Biologische Killer. Epidemien und Pandemien - Maxi Pötzsch - E-Book

Biologische Killer. Epidemien und Pandemien E-Book

Maxi Pötzsch

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Beschreibung

2014: Der Ebolavirus fordert in Westafrika Tausende Todesopfer, breitet sich rasch über Landesgrenzen aus und versetzt die ganze Welt in Angst vor einer globalen Epidemie - einer Pandemie. Pan- und Epidemien traten und treten in allen Regionen der Erde auf. Das Erreger- und Krankheits-Spektrum ist groß und reicht vom Grippevirus über die Pest bis hin zu AIDS. Dieses Fachbuch gibt einen Überblick über Infektionskrankheiten, die sich zu Pan- und Epidemien ausweiten können, zeigt Maßnahmen und Bekämpfungsstrategien und wirft einen Blick in die Geschichte der „Geißeln der Menschheit“. Aus dem Inhalt: Die Pest – eine Krankheit und ihre Geschichte Das Krankheitsbild der „Spanischen Grippe“ von 1918/19 Die Geschichte des Ebolavirus AIDS in Afrika und Pest in Europa Pandemie AIDS in Afrika: Ursachen, Bekämpfungsstrategie und Folgen Symptome und Maßnahmen zu EHEC und dem HUS-Syndrom Die Grippe – Epidemie trotz Impfung?"

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Seitenzahl: 340

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Impressum:

Copyright © 2014 ScienceFactory

Ein Imprint der GRIN Verlags GmbH

Druck und Bindung: Books on Demand GmbH, Norderstedt, Germany

Biologische Killer

Inhalt

Die Pest – Eine Krankheit, eine Geschichte

I. Einleitung

II. Die Pest und ihre Geschichte

III. Die große Pest im Mittelalter

IV. Schlussbetrachtung

V. Quellen- und Literaturverzeichnis

Das Krankheitsbild der „Spanischen Grippe“ von 1918/19 als Motivation für die Entwicklung der Virologie

1. Einleitung

2. Die Influenza als Infektionskrankheit

3. Die Influenza von 1918/19

4. Vergleich der Krankheitsbilder

5. Die Viruserforschung im 20. Jh. und die Suche nach dem Grippevirus von 1918

6. Schlussbetrachtung

7. Literaturverzeichnis

8. Abkürzungsverzeichnis

Die Grippe – Epidemie trotz Impfung?

Kapitel 1: Einleitung

Kapitel 2: Influenza – Das Krankheitsbild

Kapitel 3: Epidemisches Verhalten des Grippevirus

Kapitel 4: Die Impfung und ihre Wirkung

Kapitel 5: Fazit und Schlussfolgerungen

Literaturverzeichnis

Die Geschichte des Ebolavirus

1. Einleitung

2. Klinisches Erscheinungsbild

3. Geschichte des Ebolavirus

4. Ebolavirus als möglicher Verursacher anderer Pandemien der Vergangenheit

5. Die Suche nach dem Wirt

6. Filoviridae als Biowaffe

7. Schluss

Literaturverzeichnis

Ebola. Black death of the 21st century. Analysis of the Ebola epidemic 2014

Introduction

Globalization and Ebola

Ebola, Health and Health systems

Ebola and the work of organization

The way forward…

References

AIDS in Afrika und Pest in Europa – Krankheit als soziales Phänomen. Voraussetzungen für und Auswirkungen von Epidemien im historischen Vergleich

1. Einleitung

2. Pest und AIDS – zwei Epidemien im Vergleich

3. Fazit

4. Anhang – Verzeichnis der wichtigen Pestereignisse 7000 v. Chr. bis heute

Verzeichnis der verwendeten Literatur:

Pandemie AIDS in Afrika: Ursachen, Bekämpfungsstrategie und Folgen von AIDS in Schwarzafrika

1. Einleitung:

2. Definitionen und Begriffsklärungen:

3. HIV/AIDS als multidimensionales Phänomen

4. Fallstudien

5. Ländervergleich: Südafrika und Uganda

6. Schlussbemerkung:

7. Abkürzungsverzeichnis:

8. Quellen- und Literaturverzeichnis

Informationen, Symptome und Maßnahmen zu EHEC und dem HUS-Syndrom. Enterohämorrhagische Escherichia coli und das hämolytisch-urämische Syndrom

1. Einführung

2. Bisheriger Verlauf

3. Ursachen, Symptome und Maßnahmen

4. Fazit: Einschätzung der Lage

5. Literatur

Einzelbände

Maxi Pötzsch:

Die Pest – Eine Krankheit, eine Geschichte

2010

I.       Einleitung

„Es gibt, so scheint es, keine Hoffnung auf die ersehnte Rettung. Unzählige Leichenzüge seh’ ich nur, wohin ich meine Augen wende, und sie verwirren meinen Blick. Die Kirchen hallen von Klagen wider und sind mit Totenbahren gefüllt. Ohne Rücksicht auf ihren Stand liegen die Vornehmen tot neben dem gemeinen Volk. Die Seele denkt an ihre letzte Stunde, und auch ich muß mit meinem Ende rechnen. [...] Schon wird die Erde knapp für die Gräber...“[1]

Eben jener Auszug einer zeitgenössischen Darstellung schildert die Hoffnungslosigkeit der Menschen, welche sich mit der großen Seuche von 1347 bis 1352 konfrontiert sahen. Heutzutage ist es jedoch umstritten, ob es sich bei dieser Seuche, dem sogenannten „Schwarzen Tod“, wirklich ausschließlich um die Pest handelte. Jedoch ist die Forschungslage alles andere als eindeutig, auch unter den Wissenschaftlern besteht Uneinigkeit darüber, ob wirklich allein die Pest für den drastischen Bevölkerungsrückgang im 14. Jahrhundert verantwortlich war.[2]

Die Pest galt über Jahrhunderte hinweg als größte Seuche der Menschheitsgeschichte und wurde, mehr oder weniger, erst durch den HIV-Virus abgelöst. Noch heute wird ein großes Übel als „Pest“ bezeichnet. Nicht umsonst steht das lateinische Wort „pestis“ für Unglück, Seuche und Verderben. Die Bezeichnung „Schwarzer Tod“ prägte die Krankheit im Laufe der Zeit selbst, da die braunen oder schwarzen Flecken, nach Simon de Corvino, auch das Gesicht der Infizierten schwärzlich erscheinen ließen.[3]

Der antike Autor Homer[4] schreibt in seinem Heldenepos „Ilias“ bereits von einem Phänomen, das für die Menschen über Jahrhunderte unerklärlich blieb – überall wo Ratten in dichtbevölkerte Gebiete einwanderten, breitete sich der „Schwarze Tod“ aus.

In der Ersten großen Pestwelle[5] starben über 20 Millionen Menschen in nur fünf Jahren. Historiker werten diese einschneidendste demographische Katastrophe für den größten apokalyptischen Siegeszug der Pandemie[6], den die Menschheit je erlebt hat.

Im Folgenden sollen verschiedene Aspekte, die Pest betreffend, näher beleuchtet werden. Im Fokus der Aufmerksamkeit stehen dabei Beschreibungen der verschiedenen Übertagungswege, die vier Pestvorkommen im Allgemeinen, sowie die verheerenden politischen und demographischen Auswirkungen der Pestepidemien im Mittelalter. Zusätzlich muss jedoch immer bemerkt werden, dass es sich dabei lediglich um einen kurzen Überblick über den weit gefächerten Themenkomplex der Pest handelt.

II.      Die Pest und ihre Geschichte

II.1     Die Entdeckung

Die Pest ist eine hochgradig ansteckende, in Epidemien auftretende bakterielle Infektionskrankheit, die sowohl Nagetiere als auch Menschen befallen kann. Sie ist bereits seit der Antike bekannt und hat seitdem unzählige Todesopfer gefordert. Erreger der Erkrankung ist das Bakterium „Yersinia Pestis“. Das Bakterium verdank seinen Namen dem Entdecker des Erregers: Alexandre Yersin.

Aufgrund des Pestausbruchs in Hongkong, entdeckte der Schweizer das Bakterium im Juni 1894. Zeitgleich konnte auch der japanische Arzt Shibasaburo Kitasato den Schlüsselpunkt in der Pestforschung nachweisen. Beide fanden den Erreger in den Leistenlymphknoten von Erkrankten.[7] Unter dem Mikroskop wurde beiden deutlich, dass es sich beim Pesterreger um ein „unbewegliches, stäbchenförmiges und nur zwei Mikrometer kleines Bakterium“[8] handelt. Dieses wurde jedoch bis 1971 zunächst als „Pasteurella pestis“ bezeichnet.

Um Yersin und Kitasato entwickelte sich ein Prioritätenstreit. Kitasato entdeckte nur kurz vor Yersin den Erreger, Yersin war jedoch letztendlich derjenige, dem es gelang, das Bakterium in einer Reinkultur zu züchten. Somit wurden jegliche Rechte schließlich ihm zugesprochen. Dem Franzosen Paul Louis Simond ist es schließlich zu verdanken, dass der Übertragungsweg der Pest aufgedeckt werden konnte. Der Floh „Xenopsylla Cheopsis Roth“ wurde 1898 durch Simond als „Beginn der Infektionskette“[9] diagnostiziert.

II.2     Das Pestbakterium und der Übertragungsweg

Neben dem sogenannten „Pestfloh“[10], dem Xenopsylla Cheopsis, welcher als häufigster Überträger fungiert, eignen sich noch weitere Arten als Infektherd. Die Frage, welche weiteren Floharten, neben dem Rattenfloh, an der Übertragung der Pest beteiligt sind, wurde seit den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts unter Naturwissenschaftlern und Medizinhistorikern kontrovers diskutiert. Mittlerweile ist Fakt, dass sich etwa dreißig Floharten als Überträger der Pestbakterien eignen,[11] darunter auch der Menschenfloh.[12] Flöhe sind Parasiten, die sich von außen an ihren Wirt heften, selber aber gelegentlich auch Parasiten in ihrem Inneren beherbergen und ihren Wirt mit diesem Parasiten infizieren können. Das Pestbakterium ist ein solcher Parasit.

Tatsächlich ist das Pestbakterium ein Kokkobazillus[13] aus der Gruppe der Pasteurellen. Selbst ohne tierischen Wirt kann das Bakterium mehrere Monate überleben. In vor Austrocknung geschützten Erdböden, in Staub, Kot oder auf  Tierkadavern ist der Bazillus über Monate vermehrungsfähig und virulent. Auf Lebensmitteln bleibt er bis zu vier Wochen aktiv. Im Wasser kann er mehrere Tage bestehen bleiben.

Der Entwicklung eines Rattenflohs bedarf es bei normalen klimatischen Bedingungen 20 bis 70 Tage. Der Höhepunkt der Flohentwicklung liegt, aufgrund der bevorzugten Temperaturen, die den Entwicklungsprozess bei 24 bis 27 °C positiv beeinflussen und auf 30 Tage verkürzen, im Spätsommer.

1906 entdeckte Charles Rothschild in einer Pionierstudie den Übertragungsmodus von Bakterium und Floh.[14] Wenn der Floh einen erkrankten Wirt sticht, so fand Rothschild heraus, werden Erreger in hoher Konzentration in seinen Proventriculus[15] gesaugt und verklumpen bzw. verstopfen eben diesen. Durch Sterben des infizierten Wirtes und gleichzeitigem Erkalten seines Körpers geht der wärmeliebende Floh auf das nächste Opfer über. Durch Verstopfen des Magendarmtraktes verspürt der Floh unstillbaren Hunger und sticht somit immer wieder seinen Wirt. Bei jedem Stich pumpt er dadurch jeweils große Mengen von Bakterien in die Bisswunde und dadurch in den Blutkreislauf seines Opfers.

Neben einem Flohstich oder einer Infektion durch Einreibung von infiziertem Kot in eine Hautverletzung, kann der Erreger auch durch eine Tröpfcheninfektion über den Weg des Nasen-Rachen-Raumes übertragen werden.[16] Dabei bedingt der Übertragungsweg die unterschiedlichen Formen der Pest, auf die im Folgenden eingegangen wird.

Als primäre Wirte der Flöhe dienen in erster Linie Nagetiere wie Ratten, wobei aus historischer Sicht zwischen zwei Arten von Ratten unterschieden werden muss: als bevorzugter Infektträger dient die schwarze Hausratte[17], neben der braunen oder grauen Wander- oder Feldratte.[18]„Nur eine einzige Tierfamilie“, so schreibt Georg Sticker, „zeigt sich bei allen Arten der Pestbeteiligung (…) als Vorboten, als Warner, als Verbreiter, als Opfer der Pest.“[19] Aber auch Eichhörnchen und Kaninchen oder Hauskatzen konnten bereits als Wirt nachgewiesen werden.

Im Mittelalter spielte besonders die Hausratte eine große Rolle. „Zur Zeit des Albertus Magnus“[20], so meint Sticker, „(…) war sie in ganz Deutschland als wahres Haustier heimisch.“[21] Die Hausratte lebte im Mittelalter quasi in einer Wohngemeinschaft mit dem Menschen. Als sesshaftes Tier ließ sie sich, vor dem Zeitalter der Pestizide und Insektizide, nur schwer verjagen und ungemein schlecht bekämpfen. Für gewöhnlich fand man sie direkt unter dem Dach, wo ihre beliebte Temperaturkonstante von 38°C herrschte und die Menschen des Mittelalters ihre Nahrungsmittel aufbewahrten. Bei einer Körperlänge von 16 bis 22 Zentimetern (der Schwanz ist in der Regel jedoch etwas länger), ist die Hausratte auch heute noch das ganze Jahr über geschlechtsaktiv. Bei der geringen Tragzeit von nur 24 Tagen wirft ein Weibchen in der Regel acht Junge.[22]

Man geht davon aus, dass allein die Hausratte bedeutungstragend für die Pest und die Menschen im Mittelalter war, da die Existenz der Wanderratte zwar bereits 1553 vom Naturforscher Conrad Gesner in einem Tierbuch skizziert wurde, geschichtlich belegte Erstbeobachtungen jedoch erst aus dem 18. Jahrhundert vorliegen.[23]

Vor Entdeckung des Bakteriums war die Frage nach einem spezifischen Pestkeim immer wieder aufgeworfen und erörtert. Nach Sticker waren zum Ersten Pariset und Lagasquie Vertreter der Ansicht, dass „das Pestgift ein Schmutz ist, der unter bestimmten Voraussetzungen an verschiedenen Orten der Erde entstehen und sich immer wieder neu bilden kann, aus unreinlicher Lebensweise und engem Zusammenleben, aus stinkenden Misthaufen, aus verwesenden Menschen- und Tierleichen.“[24] Als Vertreter der zweiten Ansicht ist Heinrich Häser zu nennen. Er meint, dass die Pest „durch Umwandlung und die Weiterentwicklung bösartiger Fieber entstehen. Pestartige und typhöse Fieber waren die Vorgänger und Erzeuger der wahren Pest.“[25] Creighton vereint beide Vorreiter und formuliert so den dritten Aspekt für das Entstehen der Pest: Die Pest sei „als ein Bodengift aus verfaulten Leichen“[26] entstanden.

II.3     Das Krankheitsbild

Die Inkubationszeit bei Pesterkrankten ist enorm kurz. Zwischen Ansteckung und ersten Symptomen liegen, abhängig von der Pestart, 48 Stunden bis zehn Tage.

Das Yersiniabakterium ist so gefährlich, weil es das menschliche Abwehrsystem komplett entwaffnet. Aus diesem Grund zählen Fieberschübe, Benommenheit, Schüttelfrost und Kopfschmerzen zu den ersten Auffälligkeiten.[27]

II.3.1 Beulenpest

Die Beulenpest[28] ist die am häufigsten auftretende Form der Pest. Mehr als neunzig Prozent aller Fälle verlaufen auf diese Art.[29]

Von der Bissstelle des Flohs aus wandert der Bazillus in die nächstgelegenen Lymphknoten. In den Lymphen pflanzt sich der Erreger fort. An der primären Infektionsstelle lässt sich jedoch keine entzündliche Veränderung nachweisen.[30] Der Mittelwert der Inkubationszeit bei einer Beulenpest liegt bei sechs Tagen. Von scheinbar völligem Gesundheitszustand kommt es anfangs zu einem Fieberanstieg von bis zu 40°C. Die Symptome reichen von Kopf- und Gliederschmerzen über Schwäche- und Schwindelgefühl bis hin zu Nasenbluten, Übelkeit, Erbrechen und Verstopfung. Viele Betroffene klagen auch über ein Druckgefühl über dem Herzen. Meist folgen dem noch Bewusstseinsstörungen. Danach verfärben sich die Lymphknoten der Infizierten bläulich und schwellen an. Diese werden dann als Pestbeulen oder auch Bubonen bezeichnet. Diesem Symptom verdankt diese Form der Pest ihren Namen.

Die Pestbeulen gelten als ziemlich schmerzhaft und können innerhalb von zwei Tagen auf Walnuss- bis Faustgröße anschwellen. Sie sind meist in der Leistengegend zu finden, selten aber auch in Achselhöhle, Kniekehle und Ellenbeuge oder am Hals.[31]

Musehold unterscheidet zwischen zwei verschiedenen Arten der Bubonen: primäre Burbonen sind ausschließlich diejenigen, „welche entstanden sind: durch Einführung des Pesterregers von der Eingangspforte aus bis in die befallenen Lymphdrüsen lediglich auf dem Wege der Lymphbahnen.“[32] Als sekundäre, oder auch metastatische Bubonen, werden solche bezeichnet, die, „nach Uebergang der Pesterreger vom primären Affect aus in die Blutbahn an allen Stellen des Körpers, an denen es überhaupt Lymphdrüsen gibt, entstehen können (...)“.[33]

Pestbeulen können aufbrechen oder eine Bindegewebeentzündung verursachen. Im schlimmsten Fall können die Geschwüre auch zerfallen, nachdem sie eitrig eingeschmolzen sind.

Bei fünfzig bis neunzig Prozent der unbehandelten Fälle gelangt der Erreger von den Lymphknoten in den Blutkreislauf und verursacht dort, zwischen dem vierten und sechsten Krankheitstag, eine zum Tode führende Sepsis[34].[35]

II.3.2 Lungenpest

Bei der Lungenpest tritt abermals eine Differenzierung auf.

Die primäre Lungenpest ist hochgradig ansteckend, da sie durch direkte Tröpfcheninfektion übertragen wird. Bei einer Inkubationszeit von nur wenigen Stunden bis hin zu drei Tagen, setzen anfangs Symptome wie Schüttelfrost und steiler Fieberanstieg ein. Kurz darauf kommt es zu Tachypnoe[36], Cyanose[37] und Dyspnoe[38]. Verbunden mit diesen Anzeichen setzen zunehmend ein heftiger Hustenreiz sowie ein bedrohliches Absacken des Kreislaufs ein. Gegen Ende der Krankheitsentwicklung wird ein schwarz-blutiger Auswurf mit schleimig-schaumiger Konsistenz, unter enormen Schmerzen, abgehustet.[39] Daraus entwickelt sich letztendlich ein Lungenödem, was zum Kreislaufversagen und nach zwei bis fünf Tagen zum Tod führt.

Durch die Beulenpest können die Pestbakterien in die Blutzirkulation geraten und so viele Organe befallen. Dadurch entsteht die zweite Form der Lungenpest: die sekundäre Lungenpest.[40] Es handelt sich hierbei also um eine Mutationsform der Pest. Der Krankheitsverlauf ähnelt dem der primären Lungenpest.

Beide Formen verlaufen wesentlich heftiger und schmerzhafter als die Beulenpest. Ebenfalls tritt bei beiden Arten der infektiöse Bluthusten erst gegen Ende auf. Bei der Lungenpest liegt die Sterblichkeitsrate geradezu bei hundert Prozent.[41]

II.3.3 Pestsepsis

Von einer primären Pestsepsis spricht man, wenn die Erreger nicht nur ins Blut gelangen, sondern „wenn das Blut selbst eine Vermehrungsstätte für den Pesterreger geworden ist.“[42] Eine mögliche Ursache dafür ist zum Beispiel das Platzen der bei der Beulenpest auftretenden Pestbeulen.

Durch Verteilen der Bakterien durch den Blutstrom in den gesamten Körper werden so gut wie alle Organe befallen. Nach Symptomen wie Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen und Unwohlsein kommt es innerhalb von Kürze zu großflächigen Haut- und Organblutungen. Die Sterblichkeit einer Pestsepsis liegt bei 98 Prozent und tritt spätestens 36 Stunden nach Infizierung ein.[43]

Nach Musehold ist jedoch „die Fähigkeit des Pesterregers, im Blute des Menschen zu wuchern, (…) eine ziemlich beschränkte. Eine primäre Septicämie in Folge [einer] Einführung von Pesterregern unmittelbar ins Blut giebt es beim Menschen kaum.“[44]

II.3.4  Abortive Pest[45]

Die Abortive Pest ist die harmloseste Form der Pest, mit einer milden Verlaufsform. Ohne Vorhandensein von toxischen Allgemeinerscheinungen treten lediglich Symptome wie leichtes Fieber und geringes Anschwellen der Lymphknoten auf.[46]

Nach überstandener Infektion bilden sich Antikörper, die eine lange Immunität gegen alle Formen der Pest versprechen.

II.4     Pestepidemien im geschichtlichen Überblick[47]

Allein durch die Bibel lassen sich die sogenannten „vorchristlichen Seuchen“[48] zusammenfassen.

Die ersten und ältesten Aufzeichnungen über ein Auftreten der Pest sind im Alten Testament zu finden und belaufen sich auf die Zeit 1320 vor Christi Geburt.[49] Ägypten wurde zu jener Zeit von zehn Plagen heimgesucht – die sechste war die Pest. Auch wenn diese nicht namentlich erwähnt wird, ist dort doch die Rede von einer Krankheit, die in Beulenform über ganz Ägypten hereinbricht. Somit verweisen nicht nur die Symptome, sondern auch ein Massensterben durch eine infektiöse Krankheit auf die Pest. Sticker stellt diese Erwähnung sogar an den Beginn seiner „Jahrbücher der Pest“.[50]

1060 v. Chr. spricht man, ebenfalls laut Altem Testament, von der „Pest der Philister“. Sticker hat kaum Zweifel, „daß es sich um die wirkliche Beulenpest gehandelt hat“.[51] Gott strafte demzufolge die Philister mit Beulen. Zusätzlich wird in gleichem Zusammenhang auch von einer Mäuseplage gesprochen.

Sticker spricht noch von sechs weiteren vorchristlichen Pestvorkommen:[52] 1000 v. Chr. ist von der „Pest in Palästina“ die Rede; 700 v. Chr. wütete sie abermals in Ägypten; die „Pest bei Hippokrates“ wird auf 460-377 v. Chr. datiert; 300 v. Chr. herrschte die „Pest an der Levante“; die „Pest in Nordafrika“ 125 v. Chr. und als letzte führt Sticker die „Pest in Lybien“ 50 v. Chr. an.

Zu Beginn der nachchristlichen Zeit erwähnt Sticker von 503 bis 540 Pestvorkommen zum Beispiel in Marseille, in Konstantinopel oder in Rom.[53]

Nicht die erste, aber mit Sicherheit die größte Seuchenkatastrophe der frühmittelalterlichen Geschichte, ist die „Justinianische Pest“.[54] Sticker setzt sie zeitlich auf 532-595 fest.[55] Ihren Namen verdankt sie dem byzantinischen Kaiser Justinian, der sich damals in seinem fünften Regierungsjahr befand. Sie hatte ihren Ursprung in Ägypten, zog ostwärts weiter entlang der Häfen der Levante und erreichte, laut Aufzeichnungen, im Frühjahr 542 Konstantinopel. Bis zum Winter 543 wanderte die Seuche im Osten bis Aserbaidschan, im Westen über Nordafrika bis nach Spanien. In Reims und Trier ließen unzählige Menschen ihr Leben. Am Lauf der Flüsse und, durch die Schifffahrt mobil geworden, bedeckte sie bald ganz Westeuropa. 544 erklärte Justinian die Pest fälschlicherweise für ausgelöscht. So trat sie weiterhin konstant epidemisch auf.[56]

„Von den insgesamt dreizehn Seuchenschüben, die vom 6. bis zum 8. Jahrhundert erfolgten, hatte der letzte von 740 bis 750 die verheerendsten Auswirkungen.“[57]

Über ein halbes Jahrtausend fiel in Europa kein Mensch der Pest zum Opfer.[58] Dafür sollte die Seuche das gesamte Abendland im 14. Jahrhundert jedoch härter treffen als jemals zuvor.[59]

Seit dem 14. Jahrhundert hatte sich der „Schwarze Tod“ nicht nur in Europa, sondern mittlerweile in der ganzen Welt eingenistet. Er löste immer wieder Panik aus, „legte den Handel lahm und entvölkerte ganze Landstriche, ehe [die Pest] zu Beginn des 18. Jahrhunderts ihren Rückzug (…) antrat.“[60]

Das letzte Mal suchte sie 1720 Marseille heim und hinterließ einen enormen demographischen Einschnitt.[61]

Doch auch in der Neuzeit bleibt die Pest bestehen. 1906 trat sie abermals in Djiddah[62] auf. 1910-1911 verteilte sie sich von der Mandschurei aus über die Hauptverkehrswege, innerhalb von sieben Monaten über 2.700 Kilometer, und kostete 60.000 Menschen das Leben. 1937/38 wurde der „Schwarze Tod“ in Bolivien und 1946 in Algerien registriert.

Von 1919 bis 1928 fielen der Pest noch 170 300 Menschen zum Opfer. In den Jahren von 1939 bis 1948 konnte diese Zahl bereits auf 21.800 Todesfälle eingedämmt werden. In den 50er Jahren handelte es sich nur noch um ungefähr 10.000 Pestopfer. Die Weltgesundheitsbehörde meldete in dem Zeitraum von 1980 bis 1986 insgesamt 4.522 Krankheitsfälle aus 17 Ländern der Erde, von denen 431 tödlich endeten.[63]

II.5     Die Pest heute

Schon im Jahr 1897 wurde der erste Impfstoff gegen die Pest entwickelt. Die Behandlung mit lebenden, aber abgeschwächten Bakterien ist allerdings sehr umstritten. Das eingesetzte Antibiotikum versichert jedoch lediglich eine Immunität von drei bis sechs Monaten. Es schützt ausschließlich gegen die Beulenpest, nicht aber gegen die weitaus infektiösere Lungenpest. Eberhard-Metzger und Ries äußern allerdings Bedenken aufgrund der schlechten Verträglichkeit der Schutzimpfungen.[64] Wegen der gravierenden Nebenwirkungen wird die Impfung auch nur als Reservemedikament eingesetzt. Behandelt werden deshalb nur Risikogruppen wie Versuchslabormitarbeiter, Bauern, Landarbeiter oder Jäger, die in gefährdeten Regionen arbeiten.

Fälschlicherweise gilt die Pest in der Öffentlichkeit heute mittlerweile als besiegt. Diesen Optimismus kann die Weltgesundheitsorganisation[65] jedoch nicht teilen. Allein von 1979 bis 1992 wurden der WHO 1.451 Todesfälle aus 21 Ländern gemeldet.[66]

Als letzte Pestwelle „größerer Art“ gilt die im Oktober 1994 im indischen Surat aufgetretene. Von 6.344 vermuteten Fällen wurden 234 als Pest diagnostiziert, von denen 56 tödlich endeten. Erschwerend kommt hierbei hinzu, dass es sich bei dieser Pestwelle um einen mittlerweile mutierten Erreger des Yersinia-Bakteriums handelte.[67]

Nach 50 Jahren, kam es 2003 in Algerien erneut zum Auftreten der Pest. Im Februar 2005 konnte die Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ ein Ausbreiten der Lungenpest im nordwestlichen Kongo verhindern.[68] Einige Provinzen im Kongo melden jedoch, laut WHO, bis zu 1000 Pesttote jährlich.[69] 2008 fielen in Madagaskar 18 Menschen der Pest zum Opfer, in Uganda wurden 12 Fälle gemeldet, von denen drei tödlich endeten.

Der letzte Vorfall wurde im August 2009 im Nordwesten Chinas registriert.

III.     Die große Pest im Mittelalter

Die schwerste aller Pandemien beherrschte Europa von 1347 bis 1352 und wird von etlichen Autoren als die „Katastrophe des Mittelalters / des 14. Jahrhunderts“ getitelt.[70]

„[Sie] bildete den infernalischen Auftakt in einer langen Reihe verheerender Pestepidemien und erschütterte das Ordnungsgefüge der spätmittelalterlichen Gesellschaft in allen Lebensbereichen bis auf ihre Grundfesten.“[71]

Sie kostete rund einem Drittel der damals 75 Millionen europäischen Einwohner das Leben.[72] Heute ist bekannt, dass es dem Pestbakterium gelang, sich innerhalb von nur drei Monaten über 300 km auszubreiten.

III.1    Herkunft und Verbreitung

Wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge brach die Seuche am Balchaschsee in der Wüstensteppe Ostkasachstans aus. Archäologen fanden dort in christlichen Katakomben Hinweise auf ein plötzliches Massensterben um das Jahr 1340. Die Pest wird auf mehreren Grabinschriften als Todesursache angeführt.[73]

Von dort aus gelang die Seuche in den Folgejahren im Osten Richtung China und im Westen Richtung Südrussland. Für das Jahr 1346 sind für diese Regionen zwei Pestausbrüche historisch belegbar: die am Wolgadelta liegenden Karawanenstationen Astrachan und Sarai. Beide lagen an einer Seidenhandelstrasse, auf der der kostbare Stoff nach Europa transportiert wurde.[74] Die Seuche wanderte somit weiter in westlicher Richtung auf die Halbinsel Krim. Dort traf die Seuche 1347 erstmals auf die europäische Bevölkerung.[75]

Die reiche genuesische Handelsstadt Kaffa[76], am Schwarzen Meer gelegen, wurde in jener Zeit von den Tartaren[77] belagert. Im Frühjahr 1347 wurden die Tartaren-Truppen um Djam Bek von der Pest heimgesucht. Da sich die Truppenstärke in so geringer Zeit dezimierte, entschloss sich Djam Bek, die Belagerung zu beenden. Bevor er aber das Feld räumte, entschied er sich, einige Pestleichen über die Stadtmauer zu schleudern, um die Christen zu verpesten.[78] Der Augenzeuge Gabriele de Mussis, ein Notar und Jurist aus Piacenza, der seit kurzem in Kaffa lebte, schilderte diesen Vorgang in seinem Bericht „Über die Krankheit oder Seuche, die im Jahre des Herrn 1348 auftrat“: „Zu diesem Zeitpunkt befiel die Seuche die Tartaren. Ihr ganzes Heer geriet in Panik, und täglich starben Tausende. (…) Als die nunmehr von Kampf und Pest geschwächten Tartaren bestürzt und völlig verblüfft zur Kenntnis nehmen mussten, dass ihre Zahl immer kleiner wurde, und erkannten, dass sie ohne Hoffnung auf Rettung vor dem Tod ausgeliefert waren, banden sie die Leichen auf Wurfmaschinen und ließen sie in die Stadt Caffa hineinkatapultieren, damit dort alle an der unerträglichen Pest zugrunde gehen sollten. Man sah, wie sich die Leichen, die sie auf diese Weise hineingeworfen hatten, zu Bergen türmten. Die Christen konnten sie nämlich weder wegschaffen noch vor ihnen fliehen.“[79]

Eberhard-Metzger und Ries verweisen jedoch darauf, dass der Infektionsweg in die Stadt Kaffa, heute unter Historikern als sehr umstritten gilt. Mittlerweile stellte sich heraus, dass sich der „Zeitzeuge“ de Mussis zu besagter Zeit nicht in der Stadt aufhielt. Heute wird die Theorie, dass die Pest bereits zuvor in die Stadt gelang und sich die Bewohner infizierten, für glaubwürdiger gehalten, da sich unzählige Ratten auf beiden Seiten der Stadtmauer tummelten, die vermutlich pestverseuchte Flöhe in ihrem Pelz trugen.[80]

Für Historiker liegt der Grund für die Verbreitung der größten Pestwelle in den Handelsgewohnheiten des 14. Jahrhunderts. Murmeltierfelle galten als begehrtes Exportmittel und spielten dabei eine der entscheidendsten Rollen. Sie starben aufgrund einer heftigen Epidemie sehr rasch. Die Felle der toten Tiere wurden eingesammelt und mit Hilfe mehrerer Zwischenhändler in den Westen verkauft. Die riesigen Rattenpopulationen auf den Handelsschiffen boten den pestverseuchten Fellen der Murmeltiere beste Vermehrungsmöglichkeiten. Da Kaffa als eine der bedeutendsten Handelsstädte am Schwarzen Meer galt, brachten die Handelsschiffe die Seuche von hier aus nach ganz Europa.[81]

Eberhard-Metzger und Ries wissen von zwölf pestverseuchten Galeeren, aus Kaffa kommend, zu berichten, denen an unzähligen Häfen auf Sizilien das Anlegen untersagt wurde – so verpesteten sie auf ihrer Fahrt von Hafen zu Hafen ganz Sizilien.[82]

Am 1. November 1348[83] wurden die Geisterschiffe vor Marseille gesichtet und verbreiteten auch dort zügig Tod und Leid. Von da aus zog die Seuche rasch in die Provence, wo sie 50 bis 70 Prozent der Bevölkerung vernichtete. Währenddessen transportierten bereits infizierte Handelsschiffe die Pest weiter in ganz Europa.

Am 1. Januar 1349 wurde die Pest in Pisa gemeldet, am 25. Januar dann in Venedig. Täglich ließen bis zu 600 Menschen ihr Leben. „Von diesen Häfen aus wurde ganz Kontinentaleuropa verseucht, von Sevilla bis Bergen, von Chester bis Moskau.“[84]

III.2    Umgang und Leben mit der Pest

Die extrem hohe Sterblichkeitsrate sowie der rasche Verlauf der Krankheit brachten Angst und Schrecken über die Menschen des 14. Jahrhunderts. „Alle dachten, das Ende der Welt sei gekommen.“[85], schreibt ein Chronist aus Siena.

Diese Angst machten sich Gruppen eigenartiger Männer zu Nutzen. Bereits ab dem Frühjahr 1349, als die Nachrichten der ersten Pesttoten in Mitteleuropa eintrafen, tauchten die sogenannten Geißler[86] auf. Durch ihr Treiben und ihr Aussehen erweckten sie schnell Aufmerksamkeit in der Bevölkerung.

Nach Graus war der Ausgangspunkt der Geißlerbewegung im deutschsprachigen Raum zu suchen. Die südlichen deutschen Reichsgebiete wurden jedenfalls als Erstes von den Bewegungen erfasst, um sich dann von dort aus weiter auszubreiten. Der genaue Ausgangspunkt lässt sich bis heute jedoch nicht bestimmen.[87] Sie – wobei es sich ausschließlich um Männer handelte, da Frauen für das Ritual als „verunreinigend“ galten – zogen jeweils für 33 ½ Tage mit besonderen Hüten mit Aufdruck eines roten Kreuzes, eigenen Fahnen, Kerzen und Glockengeläut, paarweise geordnet durchs Land und geißelten sich halbnackt, unter einem strengen Ritual, selbst, um Buße zu tun und von Sünden zu befreien.[88] Sie betraten die Städte, auf die sie während ihrer Reise stießen, erst, nachdem sie eine Erlaubnis der Stadtobrigkeit erbeten und erhalten hatten oder eingeladen wurden.[89] Historiker sind sich heute jedoch sicher, dass erst die Geißler die Pest in manche Städte brachten, denn sie zogen von einigen bereits verseuchten Städten in noch uninfizierte Städte und trugen somit teilweise Flöhe in ihrer Kleidung mit oder waren selbst bereits erkrankt. So wurden sie vielerorts vertrieben oder auch als Ketzer gehandelt.

Überall wo die Pest wütete, suchte man nach Schuldigen. Diese wurden schnell gefunden – Juden. Wie bereits die Geißler ihren Ursprung im deutschsprachigen Raum fanden, so verbreitete sich auch „das Gerücht, die Juden hätten die Brunnen vergiftet. Sie seien schuld am Wüten des Schwarzen Todes.“[90] von hier aus. Ihnen wurde durch Giftmischerei und Brunnenvergiftung die Schuld am Ausbruch der Epidemie zugesprochen. Vor allem im Norden Frankreichs, aber hauptsächlich im deutschen Reichsgebiet, kam es aufgrund dessen zu den blutigsten und weitreichendsten Judenpogromen des Mittelalters, die erst durch den Holocaust durch Adolf Hitler im 20. Jahrhundert an Ausmaß und Brutalität übertroffen wurden. Dies führte in vielen Teilen Europas zu einem Aussterben der jüdischen Gemeinden. Die kirchliche und weltliche Macht verlor angesichts der Hilflosigkeit, mit der sie der Pandemie begegnete, rapide an Autorität. „Papst Clemens VI. hatte bereits am 26. September 1348 verboten, Zwangstaufen an Juden vorzunehmen, diese zu ermorden und ihnen ihre Habe zu rauben. Der Text der päpstlichen Bulle betonte, dass die Seuchensterblichkeit unter den Juden ebenso hoch sei wie unter den Christen. Dennoch blieb die Wirkung der Bulle begrenzt.“[91] So beschrieb auch der Dichter Boccaccio in seinem Dekameron: „Während dieser Zeit des Elends und der Trauer war die ehrwürdige Macht der göttlichen und menschlichen Gesetze in unserer Vaterstadt fast völlig gebrochen und aufgelöst, da ihre Hüter und Vollstrecker gleich den übrigen Menschen entweder tot oder krank oder von ihren Untergebenen im Stich gelassen waren, so daß keiner seinen Dienst mehr versehen konnte und es jedem freistand, zu tun und zu lassen, was ihm gefiel.“[92] Historiker betonen heute aber zusätzlich, wie bereits Graus in seiner Studie zu Pest, Geißlerbewegung und Judenmord,[93] dass die Hetzen auf die jüdische Bevölkerung bereits stattfanden, noch bevor die Pest eine Stadt überhaupt erreichte.

„Je maßloser die Pest wütete, desto verzweifelter suchten die Menschen nach Mitteln und Wegen, dem unfaßbaren Schrecken Einhalt zu gebieten.“[94] So beschreibt Eberhard-Metzger die katastrophale medizinische Lage im 14. Jahrhundert. Da an den meisten mittelalterlichen Universitäten die medizinischen Lehren von der Kirche festgelegt wurden und es keine Möglichkeit zur Forschung gab, machten die meisten Ärzte die Gestirne für die hereinbrechende Seuche verantwortlich[95] und „verließen sich in ihrem Kampf gegen den Schwarzen Tod auf antike Fachautoritäten wie Hippokrates, Galen und einige spätantike Autoren (...)“.[96]

Es entstanden viele fragwürdige Rituale zur Bekämpfung der Pest, wie zum Beispiel das Aufdrücken gedörrter Kröten auf die Pestbeulen oder auch das Auflegen lebender gerupfter Hähne. Das Aufstechen der Bubonen stellte sich schnell als völlig unproduktiv heraus. Neben Opfergaben und strengen Pestgelübden[97] war der sogenannte Aderlass die am häufigsten angewandte Methode zur Behandlung der Pest. Beim Aderlass wurde die den geschwollen Drüsen am nahestehendste Ader „geschlagen“ und das herausströmende Blut wurde in einem Gefäß aufgefangen und weggeschüttet.[98] Vasold verweist darauf, dass diese „eher schädliche als nützliche“ Methode durch das verunreinigte Blut ihr Übriges zur Verbreitung der Seuche beigetragen hat.[99] Ein ebenfalls weit verbreitetes Mittel zur Pestbekämpfung war die Reinigung der „verpesteten Luft“. Durch Entzünden von Feuern, in denen wohlriechende und auch weniger angenehme Stoffe verbrannt wurden, hoffte man auf Besserung. Diese Methode konnte durchaus wirksam sein, so Vasold, denn Ratten lassen sich mit Kampfer und Schwefel vertreiben.[100]

In Genua entwickelte man bereits 1348 ein Konzept, das die Ansteckung eindämmen sollte: die Quarantäne. Jegliches Fremde wurde 40 Tage lang abgesondert, zum Beispiel Reisende, die Obdach suchten, Schiffe und auch Waren.[101] Orte in Italien und Frankreich folgten zügig diesem Beispiel.

Doch als letzter, aber auch beliebtester Ausweg galt die von Martin Luther später für völlig legitim erklärte Flucht. Zumindest für die, die es sich leisten konnten. Dabei wurden kranke Angehörige zurückgelassen – Hab und Gut wurde jedoch mitgenommen. Dies führte durch das Einnisten des „Pestflohs“ in Kleidung wiederum zur weiteren Verbreitung der Seuche.

III.3    Theorien über die mittelalterliche Pest

Bereits im Mittelalter, aber vor allem in der Neuzeit, entstanden etliche Theorien und Erklärungen für das immense Wüten der Pest sowie für den drastischen Bevölkerungsrückgang.

Von religiösen Mutmaßungen, wie zum Beispiel, dass „das Urvertrauen in Gott“ verschwand und somit „den von ihm geplanten Lauf der Geschichte“ beeinflusste, sodass „der Mensch (…) nun sein Schicksal selbst in die Hand [nahm]“,[102] wich man schnell zurück. Auch die Korrumpierung der Luft durch Miasmen[103], wobei man annahm, dass krankheitserregende Stoffe in der Luft durch den Atem und die Poren der Haut in den Körper gelangten und ihn somit infizierten, wurde ab dem 17. Jahrhundert verworfen.[104]

Seit der neuzeitlichen Forschung wurden eher plausiblere Theorien aufgegriffen. So geht Herlihy zum Beispiel von einer „Kleinen Eiszeit“ aus, die die Bevölkerung, auch ohne Einwirken der Pest, im Mittelalter[105] ohnehin bereits dezimierte. Im Hochmittelalter[106] herrschte ein „Klimaoptimum“, das lange und warme Sommer sowie milde Winter mit sich brachte. Dadurch kam es zu einem starken Zuwachs der Nahrungsmittelproduktion und zu Nahrungsmittelüberschüssen in der Landwirtschaft. Das beeinflusste ein starkes Ansteigen der Bevölkerungszahlen zunehmend positiv. Herlihy führt das Beispiel Englands „[b]ased on the Domesday survey“[107] an, wobei die Bevölkerungszahlen von 1086 mit 1,1 Millionen Einwohnern mit den Zahlen des Hochmittelalters mit 3,7-7 Millionen Einwohnern verglichen werden. Ab 1200 vollzog sich dann ein klimatischer Umschwung, der kurze verregnete Sommer und lange, extrem kalte Winter mit sich zog. Durch die Verkürzung der Vegetationsperioden und das Vorrücken der Alpengletscher in ehemals fruchtbares Ackerland wurden Weide- und Anbauflächen zerstört. Durch starke Regenfälle und Überschwemmungen erlagen sowohl Ernten als auch Infrastruktur dem Klima. Dadurch bedingt erfolgte ein starker Einbruch der Bevölkerungszahlen zwischen 1348 und dem beginnenden 15. Jahrhundert, was sich erst ab 1460/70 mit steigenden Bevölkerungszahlen wieder änderte.[108]

Die „Kleine Eiszeit“ bedingte jedoch auch eine weitere Theorie – die Agrarkrise. Die Agrardepressions-Theorie basiert auf den Annahmen des Briten Thomas Malthus[109] und geht von vier Prämissen aus, die zur Agrarkrise führten. Zu Beginn spricht er von einer „Stockung der Bevölkerungszunahme“, dann von einer „Abnahme der ländlichen Siedlungen“, was zu einem „Leistungsabfall der landwirtschaftlichen Erzeugung“ führt, woraus sich der „Rückgang der Preise für Agrarprodukte“ ergibt.[110] Die Agrarkrise geht von klimatischen Entwicklungen aus, die von sozialen Problemen verstärkt werden.

Aufgrund des Klimaoptimums, was den sprunghaften Anstieg der europäischen Bevölkerung im 11./12. und 13. Jahrhundert positiv beeinflusste, kam es bis 1250 zu einer Knappheit der landwirtschaftlich nutzbaren Flächen, was zu einem Absinken der Produktionsüberschüsse führte, bei jedoch weiterhin hoher Geburtenrate. Zusätzlich wechselten die Anbaumethoden zu einer Monokultur und einer Abkehr von der Weidewirtschaft. Resultierend daraus, fehlten Proteinquellen und die Äcker wurden ausgelaugt. Dann kam es zu dem bereits erörterten Klimaumschwung, wodurch es zu gravierenden Ernteausfällen kam und die Ernährungssituation sich immer mehr verschärfte. Alles führte zu einer erheblichen Teuerung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse.[111] Gleichzeitig vollzog sich eine Rückkehr zum alten Feudalsystem. Einige wenige Familien konzentrierten die Mehrheit des Landes unter ihrer Herrschaft, wodurch es zu einer Abnahme von freien Bauern kam. Bauern konnten nicht mehr durch Naturalien oder Barzahlungen ihre Arbeitskraft ersetzen, sondern wurden, angesichts der steigenden Getreidepreise, zunehmend auf dem Grundbesitz ihrer Feudalherren eingesetzt. Dies geschah eben genau zu jener Zeit, in der die Bauern ihre eigenen Felder hätten bestellen müssen. Durch den Wegfall der Ernährungsgrundlage kam es zu Hungerkrisen, die zu massiver Landflucht führten.

Genau diese Landflucht bedingte einen weiteren Faktor für den Bevölkerungsrückgang im Mittelalter: Wüstungen.[112]

„Mögliche Ursachen der Wüstungen des 14. Jh.: klimatische und biologische Faktoren (rückläufige landwirtschaftliche Erträge und periodische Hungerskrisen), anthropologische Veränderungen (Verschlechterung der Seuchenresistenz und endemisches Auftreten der Seuchen), ökonomische Widrigkeiten (Stadt-Land-Gefälle) und soziale Motive.“[113] Durch diese Wüstungen kam es zur Aneignung teilweise bereits infizierter Kleidung oder auch Eigentums Erkrankter, wodurch die Pest immer weiter getragen wurde.

Eine der weitverbreitetsten Theorien ist allerdings, dass es neben der Pest im Mittelalter bereits andere Krankheiten gab. Durch die bereits angesprochene desaströse medizinische Lage im 14. Jahrhundert konnten Krankheiten weder voneinander unterschieden werden noch richtig behandelt werden, um nicht tödlich zu enden. Erschwerend kam noch hinzu, dass die hygienische Grundlage Infektionen meistens noch zusätzlich begünstigte. Neben Krankheiten wie Trachom und Malaria gab es auch Krankheiten, die leicht mit der Pest zu verwechseln waren. Tuberkulose zum Beispiel war ebenfalls eine Infektionskrankheit, die per Tröpfcheninfektion übertragen wurde und zu Hustenanfällen mit gelb-grünem Auswurf und Hitzewallungen führte, ähnlich wie bei einer Pesterkrankung. Auch Lepra, was ebenfalls per Tröpfcheninfektion übertragen wurde, jedoch langen Kontakt mit Infizierten bedurfte, ähnelte durch absterbende Nerven und Venenverstopfung dem „Schwarzen Tod“. Bis heute kann deswegen nicht eindeutig davon ausgegangen werden, dass es sich bei den Massen an Toten im Mittelalter wirklich ausschließlich um Pestopfer handelte.

IV.     Schlussbetrachtung

„Unsere medizinischen Kenntnisse über die Pest verdanken wir in Erster Linie [der] Pandemie, die zwischen 1894 und 1920 weite Teile Ostasiens berührte und Millionen von Menschen in den Tod riß.“[114] Doch endgültige Kenntnis wird man wohl nie erlangen. Durch Boccaccios Dekameron ist zwar ein geringfügiger Einblick in das Leben und Leiden der Menschen zur Zeit der größten Pestwelle möglich, jedoch immer noch schwer nachvollziehbar. Die Hilflosigkeit, mit der die Menschen dem „Schwarzen Tod“ gegenüber treten mussten, lässt sich leider nicht rekonstruieren.

“Auf heutige Verhältnisse übertragen, müßte man ihr Wüten mit einem weltweiten Atomkrieg vergleichen.“[115], zitieren Eberhard-Metzger und Ries die französischen Medizinhistoriker Jacques Ruffié und Jean-Charles Sournia. Aufgrund dessen steigt gerade heute, zu Zeiten der steigenden Kriegsvorkommnisse und Streben nach Weltmachtstellung, die Angst vor biologischen Waffen. Mögliche biologische Kriegsführung, durch gezielten Einsatz von Pesterregern, hätte vermutlich apokalyptische Ausmaße.

Einem kleinen Floh ist es zu verdanken, die Menschheit in Angst und Schrecken zu versetzen und ihre Grundfesten zu erschüttern. Dieser kleine Floh, der es heute noch immer möglich macht, zu Zeiten der modernsten Technik, Wissenschaft und Forschung, an die Oberfläche zu drängen und Menschen ohne jegliche Hoffnung auf Heilung zu Tausenden in den Tod zu reißen.

Die Pest wurde immer wieder fälschlicherweise für ausgelöscht erklärt und kehrte doch immer wieder zurück – heute auch teils in mutierter Form, was die Behandlung erschwert und die Forschung an ihre Grenzen treibt. Die Forschung, die über 150 Jahre brauchte, um allein den Erreger dingfest zu machen.[116]

Es liegt vermutlich in der Natur des Menschen, Kontrolle besitzen zu wollen. Aber Krankheiten wie AIDS, Krebs und eben auch die Pest zeigen der Menschheit, wie fehlbar und machtlos sie angesichts von Seuchen sein kann. Noch heute ist der Erreger aktiv, lässt sich nicht lokalisieren, nicht eindämmen, nicht kontrollieren und vor allem nicht ausrotten. Dem „Schwarzen Tod“ wird somit, verhängnisvollerweise, nicht die nötige Ehrfurcht entgegen gebracht, mit der man ihm gegenüber treten sollte.

Das letzte Pestopfer ließ vor kaum einem Jahr sein Leben. Noch immer sollte man also mit Respekt vor dem Erreger leben. Und vor dem kleinen Floh, der mit bloßem Auge kaum sichtbar ist, aber Millionen Menschen das Leben kosten kann.

V.      Quellen- und Literaturverzeichnis

Quellen

Boccaccio, Giovanni: Das Dekameron. Erster bis Fünfter Tag (deutsche Übersetzung), Berlin und Weimar 71975.

Boccaccio, Giovanni: Das Dekameron. Sechster bis Zehnter Tag (deutsche Übersetzung), Berlin und Weimar 71975.

Literatur

Bergdolt, Klaus: Der Schwarze Tod in Europa. Die große Pest und das Ende des Mittelalters, München 31995.

Bergdolt, Klaus: Die Pest. Geschichte des Schwarzen Todes, München 2006.

Dirlmeier, Ulf; Fouquet, Gerhard; Fuhrmann, Bernd: Europa im Spätmittelalter 1215-1378 (Oldenbourg Grundriss der Geschichte, Bd. 8), München     2003.

Eberhard-Metzger, Claudia; Ries, Renate: Verkannt und heimtückisch. Die ungebrochene Macht der Seuchen, Basel 1996.

Eberhard-Metzger, Claudia: Seuchen, München 1996.

Graus, František: Pest – Geissler – Judenmorde. Das 14. Jahrhundert als Krisenzeit, Göttingen 31994.

Herlihy, David: Der Schwarze Tod und die Verwandlung Europas, Berlin 1998.

Herlihy, David: Outline of Population Developments in the Middle Ages; In: Herrmann, Bernd; Sprandel, Rolf (Hrsg.): Determinanten der Bevölkerungsentwicklung im Mittelalter, Weinheim 1987, S. 1-23.

Jankrift, Kay Peter: Mit Gott und schwarzer Magie. Medizin im Mittelalter, Darmstadt 2005.

MacNeill, William H.: Seuchen machen Geschichte. Geisseln der Völker (aus d. Amerik. übertr. von Joachim Frhr. Von Richthofen), München 1978.

Musehold, Dr. P.: Die Pest und ihre Bekämpfung, Berlin 1901.

Sticker, Georg: Abhandlungen aus der Seuchengeschichte und Seuchenlehre, Bd.1 Die Pest, Teil 1 Die Geschichte der Pest, Gießen 1908.

Sticker, Georg: Abhandlungen aus der Seuchengeschichte und Seuchenlehre, Bd.1 Die Pest, Teil 2 Die Pest als Seuche und als Plage, Gießen 1910.

Vasold, Manfred: Pest, Not und schwere Plagen. Seuchen und Epidemien vom Mittelalter bis heute, München 1991.

Werfing, Johann: Der Ursprung der Pestilenz. Zur Ätiologie der Pest im liomographischen Diskurs der frühen Neuzeit, Wien 1998.

Wilderotter, Hans (Hrsg.): Das große Sterben. Seuchen machen Geschichte, Dresden 1996.

Internet

http://www.medizinpopulaer.at/archiv/medizin-vorsorge/details/article/die-pest-heute.html (eingesehen am 19.07.2010 um 20.39Uhr)

http://www.who.int/en/ (eingesehen am 20.07.2010 um 18.17Uhr)

Lotta Schmachtenberg:       

Das Krankheitsbild der „Spanischen Grippe“ von 1918/19 als Motivation für die Entwicklung der Virologie

2009

1.      Einleitung

„Jedes Jahr ist ein Influenzajahr – sowohl auf der nördlichen als auch auf der südlichen Halbkugel der Erde.“[117] So sagen es Georg Vogel und Werner Lange, Ärzte und Autoren von Ratgebern, die sich mit der Influenza auseinandersetzen. Sie sehen in der Influenza die am häufigsten unterschätzte Infektionskrankheit, die auch heute noch zu den als weltweit unausrottbaren Krankheiten gezählt wird.[118]

Trotz der jahrhundertelangen Bekanntheit der Influenza rückte sie erst Anfang des 20. Jh. in den Mittelpunkt des medizinischen Interesses. Grund dafür war zweifelsfrei die verheerende Pandemie, die 1918 ihren Anfang nahm. Ihr geographischer Ursprung ist bis heute unklar. Ein möglicher Ausgangspunkt war China, von wo aus sie sich in die USA und Europa ausbreitete. Ein anderer Ursprungsort könnte in den USA gelegen haben, von dort aus soll sie weiter nach Europa und Asien gezogen sein.[119] „Many more victims were stricken than were ever afflicted by plague, smallpox, or cholera. Those pestilences, all with a much higher risk of mortality, never had nearly so many victims, and therefore killed substantially fewer than the 1918 influenza epidemic.“[120] Weltweit starben zwischen 20 und 50 Millionen Menschen an einer Krankheit, die der Influenza so ähnlich schien, deren Krankheitsbild aber von einer vorher nie da gewesenen Heftigkeit charakterisiert war. Die Krankheit trat zudem in mehreren Wellen auf, wovon die erste in einer ihr sehr untypischen Zeit ihren Höhepunkt hatte: Im Juli des Jahres 1918.

Diese Arbeit beschäftigt sich zunächst mit der Darstellung der Influenza als Infektionskrankheit. Anfangs wird die Virologie der Influenza und ihre Besonderheit zur Mutation erklärt. Daran anschließend der Weg der Übertragung und die Infektion der Zelle. Es folgt die Darstellung des Krankheitsbildes, wie es heute in der medizinischen Literatur erklärt wird. Ein wichtiger Teil des Krankheitsverlaufes ist die Wirkung der Influenza in Kombination mit anderen Erkrankungen. Hierbei kommt es oft zu Komplikationen, auf die ebenfalls eingegangen wird. Abschließend werden hier die heutigen Therapiemöglichkeiten erläutert. Vor diesem Hintergrund wird anschließend das Krankheitsbild der Influenzapandemie von 1918/19 aufgezeigt und analysiert. Nach einem kurzen Blick auf die besonderen Merkmale, wird das Krankheitsbild mit Hilfe zeitgenössischer Quellen dargestellt. Insbesondere die Komplikationen, die mit der damaligen Influenzapandemie einhergingen, sind hier von Interesse. Erläutert werden auch Maßnahmen und Möglichkeiten, die in der Therapie zur Verfügung standen und zum Einsatz kamen. Mit Hilfe der Darstellung der Unterschiede in den Krankheitsbildern, wie wir sie heute kennen und wie es sich 1918/19 zugetragen hat, soll anschließend die Aggressivität des damals wütenden Virus deutlich gemacht werden.

Die Ohnmacht angesichts der getätigten Erklärungen, den Erreger dieser Krankheit zu bestimmen, soll in das letzte zu behandelnde Thema einführen: die Geschichte des Versuches, den Virus von 1918/19 über Jahrzehnte lang aufzuspüren, zu erforschen und vor allem zu entschlüsseln. Die ersten Versuche Anfang der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts blieben erfolglos. Es mussten erst viele Jahre vergehen, bis auch die Technik und die molekularpathologischen Verfahren ihren Fortschritt machen konnten, um den Erreger zu dekodieren.

2.      Die Influenza als Infektionskrankheit

2.1     Virologie