medizin würden alle auf die KLINISCHE ER- PROBUNG verweisen können, ohne rot zu werden.

Etwas brannte in ihrer linken Handfläche. Die Ärztin legte das Paddel quer vor sich aufs Boot und schaute nach. Sie entdeckte eine Blase, ein Bläschen nur. Es hatte sich schon geöffnet; rohes Fleisch war zu sehen, eine winzige Flächenur, wenige Quadratmillimeter. Kein Wunder, fünfzehn Jahre nicht gepaddelt, keine Hornhaut. Ein wenig ärgerte sie sich, wirklich nur ein klein wenig, die gute Laune hielt also an. Weiterpaddeln! Weiter paddeln? Vor Sigrid lag keine Insel, sondern das offene Meer. Einen Moment lang war sie verwirrt. Den Kopf gewendet, und klar war, dass ihr Boot von selbst den Kurs geändert hatte, um fast neunzig Grad, trotz des gleichmäßigen Paddelschlags. Da müssen irgendwelche Strömungen sein, und vielleicht der Wind. Tatsächlich: Der Wind war kräftiger geworden. Das lange Kajak wieder auf Kurs zu bringen war weit mühseliger, als Sigrid es von ihren gedrungenen Wildwasserbooten her kannte. Rundlich und nur halb so lang wie dies Rennboot, ließen sie sich mühelos auf der Stelle um sich selbst drehen. Der Paddlerin stand die Fußsteuerung vor Augen, das silbergrau schimmernde Ruderblatt aus Aluminium, das nun im Bootshaus auf dem Boden lag. Aber Steueranlagen sind was für Weicheier, versteifte sie sich, für absolute Weicheier, überflüssiger Nepp; kein Kanu hat ein Steuerblatt, es geht auch so! Mittlerweile hielt sie wieder direkt auf die erste der Inseln zu.

Ein knapper Kilometer nur, und sie hatte den Bootssteg nahezu erreicht. Sie wurde erwartet. „Kaffee!“ rief laut eine große Frau, die sich von ihrem Klappstuhl auf dem Anleger erhob, „Kaffee!“. Lange graue Zöpfe rahmten das braun gebrannte, faltige Gesicht über der hellen Strickjacke. Die Frau legte ein Buch aus der Hand, nahm eine silbern glänzende Isolierkanne, die neben ihr auf den Bohlen gestanden hatte, und hielt sie hoch in die Luft. Der Wind bauschte ihr bodenlanges braunes Kleid. „Kaffee! Frisch! Und heiß! Kaffee!“ Sie setzte sich erst, als Sigrid das Boot am Steg zum Halten gebracht hatte.

„Wieso Kaffee?“

„Weil ich Sie doch einlade, zu Kaffee und Kuchen.“

„Sehe ich aus, als wäre ich zum Kaffeetrinken hier?“

„Sind Sie etwa in Eile? Was wollen Sie denn hier draußen? So alleine? “

„Paddeln will ich. Einmal um die Inseln.“

Die alte Frau pfiff schrill zwischen den Zähnen, was Sigrid als Anerkennung verstand, und rief: „Einmal um unsere Inseln. Also sowas … Dann sollten Sie sich vorher unbedingt stärken, mit Ihrem Rennboot da. Ich lade Sie doch ein!“

„Na, vielleicht auf dem Rückweg …“ Schon leitete Sigrid zwischen Ufer und Steg mit ihrem langen Boot die Wende ein, etwas unbeholfen, wie sie selber urteilte. Die Frau rief ihr nach, dass es später wohl keinen heißen Kaffee mehr geben werde; für Sigrid war dies kein Grund, sich umzudrehen. Wer bin ich denn, mich von einer wildfremden alten Tante zum Kaffee kommandieren zu lassen? Bloß um der die Zeit zu vertreiben? Ich glaub,‘ ich spinne ... Sie schüttelte den Kopf. Bloß weg von dieser Oma-Insel.

Die Nachbarinsel schien zum Greifen nah. Paar hundert Meter nach Süden, schätzte Sigrid, na, vielleicht dreihundert oder fünfhundert … In ihren Augen jedenfalls war nur ein schmaler Sund zu queren, eine Wasserstraße, an deren Ende im Osten wieder die offene See sichtbar war. In ein paar Minuten bin ich da drüben, war sie überzeugt. Mal sehenwas das Boot bringt, wenn ich richtig Tempo mache! Mit der Freude eines Kindes, das sein neues Spielzeug ausprobiert, trieb sie das schlanke Kajak heftig voran. Wie ein Rausch ist das! Sigrid schloss die Augen. Sie wirbelte die Arme schnell und immer schneller, und erst als die Kraft nachließ, ließ die Paddlerin sie sinken. Keuchend öffnete sie die Augen, sah sich jedoch nicht in der Nähe einer Insel – im Gegenteil: Das Boot war südwärts geglitten, in die offene Bucht hinaus. Mich drückt wohl eine starke Strömung, die zwischen den Inseln entsteht, vermutete sie, Trichterwirkung, leuchtet ja ein, bei dem Ostwind … Wütend trat die Paddlerin gegen die nutzlosen Steuerpedale im Fußraum, die widerstandslos vor und zurückklappten, ehe sie das lange Boot mit einiger Anstrengung genau gegen Wind und Strömung richtete. Kräftige Paddelzüge brachten sie zurück in den Sund und zwischen die Inseln. Gut gemacht, du bist Spitze, lobte sie sich laut schnaufend, als sie erneut auf das zweite Eiland zuhielt. Die Hauptlast hatte mittlerweile ihr rechter Arm, der den Druck der starken Strömung ausgleichen musste. Wäre schon bequemer, hätte ich das blöde Ruderblatt montiert. Aber auch total unsportlich, oder etwa nicht? Du ziehst das jetzt durch, Sigrid. Bald schmerzte die Schulter, aber, beruhigte sich die Ärztin, wirklich nur ganz wenig, hat nichts zu sagen. Diesen leichten Schmerz genoss sie, trotzig, und sie jauchzte, als sie endlich in den Windschatten der zweiten Insel gelangt war. Ehrgeiz ist mein Spezialgebiet, sagte sie sich, das hilft immer, da bin ich Nummer Eins! Insgeheim war Sigrid erleichtert, hinter dem ersten felsigen Vorsprung eine kleine Bucht mit Landungssteg zu finden.

Dunkle Bohlen waren das, rissig, alt, sonnenwarm. Während sich das gelbe Kajak an seinen Leinen hob und senkte, lag die Paddlerin rücklings auf dem Steg, die Augen hinter den Gläsern der Sonnenbrille geschlossen, ihre Baseballkappe tief in die Stirn gezogen. Einfach nur atmen. Dunkel, Wärme, Herzklopfen, fast windstill.

Kieloben auf dem steinigen Strand lag ein großes, plumpes Holzboot. Daneben grüßte ein ungelenk gemaltes Schild, schwarze Schrift auf rotem Grund: Willkommen auf der Bäreninsel. Es herrschte Ruhe, sogar Stille, bis plötzlich Schreie ertönten, ziemlich nah, zu nah jedenfalls für Sigrid; Männerstimmen, laut: Nicht böse, aber weiß man es denn?

In Hockstellung, durch buschige junge Weidenbäume gedeckt, beobachtete sie zwei Kerle, beide an die zwei Meter groß, Muskelpakete mit Fettwänsten. Ein Typ mit Vollbart, der andere glatt rasiert. Beide hüpften halb nackt umher, in Unterhemd und kurzen Sporthosen, über deren Bünden sich die Speckringe wölbten, ständig in Bewegung. Fett, aber oho, gestand die Beobachterin ihnen zu. Indem die Männer hin und her sprangen, indem sie hüpften und trampelten, da bebten und schwappten die ausladenden Wampen unter den schweißnassen Hemdchen. Die beiden tobten auf einer hölzernen Terrasse herum, vor einem kleinen grünen Holzhaus, und vor allem: vor einer Tischtennisplatte. Sigrid staunte: Kaum ein Bällchen ging zu Boden, denn die Männer hatten ihre Arme scheinbar überall, indem sie ihre Schläger durch die Luft wirbelten, während sie auf dem Holzboden sprangen und trampelten, dass es donnerte. Mit lauten Rufen begleiteten die beiden ihre Angriffe, ihre Finten, ihre Abwehrschläge; sie lachten und höhnten und jubelten dabei. Nur selten mussten Punkte gezählt werden, was stets der Bärtige tat. Dass solche Männer – Kolosse, Walrösser, Monster, fand Sigrid– dass solche Typen sich überhaupt so schnell und exakt bewegen konnten: Es verblüffte die Frau hinter den Büschen. Wer besser spielte, das hätte sie anfangs nicht sagen können, doch wer besser in Form war, das hatte sie gleich erkannt. Ruhig atmete der Bärtige, während sein Partner mit hochrotem Kopf bei offenem Mund keuchte. Häufiger entgingen ihm nun die Bälle, und sooft einer vom Boden zu heben war, nutzte der Bartlose diese Unterbrechung, um sich mit dem Unterhemd über das schweißnasse Gesicht zu fahren. Anschließend hielt er sich an der Tischplatte fest, zwar kurz nur, aber immerhin.

Halt, hätte Sigrid deshalb rufen können, halt, Sie brauchen dringend eine Pause, hören Sie auf mich, ich bin Ärztin! Aber sie schwieg. Natürlich! Man kann ja nie wissen. Leise zog sie sich zum Boot zurück. Die Dicken, dachte Sigrid, die Kerle müssten mal was trinken… Sie jedenfalls hatte Durst. Aus ihrem Rucksäckchen zog sie die Trinkflasche und einen Energieriegel. Den Beutel stopfte sie zurück hinter die Sitzlehne und ließ sich ins Boot gleiten, das Paddel quer vor sich gelegt. Eine Hand fürs Essen und Trinken, die andere am Paddel. Locker um einen Pfahl geschlungen lag die vordere Leine: fluchtbereit! Wenig später war die Paddlerin unbemerkt auf und davon.

Scheiß auf die Strömung, scheiß auf den Wind! Den Bogen hatte sie jetzt wieder ‘raus, die Routinen von früher meldeten sich zurück: Mit der Rechten zog sie ihr Paddel kräftig und weit durch, links mit nur geringer Kraft. Auf dem Rückweg würde es umgekehrt sein, abends würden also beide Schultern schmerzen, aber: Morgen würde sie den Physiotherapeuten was zu erzählen haben! Die einstige Silbermedalliengewinnerin lachte, sie jauchzte und schloss die Augen. Sonnenrot drang warm durch ihre Lider.

Als Sigrid die Augen öffnete, waren Wolken aufgezogen. Sie war einige Minuten lang blind gepaddelt, bis die dritte Insel sich ankündigte durch das schmatzende Geräusch träger Wellen. Diese brachen sich an einem felsigen Sporn, der als natürliche Mole in die See ragte und einen Steg schützte, dessen Holz glatt und hell leuchtete wie frisch gezimmert. Ein Motorboot am Steg war mit einer Plane abgedeckt; kein Mensch zu sehen, keine Stimme zu hören vom Häuschen, das einen Steinwurf entfernt inmitten einer Wiese voller Gänseblümchen lag. Vielleicht ja unbewohnt, hoffte Sigrid. Flach auf das warme Holz gestreckt, nickte sie kurz ein, bis Stimmen sie weckten, aufgeregt und hell. Nicht von ganz nah, aber immerhin… Gesehen werden wollte sie nicht, stützte sich deshalb liegend auf den Unterarmen hoch. Mit gerecktem Kopf durch das Gestrüpp oberhalb des Steges spähend, hatte Sigrid die Leute vor Augen: Aus dem Haus auf die Wiese hinaus traten nämlich eine Frau, ein Mann, in ihrer Mitte ein Kind. Klein war es, aber wie alt, das hätte die Ärztin nicht sagen können: Vier Jahre? Zwei Jahre? Oder noch jünger? Meine Welt ist das halt nicht. Jedenfalls schaukelte das Kind im gelben T-Shirt zwischen der untersetzten jungen Frau in Trainingskleidung und dem schlanken Mann. Der sah aus, als käme er aus dem Büro oder wolle dorthin: weißes Hemd zum blauen Anzug, Krawatte mit Schrägstreifen, Haare dunkel und kurz. Die Frau trug ihre violette Mähne zu Rattenschwänzchen gebunden, die seitlich vom Kopf abstanden; ein paar Strähnen hatten sich selbstständig gemacht und hingen vor der großen Sonnenbrille. Über einer weiten schwarzen Trainingshose mit rosafarbenen Adidas-Streifen trug diese Person ein unförmiges graues Sweatshirt: Prolliger geht’s wohl nicht, befand Sigrid; Leute gibt’s … der Typ dagegen… todschick, sehr vorzeigbar.

Die drei nahmen Aufstellung: Während der Mann nahe der Haustür auf der Wiese stehen geblieben war, stand die Frau weiter unten mit dem Rücken zu Sigrid. Das Kind in der Mitte schien einen Moment lang ratlos, dann aber flog von irgendwo ein kleiner blauer Ball zu ihm; aber woher? Hatte die Frau ihn unter dem Pullover getragen? … Sigrid war irritiert. Der Kleine - Sigrid hatte sich entschieden, das Kind für einen Jungen zu halten – kreischte vor Freude und stieß den Ball unbeholfen in Richtung der Frau. Die rollte ihm das Bällchen zurück, eifrig rief sie: „Und jetzt zum Papa!“

Fröhlich jauchzte das Kind und drehte sich zum Vater, das Spiel wiederholte sich fort und fort. Als der Kleine den Ball erstmalig mit den Händchen auffing, klatschten beide Eltern. „Super!“ rief dazu der Mann, „Fein!“ die Mutter, sooft das Kind den Ball fing. Irgendwann begannen die Eltern, sich den Ball auch gegenseitig zuzuwerfen, über das Köpfchen des Kindes hinweg. „Fein! Fein!“ rief nun das Kind und patschte in die Hände. Die Eltern lachten, der Junge ebenfalls. Heimlich beobachtet wurden sie die ganze Zeit über von der fremden Frau, die auf ihrem Bootssteg lag; sie war fassungslos, weil über eine so lange Zeit nur die Worte super! und fein! gefallen waren; Wie blöd, befand Sigrid, Wie blöd können erwachsene Menschen eigentlich sein? Irgendwann ging der Mann in die Hocke. Er führte die Hand mit dem blauen Ball langsam hinter seinen Rücken, „Wo ist der Ball?“ rief er. Der Kleine strahlte, zeigte auf den Mann, der daraufhin das Bällchen hinüber zur Frau warf, die dies Spiel wiederholte, um den Ball dann vorsichtig dem Kind zuzuwerfen. Das legte die blaue Kugel hinter sich ins Gras, hob die Arme, rief „Wooo-denn?“ Einen Moment lang genoss es die zur Schau gestellte Ratlosigkeit von Vater und Mutter, ehe sich das Kind den Ball triumphierend vor den Bauch hielt. „Super!“ riefen beide Eltern laut und klatschten.

Geduckt zog Sigrid sich zum Boot zurück. Die Ärztin versorgte die wunde Stelle ihrer rechten Hand mit einem Pflaster, ehe sie das Kajak vom Steg löste. Sie hatte für sich das Fazit gezogen, dass offenbar jede Insel nur von Schwachköpfen bewohnt sei. Indem sie paddelte, wurden die hellen Stimmen übertönt. Endlich! Ihr reichte es, zudem war der Himmel mittlerweile wolkenverhangen. Sigrid hatte genug - egal was oder wer auf den noch weiter entfernt liegenden Inselchen zu finden sein könnte. Vielleicht ja eine Hippiekommune, oder Nudisten, die Kampfhunde züchten? Sie lachte über diese Vorstellung. Jedenfalls allesamt Idioten hier draußen,schloss sie und steuerte das Boot Richtung Festland. Dass hinter ihr die drei zurück ins Haus gingen, die Frau mit dem Kind auf den Schultern, der Mann dabei das Händchen des Kleinen haltend – das sah sie nicht. Tschüss Insel Superfein, auf zur Fettbäreninsel, rief Sigrid in den Wind. Sie fühlte sich erfrischt, und im Handumdrehen hatte sie das Boot in die offene Bucht hinausgeführt.

Derweil hatte der Wind auf Nordost gedreht, die See war unruhiger geworden. Wenn sie über Wellenkämme fuhr, genoss Sigrid das Wippen des Kajaks; trafen Wellen seitlich auf, spürte sie dem Schaukeln und Schwingen nach. Doch die Freude dauerte nicht an, denn sehr bald störte etwas Neues die Paddlerin. Igitt, kalt! Wasser tropfte auf den rechten Oberschenkel. Und ihr Pflaster? Es war nass, die Hand sowieso. Sigrid prüfte das Paddel.

Scheiße, was ist denn jetzt schon wieder? Am Schaft fehlte der rechte Abstreifring.

Na toll! Gerade ist er noch da gewesen! Verärgert schob Sigrid die Sonnenbrille hinauf ins Haar. Sie sah nach dem Gummiring auf dem linken Schaft und fand ein rissiges, bröseliges Etwas.

Auch der ist Schrott. Der rechte Ring hat bloß als erster den Geist aufgegeben. Hab‘ mir die Dinger wohl nicht angeschaut, in der Eile. Zieh‘ halt ein Haargummi als Ersatz um den Schaft, dumm bin ich ja nicht. Ist einen Versuch wert.

Ihr Paddel legte Sigrid mittig quer über das Boot und drehte sich in dem engen Fahrzeug um. Im Rucksack hinter dem Sitz fingerte sie nach den Haargummis. Triumphierend stieß sie die Hand mit den endlich gefundenen Gummis in die Luft; die stolze Paddlerin wischte sich dabei die Sonnenbrille aus dem Haar.

„Die Brille!“ Das war laut gerufen.

Der Gegenstand aus blauem Kunststoff und sehr dünnem, sehr teurem Glas sank nicht wie ein Stein, sondern nur wie ein leichtes Objekt aus Kunststoff und dünnem Glas, das man doch wohl noch packen kann, wenn man fix ist. Und Sigrid war fix, erreichte die Brille tatsächlich, aber nur mit den Fingerspitzen, griff also sofort nochmals zu und beugte sich dabei tiefer hinaus - fast wäre das schlanke Boot gekentert. Zwar geriet irgendetwas ins Rutschen, jedoch war die Paddlerin geistesgegenwärtig genug, sich ruckartig aufzurichten. Sigrid schnaufte.

Schade um die Brille. Aber fast wär‘s grad‘ richtig schief gegangen.

Dass es irgendwie doch schiefgegangen war, merkte sie, als sie das Paddel nehmen wollte. Rechterhand, kaum einen Meter vom Boot entfernt schwamm es, war fast zum Greifen nah, aber eben nur fast, denn selbst Dr. Sigrid Berkings Arm war keinen Meter lang. Unter grauem Himmel fuhr ein frischer Wind zwischen Boot und Paddel, der das Kajak ein klein wenig Richtung Meer schob, das Paddel aber in die Bucht zurück. Wirklich nur ein paar Handbreit, lächerlich wenig, aber genug fürs Herzklopfen. Das wäre doch gelacht! Die Hand der grimmigen jungen Frau fuhr schaufelnd neben dem Boot im Wasser; sie wühlte und rührte, wollte das Fahrzeug in Richtung Paddel drehen, doch ohne Erfolg. Durch die sanfte Brise bewegt, trieben beide voneinander fort, wenn auch nur zentimeterweise. Zentimeterweise wie die Angst, die Sigrid hinter den Sitz greifen ließ, um im Rucksack nach dem Telefon zu fischen, mit stärker pochendem Herzen. Dass es hier draußen aber keinen Empfang gab… Sigrid hatte es geahnt, bevor sie die erste Taste drückte.

Ganz ruhig jetzt. Und keine Hektik mehr. Sigrid sah sich seit längerem als Frau, die erfolgreich und überlegen, zufrieden und attraktiv ist, und all dies nicht zuletzt deshalb, weil ich im entscheidenden Moment Überblick und Ruhe bewahre! Nun wollte sie beides ganz entschieden wieder gewinnen, Überblick und Ruhe, was hieß: Sich aufrecht setzen, die Hände falten und gaaanz ruhig atmen. Gleich war ihr klar, was sie tun würde.

Du warst immer ein zähes Mädchen. Du bist eine sehr erfolgreiche Ärztin. Du bist nicht aus Zucker. Du holst dir jetzt dies Scheißpaddel. Laut und in strengem Ton wurden diese Sätze wiederholt, ehe Sigrid das Handy wieder verstaute. Im engen Fußraum fummelte sie sich Schuhe und Söckchen von den Füßen, zog dann Jacke, Hemd und Hose aus. Bis auf die Schuhe stopfte Sigrid alles in das Rucksäckchen hinter dem Sitz, dann stemmte sich mit den Armen auf den Bordwänden hoch. Langsam aussteigen, nicht reinhüpfen, sonst bleibt dir der Atem weg, oder es geht aufs Herz. Muss ja nicht sein.

Sie stieg über Bord. Sigrids linker Fuß zumindest verließ das Boot und spürte etwas, das einem elektrischen Schlag nahekam; zurückgezogen wurde er aber nicht! Hier draußen und Ende Mai… klar, dass das Wasser noch eisig ist. Ob es erst zehn Grad hatte oder bereits zwölf, das hätte sie nicht sagen können. So unangenehm die Kälte war: Was die Paddlerin ratlos machte, war, dass sich das Boot so stark neigte, als sie das Bein bis zum Knie ins Wasser brachte: Langsam aussteigen? Das Ding kippt und läuft im Nu voll. Sie überlegte. Dann muss ich über die Länge ´raus.

Auf dem schwankenden gelben Rumpf schob Sigrid sich langsam rückwärts, wie eine vorsichtige Reiterin. Sachte glitt sie über das Heck des Kajaks ins Wasser, keuchend, gegen die Kälte anstrampelnd, die Hände endlich vom Boot lösend: Fortschwimmen, Wenige Schwimmzüge und endlich: das Paddel umfassen! Sigrid stieß das blaue Plastikding so heftig hinauf ins Boot, dass es rumpelte, und sie hätte laut jubeln wollen, wäre da nicht die verdammte Kälte gewesen. Mit klammen Gliedern wollte die Schwimmerin sich aufs Kajak hinaufziehen. Die Tragschlaufe am Heck umfassend, konnte sie sich bis zur Brust aus dem Wasser heben. Anschließend griff sie weiter nach vorn, und sie krallte die Fingerspitzen unter den schmalen Rand des Deckels, der das Gepäckfach verschloss. Als Sigrid sich mit einem Ruck in die Höhe zog, presste die scharfkantige Halterung, die für das Ruderblatt vorgesehen war, sich schneidend in ihre Brust; mit einem Schrei löste Sie den Griff.

Was jetzt? Nicht aufgeben! Die Versuche, nun ganz vorsichtig von der Längsseite ins Kajak zu klettern, ließen das Boot gefährlich kippen.

Vorn ist ja nichts aus Metall, da kann ich mich nicht verletzen, muss doch wohl gehen… Zitternd und keuchend schwamm sie nach vorn zum Bug, wollte ihn von unten her umfassen, und hoch mit dem Oberkörper… mehr als die Schultern aber ließen sich nicht hinaufziehen. Danach hätte sie umgreifen müssen, sie hätte einen Griff, eine Kante, einen Vorsprung packen müssen, um sich vorwärts zu ziehe doch da war nur der gelbe, glatte, trotzige Rumpf, an dem die nassen Hände wieder und wieder abglitten. Ein paarmal versuchte sie es, doch immer weniger weit konnte sie sich hinaufziehen… Scheiße, Kraftverschwendung. Sigrid blickte um sich und traf eine Entscheidung.

Die Bäreninsel! Ihr Ufer schien nicht mehr weit entfernt. Der Sund zwischen den Inseln war längst durchquert. Es müsste doch möglich sein, das gelbe Kajak bis dorthin zu ziehen, die paar hundert Meter… Besser ich setze meine Kraft zum Schwimmen ein als für idiotische Klimmzüge im Nordwind.

Der Nordwind: In den ersten Minuten näherte sich das Gespann von Schwimmerin und Boot der Insel; gut zu erkennen war der Steg, das kieloben liegende Ruderboot, die Tischtennisplatte… doch dann: Ungläubig stellte Sigrid fest, dass sie nicht mehr vorankam, obwohl sie sich im Windschatten der Insel befand. Zäh und langsam waren Sigrids Bewegungen geworden; alle Anstrengung bewirkte bestenfalls, dass sie nicht zurücktrieben.

Ich hab‘ ja gar keine Kraft mehr… Wie große Blasen, die aus dunklem Sumpf langsam nach oben steigen, folgten andere Einsichten: Mit müdem Er