Der Antichrist - Friedrich Nietzsche - E-Book

Der Antichrist E-Book

Friedrich Nietzsche

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Beschreibung

Nietzsches Auseinandersetzung mit der Religion und seine polemisch vorgetragene Kritik am Christentum mündet schließlich in eine Kritik an seiner Zeit.

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Seitenzahl: 124

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Friedrich Nietzsche, geboren am 15. Oktober 1844 in Röcken bei Lützen, ist am 25. August 1900 in Weimar gestorben.

»Diese ewige Anklage des Christentums will ich an alle Wände schreiben, wo es nur Wände gibt – ich habe Buchstaben, um auch Blinde sehend zu machen … Ich heiße das Christentum den einen großen Fluch, die eine große innerlichste Verdorbenheit, den einen großen Instinkt der Rache, dem kein Mittel giftig, heimlich, unterirdisch, klein genug ist – ich heiße es den einen unsterblichen Schandfleck der Menschheit …«, dies ruft Nietzsche gegen Ende seines 1895 erschienenen Buches Der Antichrist aus, nachdem er den Zustand der Religion und den eines ganzen Zeitalters, der durch sie geprägt wurde, untersucht hatte. Seine polemisch vorgetragene Kritik am Christentum mündet schließlich in eine Kritik an seiner Zeit.

FRIEDRICH NIETZSCHE

DER ANTICHRIST

Versuch einer Kritik des Christentums

INSEL VERLAG

eBook Insel Verlag Berlin 2016

Der vorliegende Text folgt der 16. Auflage der Ausgabe des insel taschenbuchs 947.

© Insel Verlag Frankfurt am Main 1986

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags sowie

der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.

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Umschlag nach Entwürfen von Willy Fleckhaus

eISBN 978-3-458-74565-5

www.insel-verlag.de

Vorwort

Dies Buch gehört den wenigsten. Vielleicht lebt selbst noch keiner von ihnen. Es mögen die sein, welche meinen Zarathustra verstehn: wie dürfte ich mich mit denen verwechseln, für welche heute schon Ohren wachsen? – Erst das Übermorgen gehört mir. Einige werden posthum geboren.

Die Bedingungen, unter denen man mich versteht und dann mit Notwendigkeit versteht, – ich kenne sie nur zu genau. Man muß rechtschaffen sein in geistigen Dingen bis zur Härte, um auch nur meinen Ernst, meine Leidenschaft auszuhalten. Man muß geübt sein, auf Bergen zu leben, – das erbärmliche Zeitgeschwätz von Politik und Völker-Selbstsucht unter sich zu sehn. Man muß gleichgültig geworden sein, man muß nie fragen, ob die Wahrheit nützt, ob sie einem Verhängnis wird … Eine Vorliebe der Stärke für Fragen, zu denen niemand heute den Mut hat; der Mut zum Verbotenen; die Vorherbestimmung zum Labyrinth. Eine Erfahrung aus sieben Einsamkeiten. Neue Ohren für neue Musik. Neue Augen für das Fernste. Ein neues Gewissen für bisher stumm gebliebene Wahrheiten. Und der Wille zur Ökonomie großen Stils: seine Kraft, seine Begeisterung beisammen behalten … Die Ehrfurcht vor sich; die Liebe zu sich; die unbedingte Freiheit gegen sich …

Wohlan! Das allein sind meine Leser, meine rechten Leser, meine vorherbestimmten Leser: was liegt am Rest? – Der Rest ist bloß die Menschheit. – Man muß der Menschheit überlegen sein durch Kraft, durch Höhe der Seele, – durch Verachtung …

Friedrich Nietzsche

1

Sehen wir uns ins Gesicht. Wir sind Hyperboräer, – wir wissen gut genug, wie abseits wir leben. »Weder zu Lande noch zu Wasser wirst du den Weg zu den Hyperboräern finden«: das hat schon Pindar von uns gewußt. Jenseits des Nordens, des Eises, des Todes – unser Leben, unser Glück … Wir haben das Glück entdeckt, wir wissen den Weg, wir fanden den Ausgang aus ganzen Jahrtausenden des Labyrinths. Wer fand ihn sonst? – Der moderne Mensch etwa? – »Ich weiß nicht aus noch ein; ich bin alles, was nicht aus noch ein weiß« – seufzt der moderne Mensch … An Modernität waren wir krank, – am faulen Frieden, am feigen Kompromiß, an der ganzen tugendhaften Unsauberkeit des modernen Ja und Nein. Diese Toleranz und des Herzens, die alles »verzeiht«, weil sie alles »begreift«, ist Scirocco für uns. Lieber im Eise leben, als unter modernen Tugenden und andren Südwinden! … Wir waren tapfer genug, wir schonten weder uns noch andere: aber wir wußten lange nicht, mit unsrer Tapferkeit. Wir wurden düster, man hieß uns Fatalisten. Fatum – das war die Fülle, die Spannung, die Stauung der Kräfte. Wir dürsteten nach Blitz und Taten, wir blieben am fernsten vom Glück der Schwächlinge, von der »Ergebung« … Ein Gewitter war in unsrer Luft, die Natur, die wir sind, verfinsterte sich – Formel unsres Glücks: ein Ja, ein Nein, eine gerade Linie, ein