Bis dein Blick Meer wird - Sigune Schnabel - E-Book

Bis dein Blick Meer wird E-Book

Sigune Schnabel

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Beschreibung

In der frischen Brise kurven Möwen über Dünen und Meer hinweg. Viel Weiß verbrauchte Caspar David Friedrich für seine Kreideküste. In einem weiteren Gedicht bricht die brennende Takelage des Winters herunter, umkreist von Rottgänsen. Farbige Versprechen tauchen beim Mexikanischen Totenfest auf, neue Kleider werden geschenkt. Ein Traumdetektiv geht auf die Suche. Patagoniens Puma und die Ruta 40 bekommen ihren Auftritt, Andengipfel. Für die Mutter will jemand kochen in einem syrischen Garten mit Datteln, wenn der Krieg vorbei ist. Blaue Pausen fallen in das Meer der Töne, Debussy verzaubert mit Flöten die Hörer. Krakauer Tauwetter, jemand spielt auf einer geraubten Trompete. Wie könnte Frühlingsluft durch die Flure der Zivilisation wehen? Der Müggelsee lädt zu einer Dampferfahrt ein. Grafiken von Dorothee Arndt illustrieren den Band. Das Köpenicker Lyrikseminar mit der Lesebühne der Kulturen Adlershof ist seit weit mehr als vier Jahrzehnten eine Institution. Für diesen Gedichtband wurden zahlreiche Gäste dazugeladen. Der Band enthält Gedichte von Anke Ames, Anke Apt, Almut Armélin, Dorothee Arndt, Thomas Barmé, Manfred Burba, Ralf Burnicki, Andreas Diehl, Wolfgang Endler, Marko Ferst, Hanna Fleiss, Peter Frank, Helmut Glatz, Helga Glöckner-Neubert, Charlotte Grasnick, Ulrich Grasnick, Elisabeth Hackel, Brunhild Hauschild, Ralf Hommel, Ira-Yvonne Iwa, Monika Jarju, Marion Kannen, Annette Kaufhold, Andrzej Kikal, Robert Klamann, Henry-Martin Klemt, Reinhard Kranz, Günter Kunert, Fritz Leverenz, Michael Manzek, Steffen Marciniak, Leo Meurer, Reiner Müller, Marcus Neuert, Maria Nancy Sanchez Perez, Jürgen Polinske, José Pablo Quevedo, Carsten Rathgeber, Marlies Schmidl, Sigune Schnabel, Kathrin Schulz, Alfred J. Signer, Magnus Tautz, Volker Teodorczyk, Dirk Tilsner, Martin A. Völker, Lothar Wachenschwanz, Frank Wegner-Büttner, Martin Westenberger, Jo Zartelli, Iris Zimpel

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Anthologie des Köpenicker Lyrikseminars und der Lesebühne der Kulturen Adlershof mit zahlreichen Gästen

Anke Ames, Anke Apt, Almut Armélin, Dorothee Arndt,

Thomas Barmé, Manfred Burba, Ralf Burnicki,

Andreas Diehl, Wolfgang Endler, Marko Ferst, Hanna Fleiss,

Peter Frank, Helmut Glatz, Helga Glöckner-Neubert,

Charlotte Grasnick, Ulrich Grasnick, Elisabeth Hackel,

Brunhild Hauschild, Ralf Hommel, Ira-Yvonne Iwa,

Monika Jarju, Marion Kannen, Annette Kaufhold,

Andrzej Kikał, Robert Klamann, Henry-Martin Klemt,

Reinhard Kranz, Günter Kunert, Fritz Leverenz,

Michael Manzek, Steffen Marciniak, Leo Meurer,

Reiner Müller, Marcus Neuert, Maria Nancy Sanchez Perez,

Jürgen Polinske, José Pablo Quevedo, Carsten Rathgeber,

Marlies Schmidl, Sigune Schnabel, Kathrin Schulz,

Alfred J. Signer, Magnus Tautz, Volker Teodorczyk,

Dirk Tilsner, Martin A. Völker, Lothar Wachenschwanz,

Frank Wegner-Büttner, Martin Westenberger, Jo Zartelli,

Iris Zimpel

Edition Zeitsprung

Inhalt

Peter Frank

Biike

Herbst

Berlin

Landschaft hinter Bongsiel

Rungholt

Kambodscha

Winter der Kindheit

Stormland

Clown

Heiligenblut

Herbstabend

Bäume

Die Geigen der Toten

Am Aralsee

Sigune Schnabel

Abgeblättert

Manchmal streife ich

Ratlos

Über der Lehne deines Sofas

Ich habe die Haut

Ein Leben lang

Das Meer

Noch einmal

Dichter

Über den Kopf

Suche / Herbst

Meine Lieblingsfarbe

Ulrich Grasnick

Mexikanisches Totenfest

Die Augen der Libelle

Versöhnungskirche

An Slawa Rostropowitsch

Almut Armélin

9. November 1989

José Pablo Quevedo

Wo die Emotion

Löwenzahn

Auf van Gogh‘sche Art

Arte regresivo – Regressive Kunst

Unter der Haut des Sandes

Kandinskys Muse

Die Erschaffung des blauen Pferdes

Hieronymus Bosch

Eberswalder Straße in Berlin

Vor einem Monet

Zweifel an einem Goya

Am Fenster mit Pfeife und kubanischem Tabak

Der Garten der Lüste

Jürgen Polinske

Erlösung

Das Sterben

Verflucht seien alle

Frust

Frieden

Fotos

Gletscherbrosche

Im Arboretum

In den Ruhestunden der Reise

Weite

Wir zwei Elemente

Das Versmaß stimmt nicht

Osiris

Wie ein Schuß ins Gehirn

Ein Fado

Die Agave fackelt ins Blau

Die maltesische dicke Madam

Farbiger Bericht

Die Hekla

Gaia

Fritz Leverenz

Die Mühle in Grebbin

Anke Ames

Wüstenei

Für dich

Jerusalem

Notizen

Mana

Schere, Stein, Papier

Unterwegs

Halten

Dunkel

Alphabet

Marcus Neuert

absurde sprachen

aller augen chronik

literhizome

provinz

schoene literatur. natuerlich stereo

wechselbaelger

Charlotte Grasnick

Alles in diesem Land

Sie können nicht schwimmen

Der Traumdetektiv

Onkel Hans-Georg

Meditationen über einen kleinen Wald

Gedanken beim Betrachten von Fotos

Museumsstunde

Kirschenpflücken

Kreideküste Rügen

Nachsaison

Puccini

Liebe

Durchleuchtung

Alfred J. Signer

Patagonien

An diesem Abend

Baumtod am Strand

Ruta 40

Dora in Magdalena

Tango-Werdung

Mauerwerk 1921

Ira-Yvonne Iwa

wenn Eisen zu Eisen wird

vor mir

Setzt Mauern im Stile der Dissoziation

Gestaute Worte

An weißen Tälern

Ein Tag ohne Grau

Michael Manzek

In Memphis kam ich niemals an

Leonard Cohen ist tot

Regenjazz

Die Jahresringe des Bäume-Einmaleins

Kölner Sturmnacht

Das Flugzeug fliegt in die Wolken

Johannes Bobrowski

Der Taubenschlag

Erpetal

Glaub mir, jede Landschaft will berührt

Magnus Tautz

Es

Von dieser Stille

Przysiecz/Polen

Einwanderer

Ankunft

An der Moldau

Im Herbst

Brocken. Aufstieg

Garten mit Datteln

In Kulissen

Im Gegenlicht

Eberswalde

Andreas Diehl

An Esther

Im Gestern

Das Land zuletzt

Walja

In deinen Schritten

Dezember

Ich habe mich immer

November

Bitte

Ich überlebe in

Auf dich warten wird

Dein erstes Geheimnis trägst du

Bald gehe ich allein zur Siedlung, Mutter

Worte

Zuspruch

Ich kann nicht fliehen

Unmerklich

Du wirst nur

Ich bezahle meine Liebe in der Stadt

Wenn die Gesichter in den Regen wechseln

Für Borjana

Im Kreis

Heimkehr aus Moskau

Helmut Glatz

Der Dichter

Wir sind nur fremder Welten Spiegelungen

Espressogesang

Debussy

Andrzej Kikał

Zwischen mir und der Sonne

Zu Besuch an einem polnischen See

Übungen zu Fichte

Krakauer Tauwetter

Himalayan Jazz

Marko Ferst

Helle Mondnacht: 60. Breitengrad

Septemberwärme

Blickwinkel

Herbstbögen

Nicht nur in Paris

Danziger Notizen

Versteckspiel

Countdown

Winterlos

Revolution

Flußdelta

Reise

Herbstlichter

Elisabeth Hackel

Meiner Mutter

Im Oktober

Das Tor schließt den Sommer aus

Weißer Juni

Besuch bei

...

Für Else Lasker-Schüler

Damals ein Kreuz

...

Lokomotive

Hiddensee

Klimawandel

Tulpenblätter

Weihnachtsabend

August

Köpenicker Sommer

Handelsgesellschaft

Potsdamer Platz

Alexanderplatz

Warten auf den Frieden

Flirt

Ich stieg in den Förderkorb Stille

Die Lindentaler verfielen

Günter Kunert

In Blindenschrift

Aus keinem Schullesebuch

Zu später Stunde

Rückmeldung

Eingedenk dessen

Ralf Burnicki

Am See

Antike Plätze

Blau

Dirk Tilsner

teilweise

Land hinter dem Fluss

Dorothee Arndt

endlosschleife leben

unendlicher vorgang

werthers echte

auf dem dorf

mütze übergezogen

albinofüchse

kinder ins bett bringen

elefanten baden

hosenträgergedicht

kinder spielen

menschen am strand

montag früh

Apfelbäume, wenn sie am Himmel sterben

Kupfermünzen

Was werten wir wie die unaufhaltsamen Schaffner

Annette Kaufhold

Was Amor von den Schnecken lernte

Im Netz der Arachne

Maria Nancy Sanchez Perez

Einziger Faden

Elisabeth Hackel

Wilde Magie

Einmal mehr

Tautropfen, die überleben

Unsterbliches Schicksal

Labyrinth

Wohin gehen wir

Gibt es da noch etwas oder ist da nichts mehr?

Letzte Strophe

Unvergessene Winde

Wassertropfen

Bewässerungsgraben

Der sechste Sinn

Sonnengarten

Kathrin Schulz

Feder

Namenlose Schwester

Bruder, wo finde ich den Sanftmut

Mein Land

Mein Lieb

Ufer polnischer Tage

Schwester der Nacht

See

Frauen in Wien 2010

Odertal

Schüttere Sprache

Frieden am Ufer der Merkys

Mein kleines Stück Himmel

Mittagsbalkon in Berlin

Adlershofer Sommer

Das hohe Ufer

Licht und Meer

Fahles Schilf

Marlies Schmidl

Maharadscha India

Paris

Nebenbei

das alte haus

gartenfest

Mondgespräch

Henry-Martin Klemt

Sallingsund-Lied

Langsames Lied

Wartendes Lied

Ermutigung für Vera

Meer-Lied

Windiges Lied

Monika Jarju

Von der Schönheit der Umwege

Nachtlinien

Begegnung

mittwoch zum beispiel

Prachtvogel

bin ich

klitzekleiner Fisch, einzelner schöner

Reiner Müller

Deine Blüten

Stadionstille

Trastevere

Brudermord

Reinhard Kranz

Guter Mond du gehst

...

Auf zum Supermarkt

Nacht über Weißensee

Einbildung

Es geht vorüber

Das soll so sein

Von dort

Es wird Abend

Wolfgang Endler

Verlust

strandgut I

strandgut II

Jahresausgang(sblick

)

Durchblick

Gleichzeitig

wartezimmer

Robert Klamann

so müd

Stiller Abgang

O.T

allein

Manfred Burba

Nächtlicher Hafen

An meiner Hand

Kästners Lyrik

Bilder der Kindheit

Der eigene Weg

Ein Pauker der alten Schule

Der Tisch meiner Kindheit

Nachruf auf Don Juan

Der falsche Graf

Neujahrsparty

Der Kleinstadtpoet

Herbstliches Ambiente

Helga Glöckner-Neubert

Frühnacht

Zugbrücke bei Arles

In memoriam Pablo Neruda

Das Leben läßt sich tragen

Später September

Abendlied

Gehetztes Wesen

Omas alte Kaffeemühle

War eine Liebe treu gemeint

Die Schwalben

Brunhild Hauschild

Stille, einem Windhauch gleich

November

Zum Weltkusstag

Aktsitzen

Schauspiel

Aktzeichnen

Raureifkuss

Gifte

Sodom und Gomorra

Wolkenmantel

Am Kamin

Lauter laute Laute

Ein Gedicht entsteht

Brücke

Seifenblasen

Sich entrollender Frühling

Urlaubsidylle Larabeach

Iris Zimpel

Schwarze Geister – graue Gedanken

Ein Augen-Blick

„Zeitvermählte, Dauerlose“

Einem guten Freund

Du bist du

Die Liebe und das Leid

Grenzen

Im kalten Januar

Glindow am See

Trauer

Ralf Hommel

Ästhetik

Ausstöhnen

José Martí und die Glücksforschung

Nachhall aus Epikuristan

Wildfrauentag

Vom Wehen der Flagge im Sog des Nirwana

Denkschrift an die ewige Geliebte

Vom Ausatmen

Dostojewskis Begnadigung

Wider die Vernutzung der Welt!

Martin A. Völker

Nächstens Liebe

Ahasver des Begehrens

Gaumenfreuden

Sündenseglers Nachtlied

Wir sinken all’ in ew’ge Nacht

Aus Glas dein Kuss

Frank Wegner-Büttner

Dein „Herz ist ein einsamer Jäger“

Mein Bruderherz

Afitos

Dolonei e Gece

hölderlin

Für Judith

Versuchung

Nachthaut, vibrierend

Marion Kannen

Und durch

Mir ins Gesicht

Affe in Angst

An der Wand

Aufs Meer zu

Supermarkt

Spielt Krieg

Was bist

Zünglein der Waage

Nicht mehr

vogelfrei

Spinnenwaran

Haltlos

Verdünnungsmittel

Kleine Landwurstschaft

Fremd

TaTaTaTango

Jo Zartelli

weil wir es nur fast verwunden haben

mein treulos meer

im verfilzten kuckucksnest

einverstehlen

alle meine welpen

sehnensilber

lachesis 30.1-3

lied von der einsamen masse

königin und harlekin

Steffen Marciniak

Albisches Rauschen

Unter Ares’ Kohorten

Phönix

Kronos

Epigramme

Jeder Garten

Müder Jüngling

Anke Apt

Heimatverlust

Bunt leuchtender Weg

Beziehungswaise

Aufräumen

Herbstnebel

Jahreswechsel

Unbekümmert

Knirschend Schritt für Schritt

Lothar Wachenschwanz

Ostseeflirt

Netto

Fragen bleiben

Leo Meurer

Blaues Wehen

gassenwinde

Thomas Barmé

lassen wir die liebe bleiben

über wasser halten

Volker Teodorczyk

Zwischenwelt

Strahlkraft

Martin Westenberger

damals, im süden

Carsten Rathgeber

Roter Faden

Staubreste

Rote Erde

Müde Welt, so spät

Beim Espresso

Herbstzüge

atmung

Kinderblicke

Geburten

Sommer

Schwarze Tage

Geboren

Hanna Fleiss

Der Waldsee

Denen, die nach uns kommen

All diese Sommer

Bobrowski

Tiefdruckgebiete

Carwitz

Griechische Tage

Rose Ausländer

Dampferfahrt

Ortsbesichtigung

Autorinnen und Autoren

Peter Frank

Biike

Windgeschliffener Hügel.

Strohmann,

aufgerichtet über dem

Schlaf der Riesen.

Rauhreif im Bart.

Früh

dämmert Abend in den

Augen der Kinder &

riecht nach Teer.

Februar

fasst die Fackel mit

vereisten Fingern.

Unter roten Segeln,

von Rottgänsen umkreist,

fährt aus das Flammenschiff.

Herab stürzt

die brennende Takelage des

Winters.

Herbst

Der

nebelbärtige

Totenfischer

hat

seine Netze

ausgeworfen.

Er weiß,

dass wir kommen.

Etwas

blickt zurück,

flackert auf,

Flamme

in

einem Kürbis,

erstickt

vom

Handschuh des

Regens.

Knochenfinger

der

Birken

suchen

einen Himmel.

Sie finden

den

Hunger der

Krähen.

Berlin

Als sei ein

Engel aus Eisen

niedergefahren,

ein letztes Tedeum zu sprechen,

den Tauben, dem Staub.

Megalithfeld, ausgestorben

die Vollstrecker, abgetragen

die Turnschuhe der Schulklassen.

Busse, ewig wie Insekten,

Antennen der Rückspiegel,

in Erwartung ihrer digitalen Beute.

Überall,

so scheint es,

Gedenken, Vernarbung, Nachhall.

Die Inschrift der Pflastersteinreihe,

die Leere wie ein steinernes Tuch

um zwei Schultern gelegt,

schwer wie eine Skulptur.

Noch immer,

so scheint es dem Fremden,

fühlen die Toten, widerwillig

den Lebenden gleich,

die Last der Stadt.

Sonnensegel,

in den Abend gespannt,

Delirien, illuminiert,

singend, sumerisch.

Landschaft hinter Bongsiel

Jetzt

im Oktober

gleicht das Land

einer Hand

am Ende des

Lebens,

flach

wie der Flügel eines

Fasans,

leise zitternd

unter den Gedankenstrichen

der Wolken,

erblindet

die Sonne über den

Krüppelkiefern.

Härter

ausgeleuchtet

die Randbezirke der

Blicke,

Stacheldraht,

vom Sturm gekappt,

eine

rostbraune Wanne,

Federn, Knochen,

die blutende

Kehle des

Jahres,

im Stoppelwind

die Kreise der

Krähen,

ihre Schnäbel,

Schwestern der Nacht,

legen

eisige

Münzen auf die

Augen.

Rungholt

Einige starben in ihren Betten.

Andere banden sich zusammen.

Tierkadaver trieben vorbei,

Windmühlen, Wagenräder.

Es rollte das Meer.

Noch heute stößt der Pflug

gegen Steine, Skelette.

Keine Glocke verkündet

den Ort im Grab der See.

Vom Leben erzählen die

Scherben im Watt,

die versunkenen Münder

der Brunnen.

Kambodscha

Wolken,

als trügen

sie

den

Regen der

Welt.

Litanei

der

Reisfelder,

geflutet

von Blicken,

Angkor Wat,

dunkelnd

wie getrocknetes

Blut.

Noch immer

schläft Tod

im

Schatten

der

Tamarinden,

steigt

Rauch aus

dünnem Rohr.

Gleichmut

der

Ochsenkarren.

Winter der Kindheit

Damals fiel der Schnee von

Dunkelheit zu Dunkelheit.

Der Schnee, der liegen blieb,

gegen Busfenster klatschte,

der an den Hosen hing

wie Glocken aus Glas,

der die Kufen schärfte unter

dem Schleifstein des Mondes.

Damals fiel der Schnee aus

einem anderen Himmel,

fiel auf Augen, Mund,

fiel auf das Schulheft,

begrub die Brille der Lehrerin,

füllte die kurzen Tage mit

Unendlichkeit.

Eine Hand wie ein Schneefeld

stellte den Stiefel, rot & leer,

in die blaue, brechende Nacht.

Stormland

Haubarg,

wuchtig wie die

Wolken,

Findlinge

im Nacken der

Galloways,

kahles

Kiefergehörn,

krähenverschrien,

ruhig

atmendes

Land,

gebeugt

ins Kummet der

Jahre,

der

gelbe Gesang des

Sommers,

das

schwarze Schweigen der

Äcker,

ein altes Buch,

narbig, zufällig,

eine

Novelle,

aufgeblättert vom

Sturm,

als

suchte er ein

Wort.

Eine

Möwe nahm

die

Feder

& schrieb es

in die

Ferne

der

Fennen.

Clown

Impresario –

mit der Gage

durchgebrannt.

Die Todesnachricht,

gesprochen ins Lachen

der Anderen.

Wie Herbstlaub

fällt Applaus in die

leere Manege.

Heiligenblut

Die Höfe

wie Laternen

in den Berg gehängt.

Seit fünfhundert Jahren

stapfen sie durch Schnee,

drehen den Stern am

hölzernen Stab,

singen das Hirtenlied,

singen die vierzehn Strophen

sechzig Mal in der Nacht.

Geduckt ins Dunkel der Stuben,

als stemmten sie die Balken,

Obstbrand in den Kehlen.

Im Krieg sangen die Frauen.

Hinterm Stall,

schläfriges Schnauben,

eisig die Nägel,

Rippenbogen,

ins Licht geschnitten

von der Sichel des Mondes.

Herbstabend

Das weiße Licht des Mittags wurde alt.

Wolken sehen wie Leguane aus.

Schatten kriechen züngelnd aus dem Wald.

Es weht der Wind, als hebe er das Haus.

Noch zieht die Vogelkette durch die Luft.

Nachzüglerschrei, verloren, gehetzt.

Bäume stehen schwarz & ohne Frucht.

Es hat das Jahr die Totenmaske aufgesetzt.

Schon zetern die Drosseln der Dämmerung.

Ihre Schnäbel schleifen nur den Stein.

Nebel liegt in leeren Nestern.

Zerbrochen die Urne der Erinnerung.

Grußlos tritt der Abend ein. Mit der

Flasche Bier & dem Brot von gestern.

Bäume

Keine Freunde, aber gute Bekannte,

in militärischer Ordnung ausgerichtet,

spalierstehend an den Chausseen,

in Gruppen in der Ebene,

teamfähig & tolerant

oder knorrige Einzelgänger,

mürrisch & schweigsam

unter den Mühlen des Mittags.

Großväter Eichen, narbig, grau,

Kastanien wie Kreuzritter,

ihre weißen Schwerter bereit

für unseren Anschlag.

Nur die Mutigsten schafften es

bis in die Krone –

Heimstatt der Winde,

Hüter der Schatten,

des ersten Kusses,

der kühlen Brause

im Hundeatem des Sommers.

In der Zeit der Drachen –

sichtbar die Spielsachen,

die der Juli vergaß:

ein Federball, ein Flugzeug,

die Latten des Hauses,

das nie gebaut wurde.

In der Zeit der Schlitten –

glitzernd über der Glut der Tage,

in Erwartung der Axt, der Kinder.

Sie ertragen unsere Gegenwart,

überwallen den Schmerz,

den wir in sie schlagen wie einen

Nagel in eine Hand:

ein Schaukelring, ein Vogelhaus,

ein Verkehrsschild, eine Dartscheibe,

der Torso des Gekreuzigten.

Ihre grüne Anwesenheit

gibt unseren Blicken Sinn.

Sie betrachten uns wie wir sie.

Ihre Wurzeln, die alten Garanten,

halten die Erde.

Die Geigen der Toten

Geworfen aus Zügen,

entrissen dem Rauch,

lagen sie eng.

Getragen in schwarzen Kästen

durch ein anderes Berlin.

Die Geigen der Lebenden.

Wer sie spielt,

fühlt die Schwärze des Schnees,

der fiel bei Krakau.

Am Aralsee

Ruinen der Leuchttürme.

Wrack, rostschwer,

gestrandet in einer

Wüste aus Muscheln.

Verkrustet das Logbuch.

Versandet die Netze.

Versalzen die Zisternen.

Hände, alt wie das Wasser,

stoßen ein Boot in den Abend.

Sigune Schnabel

Abgeblättert

In den Falten meiner Erinnerungen

spielen Kinder Verstecken,

stolpern wir über Ansammlungen

von Schutt.

Meine Hände werfen Blätter ab

über Einkaufszetteln

und Sand.

Mutter ruft noch immer von der Terrasse.

Aus ihrem Mund bricht

der Tag spiegelverkehrt.

Du legst eine Amsel

auf die Schaufel neben den Beeten.

Hinter den Büschen

gräbst du ein Loch,

hörst nicht mehr

Kindheit über das Pflaster rollen

bis an die Kante der Treppe.

In deinem Kopf

lässt der Tag Federn fallen.

Auf seinem Rumpf liegt erster Schnee.

Manchmal streife ich

durch Dickicht alter Träume.

Wenn Mutters Stimme ruft,

tragen die Tage gelbe Kleider.

In der Küche der Duft

von Holunder.

Hinter der Hecke hat die Welt

eine andere Farbe.

Sie weht durch Türen

wie der Geruch von Mohn,

legt sich auf

Vater,

Mutter

und das Glas,

in dem der Tag verschwindet.

Ich stehe am Fenster

und lausche

dem anderen Leben.

Ratlos

Ich werde eine Vermisstenanzeige aufgeben

für den Hut am Fensterbrett.

Er streckt sich nicht mehr

in diese Stunden aus Glas.

Meine schneeweißen Schultern tragen den Tag

mit Würde.

Vaters Stirn: eine Steilwand,

die ich nicht erklimme.

An diesem Sonntag

verdichte ich

mich hinter der Wiese.

Im Kornfeld zwischen Zeisigen

liegt mein Wort gelb.

Gestern lief ich mit vollen Armen

die Wege entlang.

Über die Finger schwappte

das Meer.

Über der Lehne deines Sofas

hängt der Frühling;

mehlweiß

verschluckt er den Morgen.

Auf Zehenspitzen gehst du

durch das Zimmer, willst

die Nebelkrähen nicht erschrecken,

nicht die Möbel,

die schon immer

mit den Füßen auf den Jahren standen.

Jeden Tag fegst du die Scheu

von deinem Boden.

Manchmal winkst du

deiner Sehnsucht,

einem rauen Freund.

Ich habe die Haut

von meiner Erinnerung gekratzt.

In Nächten wachsen mir

Algen um den Körper,

legen ihr Grün

bis über mein Haupt.

Morgens klingen die Lieder

noch stiller.

Ich atme Geschichten

und spreche sie vor deine Tür.

Ein Leben lang

sprachen sie mir Heimat

unter die Füße. Ich gehe

mit der Zeit.

Verstaucht, ihr Fuß.

Wir stolpern

über Brachland und Gras,

ziehen unseren Fragen Häute ab.

In meinem stillen Wasser

fischst du nach Sinn

und fängst ein gebrochenes Wort.

Am Abend legst du

den Klang

zurück auf die Erde.

Das Meer

hat mich in der Hand.

Bevor der Morgen kommt,

sinke ich

auf das Herz

rauer Felsen,

von Wellen gebrochen

und kalt.

Ein Flüstern auf Klippen

bin ich und lebe

im Regen;

Stunden aus Salz

hängen sandig

an meiner Haut.

Und wenn du mich findest,

ist mein Wort trocken.

Das Land riecht gewiss

schon nach Schnee.

Noch einmal

Ich trage das Blau in deine Worte,

tropfe es zwischen schrille Töne und Raues.

Ruhe fällt von Wort zu Wort,

und in dem Abdruck

haftet noch der Klang

von letzter Nacht.

In Erinnerungen sitzt du

und weißelst mein Gesicht,

tupfst alten Zeiten

Farbe auf die Lippen.

Wir gehen über Ungesagtes und Gras,

schicken Pläne über Brücken.

Manchmal knackt das Holz

von dem Gewicht.

Dichter

Ich werfe Blicke über das Tor,

greife Stimmen

und reife Brombeeren.

Du stocherst in meinem Namen,

bis ich ihn nicht mehr erkenne,

nennst mich Schaumschläger

und streifst meinen Schatten

am Haar.

Ich lege dich in Ketten-

sätze, sage ich klangvoll,

und du holst

mir einen Eimer mit Worten,

die du nicht mehr verstehst.

Später gehst du zum Nussbaum

deiner Kindertage, setzt mich

in Schall und Rauch.

Über den Kopf

stülpst du

die Haut des Sommers.

Salzig trägt sie den Geruch nach Sand.

Wieder streuen wir Stille,

streunend am Wasser,

bis dein Blick Meer wird

und Gischt

um den Brutplatz meiner Sehnsucht schäumt:

windgepeitscht unter dem Schrei

von Zugvögeln.

Gestern grasten schwarze Schafe

am Deich.

Ich zählte sie

und trieb sie ins Gedankenkarussell.

Du warst das Schiff,

das splitterte

vor meinem Mund.

Suche / Herbst

Dem Land steigt Dunst

aus allen Poren,

und auf die Stimme legt sich

Herbst.

Heute ist kein Tag

für Schnee

und Leoparden in den Blicken.

Ich schlinge dir

die letzten Worte

um den Hals

und lehne mich an Felsen.

Vielleicht liegt dort

auf deinem Mantel

dieser eine Satz.

Meine Lieblingsfarbe

ist das Weiß der Stille,

wenn der Morgen

erblasst.

Dann schweige ich

bei den Steinen,

verstehe die Lippenblütler

und sehe

mich werden.

In allen Dingen liegt ein Wort.

Ich pflücke keines,

lasse reifen.

Ulrich Grasnick

Mexikanisches Totenfest

Ich erinnere mich

an das überall versengte Gras,

die Sonne jedoch konnte das Grün

nicht aus den wehrhaften

Kakteen herausbrennen.

In ihren langen Stachelschatten

ruhten schwarze Hunde,

die niemandem und jedem

zu gehören schienen.

Sie waren gleichmütig gegenüber der Hitze,

fraßen jedem aus der Hand.

Hören konnte man den Staub der Straße

in ihrem Bellen.

Und bei aller Glut des Sommers

ist die Sanftheit der Mütter zu spüren.

In ihren blauen Tragetüchern wächst

das Erstaunen über unsere Welt heran.

Einen uferlosen Ausblick haben ihre Kinder

in den Tüchern,

diesen alltäglichen, vertrauten

Rucksäcken der Mütter.

Keiner muss befürchten,

der Zeit dieser Welt für immer

anzugehören – der Tod löst

unerwartet die Zeit in nichts auf.

Mein Leben lang hat er sein Kommen

versprochen,

und ich hätte zugestimmt,

wenn er dafür jene Momente

meiner großen Müdigkeit genutzt hätte,

in denen ich kaum noch am Leben hing.

Aber es kam einer jener Frühlingstage,

wo der Tod keine Fragen stellte –

als gerade der Duft der Blüten

wieder eine Art von Begehren

in mir aufkommen ließ,

wo nur ein Vogellied

jenen Duft noch zu übertreffen schien.

Alles geschah so schnell,

dass mir nicht einmal eine Erinnerung

an die Stunde des Todes blieb.

Jetzt aber ist November,

er schleppt Rauch vor sich her

von schon entfernten Feuern –

Weihrauch fröhlich gestimmter

Totenumzüge –

Ewigkeit in seinem Duft –

eine Prozession voller Hoffnungen

für das Leben.

Wir erwachen aus der Traumschule Schlaf,

gehen über zu den Lektionen des Tages,

zu den Hausaufgaben,

die der Tod uns aufgibt,

zu der Bürde, die er uns mit jedem Unglück

auferlegt,

auf den Straßen, in den Bergen,

auf den Meeren.

Überall stehen wir dem Tod bei,

aber an diesen Tagen im November tanzen wir,

feiern wir mit ihm das Fest –

Día de los Muertos

Augenblicklich strömen

aus dem Meer alle Flüsse zurück,

heute steigt ihr Toten

aus euren Gräbern auf.

Wir begrüßen euch

in eurer blassen Umarmung

aus Wachsblumen.

Die Zeit hat euch eure Gewänder genommen,

aber wir schenken euch heute neue

bunte Ponchos und Kleider.

Der Webstuhl hat hierfür manchen Nachtschlaf

geopfert und sein Schiffchen die alten Wunden

zwischen gestern und heute vernäht.

Von Tag zu Tag vergrößerte das Gewebe

sein farbiges Versprechen für dieses Fest.

Auch der Schlaf der Toten

setzt Staub an.

Wir durchbrechen ihn mit unserer Buntheit,

reißen die Toten aus ihrer Gefangenschaft,

bereiten ihnen auf diesem Fest

einen Himmel mit unserer Freude

und nehmen erneut Abschied.

Wir berührten das Niemandsland des Todes,

haben seine Ernte eingefahren,

die Erinnerungen an die Toten.

Ich trete leise ein in den Kreis des Todes,

noch unerfahren in den lärmenden Ritualen,

mit denen die Verstorbenen

aus ihrer Einsamkeit aufbrechen.

Der Tod, seine Geste

aus der Schwärze heraus,

erleuchtet uns,

ist bei uns in diesen schlaflosen Nächten,

in solchen Nächten, in denen wir

wieder und wieder mit den Toten tanzen

und die metallenen der Blasinstrumente

aufleuchten wie Lampen.

Immer, wenn der Freundenschrei

mich berührte,

sehnte ich mich nach Stille,

Unerschrockenheit,

dem Alleinsein.

Hier steht der Tod für eine verschlossene Last,

dem Wissens vom Abbruch der Trauer,

von eingeschnürter Wortlosigkeit in Särgen,

schmucklosen Gebeinen

auf dem Weg in das Finale, ins Vergessen,

während im mexikanischen November

Finsternis mit Farben

aus den Straßen getrieben wird,

Herdfeuer geschürt werden,

um den Toten ihr Lieblingsgericht zu kochen.

Dort im November,

wo die Lebenden das Einssein

mit dem Tod feiern,