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**Küsse niemals einen Orc. Erst recht nicht, wenn er dein Erzfeind ist.** Licht-Fae Honey hat ein Problem: Es hört auf den Namen Sam, ist zwei Meter groß, charmant, ständig guter Laune, der Rugby-Star der Bellbook University – und leider der große Bruder ihrer besten Freundin, der sie einen Gefallen schuldet. Also lässt Honey Sam in ihre WG einziehen und verspricht, auf den Playboy aufzupassen, damit dieser nicht sein Stipendium verliert. Eine Aufgabe, die für die mürrische Honey zur Geduldsprobe wird, denn dem attraktiven Orc hatte sie eigentlich schon nach einem Zwischenfall im ersten Semester abgeschworen. Doch Sam ist wild entschlossen, Honey für sich zu gewinnen, und er ist gar nicht so schlecht darin ... Besuche die magische Bellbook University, wo Forced Proximity dafür sorgt, dass Enemies to Lovers werden. //»Honey & Trouble« ist der zweite Band der »Bellbook University«-Reihe. Alle Bände der knisternden RomCom bei Impress: -- Ginger & Beast (Bellbook University 1) -- Honey & Trouble (Bellbook University 2) -- Sugar & Cane (Bellbook University 3) - erscheint im Januar 2025//
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Impress
Die Macht der Gefühle
Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.
Wer nach Geschichten zum Mitverlieben in den beliebten Genres Romantasy, Coming-of-Age oder New Adult Romance sucht, ist bei uns genau richtig. Mit viel Gefühl, bittersüßer Stimmung und starken Heldinnen entführen wir unsere Leser*innen in die grenzenlosen Weiten fesselnder Buchwelten.
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Penny Juniper
Bellbook University 2: Honey & Trouble
**Küsse niemals einen Orc. Erst recht nicht, wenn er dein Erzfeind ist.**
Licht-Fae Honey hat ein Problem: Es hört auf den Namen Sam, ist zwei Meter groß, charmant, ständig guter Laune, der Rugby-Star der Bellbook University – und leider der große Bruder ihrer besten Freundin, der sie einen Gefallen schuldet. Also lässt Honey Sam in ihre WG einziehen und verspricht, auf den Playboy aufzupassen, damit dieser nicht sein Stipendium verliert. Eine Aufgabe, die für die mürrische Honey zur Geduldsprobe wird, denn dem attraktiven Orc hatte sie eigentlich schon nach einem Zwischenfall im ersten Semester abgeschworen. Doch Sam ist wild entschlossen, Honey für sich zu gewinnen, und er ist gar nicht so schlecht darin …
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Danksagung
© privat
Penny Juniper schreibt Geschichten seit sie einen Stift halten kann. Als sie tippen lernte, war es endgültig zu spät für einen anständigen Beruf. Seitdem taucht sie ab in fantastische Welten, und kommt nur ab und zu mal raus, um nach ihrer Familie zu sehen, einen Snack zu stibitzen, oder ihre Katzen zu kraulen. Ihre Stories handeln von chaotischen Hexen, scharfen Dämonen, sarkastischen Fae und unwiderstehlich hotten Orcs, die alle eines gemeinsam haben — ihr Liebesleben ist eine Katastrophe, und sie müssen ordentlich kämpfen für ihr Happy End. Dabei fliegen nicht nur magische Funken, es wird auch ganz schön heiß. Penny liebt Fantasy mit Humor und dem gewissen Etwas. Ihre Schreibvorbilder sind Roxie Noir, Leigh Bardugo, Rebecca Yarros, Terry Pratchett und Stephen King. Meist findet man sie mit einer Tasse Kaffee und ihrer Nase in irgendeinem Buch in ihrer Schreibhöhle, wo sie sich die nächste fantastische Geschichte ausdenkt.
An all die besten Freundinnen da draußen, die niemals aufhören werden, aneinander zu glauben.
Liebe*r Leser*in,
dieser Roman enthält potenziell triggernde Inhalte. Aus diesem Grund befindet sich hier eine Triggerwarnung. Am Romanende findest du eine Themenübersicht, die demzufolge Spoiler für den Roman enthält.
Entscheide bitte für dich selbst, ob du diese Warnung liest. Gehe während des Lesens achtsam mit dir um. Falls du während des Lesens auf Probleme stößt und/oder betroffen bist, bleib damit nicht allein. Wende dich an deine Familie, Freunde oder auch professionelle Hilfestellen.
Wir wünschen dir alle Gute und das bestmögliche Erlebnis beim Lesen dieser besonderen Geschichte.
Penny Juniper und das Impress-Team
Dua Lipa – Physical
Green Day – Know Your Enemy
Muse – You Make Me Feel Like It’s Halloween
Marina – Bubblegum Bitch
Bea Miller – Playground
GAYLE – abcdefu
The Darkness – I Believe in a Thing Called Love
Tame Impala – The Less I Know the Better
Pusha T/ Mako – Misfit Toys
My Chemical Romance – All I Want For Christmas
Curtis Harding, Jazmine Sullivan – Our Love
The Pretty Reckless – Blame Me
Green Day – Give Me Novocaine
My Chemical Romance – Famous Last Words
Honey
Der nackte Orc in meinem Badezimmer schaut mich überrascht an, als ich eintrete.
Ich blinzele, als würde er davon verschwinden wie eine Fata Morgana, doch als ich die Augen wieder öffne, ist er immer noch da. Ein großer Typ mit grüner Haut, dunklem Haar und die Definition von durchtrainiert. Gerade schiebt er den Polka-Dot-Duschvorhang zur Seite und ist auf seinem Weg aus der Wanne heraus in seiner Bewegung eingefroren.
Splitterfaser-fucking-nackt.
Ich starre auf eine Wand aus grüner Haut, gigantischen Oberarmen und waschbrettartigen Bauchmuskeln, an denen noch ein wenig Duschwasser glänzt und auf die Badematte tropft.
Mein Blick gleitet weiter an ihm herunter und rast dann wieder nach oben zu seinem Gesicht, als er mit einer etwas überraschten Miene sagt:
»Hi!«
Mein Gehirn sammelt sich. Ich klappe meinen Mund zu, denn angesichts der ganzen grünen Nacktheit steht er weit offen.
»Äh!«, stoße ich hervor. Zu viele Dinge wollen gleichzeitig aus mir raus. Dinge wie: Wer bist du? Wie bist du hier reingekommen? Und: Du hast drei Sekunden, um deinen grünen Hintern hier rauszuschwingen, bevor ich die verdammten Cops rufe!
Stattdessen frage ich: »Was machst du hier?!«
»Duschen.«
Sein Mund verzieht sich zu diesem charmanten Lächeln, das ich schon so oft an hübschen Jungs wie ihm gesehen habe. Schief, ein wenig verschmitzt und mit einer winzigen Andeutung von Reißzähnen. Das typische Höschenschmelzer-Lächeln, mit dem er überall mit allem durchkommt.
»Ach wirklich«, sage ich frostig.
Pech gehabt, Großer. Mein Höschen bleibt, wo es ist.
Dann schaue ich an mir runter und mir fällt mit Schrecken ein, dass ich tatsächlich nur ein Höschen anhabe. Dazu meinen pinken Lieblings-BH und meine ironischen rosa Häschenpantoffeln.
Und sonst – nichts.
»Iiiiiiiek!«
Okay, okay, ganz ruhig, Alexandria Honey Paradisi, konzentrier dich. Was ist hier los?
Ich bin in aller Frühe zur Garage geradelt, mein Kopf schwirrend von Ideen für die Arbeitsplatte für Tiny – echtes Birnbaumholz, das ich gestern für ein Schnäppchen erstanden habe und das ich etwas kompliziert zurechtsägen muss, damit es hinter die Sitze passt. Den ganzen Vormittag verbrachte ich damit, zu vermessen und zu notieren und auf dem teuren Holz vorsichtig mit Bleistift die Vorzeichnung vorzunehmen.
Dann fuhr ich nach Hause, denn meine To-do-Liste für meine Seminare ist endlos und ich wollte den Tag nutzen, um aufzuholen.
Allerdings machte mir das Wetter einen Strich durch die Rechnung. Ich war nicht mal halb über den Campus, da hatte der sturzbachartige Regen mich völlig durchgeweicht. Als ich endlich zu Hause ankam, fror ich wie ein Schneider, schälte mich noch im Flur aus meinen triefend nassen Klamotten, schnappte mir ein Handtuch und – hier sind wir also.
In der rechten Hand halte ich den Knauf der Badezimmertür, in der linken das Handtuch und habe außer meiner Unterwäsche keinen Faden am Leib, während der nackte, nasse Riese, der halb in meiner Badewanne steht und mir beunruhigend bekannt vorkommt, mich vielsagend angrinst.
Jetzt lässt er einen interessierten Blick meinen Körper hinabgleiten. Ich funkele ihn wütend an und wickele mich hastig in mein Handtuch.
»Hast du keine eigene Dusche?«, zische ich.
»Nicht im Moment«, entgegnet er, als wäre es das Normalste von der Welt, in eine fremde Wohnung einzubrechen und die Sanitäranlagen zu benutzen.
Er duckt sich unter der Stange für den Duschvorhang und klettert rückwärts in die Wanne zurück, während ich sehr konzentriert NICHT drauf achte, was zwischen seinen Beinen los ist. Dann zieht er dankenswerterweise den Duschvorhang vor sich. Allerdings ist er so verdammt groß, dass sein Kopf über die Stange hinausragt.
Dabei strahlt er mich die ganze Zeit an, als hätte er gerade im Lotto gewonnen.
»Schön, dich wiederzusehen, Prinzessin.«
Ich erstarre. Diese vier kleinen Worte kicken mein Erinnerungsvermögen wieder in Gang und endlich erkenne ich, wen ich da in meinem Badezimmer überrascht habe.
»Fuck!«, entfährt es mir und sein Grinsen wächst in die Breite. Ich wirbele herum und haste den Flur hinunter in mein Zimmer.
Shit shit shit!
Es ist Sam Blacksmith.
Ausgerechnet Sam fucking Blacksmith, Sunnyboy vom Dienst und Star des Orc-Rugby-Teams der Bellbook U. Genau der, dem ich seit zwei Jahren aus dem Weg gehe, steht nun nackt in meinem Badezimmer.
Der eine Orc, mit dem ich vor Ewigkeiten auf einem Date war.
Ein Mal.
Genauer gesagt, vor zwei Jahren. Und es war mein einziges Date, das ich jemals auf dieser Uni mit irgendwem hatte.
Wobei, es war kein richtiges Date-Date. Wir sind uns zufällig auf einer ziemlich miesen Party begegnet, gingen woanders hin, um was zu essen …
… und es war überraschend schön.
So schön, dass ich dachte, ich hätte gegen alle Wahrscheinlichkeit den einen vernünftigen Orc auf diesem Planeten erwischt, der nett und witzig ist und charmant und sexy und der mein Herz tatsächlich ein bisschen zum Hüpfen brachte – und der sich hinterher unweigerlich als Arschloch entpuppte.
Ausgerechnet dieser Typ steht nackt in meinem Badezimmer und kommt mir schon wieder mit diesem dämlichen Spitznamen, bei dem ich unwillkürlich mit den Zähnen knirsche – Prinzessin.
Eigentlich ist es verwunderlich, dass er sich überhaupt an mich erinnert. Für hochgehypte Sportler wie ihn sind Licht-Fae wie ich total austauschbar. Die sehen nur unsere hellblonden Haare, spitzen Ohren und den Rest und alles, was sie denken, ist: billiges Flittchen. Gerade gut genug, um Spaß zu haben und Tschüss.
Wegwerfartikel sozusagen.
Andererseits, nach dem, was er sich damals geleistet hat, sollte er noch wissen, wer ich bin. Immerhin hat er mein Leben für eine Weile ziemlich zur Hölle gemacht.
Ich werfe meine Zimmertür hinter mir zu, wühle ein paar halbwegs saubere Klamotten aus meinem Wäscheberg und verfluche mein Karma. In einem früheren Leben muss ich irgendetwas Furchtbares angestellt haben, dass mir das Universum ständig diesen Typen vor die Füße kegelt.
Seit zwei Jahren gehe ich ihm aus dem Weg. Sobald irgendwo auch nur eine Ecke seiner grünen Ohren auftaucht, bin ich weg. Das hat mitunter zu verwirrenden Situationen geführt. Unter anderem musste meine Freundin Ginger aufgrund einer Sam-Sichtung auf einer Party im letzten Semester mehrere Kilometer durch strömenden Regen auf einer nächtlichen Landstraße nach Hause laufen. Andere Geschichte.
Meine Taktik der totalen Vermeidung hat jedenfalls bisher glänzend funktioniert, ich führe ein weitestgehend Orc-freies Leben. Zumindest bis Mr Grüner-Geburtstagsanzug mir eben aus meiner Badewanne entgegengrinste.
Bleibt die Frage, wie er hier überhaupt reingekommen ist.
Oder was er hier will.
Schnell schlüpfe ich in frische Wäsche, Leggings und ein T-Shirt und trockne mir notdürftig mit einem Handtuch die regennassen Haare. Dann ziehe ich mir bunte Ringelsocken an die Füße und einen besonders weiten Hoodie über den Kopf. Mit Klamotten am Leib fühle ich mich gleich sehr viel weniger angreifbar, kreise meine Schultern und knacke meinen Hals hin und her.
Letzten Endes ist es egal, was genau mein ehemaliges und einmaliges Desaster-Date im Badezimmer meiner Mädels-WG zu suchen hat – jetzt fliegt er achtkantig raus!
Entschlossen stapfe ich hinaus in den Flur und in die große Wohnküche, in der normalerweise unser WG-Leben stattfindet.
Nur mein Kater Blackbeard ist anwesend, der sich zu einer schwarzen Kugel auf dem Fenstersims zusammengerollt hat und leise schnarcht.
Meine beiden Mitbewohnerinnen sind nicht da. Ginger ist gleich zu Beginn des Wintersemesters vor zwei Wochen zu ihrem schicken Dämonenboyfriend in seine luxuriöse Bonzen-Wohnung gezogen, wo sie zweifelsohne permanent Sex haben. Und da meine andere Mitbewohnerin Sugar seit ebenfalls zwei Wochen auf einem Praktikum im Ausland ist, bin ich mal wieder allein, allein.
Oder wäre es gern.
Mein ungebetener Gast ist mittlerweile am Küchentresen dabei, auf meiner Kaffeemaschine herumzudrücken. Allein dieser Anblick macht mich schon rasend, denn meine Kaffeemaschine ist mein Heiligtum! Allerdings bin ich davon abgelenkt wie … groß Sam eigentlich ist. Der ganze Raum schrumpft in seiner Gegenwart auf beinahe komische Weise zusammen, als hätte sich eine Actionfigur in ein Puppenhaus verirrt.
Immerhin hat er sich ein paar graue Sweatpants angezogen und belästigt die Welt nur noch mit seiner trainierten Rückenmuskulatur.
»Milch und Zucker?«, fragt er ohne sich umzudrehen.
»Nichts von beidem«, sage ich kalt.
»Möchtest du ihn schwarz?«
»Ich möchte, dass du verschwindest!«
Er dreht sich um, massive Brust- und Bauchmuskeln attackieren meine Sinne, und runzelt verwirrt die Stirn.
»Wie, verschwinden?«, fragt er. »Wohin denn?«
»Mir egal! Dorthin wo du wohnst!«, sage ich lauter als beabsichtigt, während meine Geduld schneller dahinbröckelt als ein Butterkeks in einer Hydraulikpresse.
Er runzelt wieder die Stirn. »Aber ich wohne doch jetzt hier.«
Stille. Man hört nur das Ticken der Küchenuhr, während ich Sam anstarre und er mich anguckt, als wäre ich diejenige, die hier völlig durchgedreht ist und nicht umgekehrt.
»Tust du nicht«, krächze ich.
»Tu ich doch.«
»Seit wann?«
»Seit heute Morgen.« Er lächelt schief, dabei blitzt wieder ein spitzer weißer Zahn aus seinem Mundwinkel hervor. Die meisten Orcs haben Tusks im Unterkiefer, und die beiden Exemplare von Sam sind natürlich besonders weiß und glänzend. »Hat Anna-Rose dir nicht Bescheid gesagt?«
Ich stutze.
Anna-Rose, genannt Sugar, meine menschliche Mitbewohnerin, soll mir Bescheid gesagt haben, dass Sam hier wohnen soll? Der ultimative Playboy und Party-Bro, der, wenn er nicht gerade Rugby spielt, keine Gelegenheit auslässt, um auf dem Campus Mist zu bauen? Völliger Bullshit.
»Woher kennst du denn Sugar?«, frage ich endgültig verwirrt.
Er lacht, wendet sich wieder meiner Kaffeemaschine zu und findet den richtigen Knopf, damit sie anspringt. Sie surrt los und startet das Heizprogramm.
»Hat sie den Spitznamen immer noch? Ihr Mädels seid echt süß.« Er schüttelt den Kopf, während er mit einem langen, grünen Arm zwei Espressotassen aus dem Schrank angelt. »Sie hat mir ihren Schlüssel dagelassen.«
Wie bitte??
»Sag mir jetzt sofort, was hier los ist!« Meine Worte gehen im infernalischen Kreischen des Mahlwerks der Kaffeemaschine unter.
Sam lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, während er Kaffee zapft, als hätten wir alle Zeit der Welt. Dann dreht er sich um und stellt mir eine der beiden Tasse auf den Tresen.
»Komisch, so winzige Tassen. Habt ihr keine größeren?«
»Das ist Espresso!«, fauche ich.
Er grinst und seine Augen blitzen schelmisch. Als hätte er mich gerade erfolgreich auf den Arm genommen, denn natürlich weiß dieser Blödmann, was Espresso ist und ich würde ihm am liebsten mit Anlauf ins Gesicht springen – da klingelt es an der Tür.
Sams Gesicht hellt sich noch mehr auf als ohnehin schon. »Das sind bestimmt die Jungs mit meinen Sachen.«
Ich erstarre.
»Jungs?«, flüstere ich. »Sachen?«
»Ich hab heute Morgen schon mal meine Hantelbank hergeschafft«, sagt er fröhlich und stapft an mir vorbei zur Tür. »Und dann war ich so durchgeschwitzt, dass ich ne Dusche brauchte. Jetzt kommen meine Möbel.«
Hantelbank? Möbel?? Was???
Während Sam verschwindet, um die Tür zu öffnen, wandert mein Blick zurück ins Wohnzimmer und bleibt an dem metallenen Ungetüm aus Stäben, Streben und Gewichtsscheiben neben dem Sofa hängen, das mir anscheinend entgangen ist, als ich reingekommen bin. Das Ding hat die Ausmaße einer Achterbahn und füllt den halben Raum aus.
Das muss ein furchtbarer Traum sein!
Es fühlt sich an, als würde mir der Kopf platzen, als die Wohnungstür aufgeht und die Wohnung plötzlich gefüllt ist mit einer Horde lärmender Orcs in engen Rugby-Shirts und grün-weißen Collegejacken mit Bellbook-U-Logos. Sie schleppen Umzugskisten, Regale, Bettzeug und einen Boxsack durch den Flur und in das leere, ehemalige Zimmer von Ginger. Sam begrüßt alle grinsend mit High-Fives und Fist-Bumps, während das Geschehen wie eine Naturkatastrophe über mich hereinbricht.
»Yo Sam, geile Bude!«
»Sammy B in da house!«
»Nice, sogar mit Balkon!«
»Hey, von der heißen Mitbewohnerin hast du gar nichts erzählt.«
»Das ist seine Schwester, du Trottel.«
»Ich bin nicht seine Schwester!«, fauche ich den Orc an, der mich stirnrunzelnd mustert und dann die übergroße Matratze weiter durch den Flur schleppt.
»Nein, meine Schwester macht grad ein Praktikum und hat gesagt, ich kann hier erst mal einziehen, bis sich die Lage beruhigt hat«, erklärt Sam seinem Kumpel grinsend und zwinkert mir zu.
Keine Ahnung, was er damit genau meint, doch mein Hirn stürzt sich gerade auf eine andere katastrophale Information.
Sam Blackmith.
Wie Anna-Rose Blacksmith. Meine Mitbewohnerin. So heißt Sugar mit vollem Namen.
Heilige Scheiße! Wie konnte mir das entgehen? Und warum hat Sugar nie erwähnt, dass ihr großer Bruder nicht nur ein angeberischer Sportler-Orc ist, sondern der Star der Rugby Mannschaft? Ich schiebe mich panisch an einem weiteren feixenden Umzugshelfer vorbei in mein Zimmer, um mein Handy zu finden.
Irgendwann gestern Vormittag hatte ich es in den Flugmodus geschaltet. Als ich es jetzt wieder mit dem Netz verbinde, ploppen mir sofort zehn verpasste Anrufe von Sugar entgegen und eine sehr lange Sprachnachricht.
Ich schlucke trocken, als ich auf Play drücke.
»Heeeeeey, Honey, Liebes! Ich hoffe, du hörst das hier ab, bevor Sam bei dir auftaucht. Warum schaltest du auch ständig dein Handy aus? Pass auf, ich muss dich um einen großen Gefallen bitten …«
***
»Versteh ich das richtig, weil Mr Sunshine hier und seine fröhliche Bande an Tunichtguten sich wiederholt danebenbenommen hat, wird er suspendiert?«, sage ich giftig. »Sollten ihn jetzt etwa die Konsequenzen von seinen Taten einholen? Nicht auszudenken!«
»Hey, ich hab überhaupt nichts gemacht«, beschwert sich Sam, der mit verschränkten Armen neben mir sitzt und das Sofa fast komplett allein ausfüllt.
»Technisch gesehen war das Sachbeschädigung«, merkt Sugar an, die uns vom Display des Tablets, das vor uns auf dem Wohnzimmertisch steht, gestresst und schuldbewusst anblickt.
Gestresst, weil ihr Bruder so tut, als wäre das alles überhaupt kein Problem, und schuldbewusst, weil sie mich in eine veritable Albtraumsituation hineingeritten hat. Ihr Haar, das mit ihrer Stimmung die Farbe ändert, ist schon ganz dunkelmagenta.
»Also erst mal kann man den Pudding total easy abwaschen und zweitens ist niemandem was passiert«, grollt Sam. »Ich versteh die ganze Aufregung nicht.«
Ich starre ihn wütend an.
Eine halbe Stunde ist vergangen, seit die Orcs verschwunden sind, und mein angeblicher neuer Mitbewohner und ich sitzen im Wohnzimmer auf dem Sofa, während Sugar mir per Videocall erklärt, was Phase ist.
Anscheinend ist Folgendes passiert: Vergangene Woche, als ich gerade damit beschäftigt war, ein kleines Script für Arcane Tech zu schreiben und buchstäblich nichts von der Außenwelt mitbekam, weil ich meine brandneuen Noise-Cancelling-Kopfhörer auf den Ohren hatte, hatte die Morpheus Fraternity nichts Besseres zu tun, als die Statue von Magnus Darkthorn, des ehrwürdigen Gründers der Bellbook U, mit Schokopudding zu beschmieren.
Dem voran gingen wohl ein ziemlich wirres Trinkspiel im Verbindungshaus und eine Wette, die Sam verloren hatte. Angeblich kann er sich an kaum was erinnern, weil er, Zitat ›so richtig hackedicht‹ gewesen ist und sowieso niemand nachweisen kann, dass er es war.
Allerdings lag er am nächsten Morgen schnarchend unter der Schoko-Statue, als der Campus-Sicherheitsdienst ihn einkassierte – offensichtlicher als jedes Geständnis.
Und da das nicht der erste Vorfall dieser Art war – da gab es das Schwein im Büro von Dekan McCladden, den Toilettenpapiergate bei der Alumniveranstaltung letzten Sommer und immer mal wieder ein Gemälde oder eine Büste, die entführt wurde und Tage später fantasievoll verziert an einem völlig neuen und überraschenden Ort auftauchte – droht die Uni jetzt mit Konsequenzen.
»Ist doch alles halb so wild«, knurrt Sam gerade und lehnt sich zurück in die Sofapolster.
»Halb so wild?? Für dich ist das alles nur ein Witz, oder?« Sugar funkelt ihren Bruder wütend vom Display aus an. »Die wollen dich von der Uni werfen, Sammy! Krieg das endlich in deinen Dickschädel rein!«
Sam verdreht die Augen, während Sugar schnaubt und dann fortfährt. Sie hat sichtlich Mühe, ihre Wut im Zaum zu halten. Immerhin das haben wir gerade gemeinsam.
»Die Uni hat echt die Nase voll von der Morpheus-Verbindung. Das Dekanat hat umgehend ein Disziplinarverfahren gegen Sam eingeleitet. Einzig Coach Larson hat sich für Sam eingesetzt, damit er doch nicht suspendiert wird.«
»Ach wirklich«, murmele ich.
Natürlich will Coach Larson, ein ständig schlecht gelaunter Troll mit einem Gesicht wie ein Granitblock und ehemaliger Drill-Sergeant bei der Armee, der jetzt das große Glück hat, eine Rugby-Mannschaft voller angeberischer Orcs ohne Impulskontrolle zu bändigen, seinen Starplayer nicht verlieren. Und schon gar nicht, wenn die Landesmeisterschaft ins Haus steht. Wahrscheinlich hat sich das Dekanat mit diesem Argument überhaupt erst umstimmen lassen.
Alles für den Ruhm der Bellbook U! Go Green Lightnings!
»Allerdings hat er eine Bedingung gestellt«, sagt Sugar. »Sam hat ab sofort Partyverbot und muss umgehend aus dem Morpheus House ausziehen. Und da ich nicht wusste, wo er so schnell unterkommen kann und bei uns gerade ein Zimmer leer steht, dachte ich …«
»Da dachtest du, dass er einfach hier einziehen kann?«, frage ich gereizt. »Ohne mich zu fragen?«
Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie Sam mich von der Seite mustert. Ich ignoriere das mal für den Moment, denn meine Wut reicht gerade aus, um eine mittelgroße Kleinstadt mit Energie zu versorgen.
»Ich hab tausend Mal versucht, dich anzurufen«, sagt Sugar schuldbewusst. »Es musste leider superschnell gehen. Es tut mir so leid, Honey, dass wir dich so überrumpelt haben. Es wäre auch nur für ein paar Monate.«
»Ein paar … seid ihr verrückt!?«, quietsche ich.
»Nur bis zum Ende des Semesters«, fügt Sugar hastig hinzu. »Bis dahin bin ich auch wieder zurück. Sammy muss seine Noten in den Griff kriegen und darf nicht mehr unangenehm auffallen. Sonst wirft ihn Coach Larson aus der Mannschaft. Dann verliert er sein Stipendium und fliegt doch noch von der Uni. Und für dieses Semester kann er es leider vergessen, in einem anderen Wohnheim ein Zimmer zu kriegen. Und eine Wohnung allein ist zu teuer.«
»Komm schon, Prinzessin.« Sam neben mir dreht sein charmantes Lächeln wieder auf. »Du und ich als Mitbewohner. Das wird lustig.«
Ich starre ihn wortlos an, lasse sein Lächeln mental an mir abprallen und wende mich dann wieder dem Tablet auf dem Wohnzimmertisch zu.
»Noch mal, Sugar: Bist du verrückt?«
Sugar schaut mich für einen langen Moment schweigend an, dann sagt sie zu Sam: »Lass uns mal kurz allein.«
»Was? Wieso das denn?«
»Mach’s einfach«, sagt Sugar. »Geh zum Mini-Market und hol ein paar Schoko-Croissants und Gummibärchen.«
»Aber …«
»Sam!«
»Okay, okay!« Sam erhebt sich ergeben und stapft Richtung Wohnungstür und schnappt sich seinen Schlüssel. »Entspannt euch mal.«
Dann geht er und zieht die Tür hinter sich zu.
Endlich!
»Was hab ich dir getan?«, frage ich düster, sinke vom Sofa auf den Boden und knie mich vor den Wohnzimmertisch hin, um Sugar auf dem Tablet tief in die Augen zu starren. »Hasst du mich heimlich? Ist es, weil ich mal gesagt hab, deine selbstgebackenen Schoko-Chip-Cookies schmecken wie Füße?«
Sugar sagt eine Weile nichts, blickt ernst vom Display zu mir hoch.
»Weißt du noch, im ersten Semester, als du beinahe unter einer Brücke wohnen musstest?«
Ich schlucke und ein saures Gefühl von Schuld ballt sich in meinem Magen.
Im ersten Semester fand ich in ganz St. Bellbook und Umgebung keine Unterkunft. Ich war sehr kurzfristig zum Studium zugelassen worden und als ich auf dem Campus ankam, waren die Wohnheime schon voll und die wenigen verfügbaren Wohnungen völlig überteuert. Ich schlief für eine Weile im Hinterzimmer eines Pubs unter einem ausrangierten Billardtisch, weil die Wirtin Mitleid mit mir hatte. Hilfe von meiner Familie konnte ich keine erwarten. Mutter hätte sich nur bestätigt gefühlt und gewollt, dass ich meinen Plan zu studieren sofort abbreche und heimkomme. Doch dann tauchte Sugar plötzlich wie eine himmlische Zuckerwattewolke in meinem Leben auf und bot mir ein Zimmer in ihrer Wohnung an.
»Dunkel«, murmele ich.
»Ich will dich echt nicht zwingen, Honey, aber du schuldest mir einen Riesengefallen.« Sugar guckt mich mit diesem superernsten Gesichtsausdruck an, den sie sich für besondere Anlässe aufgespart hat. Wenn sie Geiselnahmen verhandelt oder so was.
Ich erinnere mich, wie wir, kurz nachdem wir uns kennengelernt haben, in Sugars klapprigem Käfer an die Steilküste gefahren sind. Dort haben wir uns den spektakulären Sonnenuntergang angeguckt und mit verdächtig rosanem Champagner unsere Freundschaft begossen, einer der schönsten und unbeschwertesten Momente meines Lebens. Wir drehten die Musik laut auf, machten alberne Polaroidfotos, wie wir am Rand der Klippe herumtanzten, während unter uns der Ozean toste und die Wellen sich gegen den Beacon warfen, ein Seezeichen in Form eines weißen Turms, der wie ein gigantischer Stoßzahn aus dem Wasser ragte.
Eins von den Fotos hängt noch immer über meinem Schreibtisch in meinem Zimmer und erinnert mich daran, dass Sugar meine erste und einzige richtige Freundin ist. Ginger kam erst später dazu und machte aus unserem Duo ein Kleeblatt. Aber mit Sugar verbindet mich noch etwas anderes. Ich habe das Gefühl, ich schulde ihr was.
Ich seufze sehr tief.
War eigentlich klar, dass sie jetzt die schweren Geschütze auffährt. Sie liebt ihren Bruder abgöttisch und würde alles für ihn tun. Selbst ihrer besten Freundin einen Orc in die Wohnung pflanzen.
»Es ist trotzdem echt viel verlangt«, sage ich jetzt und Sugar macht ein hilfloses Gesicht auf dem Tabletdisplay.
»Ich weiß! Ich mach’s wieder gut. Aber Sammy braucht gerade echt Hilfe«, sagt sie fast flehentlich. »Er ist manchmal ein wenig naiv, aber im Grunde ein guter Kerl, glaub mir das bitte.«
Ich starre sie für einen Moment an und überlege, was ich erwidern soll.
Ich könnte jetzt was sagen.
Dass ihr Bruder nämlich kein guter Kerl ist. Dass er genau wie alle Orcs ist – laut, aufgeblasen und mit einem Riesenego. Orcs wie er benutzen Fae wie mich nur, um ihren Spaß zu haben und werfen sie hinterher weg wie ein zusammengeknülltes Taschentuch.
Ich könnte ihr erzählen, dass ich blöd genug war, mich auf ihn einzulassen und er mich sofort und nachhaltig verarscht hat. Wie alle Orcs das früher oder später tun.
Doch stattdessen schlucke ich meinen Vortrag runter, sinke zurück ins Sofa und seufze ergeben: »Okay, von mir aus.«
»Wirklich?«, quietscht Sugar.
»Aber unter Auflagen. Keine Partys. Keine Tussis. Ich will hier nicht eines Abends nach Hause kommen und mitten in eine Orgie reinlatschen.«
»Keine Sorge, ich werde ihn auf Linie pfeifen«, sagt Sugar von einem Ohr zum anderen grinsend. Man kann förmlich sehen, wie ihr ein Stein vom Herzen fällt. Ihr Haar färbt sich vor lauter Freude Flamingo-pink. »Danke, danke, danke, danke!«
»Dank mir nicht. Das kostet dich was«, knurre ich, während Blackbeard auf meinen Schoß springt und zu schnurren beginnt, als ich ihn zwischen den Ohren kraule. Wenigstens einer hier, der von dem ganzen Stress unberührt geblieben ist.
»Mach dir keine Sorgen. Ihr werdet großartig miteinander auskommen, wenn ihr euch erst mal näher kennengelernt habt.« Sugar strahlt mich glücklich an.
Ich halte es für wahrscheinlicher, dass ich mit einer Horde tollwütiger Waschbären besser zurechtkomme, aber ich schlucke diese Bemerkung hinunter und erwidere Sugars Lächeln.
Gott sei Dank ahnt sie nicht den wahren Grund, warum ich so leicht nachgegeben habe und ihren Bruder hier wohnen lasse.
Mein Fluchtplan steht seit Monaten.
Ginger und Sugar wissen noch nichts davon. Niemand weiß davon. Und das ist auch gut so, denn meine Mutter darf auf gar keinen Fall zu früh Wind von der Sache kriegen. Doch wenn alles klappt, bin ich in ein paar Monaten sehr weit weg von hier. Und dann kann mir das ganze Chaos mit Sam Blacksmith herzlich egal ein.
Allerdings werde ich das Gefühl nicht los, dass mir mit einem aufgeblasenen Orc als Mitbewohner richtig Ärger ins Haus steht.
Sam
Zum Frühtraining schleppen wir im Laufschritt Traktorreifen den Fynnan Greg hinauf, den Berg am Rande des Unigeländes. Bis zum Aussichtspunkt auf der Spitze sind es knapp sieben Meilen.
Laut Coach Larson die perfekte Aufwärmrunde.
Die Jungs keuchen und fluchen, während wir uns durch den Nieselregen kämpfen, der den Berg und den Waldweg vor uns in nassen Nebel einhüllt. Doch ich ignoriere das, genau wie den kalten Wind, der an meinen Trainingsklamotten zerrt, und den Reifen, der wie ein Tonnengewicht auf meinen Schultern lastet.
Ich bin seit gestern völlig geflasht.
Sie ist es!
Ich hab sie endlich wiedergefunden!
Nach zwei Jahren, in denen ich schon aufgegeben hatte, finde ich das einzige Mädel, mit dem ich seit Unistart aus war und das mir seitdem nicht mehr aus dem Kopf geht, ausgerechnet in der Wohnung meiner kleinen Schwester wieder.
What the fuck?
Dass sie mir gestern halb nackt in ihrem Badezimmer gegenüberstand, hat mich ebenso geschockt wie sie. Aber ich bin ehrlich, es war ein netter Bonus.
Ich wusste gar nicht, wo ich zuerst hinsehen soll: milchig weiche Haut; Kurven zum Dahinschmelzen, zweifelsohne weich und anschmiegsam, wenn man das Glück hat, sich anschmiegen zu dürfen; niedliche Spitzohren; langes, honigblondes Haar und blaue Augen zum Niederknien.
Allerdings verpasste ihr Gesichtsausdruck dem Wiedersehen einen gehörigen Dämpfer – sie sah mich nämlich an, als wäre ich eine Kakerlake, die sie am liebsten mit dem nächstbesten Holzhammer plattmachen würde.
Allerdings änderte es nichts an dem Gefühl, als hätte mir jemand den Teppich unter den Füßen weggezogen.
Der nasse Waldboden macht bei jedem Schritt quietschende Geräusche unter meinen Sneakern. Mit einem grimmigen Keuchen wuchte ich den Traktorreifen höher auf meine Schulter und überhole Gorgg Trollsund und Ukai Threebeard aus der Defense, dir mir wütende Blicke nachwerfen.
Okay, ich stehe auf Fae. Ich meine, jeder halbwegs gesunde Orc steht auf Fae, das ist sozusagen unser Ding. Unsere Spezies ziehen sich gegenseitig magisch an.
Vielleicht kommt das noch aus alten Zeiten, als Orc-Horden plündernd und brandschatzend durch die Lande zogen und gerne mal die eine oder andere Fae-Prinzessin mitgehen ließen. Doch auch heute, ohne geraubt zu werden, haben die Fae-Girls, die den Campus bevölkern, gerne ihren Spaß mit Jungs wie mir und meinen Brüdern von der Morpheus Fraternity. Und ganz ehrlich? Gib mir niedliche kleine Elfen mit blonden Haaren, spitzen Ohren und großen Argumenten und ich bin dabei – auch wenn ich eher der romantische Typ bin und etwas Ernsthaftes suche.
Sie ist jedenfalls noch immer genauso süß wie an dem Abend vor zwei Jahren, als ich sie auf einer etwas lahmen Party an der Wand habe lehnen sehen.
Die Geeks der Arcane-Tech-Fakultät hatten die Party organisiert und meine Jungs und ich hatten sie in bester Morpheus Manier gecrasht. Richtig Lust hatte ich an dem Abend eigentlich nicht, hatte nicht mal mitkommen wollen. Aber ich war erst ein paar Wochen an der Uni, der absolute Rookie in der Mannschaft und ich wollte kein Spielverderber sein.
Die meiste Zeit saß ich auf dem Sofa neben Ren, hielt mich an meinem Drink fest und überlegte, wie ich möglichst unauffällig verschwinden könnte. Die Musik war mies, zu trinken gab es entweder billiges Bier oder Jägermeister und der Dresscode für die Mädels schien sich darauf zu beschränken, trotz des herbstlichen Wetters möglichst wenig anzuhaben.
Dann sah ich sie. Ihre langen, honigblonden Haare fielen mir zuerst auf. Sie stach ziemlich raus, trug einen zu großen, pechschwarzen Hoodie mit Axtmörder-Logo. Außerdem zog sie ein Gesicht, als wäre sie lieber tausend Meilen weit weg als ausgerechnet hier.
Und da war dieser nach unten gezogene Mundwinkel.
Ein Mundwinkel, der zu sagen schien: Hau ab!
Und mich magisch anzog.
Ren hatte gerade irgendeine Wald-Fae mit grüner Lockenmähne und einem eindeutigen Glitzern in den Augen auf dem Schoß und war ohnehin nicht mehr ansprechbar. Also stand ich von der durchgesessenen Couch auf und ging zu ihr hinüber.
»Hey«, sagte ich und lehnte mich neben sie gegen die Wand. Sie schaute zu mir hoch, zog eine Augenbraue nach oben.
»Hey?«, sagte sie und ihre Stimme war tiefer als gedacht, doch sie ging mir durch und durch.
Ich setzte mein charmantestes Lächeln auf. »Auch hier?«
»Echt jetzt?« Sie verdrehte die Augen. »Fällt dir keine bessere Pickup-Line ein?«
Ich grinste. »Du wärst überrascht, wie oft die funktioniert.«
»Sie funktioniert überhaupt?«
»Der perfekte Eisbrecher«, sagte ich.
»Das ist alles, was du draufhast?«
Sie schnaubte. Ein abschätziges Schnauben, das deutlich sagte: Bitte nicht noch einer von denen. Nicht noch ein dämlicher Orc, der mir heute Abend meine Zeit stiehlt. Ein Schnauben, das mich unheimlich herausforderte.
In diesem Moment war es plötzlich das Wichtigste auf der Welt, dass ich ihren Mundwinkel dazu bekam, sich nach oben zu krümmen.
Nur ein Lächeln wollte ich sehen. Ein einziges.
»Okay, versuchen wir es anders.« Ich konzentrierte mich angestrengt, channelte meinen inneren Schauspieler. Dann platzte ich dramatisch heraus: »Alles okay? Bist du in Ordnung?«
Sie zuckte zusammen und blinzelte mich überrascht an, als ich schnell hinzufügte: »Hat es wehgetan, als du den ganzen Weg vom Himmel hier runter auf die Erde gefallen bist?«
Sie fing sich sofort wieder und seufzte entnervt. »Alles klar. Weil ich ein Engel bin. Sehr kreativ.«
»Es geht noch kreativer«, grinste ich. »Als Variation: Hey, hat es wehgetan, als du aus dem Süßigkeitenautomaten gefallen bist? Du siehst nämlich aus wie ein Snack.«
Sie starrte mich stirnrunzelnd an.
Doch ihr Mundwinkel zuckte. Es war nur ein kleines Zucken, doch ich wusste, dass ich diese erste Runde gewonnen hatte.
»Ey, Blacksmith!« Rens laute Stimme reißt mich aus meinen Gedanken und ich stolpere beinahe über meine Füße.
»Wenn du nicht so viel träumst, verlierst du nicht dauernd«, ruft er, als er mich grinsend und mit schnellen Schritten auf dem matschigen Waldweg überholt.
»Keine Bange, dich schlag ich sogar im Schlaf«, gebe ich zurück, beschleunige meine Schritte und setze ihm nach.
Ren Gorak, ältester Sohn aus dem einflussreichen Gorak-Clan und mein bester Freund seit der Highschool, lacht, klemmt sich seinen Traktorreifen unter einen Arm und rennt ebenfalls schneller.
Der Weg flacht etwas ab, als wir keuchend den Bergkamm hinaufkommen. Wir kennen diese Strecke wie unsere Westentasche, laufen sie mehrmals die Woche, weil Coach Larson ein blöder Sadist ist, dem es Spaß macht, uns leiden zu sehen. Aber sein Sadismus bringt die gewünschten Erfolge. Die letzte Saison der Green Lightnings war die beste Saison ever. Es hat zwar nicht ganz für das Endspiel gereicht, doch dieses Mal sind wir alle hungrig und wild entschlossen, diese Saison noch einen drauf zu setzen, und am Ende endlich die goldene Schale – die legendäre Power-Bowl – in die Luft zu stemmen. Hoffen wir mal, dass diese Trainingsstrecke der Schlüssel zum Erfolg ist. Anstrengend genug ist sie jedenfalls.
Ren und ich liefern uns ein Wettrennen, bis wir den Aussichtspunkt auf der Spitze des Fynnan Greg erreichen. Es ist nicht wirklich eine Spitze. Der Berg ist nur wenige hundert Meter hoch und ragt wie ein runder Katzenbuckel über die Stadt St. Bellbook. Die Sicht ist heute Morgen schlecht, im nebligen Dunst kann man kaum das andere Ende des Tals erkennen.
Die Unigebäude ragen mit ihren Turmspitzen und alten Wehranlagen aus dem Nebel wie in einem Gruselfilm. Der Glockenturm, der Astronomy Tower und weit hinten die Zinnen der alten Colleges, in denen die Vampire hausen.
Nie hätte ich gedacht, dass ich mit meinen miesen Schulnoten überhaupt mal studieren würde und dann auch noch hier, an der prestigeträchtigsten magischen Universität in Schottland, wo Normale und Paranormale friedlich Seite an Seite studieren. Allerdings haben die erlauchten Akademiker nicht mit der lodernden Kraft meines Sportstipendiums gerechnet, das ich mit Rens Hilfe ergattern konnte.
In your face, Dad.
Ein Stückchen hinter den Colleges erkennt man die bunten Dächer der Greek Row, die Straße mit den Verbindungshäusern. Dort ist unter anderem die Morpheus Fraternity, die beste Verbindung, die sich ein Orc in der Blüte seiner Jugend nur wünschen kann. Okay, ich hatte das kleinste Zimmer direkt unter der Treppe, in dem ich mich gerade mal umdrehen konnte, mit einem briefmarkengroßen Fenster – aber es war mein Zuhause, weit weg von Daheim. Nun, zumindest bis gestern …
»Okay, Blacksmith«, keucht Ren und lässt seinen Reifen mit Wucht auf den schlammigen Boden fallen. »Doppelt oder nichts.«
Ich grinse. »Ladies first!«
Wir werfen uns grunzend auf den Boden und machen unser Set von zweihundert Liegestützen mit Händeklatschen um die Wette. Während wir noch kämpfen, trudeln unsere Teamkameraden nach und nach ein und tun es uns gleich.
Während meine Armmuskeln brennen und der Schweiß auf meiner Stirn sich mit dem Regenwasser mischt, wandern meine Gedanken zurück zu diesem Abend vor zwei Jahren, als ich ein hübsches, mies gelauntes Fae-Mädchen dazu überredete, von der Arcane-Tech-Party abzuhauen.
Es brauchte allerdings nicht viel Überredung, denn ihre Antwort auf meine Frage war:
»Ugh. Ich wollte eh grad gehen. Die beiden da scheinen die Orgie zu eröffnen.«
Ich folgte ihrem etwas angeekelten Blick. Ren war mit der Wald-Fae auf dem Sofa mittlerweile in eine halbwegs horizontale Position gerutscht und heftig am Knutschen und die Umstehenden fingen anzüglich zu johlen an. Der perfekte Zeitpunkt für einen unauffälligen Abgang.
Also holten wir unsere Jacken und ein paar Minuten später gingen wir die nächtliche, herbstliche Allee hinab, die zurück ins Zentrum von St. Bellbook führte.
Ich ging neben ihr her und fühlte mich seltsam high. Als wäre das hier alles ein ausgesprochen lebhafter Traum.
»Ich bin Sam«, stellte ich mich vor, nachdem sie eine Weile nichts mehr gesagt hatte.
»Ich weiß«, brummte sie. »Der neue Star der Green Lightnings. Die Große Grüne Gefahr. Das Wunderkind mit dem Ball. Jeder auf dem verdammten Campus weiß, wer du bist.«
Es hat genau zwei Auswärtsspiele mit jeweils einem Kantersieg, jedes Mal durch einen spektakulären Sprint von meiner Seite gebraucht, um mich in den athletischen Olymp der Uni zu katapultieren. Seitdem kennen mich alle auf dem Campus mit Vornamen, ich werde ständig gegrüßt, Mädels fragen nach meiner Nummer und im Grunde bin ich so was wie ein VIP – auch wenn ich mich gar nicht so fühle.
»Und ich hab keine Ahnung, wer du bist«, sagte ich und umschiffte ihre Spitze. Ihr sarkastischer Ton verriet mir, dass sie nicht viel von Orc-Rugby zu halten schien. Weird, denn Orc-Rugby ist mega. Jeder liebt Orc-Rubgy. Gibt es was Tolleres, als in einer gefüllten Arena einen Ball quer übers Feld zu zimmern, während dir alle zujubeln? Nein? Richtig.
»Was du ändern könntest, wenn du mir deinen Namen sagst«, fügte ich hinzu.
Ihr Mundwinkel zuckte wieder hoch. »Für den Moment belassen wir es dabei, dass wir ein Stück des Weges zusammen gehen und das war’s auch schon. Dazu musst du nicht wissen, wie ich heiße.«
»Komm schon.« Ich sprang vor sie und ging vor ihr rückwärts, die Hände in meine Jackentaschen vergraben. »Mach nicht so ein Geheimnis draus. Sag mir einfach, wie du heißt. Was kann schon schiefgehen?«
»Ich bleibe lieber inkognito.«
»Inkognito? Bist du undercover hier?« Ich grinste auf sie herunter. Sie sah klein und kompakt aus in ihrem dicken Mantel und fürchterlich süß.
»Gehörst du vielleicht zu irgendwelchen Fae-Royals und möchtest nicht erkannt werden?«, bohrte ich weiter. »Bist du vielleicht so ne Art … Prinzessin?«
Ihre Augenbrauen zogen sich schon wieder zusammen. »Ich lass mich halt nicht von jedem dahergelaufenen Orc angraben.«
»Oh!« Ich fasste mir an dir Brust in gespielter Entrüstung. »Dahergelaufen! Das trifft mich tief, dass du mich mit allen anderen Orcs in einen Topf wirfst.«
»Du bist natürlich total anders«, sagte sie trocken.
»Selbstverständlich«, entrüstete ich mich. »Ich bin freundlich, zuvorkommend, gutaussehend, witzig, charmant …«
»… und total bescheiden.«
»Siehst du, wir beenden schon gegenseitig unsere Sätze.« Ich machte einen halben Drehschritt und war wieder neben ihr.
Wieder dieses Mundwinkelzucken, dieses Mal wuchs es fast in ein richtiges Lächeln hinein. Es war jetzt schon total addictive. Wie Karamellpopcorn.
»Komm schon, gib mir eine Chance«, sagte ich. »Lass mich dir beweisen, dass es auch noch nette und anständige Orcs gibt.«
Ihr skeptischer Blick traf mich von schräg unten. »Wie willst du das denn anstellen?«
»Auf die klassische Art. Mit Pancakes.«
Wir bogen gerade auf die Coral Street, eine von St. Bellbooks Hauptgeschäftsstraßen, mit Kneipen, Restaurants – und Dave’s Waffle Hut, einem kleinen Diner ganz am Ende der Straße. Wir blieben direkt vor dem Eingang stehen.
»Du willst mich mit Essen bestechen?«, fragte sie halb amüsiert.
»Besser als allein zu Hause zu versauern, oder?«, sagte ich.
»Ich versauere sehr gern allein zu Hause.«
»Okay, stell ich mir auch sehr gemütlich vor, sich mit dir auf der Couch einzurollen«, sagte ich. »Aber bevor wir das tun, lass mich dich auf eine Runde Strawberry Pancakes und Kaffee einladen. Wir sitzen ganz entspannt an einem Tisch ganz hinten in der Ecke, wo nicht so viele nervige Leute abhängen und du genießt ein exquisites Gratismahl und lernst mich dabei ein bisschen kennen und stellst fest, hey, Sam Blacksmith ist gar nicht so ein übler Kerl, dem kann ich ruhig sagen, wie mein zauberhafter Name ist. Was meinst du?«
Sie kniff die Augen zusammen und legte den Kopf schief. »Du lässt nicht locker, was?«
Doch dann lächelte sie. Und wir gingen Pancakes essen.
»Ey, Blacksmith!«
Wieder blinzele ich und blicke hoch. Ren ist gerade dabei, seinen Traktorreifen zurück auf seine Schultern zu wuchten und mustert mich stirnrunzelnd.
»Was ist denn los mit dir heute Morgen? Schläfst du noch?«
»Bin etwas abgelenkt«, murmele ich, schüttele das Bild von ihr aus meinen Gedanken, wie sie Pancakes bestellte und dem pickeligen Werwolf-Jugendlichen hinter dem Tresen mitteilte, dass sie ein verdammtes Problem hätten, wenn er ihr schon wieder die falsche Sorte Sirup rausgab. Unwillkürlich muss ich lächeln.
Ren schnaubt. »Zugegeben, wenn mich die Uni zwingen würde, bei meiner Schwester zu wohnen, wäre ich auch ein wenig daneben. Aber glaub bloß nicht, dass ich deswegen Rücksicht auf dich nehme. Ciao, Loser!«
Er grinst und rennt wieder los, die Strecke zurück, die wir gekommen sind. Ich schäle mich vom Boden hoch, schnappe mir meinen Reifen und folge ihm, wenn auch mit weniger Elan als sonst.
***
Der restliche Vormittag ist für den Eimer. Ich bin beim Training so unkonzentriert wie noch nie, werde im Lauf drei Mal von Gobbster Durak umgetackelt, der sonst keine Chance gegen mich hat. Ich versaue einen Pass nach dem anderen, lasse mir drei Mal den Ball wegnehmen und am Ende bekomme ich einen Pass mitten zwischen die Augen. Coach Larson ist so geladen, dass er mich vor versammelter Mannschaft zurück in die Umkleide schickt.
Mega peinlich, normalerweise, doch heute bin ich fast froh, allein duschen zu können, ohne den üblichen Krach um mich herum. Ich muss dringend nachdenken.
Okay, das Universum war so nett, mir das Mädchen meiner Träume wieder vor die Füße zu würfeln. Noch besser: Wir wohnen jetzt zusammen, WTF?
Allerdings ist sie aus irgendeinem Grund sauer auf mich, so viel habe ich kapiert. Ich verstehe bloß nicht warum.
Ich meine, wir hatten, nachdem wir von der Party weg waren, ein total nettes Date. Eines, das überhaupt nicht geplant war und das sich nicht mal wie ein Date anfühlte, sondern aufregend und verheißungsvoll.
Doch irgendetwas ist schiefgelaufen.
Und ich habe nicht die geringste Idee, was das sein könnte.
Ich schrubbe mir Shampoo in die Haare und durchwühle meine Erinnerung an den Abend, suche nach einem möglichen Grund, warum sie jetzt, zwei Jahre später, die Krise kriegt, wenn sie mich nur sieht.
Irgendwo muss ich einen Fehler gemacht haben. Nur wo? Es war doch alles total entspannt, als wir in Dave’s Waffle Hut gemeinsam Pancakes aßen.
Aus der Jukebox in der Ecke spielte leise ein Motown-Song aus den Sixties. Nachdem wir bestellt hatten, trug ich ihr das Tablett zum Platz, wie ein waschechter Gentleman, rückte ihr den Stuhl zurecht, was sie mit zwei hochgezogenen Augenbrauen und einem skeptischen Blick quittierte und nachdem sie den ersten Bissen von ihrem Stapel Pancakes gegessen hatte, schien sie so weit aufzutauen, dass sie mir immerhin ihren Vornamen sagte.
Honey.
»Echt? Das ist dein echter Name?«, fragte ich.
»Natürlich nicht. Das ist ein total geistreicher Spitzname«, brummte sie und spießte sich ein Stück Pancake auf die Gabel. »Ist irgendwie an mir hängengeblieben.«
»Und warum Honey?«
Sie wischte als Antwort eine Strähne ihres langen, honiggelben Haares hinter ihre Schulter und warf mir einen vielsagenden Blick zu.
»Kreativ«, sagte ich. »Gefällt mir.«
»Whatever«, murmelte sie und wenn mich nicht alles täuschte, huschte eine sehr feine Röte über ihre Wangen, so fein, dass man sie fast nicht sehen konnte.
Fortschritt!
Okay, konzentrier dich, Sam. Woran kann es gelegen haben? Geh alles noch mal von vorn bis hinten durch.
Ich erzählte ihr von mir. Dass ich mit meiner Ma und meiner Schwester in Glasgow aufgewachsen bin. Dass ich der weltbeste Mario-Kart-Spieler bin. Ich erzählte von meinem Sportstipendium. Dass ich im Verbindungshaus der Morpheus Fraternity wohnte.
Bei Letzterem zog sie eine genervte Grimasse.
War es das? Nee, unwahrscheinlich. Wir saßen fast drei Stunden in der kleinen Booth in der hintersten Ecke des Pancake-Ladens und redeten und redeten. Wenn sie ein Problem mit Verbindungen gehabt hätte, wäre sie sicherlich früher nach Hause gegangen.
Oder?
Ich zog sie damit auf, dass sie ein riesiges Geheimnis draus machte, welches Fach sie studierte.
»Erstens können nicht alle von uns ihre ganze Persönlichkeit um ihr Sportstipendium herum aufbauen und zweitens geht dich das nichts an.«
»Ach komm schon, ich sag dir auch meine Fächer.«
»Nicht nötig, ihr studiert alle Sportwissenschaften, Orcish Studies und noch irgendeinen Wirtschaftskram im Nebenfach, damit ihr ein Backup habt, wenn ihr überraschenderweise nicht für die Profiliga gezogen werdet, richtig?« Sie sah mich kritisch an.
»Naja, das war leicht«, entgegnete ich. Alle Teammitglieder mit demselben Stipendium wie ich haben dieselbe vorgegebene Fächerkombi. »Bei dir ist das schon schwieriger.«
»Du kannst ja mal raten.«
Ich legte den Kopf schief. »Literatur.«
»Pfffft, bitte!« Sie verdrehte die Augen.
»Was? Ihr Fae-Mädels liebt Bücher, oder? Gedichte, Sonette, Liebesgeschichten. Ihr seid doch verrückt nach alten Schriften und romantischen Gedichten.«
»Und weil ich Fae bin und weiblich, muss ich so was mögen?«
»Naja, du gehst davon aus, dass ich fies und gemein bin, weil ich Orc und männlich bin.«
»Touché. Aber du liegst weit daneben.« Dieses Mal war ihr Lächeln nicht nur ein Mundwinkelzucken, sondern ging hinauf bis zu ihren Augen. Es war, als würde ihr ganzes Gesicht aufleuchten. Und das gefiel mir viel zu gut.
»Kunst?«
»Ugh. Komm schon, Blacksmith, das kannst du besser.«
Nein, das war alles okay gewesen. Nichts, was erklärt, warum sie mich gestern angesehen hat, als sei ich Satan persönlich.
Ich spule den Abend mit ihr in meinem Kopf vor und zurück, während ich dusche, mich abtrockne und frische Klamotten anziehe.
Sie hatte Spaß. Ich hatte Spaß. Wir mochten uns. Wir haben tatsächlich geklickt. Auf eine Art und Weise, wie ich sonst nie mit jemandem klicke. Und ich bilde mir das nicht ein, ihr ging es genauso.
Der Funke war echt.
Am Ende gab sie mir sogar ihre Nummer. Allerdings bestand sie auf die altmodische Variante.
»Warum eine Serviette?«, fragte ich.
»Ich geb dir jetzt bestimmt nicht mein Handy in die Hand, damit du deine Nummer eintippen kannst«, sagte sie finster. »Wer weiß, was du damit anstellst.«
»Wow, da kennen wir uns schon mehrere Stunden und du vertraust mir immer noch nicht?«
Sie kritzelte mit einem Kugelschreiber auf die Serviette, neben das Logo des Ladens: ein stilisierter Honigtopf. »Und trotzdem kriegst du meine Nummer.«
»Danke«, sagte ich nahm sie strahlend entgegen. »Ist echt cool, dich kennenzulernen, Honey.«
Ich kritzelte im Gegenzug meine Nummer auf eine Serviette, schrieb meinen Namen daneben und reichte sie ihr.
»Ebenso, glaub ich«, sagte sie, lächelte fast schon schüchtern und stand auf. »Wir sehen uns, Sam. Danke fürs Essen. Und für … naja, der Abend hat sehr viel mieser angefangen, als er geendet ist.«
»Wir sehen uns, Honey«, rief ich ihr nach, als sie sich umdrehte und Richtung Ausgang ging. »Ich meld mich bei dir. Versprochen.«
Sie warf mir über ihre Schulter einen letzten Blick zu, mit einem amüsierten Lächeln, das zu sagen schien, »Das werden wir ja sehen, du Spinner.«
Und dann war sie weg.
Ich sah sie nicht wieder.
Bis gestern.
***
Hastig werfe ich mir meine Sporttasche über die Schulter und mache, dass ich aus dem Trainingszentrum herauskomme. Draußen empfängt mich die eisige, nasse Herbstluft, die typisch ist für Schottland um diese Jahreszeit. Ich eile über den Campus. Ärger auf mich selbst steigt in mir hoch, als ich mit gesenktem Kopf und hochgeschlagenem Kragen am Hauptgebäude vorbeitrabe.
Dass ich Honey zwei Jahre lang nicht wiedergesehen hab, ist komplett meine eigene Schuld.
Ich hab nämlich ihre Nummer verbummelt.
Nachdem ich aus dem Waffle Hut auf die Straße trat, bekam ich nämlich eine Nachricht von Ren und den Jungs, dass sie noch nach Darry in irgendeinen angesagten Elektro-Club fahren wollten, wo angeblich eine ordentliche Party starten würde, nicht so eine Schnarchnummer wie bei den Arcane Geeks und ich müsste unbedingt mit.
Fünf Minuten später saß ich mit Ren und Dodge Barr und Petey Malone auf dem Rücksitz von irgendeinem Auto und wir tranken jeder einen Jägermeister auf ex. Als Nächstes erinnere ich mich an verschwommene Bilder von einer rauschenden Partynacht. Blitzende Lichter, wummernde Musik, Ren und Petey und ein paar Mädchen, die schallend lachten. Luftballons, Konfetti, Schaum, noch mehr Drinks …
Am nächsten Morgen wachte ich verkatert auf dem Sofa im Wohnzimmer des Morpheus House auf. Neben mir auf dem Fußboden schnarchten Dodge und Petey, von Ren war nichts zu sehen.