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Reiseberichte, eher im Stil von Evelyn Waugs "Befremdliche Völker, seltsame Sitten" als in der Art des "Baedeker"
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Reiseberichte aus nah und fern, Reisebekanntschaften, Eigenartige Menschen, Seltsame Tiere, Abartige Landsleute
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Seitenzahl: 144
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...
Ungarn
Mit Tante Lisbeth im Mai 1998
...
Portugal
Bei Adelino und Augusta Sommer 1999
Nachts
Die Reise nach Sankt Jakob
Verwandtschaft
Heiliger Antonius
...
Der türkischen Riviera
Januar 2008
AK-KA Ressort Antedon de Luxe in Beldibi
Die Hotelanlage
Die Zimmer und die Rezeption zum Ersten
Hauslieferungen und die Rezeption Zum Zweiten
Drittens:Die Rezeption als sichtbare Erscheinung
Das Restaurant
Die Fauna
...
Kenia
16. Januar bis 28. Februar 2011
Nachtflug über den Äquator
I. Ankunft am Montag, 17. Jan. 2011 in Mombasa
II. Sabbat mit den Adventisten
Schlusskapitel für Daniel Ringeisen
III. Alltägliches
Schlusskapitel für Raphael Wilhelm
IV. Die öffentlichen Verkehrsmittel in Kenia
PS zwischen den Absätzen > für UELI KÜNZLER:
Schlusskapitel für Myrtha Wilhelm
V. Handwerk hat roten Boden ... in Kenia
Staffel 1: Die Ernährungsbranche
Gartengestaltung und Gartenpflege
Personalverpflegung im Hochbau
Der Dorfladen
VI. Handwerk ...Staffel 2: Die Personenbeförderung
Die mechanische Werkstätte und Velohandlung
Der Reiseunternehmer
Der Hair Dresser
Die Möbelschreinerei
Der Schuhmacher
Stand der Werkzeugtechnik allgemein.
Apropos „Objekt ihrer Begierde“
VII. Halbzeit
Echos von den Schweizerbergen
Von unserer temporären Heimatfront das Alltägliche:
VIII. Safari
PS für junge und alte Mädchen:
IX. »Hakuna Matata«
Ndovu Kauf
Valentinstag
Ndovu Verpackung
„Next time say only chips!“
Ndovu Versand
...
und läuft, bis zur Posta Kenya Ukunda 80400
X. Handwerk ...Staffel 3: Der Detailhandel
Die Geflügelhandlung.
Paradis der Damen
Fastfood to Go.
Das Stadtspital von Ukunda
Feuerzeugtankstelle
Energiemarkt
Fotostudio
Trinkwasserverkauf
Der Supermarkt
Das Cityhotel
XI. »Hakuna Matata!« (Fortsetzung)
Ndovu Verpackung 2. Variante
Endabrechnung
PS für Daniel Ringeisen:
Gegendarstellung:
XII. Kinder und Schule
Vorrede zum Staatshaushalt
Zur Erinnerung
...
und Vertiefung
Das stattliche Schulwesen
Die Privatschulen
Die »Holy Trinity School«
Zur Mitmenschlichkeit der Kenianer
PS für Daniel Ringeisen
XIII. Safaris Dorf im Busch
Abgekürzte Bildfolge:
Gilli Gilli Gilli
XIV. Nachlese
„Hakuna Matata!“
Ndovu auferstanden!
Safaris Dorf im Busch
Linda
Über das Betteln
Kenias Körperverträglichkeit
HILTI zum Letzten.
XV. Aus Eitelkeit
XVI. HILTI ohne Ende
Linda Owaka
...
der Schweiz
Mier fahrid mit de SBB
Mier fahrid uf de Autobahn
Duell mit Onkel Hugo
...
den Donaustaaten
Ungarn
Das eiserne Tor
Rumänien
Bulgarien
Slowakei
Benediktinerabtei Melk
Zürich, Hauptbahnhof
Letzte Reise
Dereinst
Mit Tante Lisbeth im Mai 1998
Unsere Lieben
Wir sind aus unserem Kururlaub am Plattensee zurück. Diesmal ist meine Schwester Lisbeth, die Zweitälteste von Eichholzers, mitgekommen. Sie und Sonja sind eine Woche vor mir geflogen, für den Grossen Service. Beide sehen nun bloss so alt aus, wie vor der Kur. Schöner Erfolg; immerhin zwei Wochen Alterungsstillstand. Ich kam dann am Samstag drauf aus dem Himmel geschwebt. Die beiden aufgefrischten Damen kamen mich mit einer zweispännigen Kutsche am Flughafen abholen. Die übrigen Passagiere, die mit einem ganz profanen Bus ins Hotel transferiert wurden, dienten als Zuschauer. Der Kutscher begrüsste mich mit einem Aprikosenschnaps, die Schwester Elisabeth mit einem Wangenschmatz und Eheweib Sonja mit einem Frontalkuss; derweil eines der Pferde einen sagenhaft würzigen Brunz auf die Betonpiste pflatschen liess. So rochen wir den alle mindestens bis zu den Knien nach Ross. Die Zuschauer nahmen‘s wohlwollend zur Kenntnis und kletterten befriedigt in ihren Bus.
Das war um 15:45. Sechseinhalb (6 ½) Stunden und eine Flasche Schnaps später kamen wir auf dem Reithof an. Der war immerhin in der Nähe unseres Hotels. (Wenn Du demnächst kommst, zeige ich dir auf der Europakarte welchen Weg wir vom Flugplatz zum Hotel einschlugen.) Der Kutscher schirrte seine Rosse aus und trug sie in die Boxen zurück. Dann schrieb er auf die Boxentür „für unbestimmte Zeit ausser Betrieb“. Wir immerhin noch Menschenähnliche wurden mit einem Gulasch aus anderen Pferden abgefüttert, das wir mit einigen Bierchen runterspülten. Dann humpelten wir mit wundgescheuerten Füdli ins Hotel zurück, wo wir bereits berühmt waren. Das ist nicht das gleiche wir prominent. Eher ähnlich mit leicht gaga. Als Lisbeth anderntags, mit dem Sonnenhut auf dem Kopf, ins Allerheiligste der Kuranlage - da wo das warme Heilwasser auf die höchstens zwanzig maroden Leiber herunter plätschert – getänzelt kam, und „Grüss Euch Gott, alle miteinander, alle miteinander“ sang, mit Refrain, war die Volksmeinung endgültig zementiert. (GAGA, grossgeschrieben)
***
Letztes Jahr haben wir auf ungarisches Volksliedergut verzichtet. Diesmal konnten wir das Schwesterchen Elisabeth nicht vorenthalten. Wir begleiteten sie. Grosse Operettengala in der Galerie, deutsch aufbereitet. Die Kurgäste strömten. Hauptsächlich von ihren westlichen Brüdern kolonialisierte Deutsche aus dem Osten. Teilweise aber auch die Brüder selbst. Lisbeth, Sonja und ich drückten das Durchschnittsalter der Gäste deutlich nach unten. Kein Kleiderzwang, Abendkleid über Hängebusen bis Hotpants über Orangenhaut. Niederlassung auf Campingstühlen, seitlicher Druck via Oberschenkel auf die Vorratsdöschen für künftige Nachkommen. Begrüssungen, Geschwafel, Husten, Scharren: Achtung, der Maestro tritt auf, beschleunigten Schrittes, Mähne lang genug für professionelles Wehen, kurzer Knicks, das 2+2 Orchester (2 x berockt, 2 x behost) hopst hoch, knickst nieder. Der Maestro lagert seine Massen auf dem Drehstühlchen am Klavier, die ersten Hammerschläge malträtieren das Trommelfell. Nach ein paar Immunisierungsminuten tappt die Sopranistin die Hühnerleiter runter und die ersten Töne dröhnen ins Publikum. Als Erstes wird mir klar, dass diese Dame in einem Einfamilienhaus wohnt; eine Blockwohnung würde ihr stante pede gekündigt. Das Stimmvolumen ist enorm. Im Programm steht „Alles auf Deitsch“. Gut, dann hat sie halt einen Sprachfehler. Lisbeth ist beeindruckt.
Dafür ist der Tenor Wort für Wort zu verstehen. Trotzdem sein Bauchfell von einem Korsett beengt wird, dass er sich noch in den Frack zwängen kann. Auch die Melodie ist erkennbar, ist ja auch „Komm Zigan“. Lisbeth erkennt auch.
Fürs Ballett wird’s feierlich: Die Musik kommt ab CD, die Festhüttenlautsprecher geben ihr Bestes. Die 4 Ballerinen und die 4 Ballermänner ebenfalls. Sie sind katholisch. Jedenfalls in einem katholischen Turnverein, wo die Buben und die Mädchen noch nicht zusammen üben dürfen. Sie verständigen sich aber über Zurufe, sodass keines von der Bühne fällt. Der Mann mit dem Köfferchen und der Rotkreuzarmbinde in der ersten Reihe kommt also nicht zum Einsatz, der erste Tanz endet ohne Blutverlust. Lisbeth ist gerührt „nei si gänd sich doch e sone Müeh“.
Aber auch der Sohn vom Stasi-Mielke ist begeistert. (Ich habe gar nicht gewusst, dass der einen Sohn hat. Gleicht ihm aber aufs Haar und ist auch schon gegen 70. Muss ihn jung gehabt haben.) Also der schleppt sich jedes Mal, wenn die Athletinnen ein paar Beine lüpfen, an den Bühnenrand und macht einäugige Fotos. Das andere Auge braucht er anderweitig um die Übersicht nicht zu verlieren und um nichts zu verpassen. Nach vollbrachter Tat sieht er immer Applaus heischend ins Publikum. Erfolglos. Dann schaut er traurig und die roten Bäggli werden bleich. Lisbeth bemitleidet.
Sonja benimmt sich vorbildlich. Lacht nur mit dem Bauch, nicht mit dem Kehlkopf. Wir freuen uns an der Freude Lisbeths. Nochmals bange Minuten während dem Finale. Das Gedränge auf der Bühne ängstigt. Es fällt aber nur eine Kulisse und ein Balletter auf eine Balletterin. Aber das gehört vielleicht zum Programm; jedenfalls bringt‘s Applaus.
Und ich, wie freue ich mich, als mir mein geliebtes Weib Sonja auf dem Nachhauseweg die Erlaubnis erteilt, die nächsten drei Monate in der Badewanne singen zu dürfen!
Ich verspreche aber, dass ich, solltet Ihr - wie wir sehr hoffen - vor Ablauf der Dreimonatsfrist bei uns eintreffen, meine Gesangsdarbietungen unterbrechen. So könntet Ihr auch Sonja eine Freude bereiten.
Wir sind aus unserem Kurzurlaub in Portugal zurück. Die Portugiesen, welche die letzten drei Jahre so viel für uns gearbeitet haben, waren unsere Gastgeber. Wir logierten bei Adelino und Augusta. Deren Bruder Antonio, unser Vorarbeiter, wohnt überm Hügelzug. Über den Anflug gibt’s nicht viel zu erzählen, wir landen intakt, der Samsonitekoffer kaputt, der Inhalt noch brauchbar. Wir haben unser Zimmer neben Philippo, dem Sohn unserer Gastgeber. Nebenan wohnt sein Gschpusi, die aber, nach dem Willen der Augusta, als Fidanzata firmiert. (Unsere Verständigungssprache ist Italienisch).
Der Nachbar, 65 Meter Luftlinie, 104 Schritte auf dem Landweg (wütend 82), hält sich acht (meint Adelino) oder zehn (ist sich Augusta sicher), junge Jagdhunde. Die sind im Zwinger eingesperrt, ich kann sie vom Balkon unseres Zimmers aus gefahrlos ansehen. Auch die Feldhasen, die mit der Dämmerung aufzuwachen scheinen, schätzen den schützenden Zwinger. Sie formieren sich zum 10-Stunden-Hoppeln auf dem Stoppelfeld, rings um den Hundekäfig. Furchtlos hopsen sie am Drahtverhau entlang und ärgern so die wohlerzogenen Hunde gewaltig. Das zeigt ihr wildes Bellen deutlich. Pflichtversessen kläffen sie im Chor, Stunde um Stunde, gegen die Störenfriede an. Eine multirassistische Hundeschule: Der Pinscher winselt, ein Spitz belfert, der Sennenhund blafft, ein Pekinese kläfft, Barry knurrt, ein Wolfshund heult, Philippo jault und die Fidanzata Katja quietscht wie ein abgestochenes Säuli. Die beiden Letzteren turnen im Nebenzimmer.
Ich schlucke eine Temesta. Morgen werde ich Haseks Kollege, dem Direktor des Hundezwingers, verbieten, Hustensirup in das Futter zu mischen und das Verabreichen von KABA-Pastillen zum Verstoss gegen die Hausordnung erklären lassen. Ferner werde ich, um das Rennen reizvoller zu machen, dem Sieger erlauben, einen der Hunde zu metzeln.
Philomena und Eulalia, die beiden einzigen Mücken mit Zutrittsberechtigung, besuchen uns im abgedunkelten Zimmer. Sie finden mich appetitlicher als Sonja. Philomena versenkt ihr Giftrüsselchen in meinen Zeigefingerknödel, Eulalia mag Fusssole in Fersennähe. Nun schläft’s halbbazig. Der Hasenpulk zieht sich in die Länge, formiert sich zur Vanillepuddingraupe mit schöner Ton in Ton Zeichnung. Eitergelb wechselt mit hellem Ocker, Safranfäden sind Zentren von orangen Furunkeln. Die Raupe hopst Wellen und singt den Mississippi Blues, den Mississippi Blues, den Ehe Blues, die Ehe des Mississippiherrn. Wenn Friedrich auch kommt, metzen wir noch einen Hund, niemand soll Hunger haben. Der einzige Güggel Galiciens auf dem Selbstfindungstrip, eröffnet kehlkopfkrank den neuen Tag. Heute spielt er Uhu. »Kuguruhuh, kuguruhuh« tönt’s schauhuhrig dem neuen Tag entgegen. Ich beschliesse, ihn auch zu opfern, den Uhu. Vielleicht mag Frau Kerr kein Hund im Körbli, dann wird sie zufrieden sein, wenn auch Uhu serviert wird.
Nach dieser Nacht weiss ich, um was ich beim heiligen Apostel Jakobus, zu dem wir heute wallfahren, zu beten habe. Vielleicht hilft er auch bei unfrommen Anliegen. Doch kurz nach der Abfahrt im Minibus modifiziere ich mein Begehren an den Heiligen. Sonja und ich sind schon eingestiegen, sie hinten, ich vorne als Beifahrer und Kartenleser. Augusta stemmt sich nebst penetranter Schweissschleppe an die Seite Sonjas auf den Rücksitz. Den Mittleren, der Sonja als Pufferzone so willkommen gewesen wäre. Es riecht nach nassem Hund.
Die Fahrerseite öffnet sich, die Luft verflüchtigt sich. Ich bin, mitten im Hochsommer, bei Windstille und kurz vor einem fürchterlichen Gewitter, im Raubtierhaus vom Zürcher Zoo eingesperrt. Jeder noch so vorsichtige Atemzug beizt die Nasenwände, ätzt die Luftröhre, verbrennt die Lungenbläschen. Nichts gibt es, was dagegen anstinken könnte; Augustas Schweissschleppe wabert zurück auf Hautkontakt. Wie die früheren Autos Reservetanks, habe ich einen Notfallwillen, den ich im letzten Moment vor der Ohnmacht mobilisieren kann. Ich lasse mich gegen den Regler der Klimaanlage fallen, schiebe ihn so auf Sturmstufe. Ein Luftmesser zwischen Adelino und mir rettet mich vor dem Erstinkungstode. Hinter mir röchelt Sonja: Jetzt bläst’s mir voll ins Gesicht! Zieht’s? Nein, stink! Es sind für die nächsten -zig Kilometer ihre letzten Worte. Da denke ich an Buñuels »Reise nach Sankt Jakob«. Wie der Herr Jesus nach der Bergpredigt fröhlich ins Tal runter hupft, dort mit seinen Jüngern einen gekühlten Wein zwitschert, den Durst zu stillen, den erhitzten Leib zu kühlen: Hat er da nicht auch geschwitzt? Und haben die Schweissbakterien ihr Zersetzungswerk unter Absonderung von Hallelujagesängen und himmlischen Wohlgerüchen vollbracht? Vielleicht haben die Spanier in Santiago de Compostela einen Reliquienschrein mit göttlichem Achselsekret zur Verehrung ausgestellt. Warum nicht? Die Italiener zeigen in Turin auch Veronikas Schweisstuch.
Es ist dann doch nichts, mit dem Sekretarium. Dafür eine Mater dolorosa, in katholischer Typologie durch sieben ins Herz gesteckte Schwerter als solche ausgewiesen, erinnert an das Fondue Chinoise im MORO in Giubiasco. Dort sind die Spiesschen mit den aufgerollten Fleischläppchen in eine silberpapierumhüllte Styroporhalbkugel gesteckt. Hier aber hat eine Umsatz steigernde Umwidmung zur »Madonna von Fatima«, die schon aus patriotischem Gewissen populär ist, stattgefunden. Der fehlende Rosenkranz und das absente Krönchen, das üblicherweise den Heiligenschein so schön abstützt, vermisst niemand. S’Kasseli unter dem Bildnis hat ein beachtliches Fassungsvermögen.
Die Kathedrale selbst ist beeindruckend. Man möchte diesen Bau einwirken lassen. Das geht aber nicht. Ein Gedränge und Geschupse, ein ungeniertes Reden und Lärmen. Keine Spur von Besinnlichkeit oder gar Andacht. Was wahrzunehmen ist, ist eine ungeheure Mischung von Kunst und Kitsch. Nebst der schon geschilderten Transfermadonna eine Schlafaugenpuppe als Jesuskindlein verkleidet an einem Seitenaltar, draussen Souvenirs die einen erblinden lassen könnten.
Wir werden herumgereicht. Nach einem Familientreffen zum 10 Hochzeitstag von Armando und Rosa landen wir beim Jubelpaar. Rosas familientypische Breitärschigkeit umfängt ein hauteng drapierter, beiger, gehäckelter Vorhang. Ferner schmücken sich die Beiden mit Ihrem verzogenen Abkömmling Joel: Kugelkopf auf Ballonleib, runde Brillengläser vergrössern runde Augen, riesig runde Nasenlöcher direkt über einem Wurmmund. Eingepackt in einen Kampfanzug mit Tarnmuster, aus den kurzen Hosenröhren hängen Querwülste, die in Leberwürste in Naturdarm übergehen. So dümmlich, wie er ausschaut, benimmt er sich auch.
Armand macht eigenen Wein. Er schäumt giftig rosa ins Glas. Rosa dämpft den Schaum mit Bier; halb-halb. Fatima füllt mit Cocacola auf. Wirkt auch schaumdämpfend. Armando sieht mich erwartungsvoll an. Fairerweise drücke ich die Augen zu für den Nasentest, nehme ein ganz kleines Lungenzüglein. Sofortiges Magenbrennen, Nachkontrolle im Gaumen nicht erforderlich. Flüchte mich in Gastritis. Zum Ausgleich wird mir zum Bier ein Grappa gereicht. Auch nostrano. Wiederum ein ganz kleines Lungenzüglein. Schwindelgefühl, Hitze, allergische Hinterkopfschmerzen. Wir brechen gegen Mitternacht auf. Schwager Antonio nimmt das noch keusche Glas mit dem Grappa, schüttet den Inhalt auf den kühlen Steinboden, zündet die Delikatesse an. Das Feuerchen illuminiert uns, währenddem wir alle drei Strophen der portugiesischen Landeshymne singen, Sonja und ich in der interlingualen Übersetzung »La la la...la«. Armando schenkt mir zum Abschied ein Flasche Eigengebrannten. Sonja weigert sich trotz dem glanzvoll bestandenen Eignungstest als Brennstoff, diesen fürs Fondue Rechaud nach Hause zu nehmen. So kommt Adelino zu einem Schwagerschnaps.
Und dann erwarben wir noch unseren Familienheiligen. Darüber berichte ich am besten mit den Briefen, den ich Mutter schrieb:
Liebe Mutter.
Wie Du aus den zahlreichen Postkarten, die wir Dir aus Portugal und Spanien geschickt haben weisst, waren wir im Geburtsland des Heiligen Antonius von Padua. Auf einem der Pilgerwege trafen wir einen alten, einäugigen Steinhauer. Das andere Auge hat er an den Heiligen Antonius verloren, als er dessen Abbild in Stein gehauen hat und der heilige Antonius mit einem Splitter zurück schlug. Jetzt hauen seine zwei Söhne und der Alte verkauft die Heiligen an Touristen. Sie hauen auch den Heiligen Jakob, den Heiligen Petrus und verschiedene andere Heilige. Der Liebste ist Ihnen jedoch der Heilige Antonius, der ihnen über 95% des Umsatzes bringt. Darum können sie den auch so gut.
Und ich, ich habe mir gedacht: Beim Spendenaufkommen in unserer Familie, das mit dem Auftreten der Altersvergesslichkeit in der nächsten - meiner - Generation, wohl noch steigen wird, lohnt es sich, einen eigenen Heiligen Antonius anzuschaffen. Sonja und ich haben also den freundlichsten und rundlichsten Antonius (damit er zu uns passt) ausgesucht und gekauft. Auf dem Foto kannst Du sehen, dass er lächelt, weil es ihm bei uns gefällt. Und Du hast es nun auch einfacher, denn Du kannst künftig die Finderlöhne für den Heiligen Antonius direkt ins Tessin senden. Ein paar Einzahlungsscheine lege ich Dir bei; bei Bedarf lasse ich weitere drucken.
Mit lieben Grüssen
PS1: Falls Du diesen Brief verlegst, brauchst Du für’s Wiederfinden noch nichts einzuzahlen. Ich schicke Dir Übermorgen nochmals eine Kopie.
PS2: Wenn auch Deine anderen Töchter, vor allem Marianne, auf das neue Konto einzahlen, könnte ich mit dem Heiligen Antonius sicher einen Familienrabatt aushandeln. Ich wäre dann auch bereit, für ein angemessenes Entgegenkommen seinerseits, ihm ein Dächli über dem Kopf zu zimmern, damit seine Tonsur vor Sonne und Regen geschützt ist.
Am 18. September 1999 konnte ich meiner Mutter melden:
Liebe Mutter
Er ist unter Dach! Für zwanzig Prozent Nachlass auf alle Finderlöhne. Wenn Du also alltag nur einmal etwas verhühnerst, und Samstag und Sonntag Pause machst mit verlegen, hast du jede Woche einmal Anspruch auf einen Gratissuchdienst. Weil ich ganz figalant mit ihm verhandelt habe: Also, Heiliger Antonius, habe ich gesagt, Du weisst doch genau, wenn unsere Mutter vergisst wo was liegt, und Dir Finderlohn verspricht, wenn Du hilfst zu suchen wo’s ist, dann vergisst sie nicht zu zahlen, wenn sie wieder weiss wo’s liegt. Höchstens, wenn sie den Einzahlungsschein nicht mehr sieht, weiss sie nicht mehr, hab ich schon bezahlt oder hab ich ihn verlegt. Dann profitierst Du so oder so: Entweder zahlt sie