Babette postfaktisch - Tobias Schlosser - E-Book

Babette postfaktisch E-Book

Tobias Schlosser

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Beschreibung

"Babette hat schon immer geahnt, dass es Echsenmenschen geben muss, schließlich steckt in dem Wort existieren ja auch irgendwie das Wort Echse." Mit viel satirischem Witz und absurder Komik erzählen die Kurzgeschichten von Babette, einer rüstigen Rentnerin, die mit unerschütterlichem Enthusiasmus gegen alltägliche Ärgernisse kämpft: sei es Obdachlose aus dem Stadtpark zu vertreiben, indem sie selbt zur Leergutsammlerin mutiert, die unmögliche Parkplatzsituation vorm Pflegeheim ihres Bruders mit Fischöl zu lösen oder ihre unliebsame Schwiegertochter von der Unschädlichkeit von Asbest zu überzeugen. Jeder kennt eine Babette.

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Seitenzahl: 93

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Über Babette postfaktisch schrieb Amthor von Donnersklöppel:

„Das ist das beste Buch, was je geschrieben wurde. Alle Bücher, die Sie bisher gelesen haben, sind einfach nur Müll. Glauben Sie mir! Es ist wahr!“

Tobias Schlosser, Jahrgang 1985, hat ohne zu wissen, was ein Trochäus ist, versehentlich einen Doktortitel in englischer Literaturwissenschaft über kanadische Geistergeschichten erworben. Er liebt es seine Ruhe zu haben. Da er aber auch essen möchte und weder Sugar Daddy noch Mommy in Sicht sind, arbeitet er derzeit als Lehrer und Buchhalter und hat sich als Barkeeper ausbilden lassen.

für Alecia,

Vivienne

und Steven

Inhaltsverzeichnis

Gedicht anstelle eines Vorwortes

Logbucheintrag 1: Kinderfernsehen

Logbucheintrag 2: Intrige

Logbucheintrag 3: Tugenden

Logbucheintrag 4: Geburtstag

Logbucheintrag 5: Eheglück

Logbucheintrag 6: Halloween

Logbucheintrag 7: Bundesverdienstkreuz

Logbucheintrag 8: Korruption

Logbucheintrag 9: Fleisch

Logbucheintrag 10: Zugfahrt

Logbucheintrag 11: Dreharbeiten

Logbucheintrag 12: Erleuchtung

Der Autor dankt ...

Babette dankt ...

Gedicht anstelle eines Vorwortes

Meine Leser*innen sind sexy,

Egal, wie viel sie wiegen und wie alt sie sind.

Meine Leser*innen haben einen guten

Musikgeschmack.

Sie können tanzen.

Und vor allem tanzen sie sexy.

Meine Leser*innen hängen nur mit coolen Leuten ab.

You know,

mit den extra coolen und extra sexy Menschen des

Planeten.

Nur die extra coolen und extra sexy Menschen des

Planeten

verstehen mein Buch.

Die wichtigste Eigenschaft aber,

die meine Leser*innen haben,

ist,

dass sie trinken können.

Das schätze ich besonders an ihnen neben ihrer

allgemeinen Sexyness,

denn:

Je mehr Sie trinken, desto lustiger wird mein Buch.

Logbucheintrag 1: Kinderfernsehen

Gemeinsam mit ihrem elfjährigen Enkel Nik starrt Babette auf den Bildschirm. Die Sendung mit der Maus läuft und langsam, aber sicher wird sie wütend. Es ist Sonntagvormittag und das Kinderfernsehen sollte für beide eigentlich ein vergnüglicher Zeitvertreib sein, bis der schonend gegarte Bio-Hammel-Sonntagsbraten von Maude, Babettes Schwiegertochter, aufgetischt würde. Doch die vermeintliche Ablenkung ruft bei Babette gewaltige Bauchschmerzen hervor, so dass sie gar nicht weiß, ob sie nachher überhaupt noch etwas essen kann. Eigentlich hatte sie immer gedacht, Kinderfernsehen solle den Kindern Unterhaltung und Wissen gleichermaßen vermitteln. Dem scheint jedoch nicht so.

Babette holt tief Luft. Ihr Ärger findet keine Worte.

Am liebsten würde sie jetzt nach draußen rauchen gehen, doch Maude, die grausamste aller Schwiegertöchter, hat es ihr verboten. In ihrem reformpädagogischen Hippie-Wahn wagte es Maude doch tatsächlich, Babette dahingehend zu informieren, dass Kinder am Vorbild lernen und dass Nik bitte keine kettenrauchende Großmutter als Vorbild haben solle.

„Mein liebes Distelkind“, versuchte Babette ihrer Schwiegertochter die Wahrheit begreiflich zu machen, „du weißt schon, dass Kinder ihren eigenen Kopf haben und ohnehin nicht auf die Älteren hören? Wenn du sichergehen willst, dass Nik nicht mit Rauchen anfängt, rauche gefälligst selbst! Das Letzte, was Kinder tun würden, ist das, was ihre Eltern machen!“

Doch Maude ließ sich in ihrer Dickköpfigkeit nicht von Babettes stichhaltigen Argumenten überzeugen, obwohl sie als studierte Philosophin und Anthropologin eigentlich hätte Einsicht zeigen müssen. So kam es, dass Babette, wissend, dass sie ein Engel des Friedens ist, schweigt und sich an Maudes Regeln hält, die sich diese lediglich ausgedacht hat, um ihre Schwiegermutter zu schikanieren. Bloß gut, dass Maude Babette nur das Rauchen und nicht auch noch ihre Gedanken verbieten kann. Denn so langsam platzt Babette der Kragen. Zu allem Überfluss wird sie gerade genötigt, Augenzeugin zu werden, wie ihr lieber Enkel aufs Schlimmste verkaspert wird.

Die Sendung mit der Maus erzählt das Märchen von der Recycling-Industrie. Nik scheint fasziniert, wie aus altem Papiermüll neues Papier gewonnen wird.

„Früher gab es keine Mülltrennung“, sagt Babette zu ihrem Enkel, „da wurde einfach alles so weggeworfen, wie es einem aus den Pfoten fiel.“

„Echt jetzt?“, fragt Nik.

„Echt jetzt!“, sagt Babette in spöttischem Unterton. Sie will Nik ihr Missfallen darüber spüren lassen, dass er es nicht einmal schafft, einen vernünftigen Satz zu bilden.

Babette fühlt sich wie betäubt. Bei ihrem Sohn Walter damals hatte sie noch alles selbst in der Hand. Ihm konnte sie einfach verbieten, realitätsfremde Sendungen wie Als die Tiere den Wald verließen zu schauen, die den Kindern Mitleid mit Ungeziefer vermitteln. Walter konnte sie so noch vor den schlimmsten Gerüchten bewahren. Doch bei Niks Erziehung läuft alles aus dem Ruder. Allerdings ist Babette auch eine Humanistin, wie sie im Buche steht. Daher beginnt sie sogleich mit der Aufklärung:

„Früher musste niemand Müll trennen und da ist auch nichts passiert, das kann ich dir sagen! Die tun heute alle so, als ob etwas furchtbar Schlimmes passieren würde, wenn wir den Müll nicht trennen. Ich habe aber schon alles Mögliche in meinen Papiermüll geschmissen: Kartoffelschalen, Kippenstummel, Batterien – und da ist nichts passiert. Selbst als ich Kater Willi da reingeschmissen habe, nachdem er gestorben war, hat niemand was gesagt.“

„Du hast Kater Willi in den Papiermüll geschmissen?“, fragt Nik seine Oma ungläubig.

„Ja, was hätte ich denn tun sollen? Ich hatte keine andere Wahl! Auf meinem Grundstück konnte ich Willi nicht vergraben. Es gibt da einfach zu viele Füchse und die buddeln den Kater wieder aus. Sieht nicht schön aus, Nik. Und der Tierarzt hätte über zwanzig Euro für die Entsorgung gewollt. Da habe ich mir gedacht: Babette, sei schlau wie der Fuchs und schmeiß den Kater ins Altpapier. Die Tonne wird gewogen, da bringt er dir wenigstens noch a bissl was an Geld, das einem die Stadt fürs Altpapier gibt. Ja, so macht die Oma das. Nik, horch einmal her! Du kannst ruhig ein bisschen rebellisch sein, musst nicht immer das machen, was die anderen von dir wollen. Die, die sagen, dass wir den Müll trennen müssen, sind alles Distelkinder, die die Menschen beschäftigt halten wollen. Die wollen nur, dass wir rechtschaffenen Bürger nicht nachdenken. Weißt du, Nik, es gibt viel, viel schlimmere Sachen, die uns wirklich alle umbringen. Was glaubst du, was diese Menschen alles tun, Nik? Die sprühen von ihren Flugzeugen Gift auf uns, verseuchen unser Wasser mit Chlor und vergraben radioaktives Material bei Straßenbauarbeiten, damit wir alle allmählich vergiftet werden.“

„Aber warum machen die das?“, fragt Nik, zunehmend aufgewühlt.

„Na ja“, antwortet Babette, „es gibt einfach zu viele Menschen, und sie werden immer älter, da müssen halt ein paar weg. Deshalb vergiften die uns alle. Gelingen tut’s denen bisher noch nicht. Deswegen werden die immer mehr Gift auf uns regnen lassen, damit wir alle schneller verrecken. Bums. Aus. Ende. Aber mir soll es egal sein, wenn wir alle draufgehen. Ich habe mein Leben gelebt und dann werde ich vom Himmel auf euch herabschauen und euch auslachen, weil ihr alle so heillos bescheuert seid.“

In diesem Augenblick kommt Maude mit dem schonend gegarten Bio-Hammel-Sonntagsbraten ins Wohnzimmer und scheint alles andere als erfreut. Nach einem Moment des Schweigens, in dem niemand so recht weiß, wer nun was zu sagen hat, äußert Maude klar und deutlich:

„... und ich höre mich noch mit Engelszungen mit dir reden! Vor genau sieben Jahren! Da hast du das erste Mal mit Nik Der Maulwurf und seine Freunde gesehen und gesagt, dass diese Zeichentrickserie verboten gehört, da sie Schädlinge bewirbt, die du am liebsten alle in einem Eimer ertränken würdest. Und ich habe dir gesagt, dass in der Sendung neben einem Maulwurf und einer Maus auch ein Igel mit dabei ist. Ein Igel, Babette, ein Igel! Und da meintest du nur: ‚Na, der kann auch mit weg!‘ Erinnerst du dich? Damals habe ich dir gesagt, dass es bei jedem kassenärztlich zugelassenen Psychotherapeuten fünf verschissene probatorische Sitzungen gibt. Fünf! Und die können einfach so kostenfrei genutzt werden. Warum um alles in der Welt hast du das Angebot damals nicht genutzt? Da wäre Nik heute einiges erspart geblieben!“

Stille.

Plötzlich schreit Babette: „Dein Hackfleischbraten stinkt nach Katzenpisse!“

Sie starrt Maude bezwingend an, dann steht sie auf und deckt den Tisch.

Logbucheintrag 2: Intrige

Babette schaut auf ihren SUV, den sie in der Einfahrt vor ihrer Garage geparkt hat, und wird unfassbar wütend. Gestern Abend ist sie spät heimgekommen und zu faul gewesen, ihr Auto in der Garage abzustellen. Außerdem klebten unzählige Blütenblätter der Magnolie, die in ihrer Einfahrt steht, an den Reifen des Geländewagens und sie wollte den Blütenmatsch nicht mit in die Garage schleppen. Doch jetzt sah Babette die Bescherung.

„Es ist wirklich eine hässliche Welt“, sagt sie zu sich, „in der selbst Tauben einem nur zum Schur leben!“

Babette hat einmal gehört, dass Tauben die Ratten der Lüfte seien. Doch sie hat es schon immer besser gewusst: Tauben sind in Wahrheit die Mafia der Lüfte! An einem milden Sommerabend hat sie solch ein Federvieh mit einem Violinenkoffer im Schnabel durch die Dämmerung fliegen sehen, bereit, einen seiner diabolischen Aufträge auszuführen. Denn in dem Koffer war keine Pistole, nein, das hätte Babette als Waffenliebhaberin, die jeden verehrt, der sich zur Wehr zu setzen weiß, gut gefallen. Tauben haben eine viel schlimmere Waffe in ihren Geigenkoffern: Abführmittel.

Und so kam es, dass in der letzten Nacht die Drahtzieher-Taube zur Magnolie in Babettes Vorgarten geflogen war, wo bereits eine Heerschar vergnügter Tauben auf den Ästen des Baumes auf den Stoff gewartet hatte. Dann pickten alle flugs die Pillen auf und schissen inbrünstig die Windschutzscheibe von Babettes SUV zu.

Fassungslos fragt sich Babette, wer der wahre Auftraggeber dieses perfiden Planes sei. Wer um alles in der Welt bezahlt Tauben, damit sie so etwas tun?

Babette vermutet, dass die Kohlmeisen-Lobby dahintersteckt. Die Kohlmeisen, so erfuhr sie neulich aus ihrer Tageszeitung, sind vom Aussterben bedroht. Eine tödliche Lungenkrankheit geht in der Kohlmeisen-Welt um, an der alle männlichen Kohlmeisen sterben. So hat sie es zumindest gelesen. Die Vogel-Influenza scheint ihren Ursprung in Griechenland zu haben. Von dort wurden nämlich Spinnen, die die Keime der Krankheit in sich tragen und die in Südfrüchten nisten, nach Mitteleuropa eingeschleppt, wo sie aufgrund des Klimawandels nunmehr überleben. Sie bieten sich als Opfer feil und werden von den Kohlmeisen fleißig aufgepickt. Das tun die Spinnen natürlich nur, um letzten Endes alle männlichen Kohlmeisen zu töten. Sicher sind die Spinnen Feministinnen, die in ihrem blinden Männerhass vor nichts Halt machen, schlussfolgert Babette folgerichtig. Fast schon christlich, dieser Opfergedanke.

Früher mochte Babette die lieben Kohlmeisen. Aber die Faktenlage spricht nicht zu deren Gunsten: Wer nicht robust genug ist, sich gegen invasive feministische Insekten aus Griechenland zur Wehr zu setzen, verdient auch nichts Besseres, als zur Hölle zu fahren. Pech gehabt. Nun geht’s der Meise halt richtig scheiße.

Plötzlich vernimmt Babette in ihrem Kopf die Stimme ihrer verhassten altklugen Schwiegertochter Maude, des Distelkindes: „Also, Spinnen sind eigentlich gar keine Insekten ...“

Diese Worte machen Babette nur noch wütender.

Aber zurück zu den Kohlmeisen: Sicherlich haben diese die Tauben beauftragt, Rache an Babette zu nehmen, da sie in der Presse ohne Zweifel Notiz davon genommen haben, dass die Geländewagenfahrer am Klimawandel schuld seien. Die Zeitungen sind ja voll von diesem Irrsinn! Spinnentiere sind demnach aufgrund des Klimawandels hier und infizieren die nicht wetterfesten Kohlmeisen-Männchen. Ergo: Die labilen und rachsüchtigen Kohlmeisen geben Babette die Schuld an ihrer Misere.

Babette schaut auf ihren SUV und überlegt, einen unterbezahlten Borasisi, der in der Nähe Spargel sticht, vom Feld zu holen. Der könnte den Wagen zu einem erschwinglichen Preis putzen. Schließlich ist das Elend in ihrem Vorgarten nicht auszuhalten.