Aynil - Kate Bono - E-Book

Aynil E-Book

Kate Bono

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Beschreibung

"David, aufwachen, hier ist Frauenbesuch!" Mit einem Stöhnen zog David seine Basecap vom Gesicht und Jasmina traf der Schlag. Solche blauen Augen in einem dazu so enorm interessanten Gesicht hatte sie nicht erwartet. Sie konnte sich nicht erinnern je solche blauen Augen gesehen zu haben. Außer im Fernsehen bei Terence Hill. "Alter, hast du nen Knall?", schimpfte David. "Ne, aber es hat so schön geknallt!", scherzte Frank und lachte sich über seinen eigenen Witz kaputt. Jasmina wäre am Liebsten im Boden versunken. Da stand sie - tropfend, ungeschminkt, Haare auf halb acht - und sah sich einem stahlblauäugigen Terence-Hill-Wunderknaben gegenüber, den sie Babysitten sollte - so wie sie aussah. `Kann ich die Zeit anhalten, in mein Zimmer springen, mich stylen und noch mal wiederkommen? ´, schickte sie als Stoßgebet gen Himmel. Sie hatte das Gefühl die Antwort des Universums als schallendes Gelächter zu hören. Auszug aus "Das Urlaubsdesaster" Dies sind ein paar Zeilen aus meinen Kurzgeschichten/ Lovestories, die dieses Buch füllen. Vielleicht amüsieren Sie Dich genauso, wie sie mich selbst gefesselt haben. Es hat Spaß gemacht, sie zu schreiben und fast alle Geschichten sind größtenteils real passiert, von mir verändert oder ausgeschmückt. Alle Namen wurden frei erfunden und haben nur zufällig Ähnlichkeit mit realen Personen. Viel Spaß KateBono

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für

Cheyenne & Sheila

weil Ihr die Liebe meines Lebens seid

Vorwort

Fast alles hängt mittlerweile in einer Cloud, ob wir nun die Daten von unserem privaten Handy oder einem Unternehmen hoch laden. Also habe ich ein paar Lovestories in die Cloud „AYNIL“ geladen. Allerdings auf altmodische Weise: als Buch

Die Idee dazu kam mir, bei einer Begegnung im Tattoostudio. Der Typ hatte in Sekunden einen Eindruck hinterlassen, dabei weiß ich rein gar nichts von ihm. Ich ging danach sofort ein Notizbuch kaufen, setzte mich an den Rhein und kritzelte meine ersten Sätze. Mir war auf einmal vollkommen klar, dass ich ein „LoveStoryBook“ schreiben will, an so was hatte ich vorher nie gedacht. Bisher habe ich mehrere Bücher angefangen (und plane sie auch irgendwann fertig zu stellen;) – über schiefgelaufene Dates, über mein Leben… und ich hab auch schon einige Blogs geschrieben. Doch als ich begann mich mit Lovestories zu beschäftigen wurde mir klar, dass sich bei mir selbst und in meinem Freundes- und Bekanntenkreis verrückte, total schöne, mysteriöse oder verwirrende Lovestories ereigneten, so dass ich hier ein paar von ihnen in Kurzgeschichten gepackt habe. In allen Geschichten steckt eine Menge Realität, aber ich verrate nicht wie viel oder wie wenig ich noch hinzuerfunden habe. Alle Namen sind ausgetauscht und frei erfunden, nicht jede Geschichte hat ein Happy End – wir sind eben nicht beim Film…

Da jede Story ihren Ursprung bei realen Personen hat, die mich dazu inspiriert haben, gibt es auch persönliche Widmungen. Ich habe die Liebe schon gefunden und auch wieder verloren. Ich fand heraus, dass sich Liebe nicht nur in „Verliebtsein“ äußert, sondern auch als Liebe zu meinen Kindern oder zu Freunden. Es ist anders, aber es ist Liebe. Ich habe bis heute den Glauben daran nie verloren. Liebe verändert sich auch irgendwie immer. Außerdem gibt es tolle Paare, die ich bewundere und an denen ich sehe:

ALLYOUNEEDISLOVE

Viel Spaß beim Lesen

Kapitelverzeichnis

I. Just a Tattoo…

II. Just a SMS…

III. Just a Dream…

IV. Es gibt keine Zufälle

V. Am Arsch der Welt – Teil I – SIE

VI. Am Arsch der Welt – Teil II – ER

VII. I need a doctor

VIII. Das Urlaubsdesaster

IX. An Irish Love Story

X. Just a few words more…

XI. Als mein Herz heilte

XII. Thank You

XIII. Begriffserklärungsfußnotenseiten

Kapitel I

Just a Tattoo…

Sie hätte fast vergessen nach dem stressigen Vormittag im Büro noch beim Tattoostudio vorbei zu fahren. Eigentlich wollte sie nur nach Hause. Heute war nicht ihr Tag, sie hatte verschlafen und dementsprechend sah sie auch aus. Die Haare etwas verwirrt zum Zopf zusammen gebunden, sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal im Büro Turnschuhe getragen hatte, dazu noch ihre alte schwarze Sweatshirtjacke. Heute hatten sie allerdings auch keinen Publikumsverkehr im Haus, also war das nicht ganz so tragisch.

Ihre Parkplatzbestellung beim Universum sorgte dafür, dass fast direkt vor dem Haus des Memento noch ein Parkplatz frei war. Sie musste ja nur kurz rein und ihre Anzahlung leisten. Luke, bei dem sie den Termin haben würde, war auch direkt vorne an der Anmeldung und nahm die 50 Euro entgegen.

´Noch drei Monate, oh Mann so lange´, dachte sie, doch allein der Gedanke, dass sie sich endlich trauen würde, versetzte sie in gute Laune. Luke gab ihr die Bestätigung für die Anzahlung. Als sie sich den Geldbeutel in ihre Handtasche steckend zum Gehen abwandte, stieß jemand mit Schwung die Tür auf und trat ins Studio. Luke rief ihr zum Abschied hinterher sie solle die Vorlagen beim Termin nicht vergessen, während ihr Blick auf einen ziemlich cool tätowierten Arm fiel. Im Vorbeigehen wan derte ihr Blick vom Arm nach oben und sie blickte in ein sehr sympathisches Gesicht. Allerdings ging das alles ziemlich schnell und mit einem möglichst coolen lockeren: “Adios Amigos”, verließ sie das Studio. Die Gedanken nur noch beim zukünftigen Stichtag.

Die Sonne schien an diesem ziemlich kalten Februartag, als er sich gerade einen Parkplatz suchte, um zu seinem nächsten Termin beim Memento zu gehen. Dieses Mal wollte er sich am Rücken weiter tätowieren lassen. Es war Feierabendverkehr und die Hölle los, doch er hatte unerwartet Glück, direkt vor dem Studio war einer frei. Er betrat das Gebäude und ging die Treppe hoch, nahm dabei zwei Stufen auf einmal und stieß locker die Tür auf. Da sah er sie. Sie drehte sich gerade lachend herum, Luke stand am Tresen und hatte mit ihr geredet. Sie hatte ihn bestimmt gar nicht richtig wahr genommen und rauschte mit einem fröhlich coolen: “Adios Amigos”, an ihm vorbei durch die Tür. ‚Wow!’

Erst als Luke ihn lachend anquatschte, ob er dort so angewurzelt stehen bleiben wollte, wurde ihm bewusst, dass sie ihm den Atem geraubt hatte.

“Wer war das?”, fragte er Luke.

“Na, eine Kundin, die gerade ihre Anzahlung für´s Tattoo gemacht hat!”

“Nein, das meine ich nicht… wie heißt sie, wer ist sie?”

„Mimimimimi!“ Luke äffte ihn belustigt nach und ging in den Behandlungsraum. “Jetzt komm schon, dein Tattoo wartet!”

Er atmete tief durch und wie in Zeitlupe ging er hinter dem Tätowierer her und legte sich mit dem Bauch nach unten auf die Liege.

“Was weißt du über sie? Ich mein, wenn sie sich tätowieren lassen will, weißt du doch wie sie heißt!”

“Ja, das weiß ich, aber ich sag es dir nicht.“ Luke zog sich seine schwarzen Einmalhandschuhe geräuschvoll schnappend über und lachte kopfschüttelnd.

„Junge, was ist los mit dir? Du hast sie fünf Sekunden gesehen und gehst ja voll ab. Bestimmt ist sie verheiratet und hat siebzehn Kinder!”

Dann blickte er seinen Kumpel an, dachte kurz nach und grinste. ‚Was ein Spiel!’

“Okay, ich sag dir was. Ihr Termin ist am 13.05. um 14:30 Uhr. Mach was draus!”

Die Zeit zog sich wie Kaugummi. Für zwei Menschen, derselbe Tag, derselbe Termin, doch aus zwei völlig unterschiedlichen Gründen. Und einer der beiden, wusste nicht mal, wie wichtig es dem anderen Menschen zu sein schien, dass dieser Tag kam. Beide hatten sich den Tag groß im Kalender angemalt. Eigentlich jeden Tag fragte er sich selbst, ob er noch alle Tassen im Schrank hatte.

Er schwärmte für eine Frau, die er überhaupt nicht kannte, nur Sekunden gesehen hatte und die vielleicht wirklich verheiratet war oder ihn total ätzend fand.

Nur seinen besten Kumpels hatte er es verraten, die sich seit dem über ihn lustig machten. Am schlimmsten wurde es, als seine Ex wieder Annäherungsversuche startete. Das hatte ihm sonst echt gefallen, sie war ihm vorher sogar recht wichtig und er wäre nicht abgeneigt gewesen, die sechs Jahre wieder aufleben zu lassen. Doch er konnte nicht. Wegen ihr, dieser Unbekannten. Und das verwirrte ihn total.

´Ich riskiere meinen Arsch für etwas, was ich nicht mal greifen kann´, dachte er und wurde immer wieder wütend darüber, doch er konnte nicht anders. Er fühlte sich wie besessen.

Der April war für ihn der schlimmste Monat, irgendwie schien er gar nicht vorbei zu gehen. Der Februar nach dieser Begegnung schien noch relativ schnell dahin zu fliegen, doch der März war grauenhaft lahm. Das schlechte Wetter frustrierte ihn noch zusätzlich – und jetzt der April, so schön die Sonne auch schien, er hätte kotzen können. Ständig fuhr er in diesen Wochen des Wartens extra durch die Strasse in der sich das Tattoostudio befand, in der Hoffnung sie zu sehen.

‚Ob sie hier in der Nähe wohnt? Oder wo könnte sie denn wohnen? Was sie wohl arbeitet? Ob sie nicht doch mit ihrem Freund oder Mann gerade im Urlaub ist?’

All solche idiotischen Überlegungen startete sein Kopf immer und immer wieder. Er konnte in der Stadt nicht einkaufen gehen, ohne dass er hoffte, sie irgendwo zu sehen – nicht erst Mitte Mai, sondern hier und jetzt sofort.

Die Leute um ihn herum bemerkten, dass er seltsam geworden war; es wussten ja nicht alle, was los ist. Er war oft schlecht gelaunt und auch wenn sie es gewusst hätten, sie hätten es nicht verstanden. Seine wenigen Kumpels, denen er es erzählt hatte, wurden zwischendurch richtig sauer, weil er sich verhielt wie ein besessener Vollidiot. Aber er konnte nicht anders. Seine Gedanken waren jeden Tag bei ihr, dazu kam diese nicht zu bändigende Ungeduld. Das machte ihn fast wahnsinnig.

‚Vielleicht hab´ ich ja gar nicht richtig hingekuckt und jetzt beim zweiten Mal würde ich sie total hässlich finden?’ - Aber auch dieser Gedanke beruhigte seinen Kopf nicht. Er war wie wild darauf, sie wieder zu sehen.

Der 13.05. in diesem Jahr bedeutete für ihn gerade die Welt. So wie er sich auf diesen Tag freute, so graute es ihm auch davor.

‚Vielleicht lacht sie mich einfach nur aus!’

Der Tattootermin war endlich da und sie beendete ihren Arbeitstag im Büro heute etwas früher, um pünktlich im Studio zu sein. Sie hatte sich das Motiv mindestens tausend Mal angeschaut und es lange Zeit ausgearbeitet, bis es perfekt war. Jetzt würde es passieren, ihr langersehntes Tattoo. Jeder einzelne Tag zog sich wie Kau gummi, als hätte er hundert Stunden und sie war so unglaublich aufgeregt.

Ihr Leben war fröhlich, das Chaos der vergangenen Jahre hatte sich gelegt und sie genoss jeden Tag. Auch wenn ihr der Mann an ihrer Seite fehlte, auf den sie schon so lange wartete.

“Du wirst sehen, irgendwann steht er vor dir und BOOM, das isser”, munterten sie ihre Freundinnen ständig auf. Der Satz war fast immer derselbe. Sie glaubte nur nicht mehr wirklich dran; aber das Universum konnte sie doch nicht immer und ewig warten lassen? Das Singleleben war schön und gut, aber da fehlte einfach der Eine. Sie glaubte an das Besondere, an den ‚SoulMate’. Es musste ihn doch einfach irgendwo geben und irgendwie würden sie sich finden.

Ein sonniger, strahlender Tag und ein Parkplatz direkt vor der Tür wurde gerade frei, als sie angefahren kam.

“Danke Universum!”, sang sie vergnügt.

´Der perfekte Tag´, dachte sie sich und betrat freudestrahlend das Studio; eine halbe Stunde zu früh. Luke wartete schon auf sie, sein letzter Termin war nicht gekommen und so schien er ganz froh zu sein, dass sie schon da war. Sie konnte sich direkt auf den schwarzen Lederstuhl setzen und die Endphase begann. Luke bequatschte mit ihr das Tattoo.

Es roch nach Desinfektionsmittel und im Studio dröhnte wie immer lautstarke Metal-Musik –sie dachte nur daran, wie nervös und aggro sie selbst werden würde, wenn sie das den ganzen Tag hören müsste.

´Kein Wunder, dass hier alle so massiv tätowiert sind,´ dachte sie scherzhaft. In den benachbarten Räumen beobachtete sie, wie die Kollegen von Luke ihre Kunden tätowierten. Ein großer Typ bekam am Bein wohl etwas Neues, ein Mädel etwas auf die Rippen. Diese Stelle schien wohl höllisch weh zu tun, denn das Mädchen schrie bei jedem Buchstaben und ihre Freundin lachte sich darüber schepp. Auch Luke machte sich darüber lustig: „Wenn die bei Allem so quiekt…“

Doch dann konzentrierte er sich und ihre gesamte Aufmerksamkeit waren auf ihren Unterarm gerichtet. Luke begann mit seiner Arbeit.

´Endlich,´ dachte sie aufgeregt und beobachtete den Tätowierer, wie er die Nadelmaschine auf die Haut aufsetzte. Lauter als gewollt, reagierte sie auf die ersten Nadelstiche: “Scheiße, tut das weh!”

Es war schon kurz vor zwei, einen Parkplatz zu finden war an diesem Tag fast unmöglich. Er wurde immer ungeduldiger und unruhiger. Die Nervosität kam sicher daher, dass er ihr gleich gegenüber stehen würde.

‚Was für ein Quatsch. Sie weiß ja nicht mal was von mir! Sie weiß nichts und sie ahnt nichts. Also beruhig dich Junge!’

Sie würde in über einer halben Stunde erst zum Termin kommen, da würde er locker in der Sofaecke sitzen und in Tattoo-Magazinen kramen. Seine Gedanken überschlugen sich.

‚So rein zufällig würde ich da sitzen. So total unauffällig.’

Er hatte sich mindestens eine Millionen Mal ausgemalt, wie es sein könnte – was er sagen sollte, wie er sie anquatschen könnte. Er hatte jedes Mal festgestellt, dass alles was er tun oder sagen würde, auch wirklich alles, völlig idiotisch klang und sich auch so anfühlte. Er könnte ihr ja schlecht sagen: “Hey, ich hab dich vor drei Monaten hier in zwei Sekunden so toll gefunden, dass ich bis jetzt gewartet habe um dich wiederzusehen!” – was für eine Idiotie. Egal welcher Satz, egal welche Herangehensweise, es kam ihm einfach völlig falsch vor und vor allem: total lächerlich. Vielleicht sollte er sich erstmal Einen antrinken – und dann nach Alk stinkend vor ihr stehen und lallen:

“Haaallloooo du pisst aber schööön!”

Er musste lachen, als er sich vorstellte, wie sie lachen und sich mit Luke über ihn lustig machen würde:

“Ey, der Idiot hat drei Monate auf dich gewartet!”

Diese inneren Dialoge machten ihn noch reif für die Klapsmühle. Kurz überlegte er, ob er nicht doch nach Hause fahren sollte, weil ihm alles jetzt noch lächerlicher vorkam. Mit einem Blick in den Rückspiegel checkte er seine Haarfrisur und sprach sich selbst Mut zu:

“Alter, scheiß dir mal nicht in die Hose und reiß dich zusammen. Du gehst da jetzt rein und vielleicht siehst du sie und da ist gar nichts mehr!”

Wie gerufen fand er einen Parkplatz. Am Arsch der Welt, aber egal. Es war immer noch eine halbe Stunde bis zu ihrem Termin, als er wieder die Treppen zum Studio hoch sprang, wieder zwei Stufen auf einmal nehmend. Wie immer stieß er locker die Tür auf und betrat das Memento, wo ihm Sheila direkt entgegen kam und ihn umarmte, die Piercerin vom Memento und beste Freundin seiner Exfreundin.

“Hey was geht? Hast du heut ´nen Termin?”

“Nee, ich muss mit Luke noch mal über ein neues Motiv quatschen.” Eine unauffällige Ausrede, um sich Luke vorher noch mal zu krallen. Sheila zeigte auf Lukes Raum: “Ei geh rein, er hat grad ´nen Kunden!”

Sein Magen fühlte sich flau an. Nervös ging er um den Tresen herum, um Luke zu begrüßen. Der Tätowierer saß über ein Bein gebeugt und stach den letzten Rest eines Maori-Motivs. Irgendwie hatte er gedacht sie säße vielleicht schon dort. Aber sie war noch nicht da.

“Servus, alles gut?”, begrüßten sich die Männer. Luke ging nichtsahnend auf sein Gefasel mit dem Motiv ein: “Kein Problem, wenn ich hier gleich fertig bin, hab’ ich ein paar Minuten bis der nächste kommt und dann können wir’s uns ankucken!”

Seine Nervosität stieg noch weiter, als Luke den nächsten Kunden erwähnte – er wusste wer es sein würde und seine Freude und Aufregung ließ ihm das Herz fast aus der Brust springen. ‚Wie sie wohl heute aussehen wird?’ Er wusste immer noch nicht, wie er sie ansprechen sollte, holte sich einen Kaffee und lehnte sich locker an die Wand. Die Männer hielten Smalltalk, bis der Kunde von Luke gegangen war.

“Und, welches Motiv, wo ist die Frage?”, Luke blickte ihn fragend an. Mit einem unsicheren Blick auf die Tür, um sicherzustellen, dass sie nicht gerade kam während er Luke die Wahrheit sagen würde, zog er den Tätowierer etwas zur Seite.

“Ey, ich bin nicht wegen dem Motiv hier. Du weißt doch, damals, hab ich sie gesehen und du hast mir gesagt, dass sie heute den Termin hat. Deshalb bin ich hier… halt’ mich für bescheuert, aber ich muss sie einfach wiedersehen!”

Kaum hatte er den Satz beendet, schlug ihm der Tätowierer fast schon mitleidig auf die Schulter.

“Alter, das tut mir echt leid, aber wir haben den Termin vorverlegt, sie war letzte Woche schon da…”

“Das is nich’ dein Ernst!”, schoss es lauter aus ihm heraus, als geplant und ihm blieb fast das Herz stehen. Doch die Augen von Luke und sein entschuldigender Blick sagten alles.

„Alter, ich hab doch nicht dran gedacht, dass du sie ernsthaft treffen willst!”

Es war, als wäre die Zeit stehen geblieben und als hätte ihm Luke in die Magengrube geschlagen. Er drehte sich um und krallte seine rechte Hand in seine Haare, holte tief Luft und überlegte. Seine Gedanken überschlugen sich erneut.

“Kannst du mir ihre Handynummer geben?”, er blickte Luke bittend an.

“Vergiss es, das kann ich net machen, Datenschutz und so.”, es machte Luke einfach tierischen Spaß seinen Kumpel so zu ärgern. So verzweifelt hatte er ihn in all den Jahren noch nie gesehen. Auch wenn er es für absolut idiotisch hielt und nicht verstehen konnte, wie eine Unbekannte in ein paar Sekunden so etwas mit einem Kerl anrichten konnte, so interessierte ihn der Datenschutz in diesem Fall genaugenommen reichlich wenig. Luke zeigte auf das Terminbuch, in dem Sheila gerade blätterte und stupste seine Kollegin an: “Schlag mal letzte Woche Dienstag auf und gib ihm die Nummer von dem 11:30 Termin.”

Sheila zog den Mundwinkel und eine Augenbraue hoch: “Muss ich das verstehen?”, fragte sie neugierig. Sie hatte die Unterhaltung zwangsläufig aus dem Nachbarraum mitbekommen und verstand nicht ansatzweise, von was die beiden da redeten. Luke schüttelte den Kopf und hielt ihr etwas ungeduldig eine Visitenkarte für die Handynummer hin.

“Alter, viel Glück!”, klopfte er ihm noch auf die Schulter und ging kopfschüttelnd weg. Sheila schrieb widerwillig die Nummer auf und beobachtete den verwirrten Kerl, den sie sonst immer eher als Mister Obercool kannte. Skeptisch gab sie ihm die Karte mit der Nummer.

“Was willst du damit?”, fragte sie ihn, doch er hatte keinen Bock irgendwas erklären zu müssen. Was er am allerwenigsten bräuchte, war eine tratschfreudige Sheila und seine eifersüchtige Exfreundin. Das gäbe bloß unnötiges Theater.

“Frag nich, garnix, ich muss da nur was klären!”, damit verließ er das Memento. Unten an der Strasse angekommen blieb er stehen, atmete er tief durch und blickte das erste Mal auf die Karte mit ihrer Nummer.

“Fuck!”, entflog es ihm, als er sah, dass zwar die Nummer, aber kein Name drauf stand. „Sheila!“, schimpfte er. ‚Scheiße! Anzurufen is’ ja noch bescheuerter, als sie im Tattoostudio einfach anzuquatschen. Vor allem wo das Sekundentreffen schon über zwei Monate her ist’, er überlegte, ob er noch einmal Sheilas Neugier füttern müsste oder es besser lassen sollte.

‚Was bringt denn die Nummer, wenn ich nicht mal weiß, ob es auch SIE es ist, die dran geht?’, und bei der Frage: „Wen willst du sprechen?“, könnte er ja schlecht sagen: „Die, die vor einigen Wochen und die, die eigentlich dann und dann einen Termin zum Tätowieren hatte und dann aber…“

„Bullshit.“, schimpfte er ein weiteres Mal, steckte die Nummer in seine Jackentasche und lief frustriert in Richtung Stadtmitte. ‚Erstmal nachdenken,’ er war so enttäuscht und wie vor den Kopf geschlagen, dass er ihr heute nicht gegenüber stehen konnte. Sich über Wochen auf so etwas vorzubereiten und dann klappte es nicht, war gerade zuviel für ihn. “Was für eine Scheiße!”

Alles kam ihm wie eine Seifenblase vor, die zerplatzt war. Wütend kickte er eine leere Schachtel Kippen über den Bürgersteig und dachte jetzt nur noch, was für ein Vollidiot er gewesen war. Eine Runde am Wasser entlang würde seinen Kopf klären, er musste das alles erstmal verstehen und ordnen.

Absolut genial. Sie betrachtete stolz ihr neues Tattoo und freute sich, dass sie es nun endlich durchgezogen hatte. Eine Woche war es nun her und brauchte noch Pflege, aber sie fand es total schön. Ständig musste sie es begutachten und konnte sich kaum satt sehen.

“Mama, kannst du mich zu Natalie in die Stadt fahren oder soll ich den Bus nehmen?”, fragte ihre kleine Tochter. Nach einem Blick aus dem Fenster in strahlenden Sonnenschein war die Antwort klar: “Hey, klar, ich fahr dich. Dann lauf ich ne Runde am Rhein, is’ ja so cooles Wetter.”

Die beiden schnappten ihre Sachen und parkten in der Nähe vom Rhein, wo auch die Freundin ihrer Tochter wohnte. Wie immer zog sie ihre Kleine zum Abschied an sich, was der Teenager total uncool fand.

“Keinen Körperkontakt bitte! Mom, das ist peinlich!”, lachend liefen beide in verschiedene Richtungen.

Ein wundervoller Tag, der Wind war mittlerweile endlich warm, die Sonne strahlte und heute, mitten in der Woche, war es am Rhein auch nicht zu voll. Mit einem Griff in die Tasche holte sie ihre Kopfhörer raus, stöpselte sie in ihr Handy und startete die Playlist. Sie lief mit schnellem Schritt in Richtung Deutsches Eck und genoss die Sonne, die Luft und ihre Lieblingsmusik auf den Ohren. Sie nahm zwei Stufen auf einmal, als sie die Treppe zum Kaiserdenkmal hinauf rannte, um auf den Aussichtsbereich zu gelangen. Der Ausblick war wie immer traumhaft und man hatte das Gefühl, man stünde auf einem riesigen Schiff. Links die Mosel, rechts der Rhein. Einfach bombastisch. Oben angekommen schloss sie die Augen, nahm ein paar tiefe Atemzüge und ließ den Wind über ihr Gesicht streifen, die Sonne kitzelte ihre Nase.

Der Wind in seinem Gesicht tat ihm gut, während er hinaus aufs Wasser blickte. Er war gerade am Ende des Deutschen Ecks angekommen, da wo die Mosel in den Rhein floss. Seine Gedanken wurden ruhiger.

‚Einfach alles nur eine wahnsinnige Aktion.’ Er musste über sich selbst lachen. Das Ganze war schade heute, aber seine Mutter würde sagen: “Alles hat seinen Sinn!”, und so sah er es gerade auch. Dass sie heute nicht aufeinander getroffen sind, sollte einfach nicht sein. Er drehte sich um, schwang sich hoch aufs Geländer, um sich darauf zu setzen. Während er nach seinen Headphones für sein Handy kramte, beobachtete er die Menschen rundherum.

Eltern mit Kindern, Menschen aus verschiedenen Ländern, Paare in verschiedenen Altersklassen und eine Klasse mit Teenagern stürmte gerade in seine Richtung. Sein Blick erhob sich hoch zur Statue, er betrachtete fast beiläufig die Menschen, die dort wuselten. Manche auf dem Aussichtsbalkon, viele auf den Treppenstufen. Überall wurden Fotos geknipst und endlich hörte der dämliche Akkordeonspieler auf zu spielen. Er hasste Akkordeonspieler – und dieser hier spielte nicht nur schlecht, sondern auch gruselig furchtbare Lieder. Allerdings hatte er sowieso gerade seine Kopfhörer gefunden und ließ sich Metal in den Gehörgang dröhnen. Damit konnte er abschalten und klar denken.

Er dachte an seine erste Begegnung mit ihr und überlegte heute das erste Mal in Ruhe, warum sie so eine magische Wirkung auf ihn gehabt haben könnte. Und es kam ihm heute so unglaublich unwirklich vor, dass er es selbst nicht mehr verstehen konnte, wie er die ganzen Wochen so verrückt nach ihr gewesen war. Er beschloss, dass er sie nicht anrufen würde, es war einfach auf einmal so weit weggerückt. Einen Moment lang blickte er noch auf die Visitenkarte des Memento und die Nummer der Unbekannten. Dann begann er sie langsam in klitzekleine Stücke zu zerreißen und ließ sie vom Wind vor sich hinrieseln.

‚Zeit das Hirngespinst loszuwerden!’, er war überzeugt, dass ein Bier ihm helfen würde, sprang vom Geländer und schlenderte Richtung Biergarten an der Mosel. Immer noch hämmerte laute Musik in seinen Ohren, er blickte umher und beobachtete im Gehen wieder die ganzen Touristen um sich herum.

Zwischen den Menschen auf der Treppe sah er plötzlich eine Gestalt die Treppe hinunter kommen. Es war eher ein Tanzen, als ein Laufen, es sah amüsant aus. Und dann erkannte er sie.

„Das gibt’s doch nicht!“, ihn hätte fast der Schlag getroffen, als er sie im letzten Moment erkannte, wie sie die Treppen heruntergesprungen kam und dann um die Ecke hinter der Mauer des Denkmals verschwand. Einen kurzen Moment blieb er wie angewurzelt stehen, zweifelte, ob sie das wirklich war. Damals hatte sie einen Zopf getragen, doch heute waren die Haare offen und sie lächelte nicht. Viel zu schnell hatte sie sich weggedreht und er beobachtete sie, wie sie um die Ecke der Mauern bog. Plötzlich war es, als wenn ihn etwas gestochen hätte und er lief mit schnellem Schritt los – in die Richtung, in die sie verschwunden war.

Als er um die Ecke kam, war es als wenn eine Reisegruppe mit tausend Leuten sie verschluckt hätte. Wo kamen die nur alle auf einmal her? Er wurde langsamer und blickte sich hektisch um. Egal wie er sie anquatschen würde oder wie sie reagieren würde, er musste sie sehen, er musste sie ansprechen, er musste sie kennen lernen. Das konnte kein Zufall sein. Sein Herz schlug bis zum Hals. ‚Wohin ist sie verschwunden?’

“Scheiße Mann!”, fluchte er. Sein Blick wanderte umher und suchte nach dem Mädel, dem Einen, welches ihm seit Wochen den Kopf verdrehte. Die Musik dröhnte zu laut in seinen Ohren, er zog unruhig die Stöpsel raus, als würde er dadurch hören können wo sie hingelaufen war. Er war mittlerweile schon einige Meter am Fluss entlang gelaufen und wahrscheinlich zum völlig falschen Ziel. Vom Eck gingen einige Wege in alle möglichen Richtungen und er hatte die am Rhein genommen. Ihm kam es vor, als wären viel mehr Menschen unterwegs heute, als an irgendeinem anderen Tag. Als wäre sie tatsächlich verschluckt worden.

Etwas außer Atem kam er an den großen Steinstufen an, wo es zum Fluss hinunter ging. Dort beschloss er umzudrehen und noch mal zurück zu gehen, vielleicht war sie ja in den Biergarten gegangen. Doch irgendetwas in ihm zögerte. Er ging ans Geländer der riesigen steinernen Stufen, die bis zum Wasser hin führten. Er blickte von oben die Steinreihen entlang, an einigen Mädchen vorbei, die sich gerade zum Gehen verabschiedeten, an zwei alten Omas mit ihren kläffenden Hunden und dann, sah er sie: Im Schneidersitz, die Augen geschlossen, das Gesicht zur Sonne gehoben, mit einem Lächeln auf den Lippen. Sie war wunderschön und ihre Haare reflektierten das Licht und schimmerten. Sie sah so unwirklich aus, er hatte sie damals ja nur wenige Sekunden gesehen und in den ganzen Wochen war ihr Gesicht und ihr ganzes Dasein immer mehr verblasst. Er wusste nur eins ganz sicher: Dass sie eine wahnsinnige Ausstrahlung hatte und genau das sah er auch jetzt wieder.

Die Zeit blieb stehen, die Menschen um ihn herum waren nur noch wie Hintergrundgeräusche. Er spürte den Wind, er hörte die Wellen, doch er sah nur sie und genoss ihre Nähe, froh sie endlich zu sehen.

Als der Player auf Chillmusik umsprang, beschloss sie, sich unten irgendwo in die Sonne zu setzen. Sie verließ die Aussichtsplattform, tanzte die Stufen hinunter und ging auf die Suche nach einem guten Platz zum Chillen. Sie liebte das Rheinufer. Sie schlängelte sich geübt durch die Touristen, es schien als wäre gerade ein neuer Schwung Reisegruppen angekommen. Daran musste man sich hier gewöhnen: Viele Menschen, viele Fremde und es war immer was los am Eck, eigentlich in der ganzen Stadt. Sie versuchte immer im Takt ihrer Musik zu laufen, einfach so. Weil es ihr Spaß machte. Sie musste manchen Fahrradfahrern ausweichen. Manchmal gingen Familien oder Freunde, die zusammen gehörten, in einer Reihe und ließen einen nicht durch, so dass man einen Bogen laufen musste, um nicht komplett blockiert zu werden. Sie hatte meist einen schnellen Schritt, das hatte sie von ihrem Dad. Der rannte auch immer so, als wenn er verfolgt werden würde.

Dann war sie angekommen, die großen Stufen der Treppe direkt am Rhein vor dem Schloss hinuntergesprungen und hatte sich auf einen ihrer Lieblingsplätze gesetzt. Sie zog ihre Beine in den Schneidersitz, setzte sich aufrecht hin, atmete tief durch und hob ihren Kopf zur Sonne. Es war so wundervoll, dass der Winter endlich vorüber war und man in der Sonne sitzen konnte. Sie hatte die Menschen um sich herum fast vergessen, doch irgendwie spürte sie etwas. Als wenn sie jemand beobachtete. Um das herauszufinden wandte sie schnell ihren Kopf hoch zu den Geländern und da sah sie ihn. Einen sympathischen Kerl, der sie direkt anblickte. Ihr rutschte fast das Herz in die Hose.

´Bleib ganz cool, atme tief durch,´ sie musste lächeln, aber es war ihr peinlich und sie senkte den Blick. Warum wurde sie so nervös, es war ein fremder Typ. Allerdings ein sehr gut Aussehender. ‚Warum beobachtet der mich? Vielleicht war das nur Zufall und er hat mich gar nicht gemeint?’

Abrupt drehte sie plötzlich unerwartet ihren Kopf. Ihm sprang fast das Herz aus der Brust, während sie ihn direkt anblickte. Als hätte sie gespürt, dass er sie beobachtete und ihn dabei ertappt, wie er sie stalkte. Sie schaute erst fragend, lächelte ihn dann an, senkte ihren Blick und schaute verlegen wieder weg. Natürlich erkannte sie ihn nicht, woher auch. Er war ihr sicherlich nicht so aufgefallen, wie sie ihm. Was sollte er jetzt tun? Ob er einfach hingehen sollte? Bevor er lange darüber nachdenken konnte, bewegte er sich schon so lässig wie möglich zur Treppe, um nach unten zu gehen.

Unsicher blickte sie erneut nach oben zum Geländer, um es herauszufinden – doch enttäuscht stellte sie fest, dass er nicht mehr da oben stand. Frustriert schaute sie weiter das ganze Geländer entlang und verdrehte ihren Kopf, doch der Kerl war weg. Sie atmete schnaubend aus. ´Zu schön, um wahr zu sein,´ dachte sie sich, streckte ihre Beine lang und lehnte sich enttäuscht nach hinten. Die Sonne blendete sie, genervt zog sie sich die Sonnenbrille vom Kopf auf die Nase. Sie wollte gerade lieber in Selbstmitleid versinken, da sie sich schon wieder einen Sommer lang allein als Single vorstellen musste.

´Wo ist der blöde Typ denn jetzt hin und kann ich nicht mal…´, der Gedanke blieb ihr im Gehirngang stecken und sie wurde total nervös, als sie ihn plötzlich nur noch wenige Schritte auf sich zukommen sah.

´Er kommt zu mir? Kommt der zu mir? Geht der auf mich zu? Kenn ich den? Kennt der mich? Kann ich weglaufen? Tief ein- und ausatmen, bleib ganz cool, oder tu zumindest so.´ Als er fast direkt neben ihr stand, setzte er sich einfach hin, ohne ein Wort und schaute sie lächelnd an. ´Ob ich ihn kennen müsste?´, ihr Blick wurde skeptisch und fragend.

Der Moment, in dem er zu ihr ging, verging wie in Zeitlupe - schon wieder. Immer wenn es mit ihr zu tun hat, bleibt die Zeit stehen und alles wird unwirklich und magisch. So etwas hatte er noch nie erlebt. Als er sich setzte, blickte sie ihn an. Sie hatte leider die Sonnenbrille aufgezogen, so dass er ihre Augen nicht sehen konnte, aber sie lächelte ihn an. Er wusste nicht was er sagen sollte, die Worte waren wie Seifenblasen und zerplatzten sofort, wenn er sie aussprechen wollte. Für Sekunden war Magie zwischen ihnen. Bis sie endlich die Sonnenbrille von der Nase zog, sich die Stöpsel aus den Ohren zog und ihn lächelnd anblickte.

‚Es fühlt sich seltsam an, es fühlt sich an, als würden wir uns kennen, er fühlt sich nicht wie ein Fremder an und doch kenn ich ihn ganz sicher nicht’.

Es war für Sekunden Stille zwischen den beiden, bis sie die Stille durchbrach und ihm ein lockeres “Hi”, mit einem fragenden Blick zuwarf.

´Oh Mann, mehr fällt mir wohl gerade nicht ein,´ dachte sie und wurde rot.

Das “Hi” und der fragende Gesichtsausdruck waren deutlich – es enthielt in den zwei Buchstaben so viele Fragen ohne Antworten. Er grinste zurück und das einzige was ihm einfiel war ebenfalls ein: “Hi”.

Ihr Lächeln wurde noch offener, schüchtern senkte sie ihren Blick. Als wären tausend Worte in der Luft, füllte sich die Stille und er wusste, dass er etwas sagen musste. Doch erneut kam sie ihm zuvor.

“Kennen wir uns?”, fragte sie und ihr Blick fiel auf seinen tätowierten Arm. An ihrem Gesichtsausdruck, der von überrascht zu kurzem Nachdenken wechselte, sah er, dass sie verstand.

Sie erinnerte sich zwar nur, dass sie ihn vor einiger Zeit einmal im Vorbeigehen im Tattoostudio gesehen hatte, aber was er jetzt hier machte und warum sie sich so vertraut vorkamen, war ihr irgendwie unheimlich und doch aufregend. Als er anfing zu reden, lief ihr bei seiner warmen Stimme ein wohliger Schauer über den Rücken, als ginge er ihr durch und durch.

“Ich habe dich gesucht und jetzt hab ich dich gefunden. Es klingt wahrscheinlich total bescheuert aber ich habe eine Weile ungeduldig warten müssen, dich wieder zu sehen.” Seine Stimme war so warm und ging ihr direkt ins Herz und sein Blick so tief, als würde sie ihm direkt in die Seele blicken können.

´Wow, was war das – so etwas hab ich lange nicht gespürt… ach was, das kenne ich überhaupt nicht.´ In ihr schrien ihre Freunde und schlugen die Alarmglocken: “Sei nicht so euphorisch, schau ihn dir erstmal an, warte erstmal ab!” – dennoch fühlte sie, dass hier etwas ganz Besonderes im Gange war.

So lange zu warten hatte sich gelohnt, er war froh, dass er sich davon nicht hatte abbringen lassen. Sein Herz hatte über seinen Verstand gesiegt und das war auch gut so. Die Magie zwischen sich spürten beide so intensiv, hier trafen sich zwei passende Seelen am richtigen Ort, zur richtigen Zeit.

Das Eis war gebrochen. Plötzlich war es keine peinliche Stimmung mehr, die beiden fanden ein Thema nach dem anderen, um darüber zu reden. Sie lachte über seine Erzählung, wie er sie gesucht hatte und war fasziniert von seiner Stimme, wie er sprach und sie mochte sein Lachen.

Er lachte über ihre Art mit der Situation umzugehen. Sie war so offen, so unkompliziert, so erfrischend. Sie sprachen so lange, bis sie ihre Tochter holen musste, doch es würde nicht das letzte Treffen werden…

this story is dedicated to the “UnknownMan2013” im Tattoostudio Wegen dir… entstand dieses Buch

*skizze „eye“ by skodster

Kapitel II

Just a SMS…

Silke war in Eile. Das Projekt war gerade abgesagt worden und sie musste ihrem Kollegen schnell mitteilen, dass er sich nicht auf den Weg nach Bonn machen musste. Sie zückte ihr Handy während sie an die rote Ampel fuhr und begann eine Nachricht zu schreiben. Mit abwechselnden Blicken zwischen Ampel, Verkehr und Display tippte sie hektisch:

Ruben, müssen umplanen, Projekt abgesagt, treffen am Standort in einer Stunde, Gruß Silke

Als die Ampel auf Grün sprang, fluchte sie, weil sie die SMS noch nicht abgeschickt hatte. Zwischen Gangschaltung, anderen Autos und den Straßenschildern blickte sie zwischendurch immer wieder aufs Handy und klickte sich durch die Kontakte. Da, endlich, Ruben Köhler. Ausgewählt und auf Senden geklickt. Auf nach Koblenz.

Tom blickte auf seine Uhr, er joggte seit zwanzig Minuten, er hatte noch weitere zwanzig dann musste er nach Hause, um sich für seinen Termin fertig zu machen. Er war relaxt, sein Leben lief einzigartig. Er hatte Erfolg im Beruf, die Frauen konnte er sich aussuchen und diese wechselte er je nach Lust und Laune. Eine feste Bindung kam für ihn nicht in Frage. Tom war schon immer ein Lebemensch, ein ‚Hallodri’, wie sein Vater ihn schimpfte. Aber was soll’s, der Erfolg zeigte ihm, dass alles richtig war und das bereits seit über zehn Jahren. Sein Handy meldete sich mit einer SMS. Ob der Termin absagen würde? Er holte es aus seiner Gürteltasche und blickte auf die Kurzmitteilung. Er blieb abrupt stehen und war überrascht. Die Nummer war ihm unbekannt, den Text verstand er nicht. Als er den Namen der Absenderin las, wusste er nicht ob er grinsen oder die Stirn runzeln sollte – es wurde ein Gemisch aus beidem irgendwie.

Silke… ob es DIE Silke war? Er wurde nervös, schüttelte dann aber den Kopf, als wenn es nur ein Versehen gewesen war und wurde wieder ganz cool, wie immer.

Silke… vielleicht war es auch irgendeine andere Silke.

‚Nachfragen hilft vielleicht, dachte er sich und tippte eine Antwort:

Hey Silke. Bin zwar nicht Ruben. Aber in 2 Stunden hätte ich Zeit. Tom!

Irgendwann bemerkte er, dass er wartend auf sein Handy glotzte. Wieder schüttelte er den Kopf, über sich selbst und dass diese Silke ihn gerade durcheinander brachte - wie damals. ‚Mann, war das lange her…’

‚Ach was, wer weiß welche Silke. Woher sollte sie überhaupt meine Nummer haben…’ Tom begann sich wieder in Bewegung zu setzen, er musste sich beeilen, um nach Hause zu kommen. Während er in Richtung seiner Wohnung joggte, gingen ihm all die Erinnerungen von damals durch den Kopf.

Silke und er waren etwas über zwei Jahre zusammen gewesen. Es war seine erste und auch einzige langjährige Beziehung. Doch er hatte sich zu jung gefühlt, zu eingeengt. Ständig hatte es Ärger gegeben. Silke war so eifersüchtig und zielstrebig. Sie studierte, arbeitete nebenbei, um sich alles zu finanzieren und er hatte nur seine Musik und seine Kumpels im Kopf. Einen festen Job hatte er nicht, schlief bis Mittags, schlug sich die Nächte mit Partys um die Ohren und das gefiel ihm. Damals hatte er sie bewundert und ja, er hatte sie sehr geliebt, deshalb war er bei ihr geblieben und dachte, dass sich irgendwann alles wieder einpendeln würde. Silke und er gehörten zusammen, dessen war er sich damals sicher gewesen. Wenn sie sich aufregte, konnte er sie immer wieder besänftigen. Als sie irgendwann anfing über zusammen ziehen zu reden, von Zukunft und Heiraten sprach, blockte er es immer wieder ab und schob es auf die lange Bank. Seine Unabhängigkeit aufgeben? Das könnte er doch noch mit fünfzig, dachte er damals. Er war zu dem Zeitpunkt gerade Anfang zwanzig, jetzt war er Ende dreißig und auch, wenn er selbst mittlerweile zielstrebig und erfolgreich war, einen festen Job und ein geregeltes Leben hatte, so war er immer noch unabhängig und frei. Das war ihm wichtig.

‚Was soll’s?` Warum sollte er sich all diese Gedanken machen? Wieder schüttelte er den Kopf, jagte die Gedanken weg, konzentrierte sich mental auf seinen Termin und lief weiter.

Ihr Handy klingelte und Silke kramte danach in ihrer Tasche. Sicher rief Ruben an.

“Ruben?”, nahm sie den Anruf entgegen.

„Silke, ich steh im Stau auf der 48, da is wohl ein Unfall, ich brauch noch länger als gedacht.” – Silke war irritiert.

“Bist du auf dem Weg nach Bonn?”, fragte sie.

“Ja, bin ich, klar – wir haben doch das Projekt gebucht, warum fragst du so?”