Bissula - Felix Dahn - E-Book

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Felix Dahn

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Beschreibung

Dies ist Band 2 der historischen Romane aus den Zeiten der Völkerwanderung. Dahns Popularität gründete vor allem auf den historischen Romanen, die sich in den Gründerjahren des Deutschen Reiches außerordentlicher Beliebtheit erfreuten.

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Bissula

Felix Dahn

Inhalt:

Felix Dahn – Biografie und Bibliografie

Bissula

Erstes Buch - Die Freie

Erstes Kapitel

Zweites Kapitel.

Drittes Kapitel.

Viertes Kapitel.

Fünftes Kapitel.

Sechstes Kapitel.

Siebentes Kapitel.

Achtes Kapitel.

Neuntes Kapitel.

Zehntes Kapitel.

Elftes Kapitel.

Zwölftes Kapitel.

Dreizehntes Kapitel.

Vierzehntes Kapitel.

Fünfzehntes Kapitel.

Zweites Buch. Die Sklavin.

Erstes Kapitel.

Zweites Kapitel.

Drittes Kapitel.

Viertes Kapitel.

Fünftes Kapitel.

Sechstes Kapitel.

Siebentes Kapitel.

Achtes Kapitel.

Neuntes Kapitel

Zehntes Kapitel.

Elftes Kapitel.

Zwölftes Kapitel.

Dreizehntes Kapitel.

Vierzehntes Kapitel.

Fünfzehntes Kapitel.

Sechzehntes Kapitel.

Siebzehntes Kapitel.

Achtzehntes Kapitel.

Neunzehntes Kapitel.

Zwanzigstes Kapitel.

Einundzwanzigstes Kapitel

Zweiundzwanzigstes Kapitel

Dreiundzwanzigstes Kapitel

Vierundzwanzigstes Kapitel.

Fünfundzwanzigstes Kapitel.

Sechsundzwanzigstes Kapitel.

Siebenundzwanzigstes Kapitel.

Achtundzwanzigstes Kapitel.

Neunundzwanzigstes Kapitel.

Dreißigstes Kapitel.

Drittes Buch. Die Freigelassene

Erstes Kapitel

Zweites Kapitel.

Drittes Kapitel.

Viertes Kapitel.

Fünftes Kapitel.

Sechstes Kapitel.

Siebentes Kapitel

Achtes Kapitel

Neuntes Kapitel.

Zehntes Kapitel.

Elftes Kapitel.

Zwölftes Kapitel

Dreizehntes Kapitel.

Vierzehntes Kapitel.

Fünfzehntes Kapitel

Bissula, F. Dahn

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849608774

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

FelixDahn – Biografie und Bibliografie

Rechtsgelehrter, Geschichtsforscher und Dichter, geb. 9. Febr. 1834 in Hamburg als Sohn von D. 1) und dessen erster Gattin, Konstanze D. (gebornen Le Gay), studierte 1849 bis 1853 in München und Berlin Rechtswissenschaft, Philosophie und Geschichte und habilitierte sich 1857 in München als Dozent für deutsches Recht, wurde 1862 außerordentlicher Professor daselbst, 1863 ordentlicher Professor in Würzburg, 1869 korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften in München, 1872 Mitglied des Gelehrtenausschusses des Germanischen Museums in Nürnberg und ordentlicher Professor für deutsches Recht in Königsberg, von wo er 1888 an die Universität Breslau berufen wurde. 1885 ward er zum Geheimen Justizrat ernannt. Als juristischer Schriftsteller hat sich D. bekannt gemacht durch folgende Arbeiten: »Über die Wirkung der Klagverjährung bei Obligationen« (Münch. 1855), »Studien zur Geschichte der germanischen Gottesurteile« (das. 1857), »Das Kriegsrecht« (Würzb. 1870), »Handelsrechtliche Vorträge« (Leipz. 1875), »Deutsches Rechtsbuch« (Nördling. 1877), »Deutsches Privatrecht« (Leipz. 1878,1. Abt.), »Die Vernunft im Recht« (Berl. 1879), »Eine Lanze für Rumänien« (Leipz. 1883), »Die Landnot der Germanen« (das. 1889). Auch besorgte er die 3. Ausgabe von Bluntschlis »Deutschem Privatrecht« mit selbständiger Darstellung des Handels- und Wechselrechts (Münch. 1864). Von seinen geschichtlichen Arbeiten sind hervorzuheben: die Monographie »Prokopius von Cäsarea« (Berl. 1865) und das umfassend angelegte rechtsgeschichtliche Werk »Die Könige der Germanen« (Bd. 1–6, Münch. u. Würzb. 1861–71; Bd. 7–9, Leipz. 1894–1902), ferner: »Westgotische Studien« (Würzb. 1874); »Langobardische Studien« (Bd 1: Paulus Diakonus, 1. Abt., Leipz. 1876); »Die Alamannenschlacht bei Straßburg« (Braunschw. 1880); »Urgeschichte der germanischen und romanischen Völker« (Berl. 1881–90, 4 Bde.); »Geschichte der deutschen Urzeit« (als 1. Band der Deutschen Geschichte in der »Geschichte der europäischen Staaten«, Gotha 1883–88). Von Wietersheims »Geschichte der Völkerwanderung« bearbeitete D. die zweite Auflage (Leipz. 1880–81, 2 Bde.). Seine kleinen Schriften erschienen gesammelt u. d. T.: »Bausteine« (1.–6. Reihe, Berl. 1879–84). Sehr umfangreich ist auch Dahns belletristische Produktion, in der er zumeist altgermanische Stoffe mit modernem Leben verbrämt und eine entschieden nationale Gesinnung zur Schau trägt. Seine gründlichen historischen Studien kamen dem Dichter zu gute. Weitaus das beste dieser Werke war der erste historische Roman »Ein Kampf um Rom« (Leipz. 1876, 4 Bde.; 31. Aufl. 1901). Ihm folgten: »Kämpfende Herzen«, drei Erzählungen (Berl. 1878; 6. Aufl., Leipz. 1900); »Odhins Trost« (1880, 10. Aufl. 1901); »Kleine Romane aus der Völkerwanderung« (1882–1901, 13 Bde., und zwar: 1. »Felicitas«, 2. »Bissula«, 3. »Gelimer«, 4. »Die schlimmen Nonnen von Poitiers«, 5. »Fredigundis«, 6. »Attila«, 7. »Die Bataver«, 8. »Chlodovech«, 9. »Vom Chiemgau«, 10. »Ebroin«, 11. »Am Hofe Herrn Karls«, 12. »Stilicho«, 13. »Der Vater und die Söhne«, von denen die meisten in einer Reihe von Auflagen vorliegen); hierzu kommen: »Die Kreuzfahrer«, Erzählung aus dem 13. Jahrh. (1884, 2 Bde.; 8. Aufl. 1900); »Bis zum Tode getreu«, Erzählung aus der Zeit Karls d. Gr. (1887, 15. Aufl. 1901); »Was ist die Liebe?« (1887,6. Aufl. 1901); »Frigga's Ja« (1888, 2. Aufl. 1896); »Weltuntergang«,[419] geschichtliche Erzählung aus dem Jahre 1000 n. Chr. (1889); »Skirnir« (1889); »Odhins Rache« (1891, 4. Aufl. 1900); »Die Finnin« (1892); »Julian der Abtrünnige« (1894, 3 Bde.); »Sigwalt und Sigridh« (1898); »Herzog Ernst von Schwaben« (1902), sämtlich in Leipzig erschienen. Ferner schrieb D. die epischen Dichtungen: »Harald und Theano« (Berl. 1855; illustrierte Ausg., Leipz. 1885); »Sind Götter?. Die Halfred Sigskaldsaga« (Stuttg. 1874; 7. Aufl., Leipz. 1901); »Die Amalungen« (das. 1876); »Rolandin« (das. 1891). Seine dramatischen Werke sind: »Markgraf Rüdiger von Bechelaren« (Leipz. 1875); »König Roderich« (1875, u. Ausg. 1876); »Deutsche Treue« (1875,3. Aufl. 1899); »Sühne« (1879,2. Ausg. 1894); »Skaldenkunst« (1882), und die Lustspiele: »Die Staatskunst der Frau'n« (1877) und »Der Kurier nach Paris« (1883); endlich das Festspiel »Funfzig Jahre« (1962, sämtlich Leipzig). Auch verschiedene Operntexte hat D. verfaßt: »Harald und Theano« (Leipz. 1880, nach seiner epischen Dichtung); »Armin« (das. 1880, Musik von Heinrich Hofmann); »Der Fremdling« (das. 1880); »Der Schmied von Gretna-Green« (das. 1880). Desgleichen war D. als Lyriker rege tätig: auf seine »Gedichte« (Leipz. 1857; 2. durchgesehene Auflage u. d. T.: »Jugendgedichte«, das. 1892) folgten: »Gedichte, 2. Sammlung« (Stuttg. 1873, 2 Bde.; 3. Aufl., Leipz. 1883); dann: »Zwölf Balladen« (das. 1875); »Balladen und Lieder«, 3. Sammlung der »Gedichte« (das. 1878, 2. Aufl. 1896); 4. Sammlung, mit seiner Gattin Therese (das. 1892); 5. Sammlung (»Vaterland«, das. 1892); endlich eine »Auswahl des Verfassers« (das. 1900). Außerdem sind zu nennen Dahns Schriften: »Moltke als Erzieher« (5. Aufl., Bresl. 1894) und die sehr breiten »Erinnerungen« (Leipz. 1890–1895,4 Bücher in 5 Bänden). Seine »Sämtlichen Werke poetischen Inhalts« erschienen Leipzig 1898–1899 in 21 Bänden; neue Folge 1903ff. Mit seiner Gattin Therese (gebornen Freiin von Droste-Hülshoff, geb. 28. Mai 1845 in Münster) verfaßte er: »Walhall. Germanische Götter- und Heldensagen« (12. Aufl., Leipz. 1898). Von ihr allein erschien noch mit einer Einleitung des Gatten: »Kaiser Karl und seine Paladine. Sagen aus dem Karlingischen Kreise« (Leipz. 1887).

Bissula

Erstes Buch - Die Freie

Erstes Kapitel

Wer einmal zu Friedrichshafen am schönen Bodensee an klarem Augustabend die Sonne prachtvoll versinken sah hinter den Buchenwipfeln von Manzell, – wer die Fluten des Sees und die schneeigen Häupter der Alpen vom Säntis bis zu den Allgäuer Bergen erglühen sah in purpurnem Licht, während die Glockentöne des Ave Maria leise hinzittern über Wald, Wiesgrund und Wasser, – der wird seiner Lebtage das friedevolle Bild dankbar tragen in seinen Gedanken. Dorthin führt uns die kleine Geschichte von der kleinen »Bissula«. –

Aber damals, im Jahre 378 unserer Zeitrechnung, sah es noch gar unwirtlich und oft auch unfriedlich aus auf dem ganzen Nordufer des »Venetus lacus« (Bodensee). Urwald und Ursumpf bedeckten die Niederungen: nur selten, spärlich verstreut, erhoben sich Ansiedelungen auf getrocknetem, gerodetem Bauland. Viel tiefer landeinwärts als heute erstreckte sich damals der See: und noch bedeutend weiter als der See ein feuchtes Mittelding von Seegebiet und Uferland, eine Art Grenzstrich zwischen Wasser und Wiese, der, den größten Teil des Jahres über von Sumpf überzogen, dem Wildschwan, dem Reiher und zahllosem kleineren Wassergevögel Zuflucht zugleich und Weide bot.

Dies Land war schon geraume Zeit im Besitz der Alamannen.

Auf dem Südufer des Sees aber behauptete sich noch die römische Macht: vor allem, um die wichtige Legionenstraße zu beherrschen, welche aus Gallien über Augst (Augusta Rauracorum) bei Basel, Windisch (Vindonissa) nach Arbon (Arbor felix), Bregenz (Brigantium) und von da weiter nach Osten führte, den Zusammenhang der westlichen und der östlichen Teile des Reiches aufrecht haltend und zumal die Bewegungen der Truppen erleichternd, die bald vom Rhein an die Donau eilen mußten, die Goten im Osten, bald von der Donau an den Rhein, die Franken am Niederlauf oder die Alamannen am Oberlauf dieses Stromes abzuwehren.

Auch für dieses Jahr schien eine solche Hilfeleistung notwendig zu werden: – diesmal in den Ostprovinzen, wo gotische Völker, zumal Westgoten, flüchtend vor den Hunnen, Aufnahme auf römischem Gebiet gefunden, aber, zur Verzweiflung gebracht durch die Mißhandlungen der römischen Statthalter, drohend die Waffen erhoben hatten. Der Imperator des Ostreichs, Valens, hoffte zwar, allein mit ihnen fertig zu werden: nur ungern hätte er den Ruhm des Sieges geteilt mit seinem jugendlichen Neffen und Mitkaiser Gratianus im Westreich. Gleichwohl hatte er diesen auffordern müssen, sich bereit zu halten, im Fall der Not die gallischen Legionen dem Oheim zu Hilfe in die Donaulande zu führen. Gratianus aber hatte erwogen, daß er Gallien und den Rhein nur dann verlassen könne, wenn er vorher durch einen Rachezug die Alamannen für die jüngsten Grenzverletzungen gestraft und wenigstens für einige Zeit von neuen Einbrüchen abgeschreckt hatte.

Zugleich wollte er für den Fall der Abberufung an die Donau wenigstens einen Teil des langen Weges frühzeitig zurückgelegt haben, um dem Oheim die etwa verlangte Hilfe rascher bringen zu können. So war er denn Ende Juli mit dem größten Teil der Truppen von seiner Residenz Trier aufgebrochen und über Zabern und Straßburg auf dem linken Rheinufer nach Augst bei Basel gezogen. Hier und in Windisch schlug er zwei Lager und behielt die Hauptmacht um sich geschart, mit Neugestaltung der Provinz beschäftigt und der Nachrichten von den Ostlanden gespannt gewärtig, während der Streifzug gegen die Alamannen auf dem nördlichen Ufer des Sees einer kleinen Abteilung übertragen ward, die, rascher beweglich, für die Märsche in Wald und Sumpf besser geeignet und jedenfalls für ihren Zweck völlig ausreichend schien. Denn das Unternehmen galt nur dem Linzgau (so benannt von dem Flüßchen, das heute noch Linz, häufiger »Ach« heißt), den »lentischen« Alamannen, die, auf dem West- und Nordufer des Sees heimisch, zuletzt im Frühling dieses Jahres die römischen Grenzlande beunruhigt hatten.

Erprobten Feldherrn war die Führung des Streifzugs anvertraut. Fußvolk, Reiter wurden ihnen nach eigner Auswahl zugeteilt; ein starker Troß sorgte für Nachführung der Lebensmittel und des übrigen Gepäcks; zusammen waren es wohl über dreitausend Mann. Nach alterprobter, sieghafter Römer-Feldherrnschaft, – die Eroberung fast der ganzen damals bekannten Erde war ihr Ergebnis gewesen – sollten, wie bei großen Kriegen, auch bei diesem kleinen Streifzug die Feinde von mehreren Seiten zugleich »wie mit der Zange gepackt werden«: – ein Lieblingsbild der römischen Kriegslitteratur.

Ein Teil der Truppen – so die gesamte Reiterei, mehrere Geschwader »Cataphraetarii«, »Panzerreiter«, die ganz in Schuppenpanzern staken, Kohorten der zweiundzwanzigsten Legion, ferner ausgezeichnete germanische Söldner, Bataver – sie galten als die vorzüglichsten aller Hilfsvölker – endlich erlesene Scharen der kaiserlichen Leibwachen zu Fuß, meist Illyrier und Thraker, sollten von Windisch aus nördlich ziehen, den Rhein überschreiten, auf der alten Straße nach Norden marschieren, von da sich aber plötzlich und überraschend nach Osten wenden, das Westende des Bodensees umgehen, so dessen Nordufer gewinnen, den ganzen Linzgau von Westen nach Osten durchdringen, hier, im Herzen der Feinde, an vorbestimmter Stelle, Halt machen und der zweiten Abteilung die Hand reichen. Diese zweite Schar sollte inzwischen auf der großen Süduferstraße von Windisch nach Arbon (Arbor felix) marschieren, sich hier einschiffen, den See in gerader Fahrt durchschneiden, auf dem Nordufer landen und nun den Linzgau von Osten nach Westen durchziehen, bis sie die erste Abteilung erreichte.

So sollte den Barbaren, unter Verwüstung ihres gesamten Baulandes, das Ausweichen nach Westen wie nach Osten gesperrt werden. Die etwa auf ihren Kähnen versuchte Flucht nach Süden, über den See, sollte ihnen die römische »Bodenseeflotte« abschneiden. Jahr für Jahr, zuletzt noch in diesem März, waren über deren Stärkebestand und Tüchtigkeit die glänzendsten Berichte nach Gallien gesendet worden. Und was nach solchem Treibjagen von zwei oder drei Seiten noch übrig war, sollte von den nun vereinigten Scharen, so weit möglich, in den unwirtlichen Nordwald getrieben und in die Donau geworfen werden. Als Ort des Zusammentreffens war beiden Scharen der hochragende Hügel bezeichnet, auf welchem, eine halbe Stunde nördlich von Friedrichshafen, heute die Kirche von Berg weithin die Niederung überschaut. Damals hieß er der »Idisenhang«, d. h. der Hügel der Waldgöttinnen. Die römischen Schiffe mußten, bei gerader Überfahrt von Arbon aus, ohnehin in der Bucht des heutigen Friedrichshafen landen. Für das Landheer hoffte man leidlichen Weg zu finden auf den Überresten einer alten Straße, die sich früher – in besseren Tagen Roms – auch auf dem Nordufer des Sees hingezogen hatte.

Und jener steil abfallende, nach allen Seiten frei ausblickende, die ganze Gegend beherrschende Hügelkopf – der »Idisenhang« – war ein wahres Muster jener Stellungen, auf welchen der Römeradler bei seinen Beuteflügen zu kurzer Rast zu halten liebte. Hier sollte ein Standlager errichtet, von hier aus das Land der Barbaren nach allen Richtungen von kleinen Scharen durchstreift werden, während jenes feste Lager besetzt blieb und die Verbindung mit dem See, der Flotte, dem Südufer aufrecht hielt, bis man das ganze Unternehmen als beendet betrachten und zu dem Kaiser nach Windisch zurückkehren konnte.

Zweites Kapitel.

Rasch, geschickt und glücklich hatten die kriegskundigen Führer die Ausführung ihrer Aufgaben eingeleitet. Arbor felix (Arbon), die wohlbefestigte Uferstation der großen Heerstraße, war zwar wiederholt von den Alamannen vom See her auf raschen Booten überfallen, geplündert und in Brand gesteckt, aber nie dauernd behauptet worden; sie liebten es nicht, sich in Städte zu setzen. Und vor wenigen Jahren hatte Valentinian, Gratians kriegsgewaltiger Vater und Vorgänger, das alte Mauerwerk wieder geflickt und verstärkt, die Besatzung vermehrt, Vorräte, zumal Getreide, in den Magazinen aufgehäuft, auch in dem bequemen Hafen eine Anzahl von Fahrzeugen bereit gestellt; zwar nicht so viele und so stattliche, als dereinst in stolzeren Zeiten die »venetische Flotte« gezählt hatte, aber doch hinreichend, den Barbaren den Angriff von der Seeseite her zu verleiden, ja sie ständig mit einer Landung auf dem Nordufer zu bedrohen. Der Führer der für diese Flotte jetzt bestimmten Abteilung, der Comes von Britannien, Nannienus, ein segelkundiger Bretone und vortrefflicher Offizier, hatte alsbald mit seiner Schar auf der guten Straße von Windisch her die Hafenfestung erreicht.

Viel länger brauchte die andere Abteilung, bis sie auf ihrem müheschweren Marsch, zuletzt nach Osten einschwenkend, das Seeufer wieder erreichte. Vorsicht war das wichtigste Gebot bei diesem Zug durch unwegsames Barbarenland: und an keiner Vorsichtsmaßregel ließen es die kriegsgeübten, besonnenen Führer fehlen. Eingeborne, ortvertraute Landeskinder dienten als Wegweiser; obwohl man nur römische Provinzialen des Südufers hierzu wählte, sicherte man sich doch sorgfältig gegen Verrat von ihrer Seite. Reiter, leichte keltische Bogenschützen, die »Keltae« und »Petulantes«, sowie die waldvertrauten, im Waldgefecht geübten Germanen, – die Bataver – bildeten die Vorhut wie den Nachtrab. In der Mitte marschirte das schwergerüstete Fußvolk der kaiserlichen Leibwachen, in »nach allen Seiten geschlossenem Zug«, Händler und Marketender, Gepäck, Lagerzeug und Vorräte umschützend. Man zog auf den Resten der alten Straße dahin, dem Ufer so nahe, als es der Sumpfboden irgend verstatten wollte, um sich den Ausblick auf den See stets frei zu halten, dorther von den Barbaren auf ihren Kähnen etwa versuchte Angriffe rechtzeitig zu entdecken und das jenseitige, das römische Ufer nicht aus dem Auge zu verlieren.

Die härteste Aufgabe fiel dabei dem linken Flügel zu, welcher, nördlich von der Mittelmacht und der alten Straße, auf einem erst durch Wald und Moor zu brechenden Pfade, entlang der Hauptschar marschieren und letztere decken sollte wider einen Flankenangriff der Feinde; denn, wenn diese aus den undurchdringlichen Waldverstecken plötzlich auf die im Marsch begriffene Kolonne vorstießen, konnte der ganze überraschte Heereszug durchbrochen und in Sumpf und See geworfen werden. Der Widerstand, den Wald und Moor dem Vormarsch leisteten, schien aber der einzige zu bleiben, auf welchen die Römer stoßen sollten. Denn nicht auf einen einzigen Menschen trafen diese, seit sie das Südufer des Sees und die Stationen der dortigen Straße verlassen hatten. Alamannische Dörfer gab es nicht in dieser Gegend: Hofsiedelung war herrschend in der Landschaft; stunden-, ja meilenweit lagen die Gehöfte, »die Schwaigen«, verstreut. Die wenigen Einödhöfe, die man auf dem mehrtägigen Marsch antraf, waren – verlassen. Eine unheimliche, drohendes Verderben brütende Stille schien über den leeren Holzbauten zu lagern.

Abgemäht waren überall – kurz vor der Vollreife – Hafer, Gerste und Spelt, zum Teil abgebrannt: das ging rascher, und dem Landfeind sollte das alamannische Getreide nicht einmal zum Pferdefutter dienen. Das Vieh war fortgetrieben; leer stand auch die Hütte des treuen »Hofwart«, des Haushundes, die selten fehlte neben dem Hofeingang; ausgeräumt waren die Vorräte von Heu und Stroh in den »Schupfen«, den Scheunen, die, meist mit dem Wohnhaus verbunden, manchmal aber auch neben demselben ausgezimmert waren.

In langsamem, häufig stockendem Zug, nur schwer vorwärts kommend, für die Verpflegung lediglich auf die von den Truppen oder die von den Händlern und deren Weibern mitgetragenen Vorräte angewiesen, jede Nacht vorsichtig ein wohl befestigt Lager schlagend, mühten sich die Römer mehrere Tage lang, vom Westende des Sees, wo er in dichtes, stundenbreites Röhricht und weithin im Winde wogende Schilfwiesen verlief, allmählich gegen Osten vor.

So war man an den Fuß der steil aufsteigenden Höhe gelangt, die heute das stattliche, weithin glänzende Schloß von Meersburg krönt. Es ging gegen den Abend des langen Augusttages, der vielfach regnicht, doch nicht ganz trüb gewesen war. Noch einmal brach die Sonne hell aus dem Westgewölk, die ganze Kette der Berghäupter von den Berner Alpen bis zu den Allgäuer Höhen vergoldend: der Säntis glühte in weinrotem Glanz, feierlich, wie ein König der Bergriesen, der seinen Purpurmantel um die stolzen Schultern gezogen hat.

Vorsichtig machte der Zug der Römer Halt an dem Fuß des sehr steilen Hügels, dessen Felsen gegen die Seeseite und gegen Westen schroff abfallen, während die Kuppe, damals dicht von Wald und Busch bestanden, dem Blick undurchdringbar, finster herniederdräute. Das Laub der Eichen und die Nadeln der Tannen waren naß geregnet und, wo die Sonne nicht darauf fiel, sah es dunkelgrün, fast schwärzlich aus.

Zwei Heerführer, deren hell im Abendschein leuchtende Rüstungen durch reichen Gold- und Silberschmuck hohen Rang bekundeten, ritten langsam gegen die Höhe an. Vor ihnen her schritt, rechts und links mit den Armen an die Steigbügel von je einem Panzerreiter gebunden, ein Wegweiser. Einige Pioniere mit Beil und Schaufel umgaben die beiden Führer, ein Häuflein batavischer Speerschützen folgte. Der eine der Offiziere, ein stattlicher Mann von etwa fünfunddreißig Jahren, hielt nun den schweren, spanischen Rapphengst an und beugte das wohlgebildete, wettergebräunte Antlitz scharf auslugend vor. »Wenn ich je Germanen gekannt und bekämpft habe,« sprach er mit stark illyrischem Accent, »stecken sie dort oben, in jenem Buschwald, auf der Felskuppe, die sich selbst verteidigt. – Halt an, ich bitte sehr, Präfectus Prätorio von Gallien! Nicht weiter vor ohne Auskundschaftung! – Vorwärts, ihr wackern Bataver: Rignomer, nimm sechs Mann, und hinauf in das Gestrüpp! Aber Vorsicht! Und du, Brinno, Hornbläser, giebst sofort das Warnzeichen, trefft ihr auf den Feind.«

Während sein Befehl vollzogen ward, lächelte der andere, ältere Heerführer: »Allzu ängstlich, mein Saturninus! Immer zu behutsam.« »Man kann nicht zu behutsam sein gegenüber diesem Feind, mein hoher Freund. Hätten die Barbaren diesen von den Göttern ihres Landes selbst aufgebauten Schutzwall nicht besetzt, dann müßte sie jeder Mut des Widerstands verlassen haben.« »Und gewiß, er hat sie verlassen! Die Kriegslust ist ihnen gründlich ausgetrieben durch Valentinian, den großen Verewigten, und durch unsern jungen Heldenkaiser, seinen Sohn: – meinen Zögling!« fügte er selbstgefällig bei. »Ich bin überzeugt, die ganze Germanengefahr ist für das Reich vorüber.«

Schweigend schüttelte der andere das Haupt. Da sprengte von der Mitte des Römerzuges ein Befehlshaber der Panzerreiter, ein Mann von etwa fünfundzwanzig Jahren, heran. Aus dem Helm starrte struppiges Haar hervor und häßlich waren die unedeln Züge. »Müssen wir über diesen götterverhaßten Felsen, Tribunus?« rief er, das Pferd kurz parierend. »Wir müssen,« erwiderte ruhig der Illyrier. »Soeben ward mir gemeldet, unsere linke Flankenschar hat wieder einmal den Wald grundlos versumpft gefunden und sich auf diese – unsere einzige – Straße heranziehen müssen. Und zur Rechten rauscht der See!« Der Häßliche warf einen bedenklichen Blick auf die Felshöhe. »Hm,« meinte er, »wird viele Leute kosten. Ist aber kein Unglück.« fuhr er fort, »wir haben Barbaren übergenug in Sold, fallen sie gegen andere Barbaren – immer sind's soviel Bestien weniger.« »Wie abscheulich, Neffe Herculanus,« verwies der Präfectus Prätorio. »Wird der Aufstieg verteidigt,« fiel der Tribunus ein, »kostet er viele Zeit. Und Zeit haben wir gar nicht zu verlieren. Wir sollten schon längst am Ister stehen, die Goten abzuwehren. Mir bangt um Kaiser Valens. Übles ahn' ich!« »Immer ahnst du Übles,« lächelte der Ältere, der Präfectus Prätorio, »und nie trifft das Üble ein: immer siegt das Glück der ewigen Roma! Horch, auch diesmal. Der Hornbläser giebt das Zeichen: »»Alles sicher! Vorrücken!«« Und der Centurio der Bataver, der zuerst die Höhe erklommen, – wie heißt er doch? – Rignomer: er winkt uns, ihm zu folgen. Hinauf, ihr Freunde! Hatte ich nun nicht Recht, mein tapferer Tribun? Die Barbaren geben den Widerstand auf.« – »Recht hast du, wie immer, Oheim!« meinte der junge Offizier mit einem Lächeln, das freundlich sein sollte, aber häßlich ausfiel. »Wenn du nur Recht behältst, Ausonius!« sprach der Illyrier zögernd. »Aber für den Augenblick scheint es wirklich so. Auf, Tubabläser, gebt die Zeichen: »»Der ganze Zug: vorwärts!«« Wir schlagen das Nachtlager auf jener Höhe und wehrlos vor uns liegt das Land der Alamannen.«

Drittes Kapitel.

Unter den Römern war, wie wir sahen, nicht bekannt geworden, ob die Barbaren Witterung hatten von den Vernichtung drohenden Streichen, die von mehreren Seiten zugleich gegen das Waldvolk geführt werden sollten. Die Vorbereitungen waren so geheim betrieben worden, daß den Feldherren völlige Überraschung der Feinde erreichbar schien. Seit Wochen schon durfte kein Germane mehr die äußerste Postenlinie überschreiten des »limes«, des – jetzigen – römischen Grenzhags: er war freilich sehr weit zurückverlegt worden im Lauf der letzten drei, vier Menschenalter. – Das Recht des Marktverkehrs in den Stationen auf dem südlichen Ufer war ihnen schon länger entzogen wegen angeblicher Verletzungen der Bedingungen solchen Verkehrs. Die römischen Händler aber wagten sich seitdem auch nicht mehr in das Gebiet der über solche Strenge erbitterten Nachbarn. Die Grenzwachen meldeten, daß man von den Warttürmen aus irgend Auffälliges bei den Barbaren wahrzunehmen nicht vermöge. In gewohnter Weise gingen die Leute da drüben ihrer Arbeit in Feld und Wald, dem Weiden ihrer zahlreichen Herden, manche der Jagd oder dem Fischfang im See nach; sie schienen weder an Gegenwehr noch an Flucht zu denken.

Einmal zwar ward von einer der »speculae« aus berichtet, tief in der Nacht sei auf einem fernen, wohl mehrere Stunden weit vom See entfernten Berg plötzlich ein Feuer aufgeflammt und nach kurzer Frist ebenso plötzlich wieder erloschen. Der »Weihberg«, das heißt: »der heilige Berg«, auch »Wodansberg«, hieß den Alamannen jene hochragende, weithin sichtbare Kuppe, und der Name hat zähe gehaftet. Später freilich galt die »Weihe« einem christlichen Weihtum: aber heute noch führt den Namen »Heiligenberg« ein stattlich Schloß auf jener herrlichen Höhe. An der Stelle, wo damals Wodans Eschen gerauscht, säuselt jetzt der Wind über die Blumenbeete eines wunderschönen Gartens. –

Die Meldung war nicht aufgefallen. Waldbrand, auch zur Nacht, war nicht selten bei dem Rodungswerk der Alamannen, die oft statt der Axt die raschere Flamme zur Arbeit riefen. Auch war in den nächsten Tagen alles ruhig geblieben am Grenzhag. – – –

An dem Morgen nach jener Nacht – es war wenige Tage vor dem eben geschilderten Einmarsch der Römer über die Höhe von Meersburg – schritt von dem dichten, meilenweiten Gehölz, das sich vom See nordwestlich gegen den »Weihberg« zog, in die Lichtung heraus ein Jüngling: hochragend, schlank, wie eine Edeltanne aufgeschossen. Die zurückgeworfene Kapuze des Luchsfelles, das als ein kurzer Mantel von seinen Schultern flatterte, hinderte nicht das lange, dunkelblonde Haar, das in breiter Woge auf die Schultern wallte; der Morgenwind spielte kosend darin, wie der Wanderer Halt machte auf einem niedern Rasenhügel, der den Blick über den Seespiegel gewährte. Den schwungkräftigen Schritt hemmend, den rechten Arm um den Eichenschaft des Speeres geschlungen, neigte er sich leise vornüber: mit der linken Hand die blendende Spiegelung der Sonne auf der glatten Fläche ausschließend, spähte er angestrengt über die Flut hin nach dem Südufer. Der Blick war adlerhaft: denn er war stolz und kühn und scharf, und die Farbe des Auges war ein helles Goldbraun. –

Hell glänzten von drüben, von Arbon und den anderen Stationen, wie Constantia (Konstanz), die römischen Warttürme und Hafenburgen herüber mit ihrem roten Ziegelbau. Alles lag in tiefster Ruhe. Kein Segel, kein Ruderboot war zu sehen: ungestört zog ein mächtiger Weih, mit seltnem Flügelschlag, seine stolzen Kreise über dem Seicht der Ufergewässer. – Befriedigt wandte der Alamanne nun den Blick auf die vor ihm liegende sanfte Höhe, die heute, nordwestlich von Friedrichshafen, das Dorf Jettenhausen trägt. Schon damals war das Land daselbst gerodet und unter den Pflug genommen. Auf der Krone der Anhöhe ragte eine stattliche Holzhalle, von wehrhaftem brusthohem Pfahlzaunwert umgürtet; ein stolzes Hirschgeweih prangte – als Hauszeichen – an dem Firstbalken. Von der Herrenhalle selbst und von einem der kleinen Nebengebäude stieg kreiselnder Rauch aus den Luken der Balkendächer; die Leute rüsteten wohl das Frühmahl. Es schien, als ob der Jüngling nach Süden, in der Richtung der vornehmen Halle, auf der sein Blick mit Stolz, aber auch mit fast wehmutvollem Ernst geruht hatte, herniedersteigen wollte. Aber plötzlich wandte er sich: »Nein!« sprach er zu sich selbst, »zuerst – zu ihr!« Und nun eilte er geradeaus nach Osten, durch den damals völlig morastigen Tann, der heute noch der »Seewald« heißt. Er durchschnitt ihn in der Richtung nach dem Tettnanger Forst. Gar oft mußte er vorsichtig den Sprung von Stein zu Stein, oder von einem Mooshügel zum andern abmessen, nicht in den gürteltiefen Sumpf einzusinken. Aber der Jüngling schien ihn trefflich zu kennen, den kaum wahrnehmbaren, viel unterbrochenen Gangsteig, der sich bald als Furt, bald als Brücke durch den Moorgrund und das dichte Gestrüpp hinzog. – Über einen ziemlich breiten Bach, der durch Moos und Röhricht dem See zueilte, schwang er sich in hohem Sprung auf seinem Speerschaft – hell gackernd flog das Moorhuhn auf, das er emporgescheucht – und nun sah er bald vor sich liegen die seiner stolzen Halle – denn er war der Herr und Eigner jenes hochragenden Edelhofs – nächste Siedelung; weiter als eine Stunde wohnte damals hier Nachbar von Nachbar entfernt; erst in den folgenden Geschlechtern erwuchsen die Einödhofe am See allmählich zu Dörfern. –

Das Häuslein im Walde – fast mochte man es Hütte nennen – duckte sich bescheiden an den Fuß eines sanften Bühls, der es vor dem Nordostwind barg. Dunkelgrünes Moos hatte das alte Dach überzogen. Der schmale Stallraum für wenige Häupter Vieh war mit dem Wohnhaus zusammengebaut. Doch war alles sauber und wohl gehalten, zumal der kleine Anger, auf dessen umzäuntem Wiesboden ein paar Obstbäume standen. Und gar seltsam berührten in dieser Wildnis das Auge einige römische oder doch südgallische Ziersträucher: Taxus und – sorglich gepflegt – edle Rosen. – Über die Stirn des Firstbalkens ragte, ungefüg aus Tannenholz geschnitzt, aber doch unverkennbar, das Bild eines vierzackigen Sternes. Es war dadurch nicht eben schöner geworden, daß man die weiße Fläche, offenbar erst kürzlich, grellrot angestrichen hatte mit dem Mennig, dessen man sich zur Färbung der eingeritzten Hausmarke zu bedienen pflegte. Der Wanderer warf unwillkürlich, sowie er des Häusleins ansichtig ward, den ersten Blick auf das Dachzeichen; da er den roten Anstrich gewahrte, zog ein Lächeln über seinen feingeschnittenen, vom weichen Flaumbarte nicht ganz bedeckten Mund. Der zweite Blick aber suchte den Scheitel jenes niedrigen Bühls, wo eine uralte Eiche, jetzt vom goldnen Sommersonnenschein hell beleuchtet, die knorrigen Äste leis im Morgenwinde wiegte; lange, von den Zweigen herabhängende Flechten von Waldbart wogten und schwankten daran hin und her. – Um den Stamm der Eiche war eine ihn ganz umgürtende Rundbank gezimmert; auf der Südseite hatte man ein paar Felssteine zu einer Art Tisch zusammengefügt.

Viertes Kapitel.

Auf der Bank, im warmen Strahl der Sonne, saß, in dunkle Gewände gehüllt, fast reglos, eine Gestalt: eine Greisin. Aus dem Saum des über das Haupt gezogenen braunen Mantels traten dünne Streifen schönen, weißen Haares vor; nur wenig und ganz gleichmäßig rührte sie die Hände. Als der Schritt des Jünglings auf dem sandigen Aufstieg des Bühles scholl, beugte sie sich, einhaltend in der Arbeit, vor, und lauschte; dann nickte sie leise und flüsterte: »Deshalb huschte sie hinweg!« Nun fuhr sie wieder fort in ihrem Werk. »Heil dir, Waldrun!« sprach der Jüngling, vor ihr Halt machend. »Erschrick nicht – ich bin's –«

»Adalo, der Edeling,« fiel die Greisin ein. – »Du erschreckst nur die Argen.« – »Du erkennst mich?« – »Wem die Götter die Augen verlöscht haben, den machen sie sehend – die Seele. Hallt dein leichtgeschwungener Schritt auch nur selten mehr um mich her, – ich kenne ihn gut. Oft hör' ich dich, wie du, ausweichend in weitem Bogen, um unsern Hof eilest. – Bei Tage kommt nur noch Bruna, das gute Tier, deine zahme Bärin, herübergetrottet vom Edelhof zu uns. Denn auch deinem lichtlockigen Brüderlein hast du wohl den Besuch verboten. Das Tier aber ist treueren Herzens als die Menschen: – oft und oft sucht es meine Kleine auf und Zercho, den Knecht. Und wenn es einen Kranz von den meiner Kleinen liebsten Blumen um das Halsband geschlungen uns zuträgt und ihn brummend abstreift in ihren Schos: – wir wissen's wohl, nur Sippilo, der Knabe, nicht du, hast ihn gesendet! – Bei Tage meidest du uns! – Aber« – sie beugte sich nun vor und sprach ganz leise: der Jüngling sah sich staunend um: waren sie doch allein: – »aber bei Nacht schleichst du manchmal nahe heran.«

Der Jüngling errötete über und über: er wollte ablenken. »Und ohne zu sehen kannst du spinnen?« – »Spinnt doch die jüngste der drei großen Schwestern – blind geboren – des ganzen Menschenvolkes Zukunft, Und ich bin erst blind geworden. Und was ich spinne, ist mir fingervertraut wie gedankengewohnt.« – »Was spinnest du?« – »Mein Sterbegewand. – Aber nicht nach Waldruns Sterbegedanken zu forschen, mein' ich, kam der Edeling, Adalgers Sohn, hierher. Suchst du meinen Sohn? Suomar ist noch nicht zurück vom Ding.« – »Ich such' ihn nicht: – er sendet mich. Das Gauding – heut' Nacht auf dem Wodansberg – hat beschlossen, die Gehöfte und das Bauland zu räumen.« Und zornige, drohende Kampfesfreude verschonte das edle, langgezogene Antlitz, als er beifügte: »Der Römer naht!«

»Er wird nicht lange weilen,« sprach die Alte ruhig fortspinnend. »Schon oft sah ich ihn stark anbrausen: – und bald wieder schwach vergehn.« – »Euch Frauen, die Unwehrhaften, die Unfreien und die Herden sollen zwei Schutzwerke aufnehmen, weit vom See: eins auf dem Wodans-Weihberg im Niedergang, das andere in den Ostsümpfen. Zwei Heerhaufen bilden wir: einen für Sonnenniedergang, den anderen für Aufgang. Dein Sohn ist dem Osthaufen zugeteilt. Er ist gleich vom Ding hinweg in die Ostsümpfe geschickt worden: sie sollen die Furten dort durchstechen und am Gauhag die Verhacke verstärken, so den Walen das Eindringen zu wehren.«

»So sollen wir wohl gegen Aufgang eilen, in die Sümpfe? Dort sind wir ihm näher.« Zögernd begann Adalo. – Gluten stiegen ihm abermals in das Antlitz und einen scharfen Blick warf er auf die Thüre des nahen Hauses, bevor er anhob: – »So war sein erster Einfall – und so verteilt die Fliehenden im ganzen des Volkes Beschluß. – Aber – ein andrer – ein Freund, – riet ihm, euch lieber nicht in den Sümpfen zu bergen, sondern – auf dem Weihberg.« – »Du ziehst zu dem Westhaufen – auf den Weihberg?« Adalo schwieg. »Du rietest ihm so, Adalo!« – »Ich leugn' es nicht. – Sieh, ich meine es gut mit euch. Besser geborgen als in dem Sumpfland seid ihr auf Wodans ragendem Waldberg. Voll Unbehagen lebt sich's in dem Fieber brütenden Moor: – oft befällt dich ja dieses Siechtum – und nicht so sicher. Der Osthaufe weilt nicht in eurem Verstecke: Suomar selbst kann euch nicht schützen, nur euer Versteck euch verdecken. Auf dem Weihberg aber, hoch in den Steinringen, schützt euch die Nähe der Waltenden, der Landesgötter selbst. Und behaglicher, freudiger lebt sich's dort unter Waldhütten und Laubzelten! Und« – so schloß er zurückhaltend, bescheiden – »ich selbst bin dort, euch zu schirmen. Folgt mir – schon morgen kann es zu spät sein – folgt mir sogleich!« Da fielen aus dem dichten Geäst des hohen Baumes ein paar Eicheln prasselnd auf die Steinplatte, prallten ab und sprangen zur Erde. Adalo sah empor. »Wohl ein Eichhorn?« meinte er. »Ja. – Ein rotes!« fügte die Alte kopfnickend bei. »Es treibt oft sein mutwillig Spiel da oben. – Sind oft recht zornmütig.« – »Das sind sie,« lachte Adalo. »Eines, das ich griff, hat mir einmal den Finger fast durchgebissen. Da!« – Die Frau befühlte den hingestreckten Zeigefinger seiner Rechten. Sie ließ ihn nicht gleich los, tastete daran und sprach dann: »Dahinter liegt noch eine andre Narbe! – Die biß dir vor Jahren – weißt du noch? – im Heißzorn mein böses Enkelkind. Wie war es doch?«

»Beim Sunnwendfest war es. Der Weststurm blies wütend, wie Wodans Atem. Sie vermaß sich, allein, in eurem morschen Schelch, – dem alten Einbaum! – mit Seitenwind den rasenden See zu kreuzen. Die andern höhnten: – ich bat. Umsonst. Sie sprang in den Nachen und stieß ab: sie war verloren, kam sie über den Schilfhaken hinaus in den Weitsee. Ich lief nach, watete, schwamm und fing sie aus dem Kahn, gerade wie er umschlug. Ich trug sie ans Ufer. Sie wandte und wehrte sich, fauchend wie eine Fischotter, und biß mir zum Dank in den Finger.«

»Da erfand aber,« sprach die Alte verweisend, »ein böser Singemund den Spruch:

»Arg kratzt die Eichkatz, – Bittrer beißt Bissula.«

Der Spruch ging um im Gau, ja in allen Gauen am See. Wohin meine Enkelin kam, zum Beerenlesen im Sommer, zum Flachsbrechen, zum Stoppelreigen, zur Sichelhenk, zur Drischelleg:– überall scholl ihr entgegen der höhnische Spruch im Rundgesang. Das war nicht wohlgethan! – Nicht klug!« fügte sie leiser bei. – »Mutter Waldrun – nun ja: – es war nicht wohlgethan – aber nicht böse gemeint.« – »Ja, ja, Wodan hat dir das Lied auf die übermütige Lippe gelegt und das beflügelte Wort, den Witzspruch. – Du kannst es nicht lassen! – Siehst du ein ladendes Ziel, – der Pfeil der Neckrede saust dir vom Munde!« – »Aber unvergiftet, sonder Widerhaken! Ein stumpfer, kleiner Bolz, mit dem man das herzige Rotkehlchen trifft, Donars elbischen Liebling, nicht, es zu wunden, nein, ungesehrt es zu fangen und in das Gehöft zu tragen, an unsern Herd, auf daß es uns lieblich singe Jahr für Jahr.« – »Hüte dich! Heißzornig, leichträchend und langrächend ist, was rote Farbe trägt.« »Jawohl,« lachte der Jüngling. »Wie geht ein andrer Spruch?«

»Reizt dich das Rothaar? Rette dich, rat' ich! Scheue die Schöne! Falsch ist sie und fauchend, Wie Feuer und Fuchs!«

Kaum war der letzte Stabreim gesprochen, als sich hoch oben aus dem Wipfelgeäst des gewaltig ragenden Baumes seltsame Töne vernehmen ließen. Zu höchst oben ein Fauchen und Kollern, aber tiefer unten ein anderes Geräusch, wie wenn etwas an dem Stamme sich rutschend herabließe. Die ersten Laute kamen zweifellos von einem Eichhörnlein, das, aufgeschreckt durch irgend eine Störung, blasend und zischend vor Angst oder Zorn, in weitem Bogen und doch in sicherem Sprung von dem obersten Gipfel des Baumes auf die ziemlich fern stehende Nachbareiche hoch durch die Luft sich schwang.

Fünftes Kapitel.

Adalo folgte mit dem Blick dem flugähnlichen Sprung des Tierleins. – Aber einstweilen war aus dem dichtesten Mittelgezweig an dem Stamme behende herabgeglitten ein junges Geschöpf, das Mädchenkleidung trug, die es sofort, wie es auf den Füßen stand, von Knie zu Knöchel sorgsam glättend niederstrich. – In seiner zierlichen und leuchtenden Schöne, in der fast kindlichen Kleinheit seines ganzen Gliederbaus glich das Wesen weniger einer Menschenmaid, als einer Lichtelbin. Sie trug keinen Mantel. Das weiße Linnengewand mit kirschrotem Saum und gleichfarbigem, handbreitem Gürtel ließ Hals und Arme frei: blendend weiß wie Elfenbein leuchtete alles, was man von dem fast allzufein modellierten Leibe sah; dunkelrot dräuten die auffallend starken, in der Mitte beinahe zusammenstoßenden, sehr edel geschwungenen Brauen; aus den hellblauen Augen sprühten jetzt helle Blitze des Zorns. Mehr noch durch lebhafteste Anmut des Ausdrucks und durch die vollendete Zierlichkeit des kleingliedrigen Leibes fiel die Erscheinung auf, als durch regelmäßige Schönheit.

Denn – es kann nicht verschwiegen werden! – das reizend schnuppernde, neugierige Näslein ragte zwar nicht etwa in die Höhe, – gewiß nicht! – aber es war ein klein wenig zu kurz ausgefallen. Und da es nun auch an der Spitze jäh nach unten abfiel, war der Raum zwischen dem Näslein und der Oberlippe etwas lang geraten: so erhielt das ovale Gesicht in der Ruhe den Ausdruck eines halb wachsam erstaunten, halb schelmisch-übermütigen Ausblicks in die Welt.

Alles war an dieser zierlichen Libelle so zart und duftig gehalten, daß man das Mädchen fast noch ein Kind erachten mochte; aber die lieblich schwellenden Formen verkündeten anmutvoll das junge Weib. Und von höchstem, auch die Sinne berückendem Reiz war der, obzwar so kleine, doch sehr üppige, wie in scherzendem Schmollen aufgeworfene Mund: – so kirschrot, wie der Saum ihres Gewandes. – Ein Grübchen im Kinn, ja der ganz leise Ansatz sogar zu einem Doppelkinn verliehen dem Antlitz jene holdselige Weichheit, ohne welche Weibesschönheit kalt läßt. Das Auffallendste jedoch an dem wundersamen Elbengebilde war das Haar, das ganz lichthell-rote, dem Brandgelb der Flamme gleichende Haar, das Stirn und Schläfe umspielte in tausend mutwillig krausen, ganz kurzen Ringelchen: – je aus einem für sich allein gelockten Haar. Wie ebensoviele Dornen ein Röslein schienen sie das Gesicht schützend zu umhegen. Das übrige Haar war, nach suebischer Sitte, gegen den Wirbel hinaufgekämmt, hier zusammengeschnürt und flutete von da in prachtvollem, bedeutend dunkler gefärbtem Rot, wie ein Purpurstrom, über den blendend weißen Nacken bis tief über die Hüften herab.

Das trotzig übermütige, dann auch wieder neugierig Erstaunte, ja sogar überlegen Besserwissende des naiven Ausdrucks, durch diese emporgekämmte Haartracht noch verstärkt, erhielt manchmal den Anflug des Komisch-Gestrengen durch die Angewöhnung des Geschöpfleins, die ohnehin fast zu stark gezeichneten Augenbrauen, wie erstaunt und zugleich verweisend, in die Höhe zu ziehen. Das zum Lächeln Ladende lag dann in dem Reiz des Widerspruches, daß dieses fast ohne Körperlichkeit schwebende Wesen die ganze Welt mit seinem klugen Näslein, mit den hellblau blitzenden Äugelein scharf auszuwittern und – nötigenfalls – sofort scharf zurechtzuweisen bereit schien. Ein äußerst starker Wille, ein heißes, ungebändigtes Temperament und die Lieblichkeit einer kaum geöffneten Knospe: – diese Gegensätze forderten zum Lächeln, sie forderten fast zu dem Versuch heraus, was wohl das heftige kleine Insekt alles anstellen werde, wenn man seinen leicht entzündbaren Zorn reize. Aber schlug sie in sanfterer Empfindung das leuchtende Auge auf, – dann war sie so hinreißend schön, so rein, so innig warm und seelengütig, daß man über der Begeisterung, sie zu bewundern, die Neigung vergaß, sie zu necken. –

Jetzt freilich sah das kleine Elbengebild durchaus nicht gütig, sondern recht herzhaft böse sah es aus, als es, zu dem hoch ragenden Edeling nur einen raschen Blick lodernden Zornes emporschleudernd, heftig die alte Frau an der Schulter faßte und mit halber Stimme – tonlos vor verhaltenem Grimme – mahnte: »Großmutter! – Fort! – In die Sümpfe! – Zercho, der Knecht, soll uns führen. Fort!« – »Gemach, Kind, gemach! – Hast du nicht gehört? Auf dem Weihberg ist bessere Zuflucht.«

– »Bessere vielleicht für uns! Aber nicht für die, welchen wir – nein, welchen ich dann nahe wäre. Geh,« rief sie grimmig und hastig dem Jüngling zu, »rette dich, rat' ich, vor dem Rothaar. »Falsch und fauchend wie Feuer« – wie war es doch, du Witziger? Hurtig, sobald mir Eros, des Nachbarn, Tochter diesen deinen neuesten Spottspruch gegen mich, kichernd vor Hohn und Schadenfreude, vorgeplärrt, kletterte ich auf der Heuleiter empor zum First unseres Hofes und strich unser weißes Sternzeichen da oben rot an: recht dick, recht grell, auf daß du es schon vom Waldrand aus ersehen und vor der bösen Farbe weit ausbiegen könnest. Aber recht weit! – hörst du?«

Sechstes Kapitel.

Adalo hatte sich nun von seinem Staunen erholt.

»Ich wußte,« lächelte er, »die Lichtelben wohnen über unsern Häuptern. Aber nicht wußt' ich, daß sie nisten im Eichengeäst.« – »Und warum nicht? – Wenn anders du mich Lichtelbin schiltst.« – »Ist eben kein Scheltspruch, sollt' ich meinen. Wie sagt das Elbenlied? ›Schönste Schöne ist nicht den Asinnen, ist den Elbinnen eigen.‹« – »›Arg beißt die Eichkatz, bittrer beißt Bissula.‹ – Du selbst hast mich ja unter die Beißkatzen gereiht. Also wundre dich nicht, daß ich zu meinen roten, fauchenden, beißenden Geschwistern hinauf flüchtete, da ich von fern des verhaßten Edelings hochmütigen Schritt vernahm. Denn früher noch als der blinden Ahnin langgeübtes Ohr hab' ich dich Kommenden erraten. Der Haß hört scharf!« »Du hassest mich?« fragte der Jüngling: leise und traurig klang seine Stimme. –

»Vergieb ihr, Adalo! Sie ist ein Kind.« – »Nein, Großmutter, ich bin kein Kind mehr! Den achtzehnten Winter schau' ich beim nächsten Schnee! Damals – im Kahn – hat ein Kind dem Übermächtigen wehren wollen, der ihm die Fäuste zwang: das Kind war zu schwach. Jetzt aber wehrt sich gegen deinen Übermut etwas in mir: – ich weiß nicht, was es ist: – da – in der Brust glüht es: – und glaube mir – das Ding da in mir ist stärker als einst meine Hände waren: das zwingst du nicht!« – »Nicht zwingen, – schützen will ich dich und deine Ahnin.« – »Uns schützt unserer Sippe Haupt: Suomar, ihr Sohn, mein Ohm und Muntwalt.« – »Suomar war der Meinung, ihr seiet besser geschützt – auf dem Weihberg.« – »Weil er nicht errät, der wackere Oheim, daß du dabei nur nach neuer Berühmung zielst, in stolzen Stäben. Etwa so:

»Bitter biß Bissula! Aber bang, Reuig, rannte sie, vor den Römern um Rettung, Zu Adalo, dem Edling!«

Du hörst – auch ich kann Stäbe binden!« »Böse Sprüche,« mahnte die Alte, »die nicht Wodan der Weise, – die Loge dir lieh! Warum verschmähst du den Schutz, den der Nachbar dir beut? Seid ihr doch aufgewachsen wie Bruder und Schwester, auf dem Ufer, auf dem See nie getrennte Gespielen!« – »Bis dem Nachbar einfiel, er sei der reiche, starke, sangeskundige Edeling. – Der ›Schöne‹ – wie all' die dummen Mädchen flüstern. Der – und schön! Häßlich ist er! – Sein Name tönt dir überall entgegen in dem Gau, in allen Seehöfen. Wer ist der kühnste Held im Römerkrieg? Der dauerndste Schwimmer, der glücklichste Jäger? Der Sieger im Ringkampf, im Steinwurf, im Speerwurf? Wer ist der Vorspringer im Schwertertanz? Auf wen hören selbst die Graubärte im Gauding? Auf wen gucken die Mädchen beim Sunnwendsprung? Adalo! – Adalo! – Adalo! – Der Übermut! – Es ist nicht auszuhalten!« Und zornig hielt sich die Erboste die beiden kleinen Fäustchen vor die Augen, den so heiß Gehaßten nicht mehr zu sehen. – »Soll Übermut mich hierher führen – mit dieser Bitte?« – »Ja: Übermut! – Als sie beim Spinnen im Winter, schon beim Heuen im Herbst gar viel redeten von dir, die Mädchen: – ich rede wenig, ich lausche! da ward erzählt: Jetto, der reiche Hofherr, fing, – er selbst zuerst! – Verhandlung an mit Adalo um Jettaberga, seiner Tochter Hand. Jettaberga ist das schönste Mädchen am See ... –«

»Das ist nicht wahr,« sagte Adalo sehr ernsthaft.

»Ihre Sippe die mächtigste nach der deinen, an Speeren und an Rindern, an Schilden und an Schollen die reichste.« »Das ist wahr,« nickte der Jüngling. »Aber Adalo wies den Antrag ab, sobald es genug bekannt geworden war am See, daß Jetto selbst ihm die Tochter angetragen, weil beide Sippen bei dem Bund gewonnen hätten –«

»Besonders Jetto!« bestätigte die Alte. »Und weil Jettaberga den Edeling schöner fand, als alle Männer.« »Das ist wohl nicht wahr!« lächelte dieser gutmütig. »Doch! Es ist wahr!« rief die Kleine heftig. »Leugn' es nicht: – sie hat mir's selbst gesagt.« – »Ich will davon nichts hören!« »Bissula! – Schwätzerin!« mahnte die Großmutter. Diese biß sich auf die Lippe. »Bah – er wußte es doch schon! Oder glaubte es zu wissen! Wie er es von allen Mädchen glaubt. Und so soll es denn scheinen – ihm selbst und seinen Genossen, – daß auch Bissula, – die zwar weder reich noch schön, aber eben Bissula ist, das heißt trotzig und nie gebändigt. – daß auch ich, statt nach dem Volkesschluß in die Sümpfe, lieber auf den Weihberg flüchte: – zu dem Edeling! Aber« – und fast drohend sprühte nun ihr Auge, – »dessen sollst du dich nie berühmen!« – »Und wenn ich befehle?« warnte die Alte. »So lauf' ich allein in die Sümpfe! – Vergieb, liebes, liebes Mütterlein, – aber nicht du bist, Suomar ist mein Muntwalt. Hat er befohlen? Sprich!« »Er hat nur geraten,« erwiderte Adalo zögernd. – »So bin ich frei! Rat mag man befolgen oder unbefolgt lassen. – Das aber wisse: Hättest du jetzt gelogen ... –«

Der Jüngling erbleichte. »Verwegene!« schalt die Greisin. »O ich weiß: – er lügt nie! Aber nicht aus Wahrhaftigkeit: – nur aus Stolz! – Hättest du ein Gebot meines Muntwalts vorgeschützt: – lieber in den See wär' ich gesprungen, wo er am tiefsten ist, als dir gefolgt.« – »Welch' unsinniger Trotz! Ihn treibt die Sorge.« – »Ihn treibt der Übermut! – Alle Blumen schlingt der Eitle zum Spiel um sein lockig Haupt: in diesem Siegeskranz soll auch Bissula nicht fehlen, die rote Heideblume.« – »Die rote Heideblume allein soll mein Leben schmücken,« sprach der Jüngling feierlich. Da erschrak das Mädchen: alle Farbe wich aus ihrem Antlitz: