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Von Marcus Tullius Cicero, einem der bedeutendsten lateinischen Prosaschriftsteller, sind außer den Reden, den rhetorischen und den philosophischen Schriften auch über 900 Briefe erhalten, die Ciceros Sekretär Tiro gesammelt und überliefert hat. Lange Zeit vermisst, wurden sie im 14. Jahrhundert von dem italienischen Humanisten Francesco Petrarca wieder entdeckt. Dieses Briefcorpus wurde in vier Schriften eingeteilt: Briefe an den Verleger Atticus in 16 Büchern, an den Bruder Quintus in 3 Büchern, an den Freund Brutus in 2 Büchern und an weitere nahe stehende Personen in 16 Büchern. Die Briefe weisen zwar dieselbe schöne Sprache auf wie Ciceros übrige Werke, doch zeigen sie, da es sich um echte Gebrauchsbriefe, nicht um geschönte Fassungen oder Kunstbriefe handelt, auch die menschliche, unvollkommene Seite des Staatsmannes, der als homo novus (politischer Aufsteiger, der nicht aus einer Senatorenfamilie stammte) alle römischen Staatsämter suo anno, d. h. sofort mit Erreichung des Mindestalters, ausübte. Dies gilt insbesondere für die Briefe aus dem Exil und die Briefe an seine Ehefrau Terentia und die gemeinsamen Kinder, die in der vorliegenden Auswahl chronologisch und mit einer Einleitung sowie Erläuterungen zum Verständnis dargeboten werden.
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Seitenzahl: 285
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Dr. Lenelotte Möller studierte Geschichte, Latein und evangelische Theologie in Saarbrücken, Basel und Mainz; die Promotion in Geschichte folgte im Jahr 2000; seit 2001 unterrichtet sie an einem Gymnasium in Speyer. Im marixverlag ist bereits ihre Übersetzung der ENZYKLOPÄDIE DES ISIDOR VON SEVILLA erschienen. Sie ist zudem Mitherausgeberin der 2-bändigen PLINIUS-Ausgabe.
Die persönlichsten Briefe Ciceros, vielleicht die privatesten, die aus der Antike überhaupt erhalten sind, werden in diesem Bändchen erstmals in solcher Zusammenstellung und in neuer, originalnaher Übersetzung vorgelegt. Gründlich werden die Entstehungsumstände beschrieben, die vorkommenden Personen und Orte erläutert und Anspielungen erklärt. Auch das weitere Schicksal Ciceros und seiner Familie sowie die Nachwirkung der Briefe an die ihm nahestehenden Personen in späteren Jahrhunderten fehlen in diesem Büchlein nicht. Die Briefe, die zu den ältesten erhaltenen Beispielen für Exilliteratur und privaten, echten Gebrauchsbriefen ohne Veröffentlichungsabsicht des Autors gehören, stellen eine angemessene Ergänzung zu den berühmten philosophischen, politischen und rhetorischen Abhandlungen des römischen Staatsmannes dar. Den Überblick über Ciceros wechselvolles Schicksal und die komplizierten Abläufe der römischen Bürgerkriegszeit gewährt eine ausführliche Zeittafel.
Von Cicero, einem der bedeutendsten lateinischen Prosaschriftsteller, sind außer den Reden, den rhetorischen und den philosophischen Schriften auch über 900 Briefe erhalten, die Ciceros Sekretär Tiro gesammelt und überliefert hat. Lange Zeit vermisst, wurden sie im 14. Jahrhundert von dem italienischen Humanisten Francesco Petrarca wieder entdeckt. Dieses Briefcorpus wurde in vier Schriften eingeteilt: Briefe an den Verleger Atticus in 16 Büchern, an den Bruder Quintus in 3 Büchern, an den Freund Brutus in 2 Büchern und an weitere nahestehende Personen in 16 Büchern. Die Briefe weisen zwar dieselbe schöne Sprache auf wie Ciceros übrige Werke, doch zeigen sie, da es sich um echte Gebrauchsbriefe, nicht um geschönte Fassungen oder Kunstbriefe handelt, auch die menschliche, unvollkommene Seite des Staatsmannes, der als homo novus (politischer Aufsteiger, der nicht aus einer Senatorenfamilie stammte) alle römischen Staatsämter suo anno, d. h. sofort mit Erreichung des Mindestalters, ausübte. Dies gilt insbesondere für die Briefe aus dem Exil und die Briefe an seine Ehefrau Terentia und die gemeinsamen Kinder, die in der vorliegenden Auswahl chronologisch und mit einer Einleitung sowie Erläuterungen zum Verständnis dargeboten werden.
Briefe aus dem Exil Szenen einer Ehe
Lateinisch – Deutsch
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten
Copyright © by marixverlag GmbH, Wiesbaden 2012 Covergestaltung: Nicole Ehlers, marixverlag GmbH Bildnachweis: akg-images GmbH, Berlin Satz und eBook-Bearbeitung: Medienservice Feiß, Burgwitz
ISBN: 978-3-8438-0043-3
www.marixverlag.de
Der Marix Verlag wünschte, in seiner Reihe philosophischer Klassiker eine kleine Auswahl von Cicero-Briefen herauszugeben. Ciceros Briefe enthalten zwar nicht seine philosophischen Ausführungen, stellen aber eine Ergänzung zu diesen dar, wie sie in der Antike nur bei wenigen Schriftstellern zu finden ist: Sie zeigen seine Person jenseits der philosophischen Ideale.
Da Auswahlausgaben nach Schönheit oder Wichtigkeit immer subjektiv ausfallen, erschien die Auswahl zweier Briefgruppen sinnvoll, von denen jede aus sachlichen Gründen in sich eine Einheit darstellt: die Exilbriefe durch die Zeit und die Umstände ihrer Entstehung, die Briefe an Ciceros Ehefrau Terentia durch die Adressatin. Beide Gruppen bestehen ausschließlich aus Gebrauchsbriefen und enthalten zusammen gewiss die persönlichsten Mitteilungen, die von Cicero – durch Dritte eher als von ihm selbst – der Nachwelt überliefert wurden und zeigen den bisweilen geschmähten Staatsmann und berühmten Philosophen von seiner privatesten Seite. Damit stellen sie nicht nur ein bemerkenswertes menschliches Zeugnis, sondern auch eine historische Quelle seltener Art dar.
Außer den Briefen Ciceros selbst wurde ein Brief des italienischen Humanisten Francesco Petrarca in dieses Büchlein aufgenommen, jenes Mannes, der einen wesentlichen, seit dem 13. Jh. verschollenen Teil von Ciceros Briefen aufgefunden und als erster Mensch der Neuzeit gelesen hat. Petrarca war vom Wesen Ciceros, wie es sich in den Briefen an seinen Freund Atticus zeigt, so betroffen, dass er dem längst verstorbenen Vorbild lateinischer Sprachkunst seinerseits einen fiktiven Brief schrieb, um seine Erschütterung über dessen Schwächen auszudrücken, und gewiss haben die Exilbriefe an diesem Befremden Petrarcas keinen geringen Anteil.
Der deutschen Übersetzung liegen die lateinischen Fassungen von D. R. Shackleton Bailey und Helmut Kasten zugrunde, der Übersetzung des Petrarca-Briefes die lateinische Textfassung von Vittorio Rossi, wiedergegeben bei Florian Neumann.
Die Briefe werden nicht nach ihrer Nummer in den überlieferten Briefsammlungen, sondern chronologisch wiedergegeben.
Speyer, 3. Januar 2009
Lenelotte Möller
Der berühmte römische Staatsmann, Redner und Philosoph, Konsul des Jahres 63 v. Chr., wurde am 3. Januar 106 v. Chr. in Arpinum geboren. Seine Heimatstadt liegt im Süden Latiums, 100 km südöstlich von Rom, im Gebiet der Volsker. Die Einwohner der Stadt hatten 188 v. Chr. das römische Bürgerrecht erhalten. Cicero war der älteste Sohn Marcus Tullius Ciceros und Helvias, die 103 oder 102 noch den Sohn Quintus bekamen. Die Tullii Cicerones gehörten dem Ritterstand an, der zweitobersten Klasse der Bevölkerung zwischen den Patriziern und den Plebejern. Sie führten ihre Herkunft auf den römischen König Servius Tullius, wie Cicero eher scherzhaft mitteilt, und den Konsul der frühen Republik Manius Tullius Longus (Konsul 500 v. Chr.), den einzigen Patrizier dieses Namens, zurück. Obwohl eine der führenden Familien Arpinums, gehörten sie in Rom nicht zur Nobilität, also jenen patrizischen, plebejischen und ritterlichen Familien, von denen Mitglieder im Senat saßen, aus denen also Prätoren und Konsuln, die höchsten Regierungsbeamten, kamen und die nicht selten untereinander verwandt waren.
Grundlage für eine politische Karriere waren aber vor allem die Beziehungen zu eben dieser Nobilität, außerdem eine möglichst große Zahl von Klienten, d. h. Angehörigen niedrigerer Bevölkerungsschichten, die sich unter den Schutz eines Patrons stellten und diesem dafür morgendlich aufwarteten, ihn bei öffentlichen Auftritten begleiteten und ihn im Wahlkampf unterstützten. Umso schwerer war es für jemanden, der über diese Grundlagen nicht verfügte, politisch aufzusteigen. Männer, denen dies dennoch gelang, wurden homines novi (wörtl.: neue Männer, gemeint: Neulinge, Emporkömmlinge) genannt. Zu den 15 Männern, die dies seit 366 v. Chr. bis zu Ciceros Zeit geschafft hatten, gehörten z. B. M. Porcius Cato, der Zensor, dessen Landgut Tusculum später Cicero kaufte, und der wie Cicero aus Arpinum stammende C. Marius (Konsul 107 sowie 104-100 und 87), mit dem Cicero durch Adoption eines Onkels entfernt verwandt war.
Die Tatsache, dass die homines novi permanent um Anerkennung und Ebenbürtigkeit bei der Nobilität kämpfen mussten, hat Ciceros Denken und Leben tief geprägt.
Ciceros Vater zog mit den beiden jungen Söhnen Marcus und Quintus nach Rom, um ihnen dort eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Behilflich waren dabei vor allem sein Freund L. Licinius Crassus, der Vater des Triumvirn im 1. Triumvirat (60, mit C. Iulius Caesar und Cn. Pompeius Magnus), in dessen Haus die Cicero-Brüder zuerst unterrichtet wurden, sowie M. Antonius, der Großvater des Triumvirn im 2. Triumvirat (43, mit C. Iulius Caesar Octavianus und M. Aemilius Lepidus). Nach Crassus’ Tod lernte Cicero als Mitstudenten T. Pomponius Atticus kennen, der von da an lebenslang sein bester Freund blieb.
Mit der Philosophie kam Cicero zuerst durch seinen Lehrer Philon von Larisa in Berührung. Der Leiter der Neuen Akademie in Athen war vor König Mithridates von Pontos nach Rom geflohen. Auch mit den anderen maßgeblichen philosophischen Richtungen seiner Zeit außer der sog. Akademie befasste sich Cicero, so kam er mit dem Epikureismus in Kontakt, und den Stoiker Diodotos nahm er in sein Haus auf.
Seinen nur einjährigen Militärdienst leistete Cicero im Bundesgenossenkrieg (91-89 v. Chr.) im Jahre 89 unter den Feldherren Cn. Pompeius Strabo und L. Cornelius Sulla ab, danach nahm er die für Politiker der römischen Republik übliche Anwaltstätigkeit auf. Seine erste bedeutende überlieferte Rede hielt er im Jahr 81 für P. Quinctius, dessen eigentlicher Anwalt Rom wegen einer Gesandtschaft verlassen musste, in einem komplizierten Zivilprozess. Sein Gegner war der damals berühmteste Redner Roms Q. Hortensius Hortalus, den Cicero mit der gebotenen Ehrfurcht behandelte, während er sich sonst recht mutig auch gegen Anhänger des Diktators L. Cornelius Sulla äußerte.
Im folgenden Jahr verteidigte er den des Vatermordes angeklagten Sex. Roscius Amerinus. Er erwirkte den Freispruch seines Mandanten, da er die Ankläger selbst der Tat überführte. Sie hatten den Vater Roscius’ um sein Vermögen betrogen und ermordet und anschließend versucht, den Sohn und rechtmäßigen Erben durch die Anklage als erbunwürdig erscheinen zu lassen. Nach diesem Prozess begab sich Cicero, obgleich siegreich, zu seiner eigenen Sicherheit nach Griechenland, wo er seine philosophischen Studien fortsetzte, denn einer der überführten Ankläger war ein Freund des amtierenden Diktators Sulla. Aus diesem Grunde hatte auch kein anderer Anwalt Roms die Verteidigung Roscius’ übernehmen wollen.
Weitere Motive für diese Reise waren möglicherweise auch Ciceros angeschlagene Gesundheit, da er sich beim Vortrag seiner Reden anfangs zu sehr verausgabte, sowie die Tatsache, dass Bildungsreisen dieser Art für junge Männer der römischen Oberschicht keineswegs ungewöhnlich waren. Sein Bruder Quintus und sein Vetter Lucius begleiteten ihn. Sein Freund T. Pomponius Atticus befand sich bereits in Athen. Cicero suchte verschiedene Philosophenschulen in Athen auf und lernte in Rhodos bei Molon von Rhodos einen schlichten Redestil sowie eine schonendere Technik beim Stimmeinsatz kennen.
In Smyrna besuchte Cicero P. Rutilius Rufus, den letzten Überlebenden des Scipionenkreises, eines Freundeskreises um P. Cornelius Scipio Aemilianus Africanus, den Konsul der Jahre 147 und 134 und Zerstörer Karthagos 146. Zu diesem Kreis hatten der Stoiker Panaitios, der Historiker Polybios, der Dichter Lucilius, der Konsul des Jahres 140, C. Laelius und eben der Konsul des Jahres 105, P. Rutilius Rufus, gehört. Die Runde bildete von etwa 150 bis 130 einen Ort der Begegnung römischer und griechischer Geisteswelt. In diesem Kreis ließ Cicero später sein bedeutendstes staatsphilosophisches Werk De re publica spielen, und in der Tradition dieser Personen sah sich der Politiker und Philosoph Cicero selbst. P. Rutilius Rufus war zu Unrecht der Erpressung während seiner Statthalterschaft in der Provinz Asia angeklagt und verurteilt worden. Da er die entsprechende Geldstrafe nicht hatte aufbringen können, war er ins Exil nach Smyrna gegangen, wo er sich mit der Schriftstellerei beschäftigte.
Als Cicero 77 nach Rom zurückkehrte (nach anderen Schätzungen bereits vor seiner Abreise) heiratete er Terentia, eine Tochter aus wohlhabender Familie, deren Vermögen und Beziehungen – und möglicherweise Ehrgeiz – seine Karriere sehr förderten. Auch seine erwiesenen Fähigkeiten als Anwalt trugen dazu bei, dass Cicero nun die Ämter der römischen res publica jeweils suo anno, also gleich bei Erreichung des vorgeschriebenen Mindestalters, durchlief – eine zumal für einen homo novus unglaubliche Leistung.
Cicero wurde 75 v. Chr. Quästor, und zwar in Roms ältester Provinz, in Sizilien. Von dort aus hatte er durch Ankäufe die Getreideversorgung der Hauptstadt sicherzustellen. Dabei blieb ihm jedoch hinreichend Zeit, auch seine kulturellen Neigungen zu pflegen, und er berichtet selbst davon, wie er auf der Heimreise das Grab des berühmten Mathematikers Archimedes wiederentdeckte (Gespräche in Tusculum 5,64-66). Außerdem zeichnete er sich durch eine besonders korrekte Amtsführung aus, für römische Provinzverwalter keineswegs selbstverständlich, denn für die Ämter gab es kein Gehalt, und die meisten Provinzstatthalter waren daher darauf aus, in ihrer Amtszeit durch Ausbeutung der Provinzen ihre Vermögensverhältnisse aufzubessern. Da Cicero davon weit entfernt war, bestellte ihn die Provinz Sizilien im Jahre 70 zu ihrem Anwalt und Ankläger im Prozess gegen den korrupten und verbrecherischen Provinzstatthalter C. Verres.
Dessen Verteidiger Q. Hortensius hatte eigentlich Q. Caecilius Niger, den damaligen Quästor Verres’, zum Ankläger bestellt wissen wollen, dem er weit überlegen war. Doch Cicero setzte seinen Anspruch, Sizilien vertreten zu dürfen durch. In 50 Tagen sammelte er Beweise vor Ort. Im Prozess besiegte Cicero Hortensius, seinen Rivalen unter den römischen Anwälten und Rednern. Verres, schon in der ersten von fünf vorbereiteten Reden Ciceros von der Beweislast erdrückt, ging noch vor der Urteilsverkündung freiwillig ins Exil, ein durchaus übliches Verfahren in solchen Fällen. Die vier weiteren Reden wurden nicht mehr gehalten, sind aber überliefert. Cicero wurde im folgenden Jahr Ädil. Dieses Amt umfasste die Abhaltung von Spielen und war daher in besonderem Maße geeignet, sich Beliebtheit beim Volk zu verschaffen; seine Tätigkeit als Anwalt konnte Cicero dabei fortsetzen, was auch die Zahl seiner Klienten vergrößerte.
Das zweithöchste reguläre Amt des cursus honoris, das eines Prätors erlangte Cicero 66 v. Chr. Durch Los wurde ihm im Prätorenkollegium ausgerechnet der Vorsitz des Gerichts für Erpressungsangelegenheiten zugewiesen, eine Art des Verbrechens, mit der er ja bereits befasst gewesen war. In der bedeutendsten Rede dieses Jahres, De imperio Cn. Pompei, auch De lege Manilia genannt, sprach er sich dafür aus, den Oberbefehl im Krieg gegen König Mithridates von Pontos dem Feldherrn Cn. Pompeius Magnus zu übertragen, der sich bereits durch die Beseitigung der Seeräuber ausgezeichnet hatte. Nach der Prätur hätte Cicero regulär als Proprätor die Verwaltung einer Provinz übernehmen müssen, ließ sich aber von dieser Pflicht entbinden, da er lieber in Rom blieb und durch öffentliche Auftritte seine Bekanntheit und sein Ansehen förderte. Denn Cicero fasste bereits sein nächstes Ziel fest ins Auge: das Konsulat.
Die Bewerbung folgte im Sommer 62. Außer ihm traten an: P. Sulpicius Galba, L. Cassius Longinus, L. Sergius Catilina und C. Antonius, von denen die beiden ersten politisch nicht ernst genommen wurden und die beiden letztgenannten zwei Politiker waren, sehr wohl dazu bereit, ihre Ziele auch mit Gewalt durchzusetzen. Cicero nützte dies insofern, als der Senat dadurch veranlasst war, ihn zu unterstützen, da allein von ihm ein ernsthafter Widerstand gegen das Treiben von C. Iulius Caesar und M. Licinius Crassus zu erwarten war, die den Senat entmachten wollten. Cicero hielt gegen Catilina und Antonius die leider nicht erhaltene Rede In toga candida (wörtl.: in der weißen Toga [die nämlich die Amtsbewerber trugen, daher das deutsche Wort: Kandidat])und bekam bei der Wahl die Stimmen aller Zenturien. C. Antonius wurde mit einem kleinen Vorsprung vor Catilina Ciceros Kollege.
Die Erreichung des Konsulats stellte den bisherigen Höhepunkt in Ciceros Leben und politischer Laufbahn dar. Der nächste sollte innerhalb eines Jahres folgen. Zunächst befasste sich Cicero mit den Plänen der Volkstribunen, die schon von vielen Politikern, etwa von den Gracchen 133 und 123 und zuletzt von dem ermordeten Volkstribunen Livius Drusus im Jahre 89 geforderte Landverteilung durchzusetzen. Cicero hielt dagegen vier Reden De lege agraria. Das Konsulat hinderte die Amtsinhaber keineswegs daran, auch ihre Anwaltstätigkeit weiter auszuüben. So verteidigte Cicero im Jahre 63 den aus Gallien zurückkehrenden C. Calpurnius Piso (selbst Konsul 67), der wegen der Tötung eines Mannes aus der gallischen Region Transpadana angeklagt wurde. Obgleich C. Iulius Caesar persönlich gegen Piso aussagte, gewann Cicero den Prozess. Mit seinem früheren Rivalen Hortensius zusammen verteidigte er auch den Senator C. Rabirius, der angeklagt war, den Volkstribunen L. Appuleius Saturnus im Jahre 99 (!) v. Chr. mit Steinwürfen getötet zu haben. Als Ankläger trat Caesars späterer Tribun T. Labienus auf. Auch Rabirius wurde freigesprochen.
Das bedeutendste Ereignis in Ciceros Amtszeit war allerdings die Aufdeckung der Verschwörung, die sein früherer Gegenkandidat L. Sergius Catilina angezettelt hatte, und die Ausrufung zum pater patriae (Vater des Vaterlandes) als Retter der res publica durch den Senat. Seine Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Kampf gegen die Verschwörer wurden ihm jedoch später zum Verhängnis.
Während seiner politischen Laufbahn waren bereits die ersten überlieferten Reden Ciceros entstanden. Als Prosaschriftsteller ist er neben Caesar maßgeblich für lateinische Grammatik und Stil und Vertreter der sog. Goldenen Latinität, der höchsten Blüte der lateinischen Prosaliteratur. Seine Schriften zur Rhetorik und Philosophie entstanden in späteren Jahren, als seine politische Tätigkeit aufgrund des Bürgerkrieges beschränkt wurde.
Die Römische Verfassung sah drei Machtfaktoren in der Republik vor: Die Volksversammlung (mit unterschiedlicher Zusammensetzung, Gliederung und Geschäftsordnung, je nachdem, welche Ämter sie zu wählen bzw. ob sie Gesetze zu erlassen hatte), die Magistrate des cursus honoris (aufsteigend: 20 Quästoren, 4 Ädilen, 8 Prätoren und 2 Konsuln), also die für ein Jahr gewählten Amtsinhaber, die ein bestimmtes Mindestalter aufweisen und das jeweils niedrigere Amt zuvor in einem gewissen zeitlichen Abstand ausgeübt haben mussten. Zur Beschränkung ihrer Macht besaßen sie stets einen bzw. mehrere Kollegen, die gegen ihre Maßnahmen Einspruch erheben konnten, auch durften Konsuln eigentlich erst zehn Jahre nach ihrer letzten Amtszeit erneut in dieses Amt gewählt werden. Ein weiteres Amt war das der Volkstribunen, von denen es insgesamt zehn gab. Sie mussten selbst Plebejer sein, wurden von der Versammlung der Plebejer gewählt und durften Volksversammlungen einberufen, um Gesetzesvorlagen beschließen zu lassen. Außerdem besaßen sie ein Vetorecht gegen die Maßnahmen der Magistrate und des Senates. Dieser bildete den dritten Machtfaktor in der Republik. Er bestand zuerst aus 100, später aus 300, zu Ciceros Zeit aus 600 Mitgliedern, und zwar den ehemaligen Inhabern der Ämter des cursus honoris. Der Senat konnte ebenfalls Beschlüsse fassen und Gesetze erlassen.
Anders als es die makellose Ämterlaufbahn Ciceros andeutet, befand sich die römische Republik während seiner politischen Tätigkeit bereits in einer tiefen Krise, deren Beginn von den Historikern in der Regel mit den Brüdern und Volkstribunen Tiberius und Gaius Sempronius Gracchus angesetzt (ab 133 v. Chr.) wird. Die Krise zeigte sich äußerlich z. B. darin, dass Machtbeschränkungen wie das Verbot der Wiederwahl in die Ämter des cursus honoris sowie in das Volkstribunat nicht mehr eingehalten wurden, so ließ sich z. B. im Jahr 133 v. Chr. Tiberius Gracchus als Volkstribun wiederwählen, und Ciceros Landsmann und entfernter Verwandter C. Marius war in den Jahren 107 bis 100 siebenmal Konsul. Einzelne Personen vereinigten so mehr Macht und Einfluss in der res publica auf sich, als es die Konzeption der Verfassung eigentlich vorsah. Vor allem aber bildeten sich während der Krise immer stärker zwei rivalisierende politische Richtungen (nicht Parteien im heutigen Sinne) heraus: die eine, Popularen genannt, deren Vertreter vor allem durch das Amt der Volkstribunen und durch Gesetze der Volksversammlung, aber durch Ausübung ihres Vetorechts im Senat ihre Interessen durchsetzen wollte, die andere, Optimaten genannt, die vor allem mit den Instrumenten des Senates Politik machen wollte. Schließlich wurden mit dem Ersten Triumvirat im Jahre 60 (Caesar, Pompeius, Crassus) die drei alten Machtfaktoren Volk, Magistrate und Senat entweder vollkommen instrumentalisiert bzw. einfach ausgehebelt.
Ciceros ganzes Bestreben bestand in der Rettung der republikanischen Verfassung. Dabei neigte er innerlich eher zur Seite der Optimaten, obwohl – oder vielleicht gerade – weil er aus dem Ritterstand in die Nobilität aufgestiegen war und sich die verdiente Anerkennung gerade in diesem Kreis ständig neu erkämpfen musste. Es lag ihm alles daran, den Senat zu stärken und die Verfassung der res publica, die er ja in mehreren staatsphilosophischen Werken behandelt, gegen Popularen wie z. B. C. Iulius Caesar zu verteidigen. Sein Ziel war die concordia (Eintracht) aller guten Kräfte in Rom, namentlich der Optimaten und der Ritter. Die Rolle, die er dabei als Verteidiger der alten Verfassung und als Vermittler zwischen den Fronten spielen konnte, überschätzte er jedoch erheblich, weshalb er durch sein Taktieren, bisweilen auch seine Unentschlossenheit am Ende zwischen alle Fronten geriet.
Briefe in der Antike wurden auf Wachstäfelchen oder Papyrus geschrieben. Beide Arten von Briefen konnten mit einem Bändchen und Wachs versiegelt werden.
Auch wenn sie, wie etwa die hier versammelten Cicero-Briefe, private Gebrauchsbriefe waren, wurden sie in der Regel in schöner Sprache und stilisierter Form verfasst. Selbst Ciceros Exilbriefe sowie diejenigen an Terentia, die in Situationen tiefer Verzweiflung, Sorge und Enttäuschung abgefasst wurden, weisen zum Teil eine ausgefeilte und mit Stilmitteln geschmückte Sprache auf, da ihr Verfasser selbst bei den schnell hingeworfenen Texten den rhetorisch gebildeten Schriftsteller in sich nicht gänzlich verleugnen konnte. Umso bemerkenswerter ist es, wenn solche Elemente fehlen. Die formelhaften Bestandteile des antiken römischen Briefes sind das Präskript (Absender, Empfänger, Anfangsgruß, und zwar in dieser Reihenfolge), dann die guten Wünsche vor dem Hauptteil und gute Wünsche danach sowie die Schlussgrüße, bisweilen das Datum. Formelhafte Wendungen wie etwa das ( Wenn es Dir gut geht, ist es recht, mir geht es auch gut.) oder kürzere Fassungen davon werden allerdings in sprachlich anspruchsvollen Briefen eher selten gebraucht, so dass dem modernen Leser deren Anfang und Schluss bisweilen abrupt vorkommen. Viele erhaltene Briefe dienen, wie es auch die Brieftheorie der Antike fordert, nicht nur praktischen Zwecken sondern vielmehr der Freundschaftsbekundung. Bei Cicero scheint, vor allem gegenüber Atticus, auch das Bedürfnis hinzuzukommen, sich jemandem mitzuteilen. Es kam allerdings auch vor, dass er sich aufgrund seiner Gemütsverfassung außer Stande fühlte, notwendige Briefe zu schreiben, und dann sogar Atticus damit beauftragte ( XI,2,4; 3,3; 7,7).
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