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Tief im Dickicht des Waldes verbringt das Rehkitz Bambi eine unbeschwerte Kindheit. Seine Mutter beschützt ihn fürsorglich, und mit seinen Freunden Gobo und Faline kann er ausgelassen spielen. Als Bambi zum ersten Mal im Leben eine weite offene Wiese betritt, erfährt er, was Freiheit bedeutet – und Gefahr. Denn dort draußen begegnen die Tiere des Waldes 'Ihm', dem Menschen und damit ihrer größten Bedrohung. 'Bambi' ist eine Geschichte um Liebe, Vertrauen und Verlust, die schon viele Generationen junger Leserinnen und Leser berührt hat.
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Seitenzahl: 203
Felix SaltenBambi
FELIX SALTEN
EINE LEBENSGESCHICHTE AUS DEM WALDE
Mit 118 Federzeichnungen von Hans Bertle
ANACONDA
Textgrundlage dieser Ausgabe istFelix Salten: Bambi. Eine Lebensgeschichte aus dem Walde. Achte Auflage der illustrierten Ausgabe. Mit 118 Federzeichnungen von Hans Bertle. Rüschlikon-Zürich: Albert Müller Verlag 1940. Orthografie und Interpunktion wurden für diese Ausgabe auf neue deutsche Rechtschreibung umgestellt.
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2016 Anaconda Verlag GmbH, Köln Alle Rechte vorbehalten. Umschlagmotiv: Raymond Booth (1929–2015), »Young Roe Deer in Adel Woods« (1999), Private Collection/ Photo © The Fine Art Society, London, UK/Bridgeman Images Umschlaggestaltung: www.katjaholst.de ISBN 978-3-7306-0340-6eISBN [email protected]
»Bambi« ist ein entzückendes Buch. Es wird nicht nur die Kinder begeistern, sondern auch die Menschen, die nicht mehr so glücklich sind, es zu sein. Ich kenne kaum eine Tiererzählung, die sich, was empfindsame Beobachtung und innere Wahrhaftigkeit anlangt, mit dieser Lebensgeschichte eines Rehs messen könnte. Felix Salten ist ein Dichter. Er erfühlt das Wesen der Natur zutiefst, und er liebt die Tiere. Ich sehe es im Allgemeinen nicht gerne, wenn menschliche Worte aus dem Munde vernunftloser Kreaturen klingen; aber das gerade ist das Großartige dieses Buches, dass man hinter dem Gesprochenen die wirklichen sinnlichen Gefühle der sprechenden Geschöpfe spürt. Es ist ein kleines Meisterwerk, klar und bunt und stellenweise rührend.
Ich las es in Korrekturabzügen auf dem Weg von Paris nach Calais, vor einer Fahrt über den Kanal. Sobald ich eine Fahne beendet hatte, gab ich sie meiner Frau, die sie las und der Gattin meines Neffen weiterreichte, die sie las, um sie meinem Neffen zu geben. So saßen wir vier durch drei Stunden und lasen in stiller Versunkenheit. Und wer weiß, was es heißt, ein Buch in Fahnen zu lesen, und auch weiß, was eine Kanalüberfahrt bedeutet, wird erkennen, dass nur wenige Bücher eine solche Probe bestehen. Ich lege es besonders den Jägern ans Herz.
John Galsworthy
Dieses Vorwort hat John Galsworthy anlässlich der englisch-amerikanischen Ausgabe des Buches geschrieben.
Er kam mitten im Dickicht zur Welt, in einer jener kleinen, verborgenen Stuben des Waldes, die scheinbar nach allen Seiten offen stehen, die aber doch von allen Seiten umschirmt sind.
Es war denn auch nur wenig Platz da, knapp genug für ihn und seine Mutter.
Hier stand er nun, schwankte bedenklich auf seinen dünnen Beinen, blickte mit trüben Augen, die nichts sahen, blöd vor sich hin, ließ den Kopf hängen, zitterte sehr und war noch ganz betäubt.
»Was für ein schönes Kind!«, rief die Elster.
Sie war herbeigeflogen, angelockt durch das röchelnde Stöhnen, das die Wehen der Mutter entpresst hatten. Nun saß die Elster auf einem Ast in der Nähe. »Was für ein schönes Kind!«, rief sie jetzt. Sie bekam keine Antwort und sprach eifrig weiter. »Wie erstaunlich, dass es gleich stehen und gehen kann! Wie interessant! Ich habe das noch nie in meinem Leben gesehen. Nun freilich, ich bin ja noch jung, erst seit einem Jahr aus dem Nest, wie Sie vielleicht wissen werden. Aber ich finde es wunderbar. So ein Kind … kommt in dieser Sekunde zur Welt und kann gleich auf den Beinen stehen. Ich finde es vornehm. Ich finde überhaupt, dass alles bei euch Rehen sehr vornehm ist. Kann es auch gleich laufen …?«
»Gewiss«, entgegnete die Mutter leise. »Aber Sie müssen entschuldigen, wenn ich jetzt nicht imstande bin, ein Gespräch zu führen. Ich habe jetzt sehr viel zu tun … außerdem fühle ich mich noch ein wenig matt.«
»Lassen Sie sich durch mich nicht stören«, sagte die Elster, »viel Zeit habe ich ja auch nicht. Aber so etwas sieht man nicht alle Tage. Ich bitte Sie, wie umständlich und wie mühsam geht es bei uns zu in diesen Dingen. Da können sich die Kinder nicht rühren, wenn sie aus dem Ei sind, liegen hilflos im Nest und brauchen eine Pflege, eine Pflege, sage ich Ihnen, von der machen Sie sich natürlich keinen Begriff. Was für eine Arbeit hat man, sie zu füttern, was für eine Angst, sie zu bewachen. Ich bitte Sie, denken Sie einmal darüber nach, wie anstrengend das ist, für die Kinder Futter holen und zugleich aufpassen müssen, dass ihnen nichts geschieht; sie können sich ja nicht helfen, wenn man nicht dabei ist. Geben Sie mir nicht recht? Und wie lange muss man warten, bis sie sich rühren können, wie lange dauert das, bis sie Federn kriegen und nach etwas Anständigem aussehen.«
»Verzeihen Sie«, erwiderte die Mutter, »ich habe nicht zugehört.«
Die Elster flog davon. »Dumme Person«, dachte sie für sich, »vornehm, aber dumm!«
Die Mutter bemerkte es kaum. Sie fuhr fort, das Neugeborene eifrig zu waschen. Sie wusch es mit ihrer Zunge, und das war alles in einem, Körperpflege, wärmende Massage und Liebkosung.
Das Kleine taumelte ein wenig. Unter dem Streicheln und Schubsen, von dem es überall leise berührt wurde, knickte es ein bisschen zusammen und hielt still. Sein rotes Röckchen, das noch ein wenig zerzaust war, hatte feine weiße Sprenkel, und in seinem duseligen Kindergesicht war noch ein Ausdruck wie von tiefem Schlaf.
Ringsumher wuchsen Haselstauden, Hartriegel, Schlehdornbüsche und junger Holunder. Hohe Ahornbäume, Buchen und Eichen bauten ein grünes Dach über der Dickung, und dem festen, dunkelbraunen Boden entsprossen Farnwedel, Walderbsen und Salbei. Ganz niedrig schmiegten sich die Blätter von Veilchen, die schon geblüht hatten, und von Erdbeeren, die eben zu blühen begannen, an die Erde. Durch das dichte Laubwerk drang das Licht der Frühsonne als ein goldenes Gespinst. Der ganze Wald erschallte von vielerlei Stimmen, war von ihnen durchdrungen wie von einer fröhlichen Erregung. Der Pirol jauchzte unablässig, die Tauben gurrten ohne Aufhören, die Amseln pfiffen, die Finken schlugen, die Meisen zirpten. Dazwischen riss zänkisch der Schrei, den die Häher ausstießen, lachte das Schakern der Elstern, brach metallisch das berstende Gocken der Fasanen. Manchmal drang das gellend kurze Aufjubeln eines Spechtes durch alle die Stimmen. Falkenruf schrillte hell und dringend über den Baumwipfeln, und andauernd ließ sich der heisere Chor der Krähen vernehmen.
Das Kleine verstand keinen einzigen von den vielen Gesängen und Zurufen, kein Wort von den Gesprächen. Es hörte noch gar nicht darauf. Es nahm auch noch keinen einzigen von all den Gerüchen wahr, die der Wald atmete. Es hörte nur das leise Knistern, das über sein Röckchen hinlief, während es gewaschen, gewärmt und geküsst wurde, und es roch nichts als den nahen Leib der Mutter. Eng schmiegte es sich in diese wohlig dunstende Nähe, suchte hungrig daran herum und fand den Quell des Lebens.
Während es trank, fuhr die Mutter fort, das Kleine zu liebkosen. »Bambi«, flüsterte sie.
Dabei hob sie jeden Augenblick das Haupt, ließ die Lauscher spielen und sog den Wind ein.
Dann küsste sie wieder ihr Kind, beruhigt und glücklich.
»Bambi«, wiederholte sie, »mein kleiner Bambi.«
Jetzt im Frühsommer standen die Bäume still unter dem blauen Himmel, hielten die Arme ausgebreitet und empfingen die niederströmende Kraft der Sonne. An den Hecken und Sträuchern im Dickicht gingen Blüten auf, weiße, rote oder gelbe Sterne. An manchen wieder begannen schon die Fruchtknospen sichtbar zu werden, zahllos, saßen an den feinen Spitzen der Äste, zart und fest und entschlossen, und sahen aus wie kleine geballte Fäuste. Aus dem Boden kamen die bunten Sterne vieler und vielfältiger Blumen, sodass die Erde am dämmernden Grunde des Waldes in einer stillen, inbrünstigen Farbenheiterkeit sprühte. Es roch überall nach frischem Laub, nach Blüten, nach feuchter Scholle und nach grünem Holz. Wenn der Morgen anbrach und wenn die Sonne unterging, klang der ganze Wald von tausend Stimmen, und vom Morgen bis zum Abend sangen die Bienen, summten die Wespen, brausten die Hummeln durch die duftende Stille.
Das waren die Tage, in denen Bambi seine erste Kindheit verlebte.
Er ging hinter seiner Mutter auf einem schmalen Streifen, der mitten durch das Gebüsch lief. Wie angenehm war es, hier zu gehen. Das dichte Laubwerk streichelte ihm sanft die Flanken, bog sich gelind zur Seite. Der Weg schien überall zehnfach versperrt und verrammelt, dennoch kam man in der größten Bequemlichkeit vorwärts. Überall gab es solche Straßen, sie liefen kreuz und quer durch den ganzen Wald. Die Mutter kannte sie alle, und wenn Bambi manchmal vor einem Gestrüpp wie vor einer undurchdringlichen grünen Mauer stand, die Mutter fand immer ohne Zögern und Suchen die Stelle, wo der Weg gebahnt war.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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