Deschners Kriminalgeschichte angemerkt - Ernst Eichholzer - E-Book

Deschners Kriminalgeschichte angemerkt E-Book

Ernst Eichholzer

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Beschreibung

Wer weiss nicht, welch eine Unsumme von kirchenhistorischen Lügen, Irrtümern und Verdrehungen Tag für Tag durch Wort und Schrift in ungebildeten und nicht weniger in gebildeten Kreisen an den Mann gebracht werden? Das schreibt Anton Ender, Professor in Feldkirch, 1899 im Vorwort zu seiner »Geschichte der katholischen Kirche« Genau dieser »Unsumme von kirchenhistorischen Lügen, Irrtümern und Verdrehungen« geht auch Karlheinz Deschner nach. Allerdings mit umgekehrtem Vorzeichen. Das trifft sich doch gut für mich als Leser! Zwei Lager referieren über genau das gleiche Thema von gegensätzlichen Standpunkten aus. Das Vergleichen der Darstellungen gleicher Geschehnisse durch die beiden Kontrahenten dürfte nicht nur spannend sein, es gibt mir als Leser auch die Möglichkeit zu relativieren.

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Inhaltsverzeichnis

Texte zu den Dogmen

Konventionen

Vorrede

Im Verlaufe meiner Aufzeichnungen

Karlheinz Deschner ist tot

Band 1: Die Frühzeit

Geburt der Kirche

Eine subjektive Sicht

Das Alte Testament: die zarte Wurzel

Das Neue Testament

Christen okkupieren das Alte Testament

Juden werden zu Gottesmördern

Gottes Rachsucht

Die Christenverfolgung

Aufschwung zur Staatskirche

Konstantin der Grosse

Verfolgung der Andersgläubigen(1)

Verfolgung der Ketzer (1)

Trinitätslehre (1)

Legitimation aus den Evangelien

Mein Erkenntnisgewinn

Die Argumente des Arius

Das Nicaeanisch-Konstantinopelsche Glaubensbekenntnis

Die Sünde der Donatisten

Die Erbsünde (1)

Katholische Sicht auf das christliche Altertum

Band 2: Die Spätantike

Verfolgung der Andersgläubigen (2)

Verfolgung der Juden

Verfolgung der Ketzer (2)

Das päpstliche Primat

Konstantinopel gegen Rom

Papst Leo der Grosse

Papst Gelasius: Die Zweigewaltenlehre

Selbstherrlichkeit

Die Unterwerfung der Ostkirche

Gottesmutter Maria

Etablierung Marias als Gottesmutter

Marias Stelle in der Rangordnung

Trinitätslehre (2)

Das grosse Palaver: Eutyches, Nestorius, Eusebios, Dioskorus, Leo der Grosse

Nomenklatur zur Trinitätslehre

Das kirchliche Vorgehen gegen die Irrlehren

Die Glaubensschlachten zwischen den Christen

Das erste grosse Schisma zwischen Ost und West

Die Ostgermanen erobern Süd-West-Europa

Die Anbiederung der Kirche bei den wechselnden Herrschaften

Untergang des weströmischen Imperiums

Krieg im Christentum

Das Vandalenreich

Das Ostgotenreich

Band 3: Die alte Kirche

Christliche Fälschungen in der Antike

Vorchristliche Zeit

Moses

Fälschungen im Neuen Testament

Fälschungen in der nachneutestamentlichen und altkirchlichen Zeit

Wunder- und Reliquienbetrug

Der Wunderglaube

Wallfahrtsschwindel

Vorbilder im Altertum

Christliche Wallfahrt

Verdummung

Der Ruin der antiken Bildung

Entmenschlichung der Frau

Frommer Blödsinn

»Bekehrung« der Intellektuellen

Christlicher Geisterwahn

Wesen des Fegefeuers (1)

Jenseitsglauben

Ausbeutung

»Ethische Grundlagen«

Christliche Soziallehre

Die kirchliche Praxis

Der Reichtum der Kirche

Vernichtung

Bücherverbrennungen

Vernichtung heidnischer Kultstätten

Ausrottung des alten Glaubens

Eine Welle von Terrorismus

Band 4: Frühmittelalter

Überblick

Christianisierung der Germanen

»Bekehrung« der Arianer

Abspaltung Roms von Byzanz

Die Merowingerzeit

Das katholische Frankenreich

Der Begründer: Chlodwig der Merowinger

Chlodwigs Söhne

Die Langobardeninvasion

Chlodwigs Enkel

Die Westgoten werden katholisch

Katholiken gegen den Arianer Leowigild

König Rekkared, Leowigilds Sohn

Nekrolog auf den Arianismus

Rückblickende Würdigung

Papst Gregor I. (590-604)

Hölle und Fegefeuer (2)

Erbsünde (2)

Die Verchristlichung des Königsgedankens

Brunichild

Der heilige Hochverräter Arnulf von Metz

Weiter in Angst und Schrecken

Die Kirche in der Merowingerzeit

Ohne Jude bleibt der Christ gesund

Die Karolinger

Kirchengeschichte ist Weltgeschichte

Leodegar, Kantons- und Stadtpatron Luzerns

Pippin II. der Mittlere

Schwertmission bei den Friesen

Karl Martell 686-741

Der Aufbruch des Islam

Karl Martell bekämpft die »Ungläubigen«

Hochzeit der Monophysiten

Die Langobarden

Bilderstreit

Eine päpstliche Revolution scheitert

Die Entstehung des Kirchenstaates

...

und des Gottesgnadentums

Rechtsbruch und Trennung von Byzanz

Bündnis mit dem Frankenkönig Pippin

Brüskierung des byzantinischen Kaisers

Die »Konstantinische Schenkung«

Ausmass der Fälschungen

Fälschungen zur Legendenbildung

Fälschungen für die Machtpolitik

Ursprung der »Konstantinschen Schenkung«

Das christliche Kaisertum: Karl der Grosse

Karl der Grosse und die Päpste

Wechseltanz der Päpste

Papst Stephan III. als Kriegstreiber

Karl »der Grosse« usurpiert das ganze Reich

Der »Stuhl Petri« als Komplize

Neuverteilte Zuständigkeiten

Karl der Grosse als Kriegsherr

Übersicht über Karls Eroberungen

Missionierung der Sachsen (772-804)

Zwischenspiel in Italien (772-774 & 786)

Auslöschung der Awaren (791-803)

Christianisierung der Slawen (805-806)

Feldzüge gegen die Dänen (808-810)

Karl der sittenstrenge Heilige

Sanktionen gegen Sünder

Profiteure und Versklavte

Eins im Verbrechen, eins in der Heiligkeit

Das Schlusswort zu Karl dem Grossen

Auf dem Prüfstand

Band 5: 9. und 10. Jh.

Kaiser Ludwig I. der Fromme

Die Kaiserkrönungen

Leo III. krönt Karl den Grossen

Stephan IV. krönt Ludwig den Frommen

Paschalis I. krönt Lothar I

Dynastische Händel

Heidnische Wikinger

Ludwigs Söhne und Enkel

Kampf der Söhne

Mit den Heiden im Bunde

Reichsteilung

Ludwig II. der Bayernkönig

Karl II. der Kahle

Ludwig II. attackiert Westfranken

Aufsässige Slawen

Bd. 5 - Ste. 210

;

Bis hierher redigiert 2017-11-14

Zur späteren Verwendung

Der Grossinquisitor zu Jesus

9. Jh. Kyrill und Method

Zum Dogmatismus

Meine Sicht zu den Dogmen

Was glauben Kleriker?

Ich denke, also bin ich ... kein Christ!

Gott ist nicht katholisch

Meilensteine

Tod Jesu

Paulusbriefe

Evangelien

Origenes (grauer Hintergrund)

Konstantin (der Grosse)

Christentum Staatsreligion

Gottheit Jesus

Gottheit des Geistes

Maria Komplex (grauer Hintergrund)

Plünderung Roms

Augustinus von Hippo (grauer Hintergrund)

Unfehlbarkeit

Rom-Konstantinopel

Arianisches Vandalenreich

Ende des weströmischen Kaisertums

Zweischwerterlehre

Der Aufbruch des Islam

Gottesgnadentum

Zölibat

Investiturstreit

Sakramente

Der flexible Dekalog

Die Gottesgebote

2. Gebot

Die Menschengebote

4. Gebot

5. Gebot

6. Gebot

8. Gebot

9. Gebot

10. Gebot

Dekalog (Die zehn Gebote)

Personenregister

Anschrift des Verfassers

Texte zu den Dogmen:

Allgemeines zu den Dogmen →, →

Irrtumslosigkeit der Bibel →

Trinität (Dreifaltigkeit) →, →, →, →, →

Gottesmutter Maria →, →

Leibliche Aufnahme Marias in den Himmel →

Erbsünde →, →, →

Hölle und Fegefeuer →, →

Beichtsakrament

Unfehlbarkeit des Papstes →, →

Konventionen

Texte, die - von mir zum Teil stark zusammengefasst - dem Werke Deschners entnommen sind, sind »Braun« gedruckt.

Texte, aus Quellen, die das Christentum der Amtskirchen ebenfalls ablehnen, sind in »Pflaume« gedruckt.

Texte, die ich auf Grund von Informationen aus Deschners Werk und/oder anderer Quellen in meiner Sprache (manchmal meinem Hang zur Polemik nachgebend) formuliert habe, sind »Schwarz« gedruckt.

Texte die der Darstellung der katholischen Amtskirche folgen, d.h. »mit kirchlicher Druckerlaubnis« herausgegeben wurden, sind »Blau« gedruckt, ebenso also Originalzitate aus der Bibel.

Oder »Grün«, Informationen aus kirchennahen Publikationen ohne kirchliche Druckerlaubnis.

Texte die aus der Wikipedia oder der Brockhaus Enzyklopädie oder anderen neutralen (einen wissenschaftlichen Anspruch erhebenden) Quellen zusammengestellt sind, sind »Pastellorange« gedruckt.

Vorrede

Wer weiss nicht, welch eine Unsumme von kirchenhistorischen Lügen, Irrtümern und Verdrehungen Tag für Tag durch Wort und Schrift in ungebildeten und nicht weniger in gebildeten Kreisen an den Mann gebracht werden?

Das schreibt Anton Ender, Professor in Feldkirch, 1899 im Vorwort zu seiner »Geschichte der katholischen Kirche« in ausgearbeiteten Dispositionen zu Vorträgen für Vereine, Schule und Kirche, zugleich ein kirchengeschichtliches Nachschlage- und Erbauungsbuch für die katholische Familie. Imprimatur: Chur, 4. Dezember 1899, Johannes Fidelis, Bischof von Chur. Verlagsanstalt Benziger & Co. A.G., Typographen des hl. Apostol. Stuhles, Einsiedeln – Waldshut – Köln a/Rh. und New York – Cincinnati – Chicago, bei Benziger Brothers. 1900.

Genau dieser »Unsumme von kirchenhistorischen Lügen, Irrtümern und Verdrehungen« geht auch Karlheinz Deschner nach. Allerdings mit umgekehrtem Vorzeichen. Das trifft sich doch gut für mich als Leser! Zwei Lager referieren über genau das gleiche Thema von gegensätzlichen Standpunkten aus. Das Vergleichen der Darstellungen gleicher Geschehnisse durch die beiden Kontrahenten dürfte nicht nur spannend sein, es gibt mir als Leser auch die Möglichkeit zu relativieren. (Als Laie darf ich mich auch zum Thema äussern, ohne zur Überprüfung der Originalquellen verpflichtet zu sein. Im Übrigen zeichnet sich Deschners Werk durch ein sehr umfangreiches Quellenverzeichnis am Ende jedes Bandes (für Bd. I und II am Ende des zweiten Bandes) und, als Band XI, einem ganzen Registerband zu Personen und Themata aus. Der Hauptvorwurf der Kritiker, Deschner pflege eine einseitige Sicht auf die Dinge, läuft ins Leere, weil er das ja selber in seinem Vorwort schreibt. Und sich dafür damit rechtfertigt, dass es beschönigende bis verlogene christliche Darstellungen mehr als genug gäbe, um das Gegengewicht zu seinem Werk sicherzustellen. Substantielle Kritik, die Deschner der Unwahrheit zeiht, habe ich bei meinen Recherchen im Internet nicht gefunden. Stichprobenmässig habe ich auch das Renommee seiner Quellen durch Nachschlagen in Enzyklopädien überprüft (und ausnahmslos für anerkannt befunden.) Um historische Personen oder Ereignisse wieder zu vergegenwärtigen, füge ich diesen Bemerkungen rudimentäre Extrakte dazu, zusammengestellt meist aus der Wikipedia oder der Brockhaus Enzyklopädie.

Ich brauche dieses Schreiben auch, um das Gelesene besser überdenken zu können. Die Informationen, die sich mir auftun, gewichte ich hier nach dem Kriterium, wie sehr sie die Entstehung (die Geburtswehen) von »Glaubenswahrheiten« aufzeigen, diese begründen und in ein Dogma überführen. Entsprechend ist auch dieser Text gegliedert und mit Kapitelüberschriften versehen.

Übrigens, »Glaubenswahrheiten!« Was ist Wahrheit? Die christliche Wahrheit vertritt Paulus mit dem Anspruch, die Wahrheit zu verkündigen (2 Kor 4,2 EU) Wahrheit und Evangelium werden bei ihm gleichgesetzt. Die Wahrheit ist »Jesus«. Da haben wir Gretchens Pudels Kern: Das ganze christliche Religionsgebäude basiert auf der Zumutung zu glauben, dass jedes Wort im Evangelium wahr ist, und - noch bedeutender für die Kirche - dass alle die hartherzigen, intoleranten, frauenfeindlichen Belehrungen der Paulusbriefe als Wort Gottes unumstössliche Wahrheit sind. Nicht zuletzt auch Paulus‘ unmenschliche, weil der menschlichen Natur widersprechenden Sittengesetze, die der Kirche garantieren, ihre Schäfchen lebenslang in sündigem Zustande zu halten. In Abhängigkeit der Apostel-Nachfolger, welchen es gegeben ist, von den Sünden zu absolvieren. Eine geniale Machtkonstruktion.

Zuguterletzt kann ich es mir nicht verkneifen, einige Leckerbissen bloss ihrer Schmackhaftigkeit wegen wiederzugeben. So die Bekehrung der Kaisergattin Theodora, die ihre Lust am Koitieren mit der kirchenfrommeren Freude am Foltern unterdrücken konnte und sich damit würdig erwies, einem zukünftigen Heiligen keusche Bettgenossin zu sein.

***

Getreu dem Titel befasst sich Deschners Werk mit der Kriminalgeschichte des Christentums. Und nur mit dieser. Eine gute Kenntnis der Bibel - des alten und des neuen Testamentes - sowie der Kirchengeschichte und damit der Geschichte allgemein, ist Voraussetzung, um zu diesem Monumentalwerk Zugang zu haben. Darüber zu schreiben zwingt auch mich selbst, das Werk zu reflektieren.

Die Lektüre kann anstrengend sein und bisweilen sogar langweilig. Die endlose Aneinanderreihung von Untaten und Verbrechen, die Denunziation der heiligen Kirchenväter als skrupellose Lügner, Mörder, Kriegstreiber und Folterer stumpft ab. Die angebrachte Empörung ist nur noch oberflächlich. Aber das ist nicht Deschners Schuld, wahrscheinlich gehört es zur Ausstattung des Menschen, sich an alles zu gewöhnen, sogar Mord und Totschlag alltäglich hinzunehmen. Jeder, der sich schon mit der Kirchengeschichte ausserhalb der kirchlichen Geschichtsschreibung befasst hat, kennt ja das hässliche Gerippe der Amtskirchen. Deschner packt Fleisch drauf. Verfaultes, Stinkendes, Blutiges.

Ich folge nur teilweise dem chronologischen Ablauf Deschners nach seinen Bänden. Gewissen Themata gebe ich den Vorrang vor der Chronologie. So zur Geschichte einzelner Dogmen, wie Trinität, Gottesmutterschaft und Papsttum. Diese Themata hebe ich mit Untertiteln heraus, dort wo mehrmals zum gleichen Thema, durchnummeriert.

Im Verlaufe meiner Aufzeichnungen

(Nachdem ich 76 Seiten geschrieben habe) komme ich nicht drum herum festzustellen, dass mein Text immer öfters einer Zusammenfassung der verschiedenen Informationsquellen die ich konsultierte, sich annähert. Eigentlich wollte ich ja diese Texte kommentieren und nicht ein Destillat daraus verfassen. Umgekehrt ist es wohl so, dass ohne die Extrakte auch meine Kommentare – ausserhalb dieses Kontextes - nicht zuzuordnen wären. Kommt hinzu, dass die Textauszüge sehr oft so sehr für sich sprechen, dass ein Kommentar überflüssig ist. Ein Ausrufezeichen genügt!

(Nachdem ich 132 Seiten geschrieben habe)

sehe ich definitiv, dass diese Niederschrift ein Überblick über Deschners »Kriminalgeschichte des Christentums« wird. Bei der Lektüre dieses Sechstausendseitenwerkes, die ich nicht in einem Zuge bewältigen will – ungefähr zwei Stunden pro Tag sind belastend genug - ist diese Niederschrift hilfreich, das schwächelnde Kurzzeitgedächtnis zu unterstützen.

(Nachdem ich 154 Seiten geschrieben habe)

musste ich stets öfter an die Geschichte mit dem »Grossinquisitor« 1 denken, die Dostojewski in seinem Roman »Die Brüder Kramasow«, Iwan erzählen lässt. Gestern Abend habe ich die Geschichte wiedergelesen und die bezeichnendsten Stellen angestrichen. Die Rahmenhandlung:

Im 16. Jahrhundert kommt Jesus zurück auf die Welt. Nach Sevilla, wo am Vortage »bei einem prunkvollen Autodafé in Gegenwart des Königs, des Hofes, der Ritter, der Kardinäle und der reizendsten Hofdamen, vor der ganzen Einwohnerschaft von Sevilla der Kardinal-Grossinquisitor fast ein volles Hundert Ketzer ‚ad majorem gloriam Dei‘ auf einmal verbrannt hat. ER ist leise, unauffällig erschienen aber seltsam: Alle erkennen IHN doch.« Er wirkt Wunder über Wunder, sich selbst übertreffend, nach anderthalb Jahrtausenden Ruhepause in himmlischen Gefilden zur Rechten des Vaters. Der Grossinquisitor, ein fast neunzigjähriger Greis, »mit ausgemergeltem Gesicht, eingefallenen Augen, aus denen aber Feuerfunken sprühen,« lässt anderntags den wiedergekehrten Gottessohn von seinen Knechten verhaften und ins Verlies werfen. Dort besucht er IHN und erklärt dem schweigenden Heiland, warum er im höheren Interesse der hl. Kirche, die SEINEN Namen trägt, als Ketzer verfeuert werden müsse.

Die staatsmännischen Worte des Grossinquisitors füge ich in meiner Niederschrift dort ein, wo sie so wohlangebracht sind. Dostojewski hat sie ihm, in seinem letzten grossen Roman, 1878 - schon altersweise mit seinen 57 Jahren - in den Mund gelegt.

1 Vermutliches Vorbild von Dostojewskis Grossinquisitor: Der Dominikaner Thomas von Torquemada, 1483 ernannt, herrschte 15 Jahre wie ein Tyrann. Von seinen 114.000 (!) Opfern wurden 10.220 verbrannt, viele andere bekamen lebenslängliche Gefängnisstrafen. (Peter de Rosa: Gottes erste Diener, Seite 212)

Karlheinz Deschner ist tot.

»Karlheinz Deschner ist tot. Der »grösste Kirchenkritiker aller Zeiten« (Dieter Birnbacher) starb am vergangenen Dienstag (2014-04-08) im Alter von 89 Jahren in seiner Heimatstadt Hassfurt.«

Ich war am dritten Band seiner »Kriminalgeschichte des Christentums« als Karlheinz Deschner starb. »Kurz nach der dpa-Meldung zum Tode Karlheinz Deschners am 8.April 2014 durch den Vorsitzenden der Giordano-Bruno-Stiftung, Herbert Steffen, am Vormittag des 10. April 2014 verbreitete sich diese Nachricht wie ein Lauffeuer durch die deutschsprachigen Länder. Aber auch in Italien, wo Deschner bereits 2007 ausgezeichnet wurde, mit dem Mailänder »Premio letterario Giordano Bruno« (Bericht auf deschner.info), reagierte man mit grosser Trauer sofort auf diese Meldung vom Ableben des auch und gerade dort hochgeschätzten Kirchenkritikers«. Ich konnte aus diesem Anlass stundenlange Nachrufe mit der Beurteilung seines Werkes lesen. Viel Kritisches, aber mehrheitlich Zustimmendes zu seinem Werk, soweit die Texte in einigermassen »neutralen« Medien erschienen sind. Das Medienecho zeigt auch eindrücklich, dass mit »diesem Schopenhauer der Moderne« 2 ein wichtiger und gewichtiger Universalgelehrter gestorben ist.

»DER SPIEGEL« erwähnt in seinem Nachruf auf Deschner, dass sich dieser – als studierter Literaturwissenschaftler - auch »für vernachlässigte Dichter wie Hans Henny Jahnn, Hermann Broch und Robert Musil einsetzte.« »Fluss ohne Ufer« von Hans Henny Jahnn ist eines der drei für mich wichtigsten Werke der Weltliteratur, auf das ich durch eine Empfehlung von Botho Strauss kam; Musils »Mann ohne Eigenschaften«, aber auch der »Zögling Törless« hinterliessen bei mir einen bleibenden Eindruck.

2 Florian Stark in DIE WELT am 25. Apr. 2014

Band 1: Die Frühzeit

Geburt der Kirche

Und die moderne Theologie wies ihn darauf hin, wie das ursprüngliche Pathos des Christentums die Erwartung des nahen Weltendes gewesen. Fiel sie weg, so hatte die Bewegung, die dadurch bestimmt war, diese wesentliche Voraussetzung verloren.3

Der Grossinquisitor zu Jesus: »Was sollen wir anbeten? Der Mensch, wenn er frei geworden ist, hat keine dauerndere und qualvollere Sorge, als so schnell wie möglich jemand zu finden, den er anbeten kann.«

Nach der Lektüre des ersten Bandes frage ich immer vorrangiger nach dem Motiv des Kirchengründers Paulus und vor allem auch nach der Motivation der nachfolgenden Generationen. Darüber kann man bei Deschner höchstens rudimentär zwischen den Zeilen lesen.

Es ist ja nun nicht so, dass ich mich vor der Deschner- Lektüre mit der Kirchengeschichte und mit Paulus nie befasst hätte. Noch im Elternhause wohnend, noch katholisch, mit väterlich empfohlenem Zugang zu seiner »nihil obstat« - Bibliothek, las ich »Paulus - sein Leben und seine Briefe in religionsgeschichtlichem Zusammenhang dargestellt von Msgr. Prof. Dr. Josef Holzner«. Mit Imprimatur Friburgi Brisgoviae, die 27. Novembris 1948. Das Buch steht als Teil des väterlichen Erbes noch heute in meiner Bibliothek - allerdings nicht wiedergelesen. Die Lektüre dieses Werkes führte aber schon damals zur Erkenntnis, dass nicht Jesus, sondern Paulus der Religionsstifter war.

Jahre später las ich, wenn ich mich recht erinnere, gleich nach Erscheinen der Neuauflage 1982 in der deutschen Übersetzung, »Die Reisen des Paulus« von Ernle Bradford im Universitas Verlag München. Auch dieses Buch sieht Paulus wohlwollend, aber nicht so unkritisch, wie ich das von Holzner (noch schwach) in Erinnerung habe. Dank den unartigen Unterstreichungen und Randmarkierungen bei meiner Lektüre, finde ich im Buch die Stellen, die mir damals besonders bemerkenswert erschienen, leicht wieder.

So wird die Vermutung Karl Japsers zitiert: »Die Behauptung von der Menschwerdung Gottes wäre Jesus als Gotteslästerung erschienen.« Was für mich sehr glaubhaft ist. Denn ich finde in den Evangelien keine Stelle, in der sich Jesus als Gott offenbart. Er spricht von seinem und unserem Vater im Himmel. Erst Paulus hat damit angefangen, Jesus zu vergöttlichen.

Zum Stellenwert der Paulusgeschichten schreibt Tadeusz Nowakowski im Vorwort: »Es fehlt nicht an Stimmen, die ekstatischen Erlebnisse des Paulus einen einfach aus seiner Krankheit (Epilepsie) abzuleiten, er sollte auch oft unter Depressionen leiden. Angenommen derartige Vermutungen liessen sich wirklich verifizieren, sie könnten kaum die poetische Legende um den Heiligen zerstören (wer nimmt schon zur Kenntnis, dass die Paulusakten nicht anderes sind als apokryphe, romanhafte Lebensbeschreibung des hl. Paulus, die von einem Presbyter Ende des 2. Jh. verfasst wurden), im Gegenteil, die würden uns den Apostel als Menschen noch näher bringen.« Unterstreichung von mir: Vita Pauli - poetische Legende, keine geschichtliche Wahrheit.

»Jesus stellte sich als Messias dar und offenbarte sich damit als Staatsfeind. Sein Anhänger, der junge Paulus, löste schliesslich eine Revolution aus, die alle nachfolgenden Revolutionen als relativ unbedeutend erscheinen lässt.« Diesem Zitat sind zwei Aussagen zu entnehmen: Erstens - Jesus stellt sich als Messias dar, den jüdischen Erlöser, den mit Gott gleichzusetzen jedem Juden wirklich als Gotteslästerung erscheinen würde, auch heute noch. Abgesehen davon, dass »in der jüdischen Welt fast ständig Männer auftraten, die für sich in Anspruch nahmen, der Messias zu sein.« Zweitens: Paulus löste das Christentum, die Revolution, aus, nicht Jesus. Die Einstellung des Propheten Jesus wird im Streit zwischen Paulus und Petrus, der im Gegensatz zu jenem, Jesu vertrauter Jünger war, offenbar, wo es um die Heidenchristen ging. Paulus wollte, dass der Messias der Juden auch der Messias der ganzen Welt sei. Jesus aber zeigt sich in den Evangelien als prophetischer Erneuerer des Judentums, und nicht als Stifter einer neuen Religion und schon gar nicht als Gott. Das ist Pauli Werk: Und alsbald predigte er Christus in den Schulen, dass derselbe GottesSohn sei.4 Ohne Paulus wäre es durchaus möglich gewesen, dass Leben und Lehre dieses jüdischen Messias keine Frucht getragen hätten - vielleicht wäre nicht mehr daraus gewachsen als eine winzige, auf Palästina und den Nahen Osten beschränkte jüdische Sekte. Paulus veränderte die Welt.

Im Jahre 2001 erschienen, sehr lesenswerten Buch »Spaziergang durch die Kirchengeschichte«5 äussert sich Albert Gasser, emeritierter Hochschulprofessor der theologischen Hochschule Chur, zu Pauli Kampf für die Heidenmission folgendermassen:

In diesem Punkt war er kompromisslos. Auch mit einem alten Jesusgefährten der ersten Stunde wie Petrus verfuhr er diesbezüglich unerbittlich. Gegen eine judenchristliche Apartheidpolitik, welche die Unbeschnittenen und des mosaischen Gesetztes Unkundige ausgrenzte, zog er alle Register seiner polemischen Begabung.

Der paulinische Fanatismus der Urchristen zeigt sich auch in der Beurteilung der Zeitgenossen unter den Kaisern Tiberius und Nero, die bei der Suche nach Sündenböcken auf »die radikalste jüdische Sekte verfiel, die selbst von den meisten Juden gehasst und verachtet wurde: auf die Christen«. Selbst diesen Christenverfolgern konnte Paulus als Vorbild dienen: »Doch vorerst kehrte sich seine ganze Energie, seine ganze Leidenschaft gegen die Anhänger dieses falschen Messias. Paulus und der Mob, der ihm hinterherlief, begannen mit einer systematischen Christenverfolgung. Und dieses extreme Verhalten ist für den Beobachter ein Zeichen der Unruhe, die in Paulus gärte. Seine Reaktion auf die Vorstellung, Christus sei der Messias, war in der Tat pathologisch.« Darf man da nicht den gegenseitigen Pendelausschlag, der Jesus über den Messias hinaus in die Göttlichkeit beförderte, ebenso pathologisch begründet nehmen?

Wie die Vita Pauli zeigt, »war er gewalttätig, mystizistisch, impulsiv und von Verfolgungsideen heimgesucht.« ... »Seine Persönlichkeit war von einem solchen Extremismus, dass diejenigen, die ihm begegneten, ihn entweder liebten oder hassten.« ... »Und es war immer seine Botschaft. Wenn sie anders interpretiert wurde, kannte sein Zorn keine Grenzen.« Diesen Zitaten kann der Wahrheitsgehalt kaum abgesprochen werden.

Aber letztlich genügen die Paulusbriefe, auch wenn bloss die echten gelesen werden, uns einen ausserordentlich intelligenten, zielstrebigen, willensstarken, fanatischen, intoleranten, frauenfeindlichen, antisemitischen Sektierer zu zeigen. Der sich den vorurteilsfreien, vergebenden, selbstlosen, liebenden, gottesfürchtigen, verständnisvollen, mildtätigen Jesus für seine Zwecke aneignete. Gegensätze ziehen sich an.

Aber was trieb Paulus, den eigentlichen Religionsstifter, an? Er hat ja den als Sohn Gottes missbrauchten Jesus gar nicht gekannt. Sein in der Apostelgeschichte mit allen Symptomen so farbenprächtig geschildertes Erweckungserlebnis auf dem Ritt nach Damaskus lässt Viele vermuten, dass Paulus ein Epileptiker war. Und die galten in vielen Religionen als Botschafter der Götter. In seinen Pastoralbriefen, dem ältesten und authentischsten Teil des Neuen Testamentes, scheint eine rechthaberische, eifersüchtige, unbarmherzige, intolerante und grausame Persönlichkeit auf. Alles Attribute auch des jüdischen Gottes Jahwe. Der mit gewohnter Grausamkeit Ananias und Saphira mit dem Tode bestraft, weil sie Petrus angelogen haben. Und genau so eifernd wie die Propheten des alten Testamentes ereifert sich auch Paulus. Geifernd gegen die Ungläubigen, mehr noch aber gegen die Juden. Der Verkünder der angeblichen Botschaft eines jüdischen Rabbi ein in die Wolle gefärbter Antisemit, der sich sogar mit Petrus, dem ersten Jünger des später Vergöttlichten anlegt. Ja, nachdem man diese Eigenschaften Paulus‘ als zweifelsfrei angenommen hat, finden sich in diesen Wesensmerkmalen selbst genug Erklärungen für seinen Antrieb. In keiner anderen Rolle konnte Paulus seine Neigungen so ungebremst ausleben, wie in der des allwissenden Religionsstifters. Der arme Wanderrabbi Jesus von Nazareth! Was würde der dazu sagen, wenn er denn noch was zu sagen hätte! Die Rolle Paulus‘ kann also aus seinem Charakter leidlich glaubhaft erklärt werden. Was aber erklärt die Ausbreitung seiner Lehre bis zu deren Domestizierung als Staatsreligion durch Konstantin?

Da gibt es Muster zuhauf: Joseph Smith und seine Mormonen, Ron Hubbard und seine Scientology Church, der Prophet Mohammed und der Islam. Alle diese »Religionsstifter« konnten beruhigt in Jenseits abtreten, mit der Gewissheit, ihnen nacheifernde, fanatische Jünger hinterlassen zu haben. Alle (oder auch nur eine Religionsgemeinschaft) zum Segen der Menschheit? Oder zur Bereicherung des Episkopates? Die Jünger Pauli keine verwunderliche Ausnahme also, eher ein bekanntes Paradigma.

Von Konstantin weg, also vom frühen 4. Jahrhundert an, erschliesst sich mir die Folgerichtigkeit der Kirchenkarriere bis zur Inhaberin der absoluten Deutungshoheit über jeden veröffentlichten Gedanken. Hat doch Konstantin das Christentum seinen Eroberungen dienstbar gemacht. Trotz all den schönen Legenden von der »Bekehrung« Konstantins zum Christentum – unter Assistenz der heiligen Mutter Helena - kann kein ernstzunehmender Historiker sich dieser hagiographischen Darstellung anschliessen. Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Konstantin benützte die Christen für seine Zwecke. Er korrumpierte das ganze Episkopat, indem er allen Kirchenführern Privilegien und Güter zuschanzte, um sich die Kirche dienstbar zu machen. Die weitere Entwicklung war und ist folgerichtig. So sind es auch Konstantin und seine Nachfolger die Konzile einberufen und letztlich entscheiden, was als alleinige Wahrheit zu gelten hat. Das Hin und Her zwischen Katholiken und Arianern in der Trinitätslehre folgt im Wesentlichen der Ansicht des gerade aktuellen Herrschers.

Ender erklärt die Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderte mit einem klassischen Zirkelschluss: »Trotz grosser Hindernisse war das Wachstum der Kirche ein so schnelles, dass es ein Beweis für die Göttlichkeit ihres Ursprungs bildet.« Amen!

»Im Besonderen war es das heiligmässige Leben der ersten Christen, welches mächtig anzog, der Heldenmut der Märtyrer, welcher begeisterte, die Lehre von der Gleichheit aller Menschen vor Gott, welche die Unterdrückten (Frauen und Sklaven etc.) begierig aufnahmen, die Apologeten, welche es an gründlicher überzeugender Verteidigung des Christentums und seiner Bekenner nicht mangeln liessen.«

Um »Die Lehre von der Gleichheit aller Menschen vor Gott«, die Ender hier der katholischen Kirche innewohnend behauptet, war es in Wirklichkeit himmeltraurig bestellt. Dass der Kirche im Altertum, die den Heiden und den Arianern »enteigneten« Sklaven per Gesetz zur Weiterverwendung zugesprochen wurden, ist im Vorstehenden schon zu lesen. Dass auch noch während des 1. Vatikanischen Konzil, das 1870 mit dem Dogma der »Unfehlbarkeit des Papstes« brillierte, der Bischof von Savannah (Georgia, USA), Augustin Vérot, reklamierte, »Viel wichtiger wäre für ihn eine Erklärung des Konzils gewesen, dass auch Neger eine Seele haben6«, muss Ender wohl entgangen sein. Dabei erschien sein hier mehrmals zitierte Werk 1899, also 29 Jahre nach dem Konzil. Ja, nach fast 30 Jahren verschwindet Vieles von der Bildfläche in die vatikanischen Geheim-Archive.

***

In dieses Thema - »Die Geburt der Kirche« - vertieft, mäandern meine Gedanken in der Weite der Thematik. Viel in der Erinnerung scheinbar Verschüttetes tut sich auf und drängt mich zum Philosophieren. So, als stellvertretendes Beispiel für weitere Versuchungen Gedankengebäude aufzurichten, die Vorstellung, wie ein von keiner Konfession Kontaminierter, aber trotzdem Geschichtskundiger, die Entstehung des Christentums aus dem Judentum sehen könnte. Und »Die Geburt des Antisemitismus«.

3 Gottfried Bohnenblust über Carl Spitteler in dessen "Gesammelten Werken" Bd. I

4 Apg 9,20

5 Spaziergang durch die Kirchengeschichte, Albert Gasser, NZN-buchverlag, Zürich

6 August Bernhard Hasler: Wie der Papst unfehlbar wurde > Verlag Piper, München & Zürich

Eine subjektive Sicht

Vielleicht so (halt ein bisschen polemisch):

ES IST EIN ROS‘ ENTSPRUNGEN ...

Das Alte Testament: die zarte Wurzel.

2083 Jahre nach Erschaffung der Welt zog Abraham mit seinem Bruder Lot nach Kanaan. Dort erkannte er Gott als den Einen, der keine anderen Götter neben sich duldete.

430 Jahre später, im Jahre 2513 nach Erschaffung der Welt, erscheint Gott dem Moses in einem brennenden Dornbusch und gibt ihm die Gesetzestafeln mit den Zehn Geboten.

In der zweiten Hälfte des neunundzwanzigsten Jahrhunderts nach der Erschaffung der Welt kündete König David den Kindern Jakobs, sie seien Gottes Auserwählte!

3300 Jahre nach Erschaffung der Welt redete der Prophet Jesaja dem auserwählten Volk vom Kommen des Messias, dem Gesalbten Gottes. Fortan sehnten die frommen Juden den Tag seiner Ankunft herbei.

Nach dem Propheten Jesaja folgten im Laufe der Jahrhunderte noch viele gotterfüllte Propheten, viele davon wiederholten die Weissagung, dass ein Messias komme und für das auserwählte Volk das Königreich Gottes begründe. 7 Und dies sind die Gottgesandten: Jeremia, Ezechiel, Daniel, Hosea, Joel, Amos, Obadja, Jona, Micha, Nahum, Habakuk, Zefanja, Haggai, Sacharja, Maleachi und dann, im viertausendundvierten Jahre nach der Erschaffung der Welt, wurde der Gotteskünder Jesus in Bethlehem geboren.

Wie seinen Vorgängern erging es auch dem Propheten Jesus. Neben feurigen Anhängern schuf er sich auch erbitterte Gegner. Seine Anhänger erkannten in ihm den Messias und drängten ihn, das verheissene Königreich zu errichten. Seine Gegner schwärzten ihn bei den römischen Behörden an, weil der Rebell ein jüdisches Königreich errichten wolle.

Die römischen Besatzer, sonst den vielen jüdischen Sekten gegenüber tolerant, konnte den Angriff auf die Staatsmacht nicht dulden und verurteilte den Aufrührer zum Tode. So starb der Prophet Jesus, vermutlich in seinem dreiunddreissigsten Lebensjahr, zusammen mit zwei (anderen) Verbrechern, am Kreuze. Seine Anhänger betrauerten ihn und bestatteten seinen Leichnam in einer Grabeshöhle.

Der harte Kern der Anhänger Jesu agitierte weiterhin gegen die herrschenden Römer. Das trug ihnen Verfolgung und Bestrafung ein. Das Gros der Juden verstand die Reaktion der Behörden gegen die aufrührerische Sekte. Sie sahen ja umgekehrt auch die Duldung anderer Sekten durch die Römer, zum Beispiel die der Essener, die Samaritaner aber auch die der Sadduzäer, deren Bedeutung gegenüber der lebenspraktischen und politischen Schule der Pharisäer zurzeit Jesu am Schwinden war.

Das Neue Testament:

Das Blümlein, das ich meine:

Paulus übernimmt die Führung.

Ein griechisch gebildeter Jude und gesetzestreuer Pharisäer mit römischem Bürgerrecht, Saulus von Tarsus, verfolgte die Anhänger der neuen Sekte, welche der rechtgläubigen Lehre der Pharisäer abtrünnig geworden waren. In dieser selbstgewählten Mission unterwegs nach Damaskus erlitt er einen epileptischen Anfall, und der kleine Mann fiel vom hohen Ross auf seinen grossen Kopf. Wie die meisten von dieser »heiligen Krankheit« Befallenen, »von der göttlichen Macht Besessenen«, verfiel auch Paulus in Trance und begegnete dabei dem transzendenten Jesus, der ihn zusammenstauchte, weil er seine - Jesu - Jünger verfolgte. Paulus versprach, sich zu bessern und der Jüngergemeinschaft beizutreten. Seine Gefährten bekamen von der ganzen Unterhaltung der Beiden nichts mit, wie das seit eh und je und bis in alle Ewigkeit bei Wundern üblich ist. Saulus war so überwältigt von seiner Vision, dass er drei Tage nichts ass, drei Tage nichts trank und drei Tage nichts sah. Seine sehenden aber seherisch unbegabten Gefährten führten den Erblindeten zielsicher zu Ananias, einem Frommen der neuen Sekte. Der legte dem Saulus die Hände auf den Kopf, und aus dessen Augen fielen die Schuppen. Saulus - nun Paulus - sah, dass er wieder sah. Das zweite Wunder! (Seine Gefährten hatten zum zweiten Male nichts von dem Wunder.)

Und Saulus aber, der auch Paulus heisst, war fürderhin voll heiligen Geistes, der damals noch Gottes Geist und nicht Gott der Geist war. Und alsbald predigte er Christus in den Schulen, dass derselbe Gottes Sohn sei.8

Und er eiferte gegen seine bisherigen Judenbrüder mit dem gehässigen Eifer des Konvertiten, sodass diese dem Verräter nach dem Leben trachteten. Seine neuen Glaubensbrüder in Christo packten ihn in einen Korb, und liessen ihn am Seil hinunter, von der Stadtmauer, verhalfen ihm so zur Flucht.

Dem kleinen Mann mit dem grossen Kopf und dem noch grösseren Ehrgeiz war das Selbstverständnis seiner neuen Glaubensbrüder als jüdische Sekte zuwider. Er hatte Grösseres vor: eine überregionale, weltweit vermarktbare Religion. Gegen den Willen der Apostel unter der Führerschaft Petri taufte er auch Heiden, ohne dass diese zuerst zum Judentum konvertieren mussten. So schrieb er: »Aber es ward auch Titus nicht gezwungen, sich beschneiden zu lassen, der mit mir war, obwohl er ein Grieche war.«9 Mit diesem Handstreich übernahm Paulus von Tarsus (der türkischen Hafenstadt am Golf von İskenderun) die Deutungshoheit über das Christentum. Und verunglimpfte die, die einst seine Volksgenossen waren: »Trübsal und Angst über alle Seelen der Menschen, die da Böses tun, vornehmlich der Juden«10 und aktuell. 11

Christen okkupieren das Alte Testament

Die verstocken Juden wollten partout nicht zugeben, dass Jesus der versprochene Messias sei. So waren die Christen gezwungen, die Bücher des Alten Testamentes so zu redigieren, dass der Hinweis auf Jesus als Messias unübersehbar wurde. So gab es jetzt die jüdische Bibel und die christliche Bibel. Da dogmatisch gesichert ist, dass der heilige Geist Gottes in den Ohren der christlichen Exegeten Wohnsitz hat, wurde offensichtlich, dass die jüdische Bibel mit falschen Auslegungen der ewigen Wahrheit im Wege stand. Schande über sie – die halsstarrigen Juden!

»Das Martyrium ist ein Beweis, dass die Tatsachen (?), auf welchen das Christentum beruht und welche uns in der Heiligen Schrift des neuen Bundes und der Tradition mitgeteilt werden, historische Wahrheit ist. Es handelt sich nämlich darum zu zeigen, dass das Christentum nicht auf Sagen und Mythen, sondern auf historischen Tatsachen beruht. (Sic!) Tatsachen werden nicht nur durch Vernunftschlüsse, sondern auch durch Zeugen bewiesen. Ein Zeugnis hat aber umso mehr Beweiskraft, je grösser die Zahl der Zeugen ist, und je schwieriger die Umstände sind, unter welchen die Zeugnisse abgelegt wurden.

Juden werden zu Gottesmördern.

Das Römische Reich ist die ganze damalige Welt. Dieser Welt einen Gottessohn anzudrehen, der von der eigenen Obrigkeit gehenkt worden war, wäre doch etwas delikat gewesen. Also war Optimierung der Marktakzeptanz angesagt. Und wie es, ganz Allgemeinen, die Art fanatischer Konvertiten ist, sind die eigenen Altgläubigen als Sündenböcke besonders prädestiniert, beweisen sie doch ihre Unbelehrbarkeit dadurch, dass sie den Neubekehrten nicht nachfolgen. Und es war ja wirklich so, dass nicht ALLE Juden begeisterte Anhänger des Nazareners waren, viele aus der Priesterschaft waren sogar erbitterte Gegner. Also verschrie man diese zu Gottesmördern. Dass alle Evangelien nach den Paulusbriefen geschrieben, und diesen somit nachgeordnet sind, erlaubte es auch, den Marketing-Gag einzuflechten, der dem römischen Statthalter Pilatus die Worte in den Mund schob: »Ich bin unschuldig an dem Blut dieses Gerechten, sehet ihr zu!«, 12 oder, volksmundig: »Ich wasche meine Hände in Unschuld!« Der gute Römer! Hat doch nur dem Frieden zuliebe den mordlüsternen Juden nachgegeben!

Gottes Rachsucht

Und die guten Christen eiferten dem alttestamentlichen Gotte nach – der auch in neutestamentlicher Zeit für das Strafen zuständig blieb - der da verkündete: »Denn ich, der HERR, dein Gott, bin ein eifriger Gott, der da heimsucht der Väter Missetat an den Kindern bis in das dritte und vierte Glied, die mich hassen«, 13 und ihr Eifer übertraf den (auch) ihres Gottes, sie »suchten die Juden heim«, über Duzende von Generationen, bis zu Hitlers »Endlösung.«

7 Aktuelle Parallele: ISIS ruft Gottesstaat im Irak und in Syrien aus.

8 Apg 9,20

9 Gal 2,3

10 Röm 2,9

11 Dass so was auch noch Zeitgenossen von uns Heutigen gelingt, beweist der deutschstämmige Christoph Wolfram Blocher von Württemberg (einem süddeutschen Königreich), dem es als Abkömmling einer zugezogenen Sippe gelang, die Deutungshoheit über das Schweizertum zu okkupieren. Und ebenso wie Paulus alles Nichtchristliche, schmäht Blocher alles Nichtschweizerische. Dazu gehören auch diejenigen Schweizer, die sich für Blochers Sicht auf die Schweiz nicht erwärmen können.

12 Mt 27,24

13 2.Mose 20,5

Die Christenverfolgung

Das Martyrium, ein Beweis für die geschichtliche Wahrheit des Christentums

Kann der Leser nun endlich einmal auf Beweise hoffen? (Zu »Beweis« siehe »Verfolgung der Ketzer, Juden, Heiden (2)« weiter unten. Das Wort hat Herr Prof. Dr. Anton Ender:

Nun sind einmal die Märtyrer in die Qualen und in den Tod gegangen.

a) nicht um einer philosophischen Meinung willen, die sie etwa verfochten, nicht einer abstrakten Lehre wegen, der sie anhingen, sondern:

b) als Zeugen für die Tatsache des Christentums, d.h. als Zeugen dafür, dass Jesus Christus wirklich gelebt, dass ER Wunder gewirkt hat, dass er von den Toten auferstanden ist, dass die Apostel Augen und Ohrenzeugen der Taten und Reden des Herrn waren, dass der Heilige Geist wirklich in Gestalt feuriger Zungen über die Apostel herabkam usw. kurz: Für all die Tatsachen, auf welche das Christentum gegründet ist, gingen die Märtyrer in den Tod, dafür legten sie Zeugnis ab.14

Für diesen »Beweis« muss der Gläubige – glauben satt wissen – also zuerst die Evangelien und die mitgeteilte »Tradition« als historische Wahrheit akzeptieren!

Beweist der Massensuizid von 1110 Anhängern des »Peoples Temple« des Jim Jones in Jonestown die Wahrheit seiner Lehre? 15

Wenn die Beweiskraft mit der Zahl der Zeugen steigt, was ist dann mit all den Zehntausenden von Dschihad-Kriegern, die für die Lehre Mohameds seit dem frühen 7. Jahrhundert gefallen sind, oder heute noch in heiliger Ekstase als Selbstmordattentäter im Namen Allahs das Martyrium erleiden? Für die 1,57 Milliarden Mohammedaner sind das auch Glaubenszeugen.

Für die sehr grosse Zahl der Märtyrer gibt Ender an, dass diese hinlänglich nachgewiesen worden sei durch die »Acta Martyrum« des Runiart. In den Katakomben von Rom allein seien bisher an 10.000 Inschriften von Märtyrern gefunden worden. (1899)

Nehmen wir nur diese 10.000 in den Katakomben Roms beerdigten Märtyrer. Die waren also alle 10.000 Personen dabei, bei den unter b) aufgelisteten Geschehnissen? Oder bezeugten die etwa nur – ketzerischer Gedanke – dass sie die Legenden darüber gehört hätten? Zeugen für Geglaubtes, nicht für Erlebtes. Im gleichen Kapitel, als nächster »Beweis« erklärt Ender, dass die Begeisterung (sic) für das Martyrium keine natürliche gewesen sei, denn die hätte sich

»nicht aber bei zarten, furchtsamen Mädchen, kleinen Kindern, schwachen Greisen und Frauen (gezeigt); sie hätten einen politischen oder nationalen Hintergrund haben müssen, der zum Heroismus angetrieben hätte, allein beides ist dem Christentum mit seinem übernatürlichen und katholischen16Charakter fremd.«

»Und wenn die Märtyrer die Kraft zum Martyrium nicht aus sich selbst haben konnten, so müssen sie dieselbe von Gott erhalten haben. Gott muss ihnen die Gnade erteilt haben, auszuharren bis zum Tode. Wenn aber Gott der Urheber des Martyriums ist, dann muss auch die Sache, für welche die Märtyrer starben, das Christentum, nicht Menschenwerk, sondern Gotteswerk sein.«

Gott der Urheber des Martyriums, also beweist Gott seine Göttlichkeit mit der Folterung und Tötung seiner Anhänger. Zwar grotesk, aber: Na ja, das hat ja schon der alttestamentliche Gott fertiggebracht. (Isaak, Hiob)

Dass dem Christentum ein politischer Hintergrund fremd ist, dank seinem übernatürlichen und katholischen Charakter, das kann nur ein dummverlogener Rosstäuscher von sich geben.

***

Ender zeichnet von den Christenverfolgern je eine Charakteranalyse, welche - um Objektivität bemüht - auch die guten Seiten der christenmordenden Kaiser aufzeigt:

»Der (Christen-)Verfolger Domitian, Bruder des Titus aus dem Geschlechte der Flavier, hatte ebenfalls wenig gute und viele schlechte Seiten. Gute Seiten kehrten sich insbesondere zu Anfang seiner Regierungszeit hervor: Er war strenge gegen sittenlose Frauen und gefallene Vestalinnen, deren eine er lebendig begraben liess, während ihr Verführer zu Tode gepeitscht wurde.«17

Vor dem Christenverfolger Maximin dem Thracier (235-238) gab es drei Kaiser, welche die Christen in Ruhe liessen, ja, der dritte, Alexander Severus (222-235) dem Christentum sogar freundlich gesinnt war. »Zur Hebung der Sittlichkeit liess er ganze Schiffsladungen von unsittlichen Knaben aus Rom teils auf Inseln deportieren, teils massenweise im Meer versenken.«18 Da frage ich mich, ob es das Werk Deschners über die »Kriminalgeschichte des Christentums« überhaupt noch braucht, um die Kirche anzuklagen, wenn man solche Aussagen in einem bischöflich approbierten »Erbauungsbuch für die katholische Familie« nachlesen kann. Aber die Kirche segnet ja bis heute eher Waffen für den Massenmord, als dass sie einen Ehebruch oder eine Scheidung verzeiht.

14 Anton Ender „Geschichte der katholischen Kirche“ Ste. 56

15 Die gleiche Frage kann man zum Martyrium der Ketzer unter Justinian stellen! (Siehe im Kapitel „Verfolgung der Ketzer (2)“)

16 Also denn: Das Christentum hat einen katholischen Charakter. Das impliziert, dass die Reformierten und Calvinisten keine Christen sind.

17 Anton Ender „Geschichte der katholischen Kirche“ > Ste. 32

18 Anton Ender „Geschichte der katholischen Kirche“ > Ste. 43

Aufschwung zur Staatskirche

Nach dem heutigen Stand der Forschung hierhergestellt:19

Konstantin der Grosse

Konstantin (der Grosse) war von 306 bis 337 römischer Kaiser. Seinen Mitkaiser Maxentius schlug er in der Schlacht am 28. Oktober 312 nördlich von Rom, an der Milvischen Brücke und beendete damit die Tetrarchie, wurde so zum Alleinherrscher im weströmischen Reich. Eusebios erzählt von einer Himmelserscheinung in Form eines Kreuzes mit den Worten »Durch dieses siege!« Unter christlichem Einfluss mag er geglaubt haben, ihm stehe der Gott der Christen zur Seite, und er erfülle eine göttliche Bestimmung. Daher stellt die Erzählung des Eusebios eine Nachricht von hohem Wert dar, denn sie gibt wahrscheinlich die offizielle Sichtweise des Hofes wider, wenngleich aus späterer Zeit, als Konstantin auf die Stilisierung im christlichen Sinne Wert legte. Die Kreuzesverehrung begann jedenfalls erst in konstantinischer Zeit. 313 gewährte Konstantin mit der Vereinbarung von Mailand Religionsfreiheit im Reiche. Damit ermöglichte er den Aufschwung des Christentums zur wichtigsten Religion im Imperium Romanum. Vor allem galt Konstantin auch im Osten als der eigentliche Schutzherr der Christen, wodurch sich Licinius (der oströmische Kaiser) bedroht sehen konnte. Diese Rolle übernahm Konstantin offenbar bewusst, denn 315 wurden Festprägungen hergestellt, die ihn mit dem Christusmonogramm auf dem Helm abbilden, und er griff in innerkirchliche Angelegenheiten wie den 312/13 entbrannten Donatistenstreit ein. Konstantin konnte sich in diesem Zusammenhang als Retter der Christen im Osten stilisieren und somit seine christenfreundliche Politik auch machtpolitisch (gegen Licinius) nutzen. Im September 324 unterlag Licinius dem Konstantin dann endgültig in der Schlacht von Chrysopolis. Er musste kapitulieren, wobei Konstantin versprach, sein Leben zu schonen. Licinius wurde dennoch im Jahr 325 auf Befehl Konstantins und wohl aus machtpolitischem Kalkül hingerichtet, bald darauf auch sein Sohn Licinianus Licinius. Konstantin war nun unbestritten der alleinige Herrscher des Römischen Reiches.

Nach 324 verlegte Konstantin seine Residenz in den Osten des Reiches, in die nach ihm benannte Stadt Konstantinopel. Konstantinopel wurde Rom in vieler Hinsicht gleichgestellt, es erhielt etwa einen eigenen, dem römischen jedoch untergeordneten Senat und unterstand nicht der Provinzverwaltung, sondern einem eigenen Prokonsul.

325 berief er (und nicht ein Papst, den es damals noch gar nicht gab) das erste Konzil von Nicäa ein, um innerchristliche Streitigkeiten um den Arianismus beizulegen.

»Auf dem Konzil von Nicäa 325, welches er mit Zustimmung des Papstes Silvester berufen hatte, liess er sich nicht eher auf seinem Thron nieder, als bis die Bischöfe sich gesetzt hatten.« 20

326 befahl Konstantin die Ermordung seines ältesten Sohns Crispus und kurz darauf die seiner Frau Fausta. »Das ist der Grund, warum ihm die lateinische Kirche zwar mit dem Beinamen der Grosse geschmückt, ihm aber die Ehre eines Heiligen versagt hat.« 21Da sich der Kaiser von diesen Taten nicht reinwaschen konnte, sei er Christ geworden, da er annahm, dass im Christentum alle Sünden getilgt werden könnten. (Nach dem paganen Geschichtsschreiber Zosimos). Das Kaisertum wurde wie schon unter Diokletian sakral legitimiert, was sich in der Kaisertitulatur und im Hofzeremoniell niederschlug. Das Fundament dafür bildete - neben dem herkömmlichen - zunehmend auch christliches Gedankengut, sodass schliesslich die Idee eines weltlichen Statthalters Gottes aufkam und das Kaisertum zunehmend verchristlicht wurde. Die Vorstellung des »allerchristlichsten Kaisers« gehörte spätestens unter den Söhnen Konstantins zum Herrschermodell.

Offen bleibt dabei die Frage, inwieweit sich der Kaiser mit dem christlichen Glauben identifizierte, zumal die neuere Forschung betont, dass im frühen 4. Jahrhundert durchaus noch nicht so eindeutig wie heute definiert war, was unter einem Christen und dem Christentum zu verstehen sei. Vor der Schlacht an der Milvischen Brücke verehrte der wohl seit seiner Jugend zum Henotheismus (Konzentration auf eine einzige höchste Gottheit) neigende Konstantin insbesondere den Sonnengott Sol Invictus. »Solarer Monotheismus« und christlicher Glaube galten zu Konstantins Zeit in manchen Kreisen als einander nahestehende religiöse Richtungen. Konstantins »Weg zum Christentum« war wohl ein Prozess, bei dem er über den Sonnengott nach einer Zeit des »Schwebezustands« schliesslich zum christlichen Glauben gelangte. Die Erhebung des Sonnentags zum gesetzlichen Feiertag 321 zeigt womöglich auch eine Gratwanderung des Kaisers, der sowohl den Christen als auch den Paganen (den altgläubigen »Heiden«22) noch als einer der ihren erscheinen wollte.

Nach Erringung der Alleinherrschaft 324 gab Konstantin deutlicher als zuvor, seine Bevorzugung des Christengottes zu erkennen. Konstantin konnte sich nun durch seine Förderung der Kirche auf eine solide Organisationsstruktur stützen. Zudem ermöglichte das Christentum dem Herrscher eine religiöse Untermauerung seines Machtanspruchs: Die Alleinherrschaft war in Rom seit ihrer Begründung durch Augustus stets hinterfragbar und prekär gewesen; der christliche Monotheismus bot mit seiner bereits früh formulierten Position, wie im Himmel, so solle auch auf Erden nur einer alleine herrschen, eine neue Basis für die monarchische Herrschaftslegitimation. Schliesslich liess sich Konstantin sogar als Isapostolos (»den Aposteln gleich«) bezeichnen. Sein sakrales Kaisertum war aber nicht mit dem expliziten Anspruch verbunden, dass der Herrscher über dem Recht stehe. Seine Nachfolger schritten auf diesem Weg zum Gottesgnadentum weiter.

Der Wunderseher Eusebios (oder Eusebius in der latinisierten Form), muss ein Arschlecker erster Güte gewesen sein. August Nitschke schreibt:

Als Anfang des 4. Jahrhunderts Kaiser Konstantin sich zum Christentum bekehrte, verglichen führende christliche Geistliche in immer neuen Wendungen den Kaiser mit Gott. Eusebius von Caesarea tat sich besonders hervor. Wie ein Gott über die Welt herrsche, habe Konstantin über das Menschengeschlecht zu regieren. Er verglich den Kaiser mit der Sonne, die allen ihre Strahlen voller Huld zukommen lasse. Der Kaiser sei das Licht, das Gott in die Dunkelheit sende, er zerstreue alle Nebel, seine Feinde seien düster und verworren. Der Kaiser gleiche auch Jesus Christus, dem »Heiland und Seelenarzt«. Ob er Barbaren zähme, Aufständische durch Ermahnungen unterwerfe, christliche Häresien überwinde, immer sei er dem »Arzte« Jesus ähnlich.23

***

Kaiser Konstantin ermöglichte es erst, den kaum der Christenverfolgung unter Diokletian entgangenen Christen, die blutigen Pogrome, die sie damals erfahren hatten, nun auf die Heiden, Juden und Ketzer anzuwenden. Mit der im Laufe der Zeit perfektionierten Methode, dass die Kirche verurteilt und der Staat die Bestrafung übernimmt. So bleiben die klerikalen Hände sauber.

19 Rudimentärer Extrakt aus der Internet-Enzyklopedie Wikipedia

20 So die „Gegendarstellung“ von Ender im Namen der Kirche gegen die Darstellung in der Wikipedia.

21 Ebendort

22 Erklärung nach Ender S. 91 für die Zeit unter Valentinian (364 bis 375 römischer Kaiser): Nur noch rohe Bauern blieben dem Heidentum treu. Daher kommt die Bezeichnung pagani (Bauern) für Heiden und Paganismus (Bauernreligion) für Heidentum, Religion der Unwissenden.

23 Propyläen Weltgeschichte Band 5 Seite 281

Verfolgung der Andersgläubigen(1)

Verfolgung der Ketzer (1)

Eine Schlüsselfigur des turbulenten vierten Jahrhunderts war zweifelsohne der heilige Athanasius, von den Katholiken »Der Grosse« genannt. Ein an Skrupellosigkeit seinem Widersacher Arianus weit überlegener Intrigant. (Ein wahrer Hammer der Ketzer; der feste Fels in den arianischen Stürmen.) Ob unter einen orthodox katholischen Kaiser an der Macht oder unter einem arianischen Herrscher in der Verbannung, sein Einfluss auf den Lauf der Geschichte seiner Zeit blieb ungebrochen. Wunderbar ist, dass er in dieser Zeit des ungehemmten christlichen Mordens als alter Mann eines natürlichen Todes sterben konnte. Dem letzten Mordversuch entkam er durch die Flucht zu einer zwanzigjährigen Schönheit. »Gott offenbarte mir in dieser Nacht: Nur bei jener kannst du gerettet werden. Voll Freude liess sie da alle Bedenklichkeit fallen und wurde ganz dem Herrn zu eigen. Sie verbarg demnach den sehr heiligen Mann sechs Jahre lang so lange noch (Kaiser) Konstantius lebte. Sie wusch seine Füsse, beseitigte seine Abfälle, sorgte für alles, was er brauchte ...«24 Honi soit qui mal y pense! Athanasius entschlief hochbetagt und hochgeehrt im Herrn am 2. Mai 373. Konstantin, in seiner Missgunst gegen katholische Bischöfe ... besonders gegenüber dem heiligen Athanasius, den er trotz seiner erwiesenen Unschuld, nach Trier in die Verbannung schickte, ist insofern zu entschuldigen, dass er als Neuling die ganze Tragweite der arianischen Irrlehre nicht so klar erkannte und meinte, Athanasius tue in Bekämpfung der Irrlehre des Guten zu viel, er sei eben ein Unfriedendstifter und Hetzbischof.25 Zum vierten Jahrhundert gehören auch die ersten dreissig Jahre des Fünften. Bis zum Tode des grössten Kirchenlehrers aller Zeiten, des heiligen Augustinus, denn er prägte, neben Athanasius (dem Grossen), diese Zeit am massgebendsten. Nach seiner eigenen Darstellung bekämpfte er im Laufe seines Lebens 88 26 verschiedene Häresien. Häresien? Seiner Ansicht nach. Man kann es auch anders sehen.

Fortsetzung »Verfolgung der Andersgläubigen« Seite 54

24 Bischof Palladius in seiner „Historia Lausiaca“

25 Anton Ender „Geschichte der katholischen Kirche“ > Ste. 79

26 Der hl. Bischof Philaster zählt in seinem „Liber de haeresibus“ sogar 156 Ketzereien.

Trinitätslehre (1)

Legitimation aus den Evangelien 27

Das Heidentum kannte Hunderte von Trinitäten. Nur die christliche Trinität gab es in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten nicht. Noch im 4. Jh. taten sich die Kirchenlehrer schwer, die Einheit, Zweiheit und Dreiheit der göttlichen Personen aus der Bibel zu beweisen. Der hl. Justin schlug sogar eine Quatärnität vor: Gott Vater, Sohn, das Heer der Engel und den Heiligen Geist. Nachdem sich die Katholischen auf einen dreieinigen Gott geeinigt hatten, kam das Problem mit der Legitimation aus den Evangelien.

Sprach doch Jesus selbst, nach Matthäus 10,5 ff. 28

Diese Zwölf sandte Jesus, gebot ihnen und sprach: Gehet nicht auf der Heiden Strasse und ziehet nicht in der Samariter Städte,

sondern gehet hin zu den verlorenen Schafen aus dem Hause Israel.

Ach was wäre uns erspart geblieben und den Juden auch, hätten die Christen das Jesuswort befolgt! Doch sie hatten längst das Gegenteil getan. Im krassen Widerspruch zu Matthäus 10,5 sagt deshalb ebenda der »Auferstandene« (28,28ff):

Darum gehet hin und lehret alle Völker und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes,

Mit diesem eingeschmuggelten Passus schlug die paulinische Kirche zwei Fliegen mit einer Klappe: Entgegen dem ausdrücklichen Gebot Jesu, nur den Juden zu verkünden, wird die Heidenmission legitimiert und – quasi in einem Nebensatz – die Heilige Dreifaltigkeit aus dem Munde Jesu geboren. Einige weitere Bibelstellen wurden zur Bezeugung der Trinität gefälscht. Lassen wir es hier bei der obenstehenden bewenden.

Mein Erkenntnisgewinn

Die Katholiken verabschiedeten sich mit dem ersten Kapitel zur Trinitätslehre, welche die Wesensgleichheit Jesu mit Gottvater postulierte, am Konzil in Nicäa vom Monotheismus. Der Heilige Geist wurde ja erst 381 – trotz Opposition der Macedonianier - als vollwertiges Mitglied in die Gottheit implantiert.

Der systemimmanente Widerspruch zwischen Monotheismus und der Vollvergöttlichung Jesu und des Heiligen Geistes ist die Hauptquelle aller christlichen Häresien. Was rechtgläubig und was häretisch ist, entschieden meist weltliche Kaiser nach machtpolitischen Erwägungen.

Die Argumente des Arius

Die wichtigste Ketzerei war eigentlich ein Schisma, die Abspaltung der Arianer, welche natürlich aus Sicht der siegreichen Katholiken die Häretiker waren. Arius, ein Presbyter aus Alexandria, hatte erklärt, dass es eine Zeit gegeben habe, in der Jesus nicht existiert habe; folglich konnten Gott-Vater und Sohn nicht wesensgleich (homousios) sein.

»Der Logos ist nicht Gott und deshalb auch nicht ewig. Er hat in der Zeit angefangen zu sein. Er ist nicht von sich selbst, sondern hat mit allen Geschöpfen gemein, dass er aus dem Nichts erschaffen wurde. Er unterscheidet sich von der Welt nur dadurch, dass er lange vor derselben erschaffen wurde, dass er alle anderen Geschöpfe an Würde weit übertrifft, dass er deshalb Gott angenehmer wurde als alle anderen Geschöpfe zusammen, dass ihn Gott auch deshalb seinen Sohn nannte. Dabei bleibt der Logos aber immerhin ein wahres Geschöpf Gottes, und sein Wille ist ebenso wandelbar wie der unsrige und kann sich für das Böse wie für das Gute entscheiden.«29

Arius hat also versucht, den alttestamentlichen Monotheismus ins Christentum herüber zu retten. Weil es sich weigerte, den Verstand dem Glauben unterzuordnen, ist er ein Ketzer. Sagt die Kirche.

Konstantin der Grosse(der den Streit für kindisch hielt)30