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Dieses Buch ist in einfacher Sprache geschrieben. Bei der Übersetzung in einfache Sprache folgen wir weitgehend der Norm DIN 8581-1. Das Buch eignet sich für Leserinnen und Leser, die eine eingeschränkte Lesefähigkeit haben (LRS), Deutsch als Zweitsprache lernen, mit komplexen Texten Schwierigkeiten haben oder einfach ein Buch in kompakter, lesefreundlicher Form genießen wollen. "Bambi" ist ein Roman von Felix Salten, erstmals veröffentlicht 1923. Diese rührende Erzählung verfolgt das Leben von Bambi, einem jungen Reh, von seiner Kindheit bis zum Erwachsenenalter. Durch die Augen Bambis und seiner Freunde erlebt der Leser die natürlichen Zyklen des Lebens, die Herausforderungen des Waldes und die ständige Bedrohung durch die Menschen. Ein zentraler Aspekt des Buches ist Bambis Begegnung mit den Menschen, die er "Er" nennt. Diese Begegnungen sind oft traumatisch und prägen seine Sicht auf das größte Raubtier im Wald – den Menschen. Bambis Jugend ist geprägt von Neugier und Spiel, aber auch von Verlust, wie dem schmerzhaften Tod seiner Mutter, die von Jägern getötet wird. "Bambi" ist nicht nur eine Geschichte über das Heranwachsen eines Rehs, sondern auch eine tiefgründige Reflexion über die Beziehung zwischen Menschen und Natur. Salten verwendet die Tiere und den Wald, um tiefere Themen wie Respekt vor dem Leben, den Umgang mit Angst und Verlust und die Bedeutung von Familie und Freundschaft zu erkunden.
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Inhaltsverzeichnis
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
Impressum
Er kommt in einer kleinen, versteckten Ecke des Waldes zur Welt. Jetzt steht er da, schwankt unsicher auf seinen dünnen Beinen und blickt mit trüben Augen vor sich hin. Er lässt den Kopf hängen, zittert und ist noch benommen.
„Was für ein schönes Kind!“ ruft die Elster.
Sie fliegt herbei, angelockt durch das Stöhnen der Mutter. Jetzt sitzt die Elster auf einem Ast in der Nähe. „Was für ein schönes Kind!“ ruft sie erneut. Da sie keine Antwort bekommt, spricht sie weiter. „Es ist erstaunlich, dass es schon stehen und gehen kann! Ich habe das noch nie gesehen. Ich bin noch jung. Ich finde es wunderbar. Ein Kind kommt zur Welt und kann gleich auf den Beinen stehen. Kann es auch schon laufen?“
„Ja“, antwortet die Mutter leise. „Aber entschuldigen Sie bitte, wenn ich jetzt nicht weiterreden kann. Ich habe viel zu tun.“
„Lassen Sie sich von mir nicht stören“, sagt die Elster. „Ich habe nicht viel Zeit. Aber so etwas sieht man nicht oft. Bei uns ist es umständlich und mühsam. Die Kinder können sich nicht rühren, wenn sie aus dem Ei kommen. Man muss sie füttern. Das ist anstrengend. Die Kinder können sich nicht selbst helfen. Es dauert lange, bis sie sich bewegen können, Federn bekommen und richtig aussehen!“
„Verzeihen Sie“, sagt die Mutter, „ich habe nicht zugehört.“
Die Elster fliegt davon und denkt: „Dumme Person!“
Die Mutter wäscht eifrig das Neugeborene. Sie wäscht es mit ihrer Zunge. Das ist Körperpflege, Massage und Liebkosung in einem.
Das Kleine taumelt ein wenig. Sein rotes Röckchen hat feine weiße Sprenkel und sein Gesicht zeigt noch den Ausdruck von tiefem Schlaf.
Rundherum wachsen Haselstauden, Schlehdorn-Büsche und junger Holunder. Hohe Bäume bilden ein grünes Dach über dem Dickicht. Der Boden ist dunkelbraun. Das Licht der Frühsonne strömt durch das Laub. Der Wald klingt fröhlich. Die Tauben gurren, die Amseln pfeifen, die Finken schlagen und die Meisen zirpen. Dazwischen hört man den schrillen Schrei der Häher und das Lachen der Elstern. Der heisere Chor der Krähen ist ständig zu hören.
Das Kleine versteht keinen der Gesänge und nimmt keinen der Gerüche wahr. Es hört nur das leise Knistern und riecht nur den nahen Leib der Mutter. Es schmiegt sich eng an und sucht hungrig daran.
Während es trinkt, liebkost die Mutter weiter ihr Kind. „Bambi“, flüstert sie. Sie hebt immer wieder den Kopf, lauscht und atmet den Wind ein. Dann küsst sie ihr Kind wieder, beruhigt und glücklich. „Bambi“, wiederholt sie, „mein kleiner Bambi.“
Jetzt im Frühsommer stehen die Bäume still unter dem blauen Himmel. An den Hecken und Sträuchern blühen weiße, rote und gelbe Blumen. Es riecht überall nach frischem Laub, Blüten und feuchter Erde. Wenn der Morgen beginnt, klingt der Wald von tausend Stimmen. Vom Morgen bis zum Abend singen die Bienen, summen die Wespen und brausen die Hummeln durch die duftende Stille.
So verbringt Bambi seine ersten Wochen.
Er geht hinter seiner Mutter auf einem schmalen Weg. Es ist angenehm, hier zu gehen! Das dichte Laubwerk streichelt ihn sanft. Der Weg scheint überall versperrt, doch man kommt bequem vorwärts. Überall gibt es solche Wege, sie verlaufen kreuz und quer durch den Wald. Die Mutter kennt sie alle. Wenn Bambi vor einem Gestrüpp steht, das wie eine grüne Mauer aussieht, findet die Mutter immer einen Weg.
Bambi fragt gerne. Er liebt es, seine Mutter zu fragen und zu hören, was sie antwortet. Es erstaunt ihn nicht, dass ihm ständig Fragen einfallen. Er findet das ganz natürlich und freut sich darüber. Es macht ihm auch Freude, auf die Antwort zu warten. Egal, wie die Antwort ausfällt, er ist immer zufrieden. Manchmal spürt er, dass seine Mutter ihm nicht alles erzählt und das macht ihn noch neugieriger.
Jetzt fragt Bambi: „Wem gehört diese Straße, Mutter?“
Die Mutter antwortet: „Uns.“
Bambi fragt weiter: „Dir und mir?“
„Ja.“
„Uns beiden?“
„Ja.“
„Uns beiden allein?“
„Nein“, sagt die Mutter, „uns Rehen.“
„Was sind Rehe?“ fragt Bambi und lacht.
Die Mutter schaut sich nach ihm um und lacht auch: „Du bist ein Reh und ich bin ein Reh. Das sind Rehe. Verstehst du das?“
Bambi springt vor Lachen in die Höhe. „Ja, ich verstehe das. Ich bin ein kleines Reh und du bist ein großes Reh. Stimmt das?“
Die Mutter nickt ihm zu. „Ja, genau.“
Bambi wird wieder ernst: „Gibt es noch andere Rehe außer uns?“
„Ja“, sagt die Mutter. „Viele.“
„Wo sind sie?“ fragt Bambi.
„Hier, überall.“
„Aber ich sehe sie nicht.“
„Du wirst sie schon sehen.“
„Wann?“ Bambi bleibt neugierig stehen.
„Bald“, sagt die Mutter und geht ruhig weiter.
Bambi folgt ihr. Er denkt über das Wort „bald“ nach. Er versteht, dass „bald“ nicht „gleich“ bedeutet. Plötzlich fragt er: „Wer hat diese Straße gemacht?“
„Wir“, antwortet die Mutter.
Bambi ist erstaunt: „Wir? Du und ich?“
Die Mutter erklärt: „Nun wir, die Rehe.“
Bambi fragt: „Welche?“
„Wir alle“, sagt die Mutter.
Sie gehen weiter. Vor ihnen raschelt es am Boden. Etwas rennt schnell durch die Farnwedel. Ein dünnes Stimmchen pfeift auf, dann wird es still. Nur die Blätter und Grashalme zittern noch. Ein Iltis hat eine Maus gejagt. Jetzt huscht er vorbei und beginnt zu fressen.
„Was ist das gewesen?“ fragt Bambi aufgeregt.
„Nichts“, beruhigt die Mutter ihn.
„Aber ...“ Bambi zittert, „aber ich habe es doch gesehen.“
„Nun ja“, sagt die Mutter, „erschrick nicht. Der Iltis hat die Maus getötet.“
Bambi ist sehr erschrocken. Es dauert lange, bis er wieder sprechen kann. Dann fragt er: „Warum hat er die Maus getötet?“
„Weil ...“ Die Mutter zögert. „... gehen wir schneller“, sagt sie dann. Sie beginnt schneller zu gehen.
Nach einer langen Pause gehen sie ruhig weiter. Schließlich fragt Bambi bedrückt: „Werden wir auch einmal eine Maus töten?“
„Nein“, antwortet die Mutter.
„Nie?“ fragt Bambi.
„Niemals“, ist die Antwort.
„Warum nicht?“ fragt Bambi erleichtert.
„Weil wir niemanden töten“, sagt die Mutter einfach.
Bambi wird wieder heiter.
Von einer jungen Esche in der Nähe dringt ein lautes Kreischen herunter. Die Mutter geht weiter, ohne darauf zu achten. Bambi bleibt neugierig stehen. Zwei Häher streiten sich in den Zweigen.
„Suchen Sie sich Ihre Nester selber, Sie Dieb! Ich schlage Ihnen den Schädel ein“, ruft der eine Häher.
Der andere flattert ein paar Zweige herunter und schnarrt Bambi an: „Was hast du hier zu gaffen! Hau ab!“
Eingeschüchtert springt Bambi davon und rennt zu seiner Mutter.
Nach einer Weile fragt er: „Mutter, warum sind die beiden so böse zueinander gewesen?“
Die Mutter antwortet: „Sie haben sich wegen des Essens gestritten.“
Bambi fragt: „Werden wir uns auch wegen des Essens streiten?“
„Nein“, sagt die Mutter.
„Warum nicht?“ fragt Bambi.
Die Mutter antwortet: „Es ist genug da für uns alle.“
Bambi möchte noch etwas wissen: „Mutter?“
„Was denn?“
„Werden wir auch einmal böse miteinander sein?“
„Nein, mein Kind“, sagt die Mutter, „bei uns gibt es das nicht.“
Sie gehen weiter. Plötzlich wird es ganz hell vor ihnen. Das grüne Dickicht endet. Bambi will vorwärtsspringen, doch die Mutter bleibt stehen.
„Was ist das?“ ruft Bambi ungeduldig und fasziniert.
„Die Wiese“, antwortet die Mutter.
„Was ist die Wiese?“ fragt Bambi weiter.
Die Mutter unterbricht ihn. „Das wirst du schon selbst sehen.“ Sie wird ernst und aufmerksam. Regungslos steht sie da, hält den Kopf hoch, lauscht und sieht streng aus.
„Es ist gut“, sagt sie schließlich, „wir können hinaus.“ Bambi springt los, doch sie versperrt ihm den Weg. „Du wartest, bis ich dich rufe.“ Bambi bleibt gehorsam stehen. „So ist es richtig“, lobt die Mutter. „Und jetzt merk dir genau, was ich dir sage.“ Bambi hört gespannt zu. „Es ist nicht einfach, auf die Wiese zu gehen. Es ist eine schwere und gefährliche Sache. Frag nicht, warum. Du wirst das später lernen. Für jetzt befolge genau, was ich dir sage!“
„Ja“, verspricht Bambi.
„Gut. Ich gehe also zuerst hinaus. Bleib hier stehen und warte. Schau immer auf mich. Wenn du siehst, dass ich zurücklaufe, dann mach kehrt und lauf so schnell wie möglich weg. Ich hole dich schon ein.“ Sie denkt nach und fährt dann eindringlich fort: „Laufe, was du kannst, auch wenn etwas passiert. Auch wenn du siehst, dass ich stürze. Achte nicht auf mich, verstehst du? Was immer du siehst oder hörst, lauf sofort und so schnell wie möglich weg! Versprichst du mir das?“
„Ja“, sagt Bambi leise.
„Wenn ich dich aber rufe“, fährt die Mutter fort, „kannst du kommen. Draußen auf der Wiese darfst du spielen. Es ist schön dort. Aber du musst mir auch versprechen, beim ersten Ruf von mir sofort zu mir zu kommen. Unbedingt! Hörst du?“
„Ja“, sagt Bambi noch leiser.
Sie fährt fort: „Da draußen darfst du nicht umhergucken und nicht fragen, sondern wie der Wind hinter mir herrennen! Merk dir das. Wenn ich anfange zu laufen, heißt es auf und davon, bis wir wieder hier drinnen sind. Wirst du das nicht vergessen?“
„Nein“, sagt Bambi besorgt.
„Dann werde ich jetzt gehen“, meint die Mutter und wirkt etwas ruhiger.
Sie tritt hinaus. Bambi sieht, wie die Mutter nach allen Seiten lauscht. Nach einer Minute wird die Mutter wieder ruhig. Sie streckt den Hals aus, schaut vergnügt herüber und ruft: „Komm!“
Bambi springt hinaus. Eine große Freude erfasst ihn. Im Dickicht hat er nur die grünen Baumwipfel und gelegentlich kleine blaue Flecken des Himmels gesehen. Jetzt sieht er das ganze Himmelsblau. Jetzt steht er plötzlich in der heißen, blendenden Sonne. Bambi ist ganz aufgeregt. Unbeholfen springt er auf der Stelle. Er kann nicht anders, er muss springen. Seine jungen Glieder sind kräftig, sein Atem tief und leicht.
Seine Mutter beobachtet ihn und freut sich. Sie sieht, wie Bambi sich freut und immer wieder auf der Stelle springt.
Sie merkt, dass Bambi nicht weiß, wie man auf der offenen Wiese frei umherläuft. Sie duckt sich, lacht ihn kurz an, dann flitzt sie schnell im Kreis herum, so dass die Grashalme rauschen. Bambi erschrickt und bleibt still. Er überlegt, ob er zurück ins Dickicht soll, wie es die Mutter gesagt hat.
Doch die Mutter kommt plötzlich auf ihn zu galoppiert, lacht ihn an und ruft: „Fang mich doch!“ Dann läuft sie schnell weg. Bambi ist überrascht. Was ist mit der Mutter los? Doch sie kommt wieder, rennt schnell, stupst ihn mit der Nase an und ruft erneut: „Fang mich doch!“
Bambi läuft ihr nach. Zuerst sind es noch Schritte, dann wird es zu leichten Sprüngen. Er fühlt sich, als würde er fliegen. Das Gras rauscht herrlich. Es ist weich und zart, wenn es an ihm vorbeistreicht. Die Mutter steht da, holt Atem und schaut immer in die Richtung, in der Bambi vorbeifliegt. Bambi rast weiter.