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Die neueren Gedichte von Lars Bornschein bauen oft eine Spannung oder Stimmung auf und nehmen dann eine Wendung ins Unerwartete. Die Stücke sind Weltbilder in Miniatur - sie bilden die Welt ab mit ihren Widersprüchlichkeiten und Ungereimtheiten, Beziehungen und Entzweiungen.
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Seitenzahl: 33
Ungereimtheiten
Beziehungsweisen
Gereimtheiten
Abkürzungen
Innere Landschaften
Lichtungen
In gebrochenem Deutsch
Einsätze
Bildgedichte
Bildstörungen
Spruch und Widerspruch
Archetypen
Dieser Band vereint Gedichte aus drei Jahrzehnten. Die Kapitel sind chronologisch geordnet. Vorne die neueren, weiter hinten die älteren Gedichte.
Die Waage im Bad
ist kaputtgegangen.
Seitdem verliert jeden Tag
unsere Schwermut
ein bisschen an Gewicht.
Wir werden leichtsinnig.
Nur noch der Mond
nimmt ab und zu.
Das Brötchen, an dem ich mir
den Zahn ausbiss,
habe ich
den Forellen verfüttert
im Bach.
Das passiert
bei wurzelbehandelten Zähnen
sagt mein Arzt
die sind tot und brechen
irgendwann ab.
So habe ich jahrelang
den Tod
mit mir herumgetragen.
Zum Trost
bekomme ich jetzt
eine Krone.
Vor lauter Fichten den Wald,
der Ochs vorm Berg
und immer die Kirche im Dorf.
Mit der Tür ins Haus
kommst du unter die Leut
und frisst einen Narren.
Wahrlich eine Unschuld von Land
zum Pferde stehlen
und irgend einer löffelt die Suppe aus.
Immer.
Wir ziehen um
was sich alles anstaut
die Jahre
verpacken wir in Kartons
jede Erinnerung eine Rumpelkammer
überleg dir was du
noch einmal in die Hand nehmen willst
dem Papier reißt der Geduldsfaden
erst im Container
wir schlagen die Schränke
wie Zelte ab
darin schlummerte die Zeit
vor sich hin
und wirbelt jetzt Staub auf
der sich absetzt im Mund
als Film der nicht mehr
gespielt wird.
Dein Kopf leert sich
schneller als Räume
plötzlich wirkt alles viel größer
unverstellt
Wie kann man
den Rest Wehmut
verladen?
jeden Samstag
ist die Zeitung voll
immer wieder einer
in unserem Alter
oder jünger
der uns zu Tode erschreckt.
Wir überlegen dann was einmal
auf unserem Grabstein stehen soll.
Ich wünsche mir nur zwei Worte
mit leichten Lettern geschrieben:
BIS GLEICH!
Heute hat meine Frau entdeckt,
dass ihr Kleiderschrank
komplett voll ist
und sie nichts zum Anziehen hat.
Äh wie war nochmal die Nummer
unter der man
die Kreditkarte
sperren lassen kann?
Heute ist meiner Bank
das Geld ausgegangen.
Aber so freundlich
waren sie am Schalter
noch nie.
Draußen auf dem Platz
vor der Kirche
die Linde vergilbt.
Unter ihr im Schatten
ein paar Alte
sitzen und reden
über die Zeit,
die vergeht
beim Reden.
Du hast meine Gedichte verbrannt.
Es ist nichts persönliches, sagst Du.
Es war November und kalt
und das Kaminfeuer
entsprach mehr deiner Vorstellung
von Romantik.
Heute ist mir
beim Sprung vom 3-Meterbrett
die Badehose zerrissen. Ich stieg
nackter aus dem Becken als gedacht.
Auf dem Weg zur Umkleide
stellte sich die existenzielle Frage
hat die Dame am Ausgang
mich angelächelt oder ausgelacht.
Ich liebe Kinder.
Sie sind so verständnisvoll.
Als ich kürzlich für meine Tochter
einen Hasen malte
hat sie sofort erkannt,
dass es ein Dinosaurier ist.
Heute kamen zwei
dunkel gekleidete Männer
mit einer langen schweren Kiste
aus der Wohnung
des alten Mannes
aus dem 19. Stock
den wir seit
mindestens einem Jahr
nicht mehr gesehen hatten.
Man hörte jemanden weinen.
Ist bestimmt gestorben
und so lange unbemerkt
vor dem Fernseher gelegen
sagte mein Etagennachbar.
Doch es war anders.
Der alte Mann lebte noch.
Er war es der in der Wohnung heulte.
Sein Fernseher war verendet.
Das schlimmste
an einem Gedicht ist Geschwätzigkeit.
das schlimmste an einem Gedicht ist
das schlimmste an einem Gedicht
ach hör doch auf mit Deinem
Geschwätz!
Es ist immer das Selbe:
ein Stück Brot
an einem Haken
schon schnappt das Leben zu
und hängt am seidenen Faden.
Wie sieht es dich an?
Quäl ihn nicht.
Nimm einen schweren Stock
ziel gut auf den Kopf.
Dann schneid ihm den Bauch auf,
den festen weißen Bauch,
ganz gerade,
von vorne nach hinten.
Jetzt liegt alles vor dir.
Greif beherzt hinein
mit den Fingern
in die Eingeweide.
Hol alles an Licht.
Dann wasch ihn aus.