Blue Roses in the Sky - Ilka Hauck - E-Book

Blue Roses in the Sky E-Book

Ilka Hauck

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Beschreibung

Seit frühester Jugend wird Lucy von Minderwertigkeitskomplexen und Selbstzweifeln gequält, welche die junge Frau fest im Griff haben. Als sie durch Zufall ihren Collegeschwarm Rob näher kennenlernt und merkt, dass er Gefühle für sie entwickelt, kann sie es kaum glauben. Rob Heller … Schwarm aller Studentinnen und megaheißer Frontmann der Rockband "Blue Rose" soll ausgerechnet an ihr Gefallen finden? Unmöglich. Rob erweist sich jedoch als hartnäckig und lässt sich nicht einfach abservieren. Er kämpft um Lucy – gegen manipulative Exfreunde und verrückte Stalkerinnen. Sein stärkster Gegner ist jedoch Lucy selbst. Wird Robs Liebe stärker sein als ihre Selbstzweifel? Oder wird alles in Kummer und Tränen enden? Rob und Lucy … like Blue Roses in the Sky … "Blue Roses in the Sky" ist Band 2 der "Roses of Louisville" Reihe. Jedes Buch ist in sich abgeschlossen und kann eigenständig gelesen werden.

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Blue Roses in the Sky

Roses of Louisville - Band 2

Ilka Hauck

Inhalt

Blue Roses in the Sky

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Über den Autor

Blue Roses in the Sky

1

Lucy

Es ist Mittagszeit, ich sitze gefrustet im Café „Fantastico“ neben meiner Kommilitonin Karen und schaue neidisch auf ihren Teller. Es ist unglaublich, sie ist dünn wie ein Spargel und kann essen, was sie will. Wie soll jemand wie ich da keinen Frust schieben? Beim Anblick der Leckereien beginnt mein Magen begehrlich zu grummeln und mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Karen hat sich ein riesiges Schinken-Mozzarella-Sandwich mit Salat, Gurke und Remoulade aufgetan. Einen wunderbar saftigen Schokoladen-Brownie und noch dazu einen Karamell-Schoko-Riegel. Mein Blick schweift missmutig zu meinem eigenen Teller, auf dem sich ein paar magere, trockene Salatblätter neben exakt drei Scheiben Tomate verlieren. Mit wenig Dressing, versteht sich. Dazu eine Scheibe Toast ohne alles. Wie lecker. Es ist einfach nicht fair. Karen beißt herzhaft in ihr Sandwich, dabei fällt ihr Blick auf mich. Sie sieht mich prüfend an, dann seufzt sie.

„Lucy, hör auf zu sabbern, steh auf und geh nach vorne zur Theke. Dort gibt es noch jede Menge dieser Sandwiches und Brownies. Kauf dir welche.“

Ich verdrehe die Augen und stopfe mit Todesverachtung eine Gabel voll trockenen Salat in den Mund.

„Du hast gut reden, du schlanke Gazelle. Du bist ja nicht so fett wie ich“, nuschele ich und sie schüttelt den Kopf.

„Wann wirst du endlich mit dem Blödsinn aufhören? Du bist nicht fett. Du hast eine sehr schöne, weibliche Figur.“

Ich lache freudlos.

„Nette Umschreibung für fett.“

„Och Lucy, lass gut sein, okay? Ich mag es nicht mehr hören.“

„Ja, was denn? Wenn ich wenigstens nicht so winzig wäre. Dann würde es ja noch gehen und sich besser verteilen, aber ich bin winzig und fett.“

Ich bin auf Krawall gebürstet und kann mich gerade selbst nicht leiden. Karen kennt diese Stimmung schon und schweigt stur.

Ich will mich aber mit jemandem streiten und lege nach: „Weißt du eigentlich, wie das ist, wenn man nie essen kann, was man möchte? Wenn man morgens plötzlich den Reißverschluss der Lieblingsjeans nicht mehr zubekommt? Oder das tolle Shirt im Laden an einem einfach scheiße aussieht? Ach nein, das weißt du nicht, weil du so was gar nicht kennst. Weil du nämlich eine Wahnsinnsfigur hast und immer essen kannst, was du willst.“

Karen nickt und isst weiter.

„Stimmt. Und?“

„Was, und?“, fauche ich.

„Ja, was willst du mir damit sagen? Dass du eine hässliche, fette Kuh bist und ich eine hübsche, eingebildete Zicke?“

Ich schnaufe.

„Den zweiten Teil des Satzes wollte ich damit nicht sagen. Zumindest nicht das mit dem eingebildet und der Zicke.“

Karen schüttelt amüsiert den Kopf.

„Lu, du bist wirklich schrecklich. Geh und kauf dir was Süßes, damit du bessere Laune kriegst. Auf die paar Kalorien kommt es nun auch nicht mehr an, wo du eh schon so fett bist.“

Sie schaut mich provozierend an, und ich versuche, böse zurückzuschauen, was mir nicht gelingt. Ich muss lachen und Karen lacht mit.

„Tut mir leid. Ich bin eine dumme Nuss.“

Ich lege kurz den Arm um ihre Schultern und sie nickt.

„Kein Einspruch.“

„Schon gut, lass die künftige Anwältin stecken. Ich gehe mir jetzt so einen leckeren Kuchen holen.“

Ich erhebe mich und schlängele mich zwischen den Tischen hindurch in Richtung Theke. Mein Magen knurrt und zum Glück stehen nicht viele Leute an. Während ich warte, schweift mein Blick durch das Café. Ich bin gerne hier. Es ist das schönste Lokal auf dem Campus. Ich studiere nun bereits im zweiten Jahr am College in Louisville und das „Fantastico“ ist immer noch mein Lieblingscafé. Endlich bin ich dran, bestelle mir einen Brownie und nehme direkt noch einen Milchkaffee dazu. Wenn schon, denn schon. Nachdem ich bezahlt habe, schnappe ich mir das Tablett, drehe mich schwungvoll um - und stoße das Tablett direkt in den Magen des Typen, der gerade an mir vorbeigehen will. Der Kaffee schwappt über und spritzt meinem Gegenüber auf die Jacke. Ups. Erschrocken sehe ich hoch und blicke in zwei wunderschöne grünblaue Augen. Wow, Hammer, diese Farbe. Wie das Wasser des türkisfarbenen Atlantiks im funkelnden Sonnenschein. Leider funkeln diese wunderschönen Augen kein bisschen warm oder freundlich, sondern sehen ziemlich wütend aus.

„Kannst du nicht aufpassen?“, herrscht mich der Besitzer dieser himmlischen Augen an und ich zucke zusammen.

„Was? Sorry, ich hab dich nicht gesehen“, stammele ich verlegen, als ich mich endlich aus meiner Schockstarre lösen kann. Ich kenne den Typen vom Sehen. Rob Heller, ein Studienjahr über mir, verdammt hübsch, heiß und sexy – und verdammt sauer.

„Ja, das ist der Trick dabei, man dreht sich nicht wie ein Wirbelwind um sich selbst, wenn man in einem Café voller Menschen ist, sondern guckt erst, ob jemand hinter einem steht.“

Er starrt mich an, und ich werde noch kleiner, als ich sowieso schon bin. Muss der mich so anpflaumen?

„Entschuldige. Ich … warte.“

Ich stelle das Tablett kurzerhand auf einem Tisch ab, schnappe mir die Serviette, die neben meinem Teller liegt, und beginne, an seiner Jacke herumzuwischen. Mein Kopf fühlt sich so heiß an, als ob er direkt platzen wollte, und vermutlich sehe ich aus wie eine überreife Tomate. Rob schaut mich an, als sei ich eine entsprungene Irre, bevor er mein Handgelenk packt und zischt: „Lass das, du versaust doch alles noch mehr.“

„Aber …“, fange ich an, beiße mir dann frustriert auf die Unterlippe. Ein zweiter junger Mann schiebt sich in mein Sichtfeld, und ich merke, wie mein Gesicht noch wärmer wird. Danny Moreno. Na toll, jetzt habe ich mich vor den beiden heißesten Typen am College bis aufs Blut blamiert. Danny ist irre attraktiv, mindestens die Hälfte aller Mädchen hier am College würde töten für eine Nacht mit ihm. Die andere Hälfte, inklusive meiner Wenigkeit, für eine Nacht mit Rob. Danny ist jedoch seit einigen Monaten fest vergeben und hat seitdem keinen Blick mehr für irgendeine andere. Jetzt lächelt er und stößt Rob mit der Schulter an.

„Alter, reg dich ab. Ist doch nicht schlimm. Sorry, er ist etwas bärbeißig heute.“

Er sieht mich entschuldigend an, seine dunkelbraunen Augen funkeln belustigt. Er ist irre hübsch. Mein Blick flackert zwischen den beiden Jungs hin und her. Danny ist groß, hat dunkle, leicht gelockte Haare und sein Body ist … oh Gott.

Rob ist ebenso groß wie Danny, mit einer schlanken, nicht übertrieben muskulösen Figur und einem bildhübschen Gesicht. Seine dunkelblonden, leicht zerstrubbelten Haare im Surferstyle haben einen verdammt heißen „Frisch aus dem Bett“- Look, und sein Anblick löst ein bescheuertes, aber ziemlich wohliges Kribbeln bei mir aus.

Leider nur so lange, bis er in genervtem Ton zu Danny sagt: „Komm, lass uns abhauen, bevor sie mich noch in die Wanne stecken will.“

Ich blinzele empört. So schlimm sind die paar Kaffeespritzer nun echt nicht. Man kann sich auch anstellen. Auch wenn man aussieht wie ein junger Gott, muss man sich nicht wie eine zickige Diva benehmen. Ich schaue ihn böse an und er blickt ungerührt zurück.

„Schick mir die Rechnung für die Reinigung“, kann ich mir nicht verkneifen zu sagen und sein Blick wird noch eine Spur genervter. Die beiden gehen an mir vorbei und Danny legt mir kurz die Hand an den Arm.

„Entschuldige, er meint es nicht so.“

Er lächelt und ich lächele etwas verkrampft zurück. Ich schaue Rob und Danny hinterher, wie sie sich einen Platz am Fenster suchen und sich setzen. Danny redet auf Rob ein, der mit missmutiger Miene vor sich hinstarrt. Jetzt wendet er den Kopf und sieht zu mir herüber. Einen Moment lang habe ich das Gefühl, sein Blick taucht in meinen ein, dann dreht er sich um und ich nehme mit zitternden Händen mein Tablett hoch.

Als ich unseren Tisch erreiche, bin ich fix und fertig und lasse mich mit einem Stöhnen auf den Stuhl sinken. Karen sieht mich neugierig an.

„Was war denn los? Waren das Danny Moreno und Rob Heller dort bei dir?“

„Mhm, waren sie“, murmele ich matt.

„Echt? Was wollten die von dir? Gott, die sind heiß, oder?“

Karen beugt sich zu mir und streicht sich eine Strähne ihres dunkelbraunen Haars hinters Ohr. Sie schaut erwartungsvoll, und ich brumme: „Die wollten gar nichts, ich habe Rob Kaffee auf die Jacke gekleckert und er fand es nicht so klasse.“

„Echt? War er sauer? Der wirkt doch eigentlich immer total locker und nett.“

Ich zucke mit den Schultern. Der Appetit auf meinen Brownie ist mir vergangen. Mir ist schon klar, warum Mr. Heiß-und-Sexy-Heller mir gegenüber so unfreundlich war. Wäre ich dünn und hübsch, wäre seine Reaktion sicher anders ausgefallen. Aber so? Wer lässt sich schon gerne die Jacke versauen und dann noch von einer dicken Kuh wie mir? Kein Wunder, dass er so reagiert hat. Kurz blitzt Harrys Bild vor mir auf. Ich sehe sein überhebliches Lächeln. Höre seine verletzenden Worte. Hastig blinzele ich und nehme einen Schluck Kaffee. Und wenn? Soll der Idiot von Heller doch denken, was er will. So ein oberflächlicher Arsch, der nur aufs Aussehen schaut, kann mir gestohlen bleiben. Wütend kneife ich die Augen zusammen und beiße trotzig in den Brownie. Er schmeckt mir nicht.

2

Rob

Missgestimmt schaue ich aus dem Fenster in den trüben Tag hinaus. Trüb wie meine Stimmung. Danny, der mir gegenübersitzt, mustert mich mit zusammengekniffenen Augen.

„Meine Güte, jetzt krieg dich mal wieder ein. Eine verpatzte Klausur ist doch kein Weltuntergang.“

Ich wende den Blick zu meinem besten Freund und er sieht mich auffordernd an.

„Du hast ja recht. Es nervt mich trotzdem.“

Danny streicht sich durch die Haare und lehnt sich im Stuhl zurück.

„Hat Carolin dir wieder Stress gemacht?“

Er sieht mich aufmerksam an und ich ziehe die Schultern hoch.

„Ach, scheiß drauf. Die kann mich mal.“

Danny schüttelt den Kopf.

„Also hat sie. Mensch, Rob, du musst das mit ihr klären. Das kann doch nicht wahr sein, das artet ja schon in Stalking aus.“

„Und was soll ich machen? Ich habe ihr schon hundertmal gesagt, dass es aus ist und sie mich in Ruhe lassen soll. Wie deutlich muss ich denn noch werden?“

Ich stütze meinen Kopf in die Hände und ziehe genervt die Luft durch die Zähne.

„Lass uns über was anderes reden, okay? Ich hab keinen Bock, über Carolin zu quatschen. Irgendwann wird sie schon aufgeben, da bin ich mir sicher.“

Danny sieht skeptisch aus.

„Wenn du meinst. Normal ist das aber nicht.“

Ich zucke mit den Schultern. Er hat recht, es ist nicht normal, was meine Ex abzieht. Dabei ist sie nicht mal wirklich meine Ex, denn das könnte sie nur sein, wenn wir zusammen gewesen wären. Aber das waren wir nie. Wir hatten eine lockere Affäre, mehr nicht. Und ich dachte, das sei auch ihr klar gewesen. Ich habe ihr nie etwas anderes versprochen, im Gegenteil, habe meine Absichten von Anfang an offengelegt. Leider sieht sie das anders.

Mein Blick schweift durch das Café und bleibt an einem kleinen Zweiertisch hängen. Zwei junge Frauen sitzen dort. Eine mit dunklen, halblangen Haaren und die Kleine, die mir vorhin den Kaffee über die Jacke gekippt hat. Ich habe sie ganz schön angeraunzt. Das ist eigentlich gar nicht meine Art. Ich beobachte sie, wie sie ihren Kuchen auf dem Teller zerbröselt und dabei nicht glücklich aussieht. Danny folgt meinem Blick.

„Du hast das arme Mädchen ziemlich arrogant angemacht. Und das nur wegen dieser kleinen Ungeschicklichkeit.“

Ich verrolle die Augen. Er hat einfach eine charmante Art, einem Dinge ins Gesicht zu klatschen.

„Du mich auch“, murmele ich und er lacht leise.

„Ach, komm schon, ich kenne doch dein butterweiches Herz. Es tut dir schon längst leid, habe ich recht?“

„Ja, total. Soll ich mich direkt erschießen gehen? Sie wird es überleben.“

Ich sehe ihn an, muss aber grinsen, als ich den belustigten Ausdruck in seinen Augen sehe.

„Du hast recht, es tut mir leid. Zufrieden?“

Er zieht die Schultern hoch.

„Ich muss nicht zufrieden sein, mich hast du ja nicht angepflaumt.“

„Soll ich mich entschuldigen?“, frage ich gereizt. Danny winkt ab.

„Lass stecken. Bei deiner Laune wird aus einer Entschuldigung noch eine Kriegserklärung.“

Ich verziehe das Gesicht, während mein Blick wieder zu dem fremden Mädchen schweift. Sie hält mich hundertprozentig für einen arroganten Arsch. Kurz überlege ich, ob ich mich nicht doch entschuldigen soll, da erheben die beiden sich, schlüpfen in ihre Jacken und nehmen ihre Taschen. Das Mädchen von vorhin ist viel kleiner als ihre Freundin, irgendwie sieht sie niedlich aus. Sie reicht mir gerade bis zur Schulter und sieht mit ihren langen hellblonden Locken echt hübsch aus. Ich seufze innerlich. Ich bin ein Idiot. Während sie in ihre Jacke schlüpft, sieht sie zu mir herüber, und kurz durchzuckt mich etwas, was sich äußerst merkwürdig anfühlt. Als ob ich einen elektrischen Schlag abbekommen hätte. Ich runzele die Stirn, während mein Blick an dem Gesicht des fremden Mädchens festklebt. Sie hat schöne, weiche Züge, mädchenhaft und weiblich. Ich starre sie wie hypnotisiert an und wundere mich gleichzeitig über mich selbst. Rein äußerlich ist sie eigentlich gar nicht mein Typ, aber ich kann nicht aufhören, zu ihr hinzuschauen. Sie ist echt ziemlich klein, ihre langen, wild gelockten hellblonden Haare fallen fast bis zu ihrer Taille und sind der Hammer. Sie hat eine süße, weibliche Figur, weich, kuschelig und irgendwie erinnert sie mich an eine Schüssel voller cremiger Schlagsahne. Fast hätte ich laut gelacht. Gott, bin ich irre? Aber es ist so, ich starre sie an und stelle mir vor, wie es sich anfühlen muss, das Gesicht in ihren Haaren zu vergraben und diesen weichen, warmen Körper in den Armen zu halten. Und scheiße, es fühlt sich gut an. Ich muss eine Gehirnerschütterung oder einen Sonnenstich haben oder so was in der Art. Anders kann ich mir das hier nicht erklären. Ich stehe eigentlich auf große, sehr schlanke Frauen, und das Mädchen, das ich gerade anstarre wie ein bescheuerter Trottel, ist das genaue Gegenteil davon. Sie hat inzwischen ihre Jacke zugeknöpft und sieht noch einmal zu mir herüber. Ihre Augen sind blau. Ich sehe es genau. Eine blauäugige Kuschelmaus, die mich an Schlagsahne erinnert. Wow. Ich merke, dass ich dümmlich vor mich hingrinse, und reiße mich zusammen. Die Sahneschnitte und ihre Freundin wenden sich ab und verlassen das Café. Fast hätte ich bedauernd geseufzt, merke es aber zum Glück noch rechtzeitig. Ich sehe zu Danny, der lässig auf dem Stuhl sitzt und mich beobachtet. Scheiße, hat er mein dämliches Gesabber mitbekommen? Das fehlte noch. Ich weiche seinem Blick aus und tue so, als ob ich die Getränkekarte auf dem Tisch studieren würde. Danny grinst, spart sich aber einen Kommentar.

„Hast du morgen einen Gig?“, fragt er mich stattdessen.

„Ja, im Old Cotton. Kommst du?“

„Denke schon.“

Ich nicke. Seit ein paar Monaten bin ich endlich wieder Leadsänger einer Band. Schon in der Highschool habe ich Musik gemacht, war drei Jahre Frontmann einer Rockband. Nach dem Wechsel aufs College hat sich das leider zerschlagen, aber seit fünf Monaten bin ich wieder am Start. Mir hat es tierisch gefehlt, Musik zu machen, und ich bin froh, dass ich wieder dabei bin.

„Hey, Jungs.“

Ein Mädchen mit langen, hellbraunen Haaren taucht neben uns auf, und Dannys Augen beginnen zu leuchten, als er sie sieht.

„Röschen, da bist du ja endlich. Ich dachte schon, ich muss dich aus Lindenbaums Fängen befreien.“

Er grinst, und sie lacht leise, während sie sich zu ihm hinunterbeugt, und die beiden küssen sich zärtlich.

„Ja, er hat heute echt kein Ende gefunden. Hi, Rob.“

Summer lässt sich schnaufend auf den Stuhl neben Danny fallen, beugt sich aber direkt danach wieder zu ihm, und sie lächeln sich an, bevor sie sich noch einmal küssen. Ich betrachte die beiden Turteltauben, die zu meinen engsten Freunden gehören, und zum ersten Mal, seit ich denken kann, fühle ich so etwas wie Neid auf das Glück, das zwei Verliebte miteinander teilen. Ich sehe meinen besten Freund, der bis vor ein paar Monaten der größte Aufreißer des Colleges war, und das glückliche Strahlen in seinen Augen. Sehe, wie liebevoll Summer über seine Wange streicht, wie vertraut und innig die beiden wirken. Und mir wird plötzlich bewusst, wie sehr mir ein Mensch in meinem Leben fehlt, der für mich das ist, was Summer und Danny füreinander sind. Ich senke den Blick und drehe meine Cola in der Hand. Was soll der Scheiß? Das klingt ja, als ob ich verzweifelt auf der Suche nach einer Freundin wäre. Dabei bin ich das ganz und gar nicht. Ich genieße meine Freiheit und auch, dass die Mädchen es mir leicht machen. Was stimmt heute nicht mit mir?

Mit halbem Ohr höre ich zu, wie Danny Summer erzählt, dass die Band morgen einen Gig im Old Cotton hat.

„Oh, da gehen wir hin, oder? Rob, wann geht das los?“

Sie sieht mich fragend an.

„Hm? Um acht“, murmele ich und sie runzelt die Stirn.

„Ist alles okay bei dir?“

Sie beugt sich etwas zu mir und ich wende ihr den Blick zu. Ich mag sie unheimlich gerne, sie ist eine Süße.

„Klar.“

Ich lächele ihr zu und sie lächelt herzlich zurück.

„Ehrlich? Du siehst irgendwie gestresst aus.“

Ich streiche mir durch die Haare.

„Ja, ehrlich, alles okay.“

Danny beugt sich vor und sagt in verschwörerischem Ton zu Summer: „Ihn hat vorhin grad der Blitz getroffen, deshalb guckt er so verkniffen aus der Wäsche.“

Summer sieht ihn verständnislos an und ich schnaube genervt.

„Halt die Klappe, Moreno.“

Nicht, dass die geringste Chance bestehen würde, dass er sich daran hält.

„Was? Wie, der Blitz getroffen?“

Summer sieht mich neugierig an und ich zucke mit den Schultern. Danny lacht und fügt hinzu: „Der Blitz in Form einer kleinen, blonden Lady, die unserem Hottie Kaffee über die Jacke gekippt hat. Seitdem ist er irgendwie nicht mehr ganz er selbst. Du verstehst?“

Summer lächelt und ich verrolle die Augen.

„Echt, sie hat dir gefallen? So richtig? Ist doch toll.“

„Ja, total toll. Ich sag euch mal was, nach dem ganzen Scheiß mit Carolin wird mich in hundert Jahren kein Blitz mehr treffen. Ich muss jetzt los. Wir sehen uns später.“

Damit erhebe ich mich, schnappe meine Jacke mit den Kaffeespritzern und stürme davon. Vom Blitz getroffen, die haben wohl den Schuss nicht gehört. Vor dem Café bleibe ich stehen und krame nach meinen Kippen. Ich zünde mir eine an und schlendere schließlich in Richtung des kleinen, künstlich angelegten Sees auf dem Campus. Ich habe Glück und finde eine freie Bank. Ich setze mich und starre auf´s Wasser. Dabei ist mir, als ob mich zwei wunderschöne blaue Augen ansehen würden.

3

LUCY

Ich schlendere neben Karen über den Campus. Wir haben die letzte Vorlesung für heute hinter uns gebracht und ich bin erleichtert. Karen mustert mich von der Seite.

„Geht’s dir nicht gut, sag mal? Du bist so still und blass bist du auch.“

„Weiß nicht, ich glaube, mir liegt der Brownie im Magen“, murmele ich, dabei weiß ich genau, dass das nicht stimmt. Vielmehr liegt mir Rob Heller im Magen. Ich mag es nicht zugeben, aber ich schwärme schon, solange ich hier am College bin, für ihn. Er ist einfach der süßeste, heißeste Typ, den ich je gesehen habe. Eine unwiderstehliche Mischung aus großem Jungen und heißem Mann. So ein bisschen Bad Boy und ein bisschen Boy next door. Ich weiß, meine Schwärmerei ist irgendwie albern, immerhin bin ich zwanzig und keine fünfzehn mehr, aber es ist so. Seine ganze Art finde ich wahnsinnig sympathisch. Er wirkt meistens locker und wie jemand, mit dem man gut reden kann. Tja, wie gut, das habe ich vorhin gesehen. Ich kicke einen Stein vor mir her. Er hat so ein süßes Lächeln. Wenn er lächelt. Mich hat er ja nur angeblafft. Und warum hat er mich angeblafft? Weil ich so breit wie hoch bin. Seine Reaktion hat sich für mich wie ein Schlag ins Gesicht angefühlt. Und es war mal wieder die Bestätigung dessen, was ich schon lange weiß, nämlich, dass Harry recht hatte. Kein Typ, der Geschmack hat, findet mich hübsch und anziehend. Nicht einmal mein Ex hat das getan. Zumindest am Ende unserer Beziehung nicht mehr. Ob er mich je anziehend fand, weiß ich nicht. Ich weiß nicht mal, warum er mit mir zusammen war, so wie er mich später behandelt hat. Von Liebe konnte bei ihm wohl nie die Rede sein. Ich schließe kurz die Augen, sehe Harrys fieses Grinsen vor mir, als er Schluss gemacht hat.

„Lucy?“

Karen stößt mich leicht mit der Schulter an. Ich schrecke hoch.

„Ja?“

„Sag mal, was ist denn los mit dir? Ich hab dich schon dreimal gefragt, ob du morgen mitkommst ins Old Cotton?“

„Echt? Oh, sorry, ich hab dich gar nicht gehört.“

Ich sehe meine Freundin entschuldigend an.

„Ist mir aufgefallen. Das kann doch nicht an dem Brownie liegen, dass du so komisch drauf bist. Ich habe den auch gegessen und mir liegt er nicht im Magen.“

Ich zucke mit den Schultern.

„Keine Ahnung.“

Was soll ich Karen sagen? Dass mir Rob Hellers Anschiss die Laune verhagelt hat? Sie würde es sowieso nicht kapieren. Ich habe Karen hier am College kennengelernt, sie ist meine Zimmergenossin und mittlerweile sind wir sehr gute Freundinnen geworden. Wir verstehen uns super, sind aber verschieden wie Tag und Nacht. Karen ist so selbstbewusst, wie ich gerne wäre, es aber nie sein werde. Außerdem ist sie dieser Typ, dem meistens alles gelingt. Sie ist bildhübsch, klug und schlagfertig. Sie hätte sich sicher nicht so von Rob anpflaumen lassen, ohne ihm ordentlich Kontra zu geben. Ich schüttele den Kopf. Irgendwie ist heute nicht mein Tag.

„Ähm, ja, wegen morgen, klar, ich komme gerne mit.“

Ich lächele Karen zu, die mich aufmerksam ansieht. Noch etwas, was sie gut draufhat, sie durchschaut einen meistens schon nach zehn Sekunden. Das wird ihr sicher später bei ihrer Arbeit nützlich sein. Karen studiert Jura, und ich weiß jetzt schon, dass sie eine hervorragende Anwältin abgeben wird.

„Du bist so schräg drauf, seitdem du diesen Zusammenstoß mit Rob Heller hattest. Stimmt’s?

Ich atme tief durch. Was soll’s.

„Irgendwie schon.“

Karen schüttelt den Kopf.

„Lu, sag mir jetzt bitte nicht, dass du das denkst, von dem ich denke, dass du es denkst.“

Ich muss grinsen. Welch ein Satzungetüm.

„Was denke ich denn?“

Ich kicke weiter meinen Stein vor mir her.

„Das weißt du genau. Dass er nur so unfreundlich war, weil du ja angeblich sooo hässlich und dick bist. Denkst du das? Hm? Sei ehrlich.“

Ich werde ein bisschen rot.

„Und? Ist doch so“, murmele ich trotzig und Karen stößt ein abfälliges Geräusch aus. Sie überholt mich und baut sich vor mir auf. Sie stemmt die Hände in die Hüften und blafft mich an: „So, jetzt sag ich dir mal was. Ich kann verstehen, dass du dich geärgert hast. Das ist völlig okay. Nicht okay ist, dass du dir wieder Dinge einbildest, die vermutlich überhaupt nicht existieren. Du weißt doch gar nicht, warum er nicht gut drauf war. Das kann tausend Gründe haben, und nicht einer davon muss etwas mit dir zu tun haben. Hör doch bitte endlich auf, jeden schiefen Blick auf dich und deine Figur zu beziehen. Wäre das möglich?“

Sie sieht mich durchdringend an.

„Du bist so ein hübsches Mädchen, Lucy. Du hast ein bildhübsches Gesicht, Haare, für die die meisten Frauen töten würden. Wunderschöne Augen. Ja, es stimmt, du hast eine weibliche Figur und bist nicht so dünn wie viele andere, aber du bist nicht im Mindesten fett. Du bist süß, klug, hübsch und liebenswert. Und jeder, der Augen im Kopf hat, sieht das. Und wenn Heller wirklich so ein Idiot wäre, dass er dich wegen zwei oder drei Pfündchen zu viel anmotzen würde, dann könnte dir das total glatt am Arsch vorbeigehen, denn dann wäre der Typ keinen zweiten Gedanken wert. Kapiert?“

Ich sehe in Karens missmutig schauende braune Augen und muss schmunzeln.

„Kapiert. Danke, du bist ein Engel. Und bitte entschuldige, dass ich so eine Nervensäge bin.“

Ich trete vor und wir umarmen uns. Karen weiß von meiner Misere mit Harry, wie sehr er mich verletzt und mein Selbstvertrauen in Stücke zerfetzt hat, von meinem Herzen ganz zu schweigen. Und ich fürchte, sollte er ihr eines Tages über den Weg laufen, wird er nichts zu lachen haben.

„Schon gut. Ich werde dir den Kopf schon noch zurechtrücken.“

Sie sieht auf die Uhr.

„Ich muss los, habe noch einen Termin mit meinem Nachhilfeschüler. Bis nachher, Süße.“

Ich sehe ihr hinterher und bleibe einen Moment lang unschlüssig stehen. Schließlich schlendere ich in Richtung See, um mich ein wenig auf eine Bank zu setzen. Ich habe Kopfschmerzen, und während ich laufe, krame ich in meinem Rucksack, ob ich eine Tablette dabeihabe. Dabei übersehe ich ein Paar lange Beine, deren Besitzer auf einer Bank sitzt und versunken auf seinem Handy tippt. Ich stolpere, komme ins Taumeln, rudere wild mit den Armen, kippe seitlich weg und lande verdammt unelegant auf dem Schoß desjenigen, dem die Beine gehören.

„Scheiße, Mann“, schimpfe ich und höre gleich darauf einen leisen Fluch.

„Aua. Sag mal, pass doch auf.“

Ich fahre erschrocken herum und starre in Rob Hellers Gesicht, der sich das linke Auge hält, welches ich offenbar gerade unsanft mit meinem Ellenbogen malträtiert habe.

„Du schon wieder?“, rutscht es mir heraus und er verzieht seine verdammt schönen Lippen zu einem halb spöttischen, halb gequälten Grinsen.

„Was heißt hier Du schon wieder? Du bist doch diejenige, die ständig Attentate auf mich verübt.“

Ich rutsche hastig von seinem Schoß und plumpse neben ihn auf die Bank. Er reibt sich sein Auge und sieht mich vorwurfsvoll an.

„Ich? Wer streckt denn seine langen Haxen anderen Leuten so dämlich in den Weg? Das ist ja gemeingefährlich, kannst du dich nicht ordentlich hinsetzen?“

„Also, entschuldige bitte, wer kann denn ahnen, dass du wie ein blindes Huhn vor dich hinstolperst und keinen Blick auf den Weg vor dir wirfst.“

Wir starren uns böse an und ich zische: „Ich habe auf den Weg geschaut.“

Okay, das ist gelogen, aber hey, der Typ regt mich auf. So ein arroganter Arsch.

Ich bin gerade in Fahrt und blaffe ihn weiter an: „Aber vermutlich hast du mich kommen sehen und mich mit Absicht stolpern lassen, weil ich dir vorhin deine teure Designerjacke für immer und ewig ruiniert habe.“

Zu meinem Ärger glimmt leichte Belustigung in seinen schönen Augen auf. Nimmt der mich am Ende nicht ernst?

Er lehnt sich lässig zurück, und ich muss aufpassen, nicht in diesen Augen zu versinken. Ein unverschämtes Grinsen umspielt seinen Mund, als er sagt: „Erstens: Es ist keine teure Designerjacke. Musst also nicht neidisch sein.“

Ich klappe den Mund auf, um eine empörte Antwort zu geben, doch er redet schon weiter: „Zweitens: Nie im Leben würde ich dich mit Absicht zu Boden gehen lassen. Und wenn doch, würde ich aufpassen, dass du mir nicht mit dem Ellenbogen ein Veilchen verpasst. Und drittens: Wenn es Absicht gewesen wäre, hätte ich dafür gesorgt, dass du so auf mir landest, dass du garantiert nicht so schnell wieder von mir runtergewollt hättest.“

Er grinst frech und ich blinzele verwirrt. Wie? Der Knabe hat wohl ein Rad ab. Will der mich verarschen? Als ob jemand wie er Interesse daran hätte, dass jemand wie ich länger als nötig auf ihm hockt. Wenn Absicht, dann nur, um mich blöd aussehen zu lassen.

„Das glaubst du doch selbst nicht“, zische ich und er runzelt die Stirn.

„Was genau?“

Jetzt stellt er sich auch noch dumm.

„Dass du und ich … ach, weißt du was, vergiss es.“

Ich schnaube leicht und er mustert mich eingehend. Ich merke, wie ich unsicher werde. Was guckt der so?

Ich weiß selbst, dass ich nicht in dein Beuteschema falle, musst mich also nicht so abschätzig anschauen.

Vorsichtig blinzele ich unter meinen Wimpern hervor. Okay, abschätzig guckt er eigentlich nicht, eher ein bisschen reumütig.

„Du hast recht, lass es uns vergessen. Tut mir leid, ich wollte dich nicht so anfahren vorhin. Wollen wir einfach so tun, als ob wir uns gerade erst kennenlernen?“

Er lächelt charmant und dieses Lächeln fährt mir direkt ins Herz. Dennoch sehe ich ihn misstrauisch an. Jungs wie Rob Heller wollen Mädchen wie mich am liebsten überhaupt nicht kennenlernen. Doch er sieht das anscheinend anders, denn er hält mir die Hand hin und sagt mit einem verschmitzten Lächeln: „Hi, ich bin Rob. Freut mich, dich kennenzulernen.“

Ich kneife die Augen zusammen und lege den Kopf schief. Aber da ich nicht wie eine Idiotin dastehen will, ergreife ich zögernd seine dargebotene Hand. Seine Finger schließen sich warm und fest um meine und ich zucke unwillkürlich zusammen. Er hat total schöne, kräftige Hände, lange, schlanke Finger. Fast hätte ich geseufzt.

„Ich bin Lucy. Hi“, murmele ich und muss lächeln, als seine Augen aufleuchten. Vielleicht bilde ich mir dieses Leuchten auch nur ein, aber es macht mich gerade trotzdem ziemlich happy.

„Lucy. Schöner Name, passt zu dir.“

Mhm, ach ja? Eigentlich ist das ja ein eher stinknormaler Name, würde ich sagen, und ich mag ihn nicht einmal besonders. Ich starre ihn an wie ein dämliches Huhn und versinke in der ungewöhnlichen Farbe seiner Augen, die schimmern wie türkisfarbenes Meer. Wunderschön.

„Und wegen der Jacke, tut mir leid, dass ich dich so angeschnauzt habe, es ist wirklich nicht schlimm. Ich bin sonst eigentlich der nette Typ, du weißt schon.“

Er zwinkert mir zu und ich muss lächeln.

„Na ja, mir tut es auch leid. Ich hätte aufpassen sollen.“

Er lacht.

„Okay, nachdem wir uns nun ausgiebig entschuldigt haben, können wir ja über andere Dinge reden.“

Er sieht mich aufmerksam an und ich ziehe unsicher die Schultern hoch. Es ist toll, mit ihm hier zu sitzen. Einerseits. Andererseits würde ich am liebsten aufstehen und weglaufen. Es macht mich so verdammt unsicher, wenn er mich so anschaut. Weil ich genau weiß, dass die Mädchen, mit denen er sonst so abhängt, alle viel hübscher sind als ich. Und ich nicht kapiere, warum er überhaupt mit mir reden will. Ja, ich weiß, es heißt ja immer so schön: „Es kommt nicht auf das Aussehen an. Die inneren Werte zählen.“ Aber das ist Bullshit. Niemand kann mir erzählen, dass er sich nicht zuerst von Äußerlichkeiten beeinflussen lässt. Die einen geben es zu, die anderen nicht, aber im Endeffekt schauen alle zuerst auf die Verpackung, bevor sie den Inhalt begutachten. Und wenn die Verpackung scheiße ist, dann ist der Inhalt erst gar nicht interessant.

„Alles okay?“

Ich zucke zusammen.

„Klar, warum nicht?“

Rob sieht mich immer noch forschend an.

„Keine Ahnung, du siehst aus, als ob hinter mir gerade ein T-Rex durchs Gebüsch brechen würde und du nur noch wegrennen wolltest.“

Ich lächele verlegen.

„Nein, ach was. Alles okay.“

Ich nestele nervös an meinen Haaren herum. Warum nur fällt mir nichts Witziges ein, was ich mit ihm bereden könnte? Mann, seitdem ich am College bin, finde ich diesen Typen toll, jetzt sitzt er hier mit mir auf einer Bank, und ich hocke, stumm wie ein Fisch, herum und falle von einer Peinlichkeit in die nächste.

„Apropos T-Rex. Wir wollen später ins Kino, Jurassic World anschauen. Bock, mitzukommen?“

Er fischt in seiner Jacke nach einem Zigarettenpäckchen und zieht eine Kippe heraus.

„Darf ich?“, fragt er mit einem charmanten Lächeln und ich nicke. Wie süß, dass er sich nicht einfach eine anzündet, wenn ich dabeisitze. Mein Herz wummert. Hat er mich gerade gefragt, ob ich mit ins Kino kommen will?

„Äh, heute Abend? Ja, hm, warum nicht, ja, danke.“

Oh Gott, Lucy, pass auf, dass du nicht am Ende noch einen vernünftigen Satz zusammenbringst. Sinnfreies Herumgestammele ist viel besser, da steht er sicher drauf. Ich senke den Kopf und versuche verzweifelt, meine Gedanken zu sammeln. Der denkt doch, ich bin nicht nur total ungeschickt, sondern auch noch blöd in der Birne, wenn ich weiter so dämlich herumstottere. Ich merke, dass er mich amüsiert von der Seite betrachtet, während er sich lässig zurücklehnt und seine Zigarette raucht. Kurz blitzt Harrys Gesicht vor mir auf. Was, wenn Rob auch so einer ist? Wenn er mich nur mitnimmt, um mich zu verarschen? Sich vor seinen Leuten über mich lustig machen will? Seht her, die kleine Pummelmaus denkt tatsächlich, dass ich sie mögen würde? Ist das nicht witzig? Hahahaha. Nein. Aus! Aus! Aus!

„Wer kommt denn noch mit?“

Ich reiße mich zusammen und hebe den Kopf.

„Kein Plan. Danny auf jeden Fall, den hast du ja vorhin kennengelernt. Und seine Freundin, nehme ich an. Vielleicht noch ein paar andere aus der Clique. Du kannst natürlich auch jemanden mitbringen.“

Seine Augen funkeln leicht und ich fühle mich durchschaut. Offenbar hat er gemerkt, dass ich mich unwohl fühle. Ich dumme Nuss.

„Ja, vielleicht frage ich meine Freundin Karen.“

Ich zwinge mich zu einem Lächeln und er nickt.

„Klar, mach das. Hast du die ersten Teile von Jurassic Park alle gesehen?“

Ich bin dankbar, dass er zu einem unverfänglichen Thema schwenkt, und nicke begeistert. Ich liebe diese Filme und habe sie alle schon mehrfach angeschaut. Rob ist auch ein Fan, und kurz darauf sind wir in eine angeregte Unterhaltung vertieft. Es macht Spaß, mit ihm zu reden, er ist wirklich so locker und witzig, wie ich gedacht habe. Und auch wenn mir klar ist, dass er nie ein näheres Interesse an mir haben wird, ist es schön, mit ihm hier zu sitzen und zu reden. Wir tauschen unsere Handynummern, was mich peinlicherweise sehr glücklich macht, schwenken von den Filmen zu anderen Themen, er berichtet mir, dass er Architektur studiert, und ich erzähle ihm von meinem Literaturwissenschaftsstudium. Es ist schon spät, als wir uns erheben und in Richtung der Wohnheime zurückgehen. Vor dem Eingang meines Wohnblocks bleiben wir stehen und Rob sagt: „Ich hab gar nicht gemerkt, dass es schon so spät ist. Schaffst du das noch fürs Kino?“

Er sieht mich fragend an und ich nicke.

„Na klar. Ich brauche nicht lange.“

Ich lächele ihm etwas unsicher zu und er grinst breit.

„Nein? Mädchen brauchen doch immer lange.“

Mädchen, mit denen du sonst so abhängst, vielleicht. Ich senke den Kopf und murmele: „Ich nicht. Wo trefft ihr euch?“

„Ich treffe die anderen vorm Kino, aber ich kann dich abholen, wenn du möchtest.“

Ich kann nicht anders, als ihn anzustrahlen.

„Ja, gern.“

Er lächelt zurück, dann fällt sein Blick auf etwas hinter mir, und ich kann sehen, wie das Lächeln auf seinem Gesicht regelrecht gefriert. Etwas unsicher drehe ich mich um und sehe ein blondes Mädchen ein paar Meter von uns entfernt stehen. Sie ist schön. Groß, schlank mit halblangen goldblonden Haaren. Sie starrt wie gebannt zu uns herüber, und ich sehe fragend zu Rob hoch, dessen Augen ärgerlich zusammengekniffen sind. Was ist denn jetzt los?

Fast abrupt dreht er sich um, sagt schon im Weggehen: „Ich hole dich in einer Stunde ab. Warte hier unten auf mich, okay? Bis dann.“

„Äh, ja, bis dann.“

Ich starre ihm verwirrt hinterher, drehe mich dann noch einmal zu dem blonden Mädchen um, das noch dasteht und mich unverwandt anstarrt. Sie sieht wütend aus, und ich habe keine Ahnung, warum. Ich zucke mit den Schultern und laufe gleich darauf die Treppen hinauf. Mein Herz klopft vor Vorfreude auf den Abend mit Rob.

4

ROB

Eilig stürme ich über den Campus in Richtung meines Wohnheims. Carolins Auftauchen hat mir gründlich die Laune verhagelt. Ich frage mich ernsthaft, woher sie immer weiß, wo ich gerade bin und was ich tue? Man könnte glauben, sie hätte einen inneren Rob-Peilsender. Ich fummele in der Jackentasche nach meinen Kippen, als jemand meinen Namen ruft. Ich bleibe stehen, atme tief durch und drehe mich langsam um.

„Was willst du?“

Meine Stimme klingt kalt wie Eis, doch in mir brodelt es. Carolin bleibt schwer atmend vor mir stehen, offenbar ist sie mir hinterhergerannt. Okay, das tut sie schon seit Wochen.

„Ich … bitte, lass uns noch mal reden. Bitte!“

Sie sieht mich flehend an und ich unterdrücke eine wütende Antwort. Stattdessen sage ich mühsam beherrscht: „Carolin, wie oft denn noch? Warum tust du dir das an? Mir? Ich habe dir schon hundertmal gesagt: Es ist vorbei. Kannst du es nicht endlich dabei belassen?“

Sie starrt mich an, ihre Augen füllen sich mit Tränen. Gott, wie ich das hasse. Sie weiß genau, dass es mir schwerfällt, so abweisend zu sein, wenn sie weint. Aber scheiße Mann, ich habe es oft genug im Guten versucht.

„Man kann Gefühle nicht erzwingen, Carolin“, sage ich müde. Ich bin die ewigen Diskussionen allmählich so was von leid. Im letzten Semester waren wir ein paar Wochen lang locker zusammen. Sie wusste, dass ich nichts Festes wollte, und hat nie den Eindruck vermittelt, sich mehr zu wünschen. Im Gegenteil. Oft genug hat sie gesagt, wie toll sie es finde, dass wir einfach Spaß haben und uns gegenseitig zu nichts verpflichtet sind. Dass sie sich voll auf ihr Studium konzentrieren will und es super findet, dass sie mir keine Rechenschaft ablegen muss, wenn sie keine Zeit oder Lust hat, mich zu sehen. Das waren ihre Worte, und warum hätte ich daran zweifeln sollen? In den Ferien hatten wir wenig Kontakt, weil sie nach Hause gefahren ist, während ich den Sommer mit meiner Familie in Louisville verbracht habe. Doch seitdem vor einigen Wochen das neue Semester begonnen hat, habe ich Stress mit ihr. Sie wollte dort anknüpfen, wo wir vor den Ferien aufgehört hatten. Und vor allem, plötzlich wollte sie doch etwas Festes. Mit Liebe und dem ganzen Scheiß. Allerdings gibt es da ein kleines Problem: Ich liebe sie nicht. Und ich will niemandem etwas vorgaukeln, was nicht ist. Also habe ich die Sache beendet. Habe ihr gesagt, dass sie eine tolle Frau ist, ich ihr aber nicht die Art von Beziehung geben kann, die sie sich wünscht und verdient. Tja, sie sieht das leider nicht so. Sie klammert sich an mich, versucht ständig, mich zu überreden, ihr eine Chance zu geben. Sie schimpft, weint und manchmal droht sie mir sogar. Es ist wirklich verrückt.

„Bist du neu verliebt?“, platzt sie plötzlich heraus und ich sehe sie verdutzt an.

„Bitte?“

„Na, dieses Mädchen eben. Ist sie deine neue Freundin?“

Sie zittert vor Aufregung und ich schüttele entnervt den Kopf.

„Nein, sie ist nicht meine Freundin. Und wenn sie es wäre, ehrlich, Carolin, dann ginge dich das einen Scheiß an. Es reicht allmählich, ich habe keinen Bock mehr auf den Mist. Lass mich in Ruhe, okay? Lass mich einfach ein für alle Mal in Ruhe.“

Ich wende mich ab, doch sie stürzt an mir vorbei und verstellt mir den Weg.

„Rob, bitte. Hör mir zu. Warum gibst du mir keine Chance? Uns? Wir haben uns doch gut verstanden, oder? Wir könnten glücklich werden, ich weiß es.“

Ich bleibe stehen, weiß nicht, was ich noch sagen soll. Ich bin keiner, der Frauen gegenüber grob wird. So wurde ich nicht erzogen und das liegt auch nicht in meiner Natur. Aber bei Carolin könnte ich mich allmählich vergessen. Andererseits tut sie mir fast leid, so verzweifelt, wie sie aussieht.

„Sich gut zu verstehen reicht aber nicht. Mensch, Carolin, ist das wirklich alles, was du von einer Beziehung erwartest? Willst du nicht für deinen Freund diese Eine sein, dieses ganz besondere Mädchen?“

Ich trete die Kippe aus und sehe sie an.

„Es tut mir leid, für mich bist du das einfach nicht, und auch wenn dir das reichen sollte, mir reicht es nicht. Ich will dich nicht verletzen, aber es ist nun mal so. Kannst du das nicht endlich akzeptieren und aufhören, uns beiden das Leben schwer zu machen?“

Ich streiche mir mit beiden Händen durch die Haare, während sie mich mit großen Augen anstarrt.

„Okay“, sagt sie plötzlich leise. Ich glaube, mich verhört zu haben, und sehe sie irritiert an. Okay?

„Du hast recht. Dann ist es wohl so. Ich habe es versucht, aber offenbar hat alles keinen Sinn. Du willst mich nicht.“

Sie senkt den Kopf und zieht die Schultern hoch, als sei ihr kalt.

„Können wir wenigstens Freunde bleiben? Ich kann dich nicht ganz verlieren“, murmelt sie. Ich schüttele den Kopf.

„Das halte ich für keine gute Idee. Ehrlich, wie soll das gehen? Du kommst nicht damit klar, dass wir kein Paar sind, und das wird nicht besser werden, wenn wir uns dauernd sehen. Lassen wir es gut sein, ja? Vielleicht irgendwann, aber jetzt nicht.“

Ich komme mir fies vor, aber ehrlich, wir beide als Freunde? Das funktioniert nicht, das weiß ich genau. Vielleicht ist das auch nur eine neue Taktik von ihr, keine Ahnung. Es erscheint mir merkwürdig, dass sie so schnell einlenkt, nachdem sie mich wochenlang fast täglich gestalkt hat.

„Nicht mal mit mir befreundet sein kannst du?“

Ihre Augen sehen mich starr an.

„Nein, kann ich nicht. Sorry.“

Damit wende ich mich ab und gehe davon. Ich spüre Carolins Blicke im Rücken und weiß, sie hasst mich.

Eine Stunde später stehe ich pünktlich vor Lucys Wohnheim und ziehe ungeduldig an meiner Kippe. Am liebsten hätte ich den Kinobesuch abgesagt, denn seit Carolins Auftritt ist meine Laune im Arsch. Da ich aber Lucy an unserer ersten Verabredung nicht versetzen will, stehe ich nun hier. Außerdem, trotz meiner eher bescheidenen Stimmung freue ich mich darauf, sie zu sehen.

Ich muss nicht lange warten, bis sie erscheint, und ihr etwas schüchternes, süßes Lächeln entlockt auch mir ein Schmunzeln.

„Hi. Sorry, wartest du schon lange?“

Ich trete die Kippe aus und schüttele den Kopf.

„Nein, bin grad erst angekommen. Können wir los oder warten wir noch auf jemanden?“

Sie zwirbelt eine ihrer langen Haarsträhnen zwischen den Fingern. Ich betrachte sie. Sie ist so was von niedlich, ehrlich. So klein und hübsch.

„Äh, nein, Karen ist noch nicht zurück, du musst also mit mir vorliebnehmen. Tut mir leid.“

Ihre blauen Augen schauen unsicher drein, und sie sieht aus, als ob sie ernsthaft denken würde, mir würde das was ausmachen.

„Oh nein, Karen kommt nicht mit? Jetzt bin ich enttäuscht“, kann ich mir nicht verkneifen und schaue ihr dabei direkt in die Augen. Sie blickt zurück, dann grinst sie und ich muss lachen.

„Ich wollte mit dir ins Kino gehen und du bist hier. Also, alles gut“, sage ich und sie wird ein bisschen rot.

„Okay“, murmelt sie und wir schlendern langsam los. Es ist ein milder Abend im Spätsommer und es weht ein angenehmer, leichter Wind.

„Fahren wir mit dem Bus?“

Lucy sieht mich an und ich schüttele den Kopf.

„Nein, wir können meinen Wagen nehmen. Außer, du möchtest nicht mit mir fahren.“

Ich lächele ihr kurz zu.

„Hm, ich denke, ich traue mich.“

Ihre Augen funkeln amüsiert und ich grinse.

„Gute Entscheidung.“

Wir gehen über den nahen Parkplatz zu meinem Wagen und Lucys Augen werden groß.

„Oh, ist das deiner? Der ist ja cool.“

Sie fährt andächtig mit der flachen Hand über den stahlblauen Lack des Wagens.

„Ein Camaro, wow. Die fand ich schon immer toll.“

„Ich auch.“

Ich lächele ihr zu, als ich ihr die Tür öffne und sie einsteigen lasse. Als ich mich neben sie setze, rutscht sie nervös auf ihrem Sitz herum und nestelt an ihrer Tasche. Ich betrachte sie einen Moment, ihre blonden Haare schimmern im Licht der untergehenden Sonne, die durch die heruntergelassene Scheibe scheint.

„Musik?“, frage ich und sie nickt.

Ich schalte den CD-Player ein.

„Was hörst du gern?“

„Oh, alles Mögliche. Egal, was du hast.“

Sie blinzelt unsicher. Gleich darauf ertönt Calvin Harris’

Thinking about you.

„Okay?“

Sie nickt lächelnd. Sie hat echt das süßeste Lächeln der Welt. Ich kneife die Augen zusammen. What? Habe ich das gerade gedacht? Ich drehe die Musik ein wenig lauter und starre mit gerunzelter Stirn auf die Straße. Was soll das? Ich habe genug Stress mit dem Studium, der Band und meiner verdammten Stalkerin. Beim Gedanken an Carolin verdüstert sich meine Laune sofort wieder.

„Ist das so deine Musik?“, fragt Lucy und ich wende ihr kurz den Blick zu.

„Auch, aber nicht nur. Ich mag vieles, bin da nicht sonderlich festgelegt. Rock, Oldies, RnB, alles, was gut klingt.“

Für den Rest der Fahrt plätschert die Unterhaltung etwas verkrampft vor sich hin, und ich habe das Gefühl, Lucy ist froh, als ich den Wagen auf dem Kinoparkplatz parke und sie aussteigen kann.

Als wir das Gebäude erreichen, warten die anderen bereits auf uns. Danny hat einen Arm um Summers Schultern gelegt, und die beiden stehen so nah zusammen, als ob sie aneinandergeklebt wären. Daneben warten Lexi und Jake. Lexi ist schon lange in meiner Clique und Jake ist Summers bester Freund. Der eigentlich in sie verknallt ist und sich zum Trost mit Lexi angefreundet hat. Oder was immer das ist, was die zwei da miteinander treiben. Jake sieht etwas missgestimmt aus, besonders dann, wenn sein Blick zu Danny und Summer schweift. Er hält sich die meiste Zeit von Summer fern, doch ab und zu schafft Lexi es, ihn mitzuschleppen. Dann sind noch Desiree da und Summers Freundin Jessica, die etwas abseits steht und mit düsterer Miene zu Jake und Lexi schaut. Tja, sieht so aus, als ob da noch jemand nicht das kriegen würde, was er gerne hätte. Ja, eine tolle, gut gelaunte Truppe ist das heute Abend, das muss man schon sagen.

„Hi, sorry, sind wir zu spät? Das ist Lucy.“

Ich lege ihr leicht die Hand an den Rücken, und in meinen Fingerspitzen kribbelt es, als ich mir einbilde, ihre Wärme unter meiner Haut zu spüren. Nachdem alle sich bekannt gemacht haben, betreten wir das Kino. Danny hat die Karten besorgt, und nachdem wir durch den Einlass sind, wollen natürlich alle Popcorn, Nachos und Cola kaufen. Im Kino bricht in unserer Clique immer die große Hungersnot aus und ohne diesen Kram übersteht keiner einen Film.

„Was möchtest du?“

Ich wende mich zu Lucy um, die neben mir steht. Sie sieht schon wieder so unsicher aus und zieht nervös die Schultern hoch.

„Ich? Nichts, danke.“

Ich sehe sie etwas ungläubig an, während Desiree vor uns sich eine Riesenportion Nachos plus einer kleinen Portion Popcorn und einer großen Cola bestellt.

„Nichts? Ach, komm schon, ein Kinoabend ohne Popcorn? Welches magst du? Süß oder salzig? Wir teilen uns eine Portion, hm? Du kannst auch Nachos haben oder was anderes.“

„Nein, Popcorn ist okay. Und süß bitte“, sagt sie zögernd und ich muss schmunzeln. Süß passt zu ihr. Ich ordere die größte Portion Popcorn und zwei Cola.

Im Saal sitzt Lucy zwischen Summer und mir, und ich habe das Gefühl, sie fühlt sich wohl. Summer und Lucy sind sich in der Art offenbar nicht unähnlich, und ich könnte mir vorstellen, dass sie sich gut verstehen werden. Ich platziere den Popcornbehälter zwischen uns und stoße Lucy leicht mit dem Ellenbogen an.

„Zugreifen.“

Sie lächelt.

„Du bekommst noch Geld von mir. Für das Essen und die Karte.“

Ich schüttele den Kopf.

„Genau. Ich lade dich ein und dann lasse ich dich löhnen. Sehe ich so aus?“

Ich zwinkere ihr zu und sie muss lachen.

„Nein, eigentlich nicht. Danke.“

Summer beugt sich ein wenig vor, und ich sehe, wie sie Lucy und mich amüsiert betrachtet. Ich kenne Dannys Süße, sie hofft sicher, dass zwischen Lucy und mir was laufen wird. Und damit meine ich keine Bettgeschichte.

Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis der Film endlich anfängt, und Summer, Lucy und ich unterhalten uns in gedämpftem Ton, während auf der Leinwand die Werbung vor sich hinflimmert. Es ist, wie ich vermutet habe: Die beiden Mädchen haben sofort einen prima Draht zueinander. Lucy taut im Gespräch mit Summer regelrecht auf, und ich merke, wie ich sie fasziniert betrachte. Sie ist hinreißend. Lustig und natürlich. Und wunderschön.

Endlich fängt der Film an und wir richten unsere Aufmerksamkeit auf das Geschehen auf der Leinwand. Es ist merkwürdig, ich liebe diese Filme, heute jedoch fällt es mir schwer, mich darauf zu konzentrieren. Ich nehme Lucys Nähe in jeder einzelnen Sekunde fast überdeutlich wahr. Bilde mir ein, ihre Wärme zu spüren. Ab und zu steigt mir ihr zarter Duft in die Nase und erinnert mich an eine blühende Sommerwiese. Frisch und gleichzeitig warm. Manchmal berühren sich unsere Arme, und es fühlt sich an, als ob mich ein leichter Stromschlag durchzucken würde. Werde ich jetzt verrückt? Ich lenke meinen Blick zu Lucy, die neben mir sitzt und sich nach vorne gebeugt hat. Auf der Leinwand kracht es gerade ordentlich und sie starrt mit großen Augen gebannt auf das Geschehen. Ich muss grinsen, sie sieht so niedlich aus mit dieser 3-D-Brille auf der Nase, mit der eigentlich jeder bescheuert aussieht. Ihre Hände flattern, als ob sie nach etwas greifen wollte. Jetzt bricht sich der riesige Dino seine Bahn, reißt das Maul auf und stößt ein ohrenbetäubendes Gebrüll aus. Lucy zuckt zurück, schreit leise auf und packt mich am Arm. Gleich darauf sieht sie mich verlegen an und ein kleines Lächeln gleitet über ihr Gesicht.

„Ups, sorry. Ich hab mich so erschrocken“, flüstert sie und ich lache leise.

„Kein Problem, Prinzessin, ich beschütze dich.“

Sie verzieht das Gesicht.

„Haha, mach dich nur lustig.“

„Nein, ernsthaft.“

Ich fasse nach ihrer Hand und schließe meine Finger fest darum.

„Keine Chance, du Monster. Das ist meine Prinzessin, klar?“ Ich tue so, als ob ich mit dem Dino reden würde. Lucy kichert und ich sehe sie lächelnd an. Wir wenden unsere Blicke wieder nach vorne, und eigentlich könnte ich sie nun loslassen. Will ich aber nicht und sie will es offenbar auch nicht. Also behalte ich ihre Hand in meiner. Ihre Hände sind klein und weich, es fühlt sich gut an. Mit dem Daumen male ich gedankenverloren kleine Kreise auf ihren Handrücken, als mein Blick an einem blonden Schopf hängen bleibt. Und an Augen, die nicht auf die Leinwand gerichtet sind, sondern zu mir herüber starren. Carolin. Ich glaube, ich spinne. So viel also dazu, sie akzeptiert, dass es mit uns nichts wird, und lässt mich in Ruhe. Ich kneife die Augen zusammen und hole tief Luft. Meine Laune kühlt sich augenblicklich bis unter den Gefrierpunkt ab und ich lasse Lucys Hand abrupt los. Ich merke, dass sie mich irritiert ansieht, und es tut mir leid. Doch ich kann es ihr nicht erklären, nichts tun, was es besser machen würde. Am liebsten würde ich aufstehen und gehen, doch das mache ich natürlich nicht. So bleibe ich steif auf meinem Platz sitzen und warte, bis der Film endlich zu Ende ist.

5

LUCY

Ich schaue nach vorne auf die Leinwand des Kinos, sehe die ganze Action, die gerade abgeht. Alles um mich herum starrt gebannt dorthin, genau wie ich. Doch im Gegensatz zu mir bekommen die anderen sicher mit, was passiert. Ich jedoch kann nur Robs Hand fühlen, die meine hält. Seine Finger umschließen meine und er malt mit dem Daumen kleine Kreise auf meinen Handrücken. Seine Haut ist warm, sein Griff fest und doch sanft. Es fühlt sich unglaublich schön an. Ich schaue vorsichtig zu ihm hoch und betrachte sein Profil. Er ist so wahnsinnig hübsch.

Als ob er meinen Blick gespürt hätte, wendet er ein wenig den Kopf, sieht mich jedoch nicht an, sondern schaut an mir vorbei. Der eben noch warme Ausdruck in seinen Augen gefriert innerhalb von Sekunden zu Eis. Seine Miene versteinert regelrecht, und er lässt meine Hand los, als ob er sich daran verbrannt hätte. Ich blinzele irritiert und schaue verdutzt zu, wie er sich in seinem Sessel so weit wie möglich von mir weglehnt und starr auf die Leinwand sieht. Dabei ergreift er den Pappbehälter mit dem Popcorn, den er auf dem Boden abgestellt hat, und platziert ihn wie eine Trennwand zwischen uns. Als ob er sich hundertprozentig sicher sein wollte, dass ich ihn bloß nicht mehr berühre. Ich sehe immer noch zu ihm, wende mich schließlich zögernd ab. Ich weiß, es ist dumm, aber Robs Reaktion trifft mich tief.

Warum verhält er sich plötzlich so? Wird ihm bewusst, was er tut? Händchenhalten mit einem Mädchen wie mir? Ist es ihm peinlich? Will er nicht, dass seine Freunde etwas mitbekommen? Ich kaue unsicher auf meiner Unterlippe herum und fühle mich, als ob mir jemand einen Eimer Eiswasser über den Kopf gekippt hätte. Zu allem Überfluss sehe ich Harrys Gesicht vor mir, das mich höhnisch angrinst. Höre seine Stimme, die mir zuraunt, was für eine dämliche Gans ich doch sei. Zu glauben, dass jemand wie Rob Heller dem Ganzen hier die gleiche Bedeutung zumessen könnte, wie ich es in meiner grenzenlosen Dummheit gerade getan habe. Ich mache mich in meinem Sitz so klein wie möglich, und als der Film zu Ende ist und das Licht angeht, bin ich erleichtert und unglücklich zugleich. Rob hat keinen Mucks mehr von sich gegeben und mich keines Blickes gewürdigt. Als wir uns erheben und nach draußen gehen, fasst Summer nach meinem Arm und sagt leise: „Alles okay? Du siehst ganz fertig aus.“

„Nein, alles gut“, murmele ich. Sie wirft einen skeptischen Blick zwischen Rob und mir hin und her, sagt aber nichts mehr.

„Gehen wir noch was trinken?“, fragt Danny, als wir vor dem Kino stehen. Alle haben Lust, außer Rob, der sofort den Kopf schüttelt.

„Ich nicht. Lucy, wenn du noch mitgehen willst, dann mach das ruhig. Danny, kannst du sie mitnehmen?“

„Klar.“

Sein bester Freund sieht ihn nun genauso skeptisch an wie Summer kurz zuvor, und mir ist elend zumute.

„Nein, ich fahre mit zurück.“

Ich lächele Danny zu, der mich nachdenklich mustert. In dem Moment läuft das blonde Mädchen, das wir vorhin auf dem Campus gesehen haben, an uns vorbei, und ich sehe, wie Danny die Luft durch die Zähne zieht. Er sieht Rob auffordernd an, doch der winkt nur ab und sagt knapp in meine Richtung: „Kommst du?“

Ich verabschiede mich hastig von den anderen und stolpere hinter Rob her, der über den Parkplatz stürmt, als ob die Saurier aus dem Film hinter ihm her wären. Erst nach ein paar Metern fällt ihm offenbar auf, dass ich hinter ihm zurückbleibe, und wird langsamer. Er bleibt stehen, wirft mir einen finsteren Blick zu, wartet aber auf mich und passt sich meinem Tempo an. Mir ist zum Heulen zumute. Nicht nur, dass ich Robs Verhalten überhaupt nicht verstehen und einordnen kann, noch dazu fühle ich mich einfach schrecklich. Ich bin nicht sportlich, nie gewesen, und es macht mir normalerweise nichts aus. Aber hinter diesem mies gelaunten Traumtypen über einen Kinoparkplatz zu hecheln, ist nicht gerade das, was meinem angeknacksten Selbstwertgefühl guttut. Rob trabt stumm neben mir her, hat die Hände tief in den Taschen seiner Jeans vergraben und hält den Kopf gesenkt. Ich mustere ihn von der Seite, während ich versuche, nicht allzu heftig zu schnaufen. Und allmählich merke ich, wie ich sauer werde. Was soll der Scheiß? Er hat mich gefragt, ob ich mitkommen will, nicht umgekehrt. Ich habe mich ihm nicht aufgedrängt, also muss er auch nicht so tun, als ob ich ihn durch meine Anwesenheit in irgendeiner Weise beleidige.

Endlich erreichen wir den Wagen und Rob hält mir die Tür auf. Ich lasse mich in den Sitz fallen und presse ein knappes „Danke“ zwischen den Zähnen hervor. Als er die Tür hinter mir zuknallt, atme ich tief durch. Ich schaue aus dem Fenster in die Dunkelheit. Ja, so sieht mein Date mit Rob Heller aus. Super, Lucy, hättest du es doch bleiben lassen, dann wäre dir wenigstens eine weitere Demütigung erspart geblieben. Ich bin so dumm. So unglaublich dumm.

Rob setzt sich auf den Fahrersitz, ich höre, wie er den Zündschlüssel dreht, spüre, dass er mich ansieht, und habe das unbestimmte Gefühl, dass er mir etwas sagen möchte. Doch ich habe keine Lust auf blöde Ausflüchte.

Ach, Lucy, es tut mir leid, bitte sei nicht sauer, aber das mit uns, das war heute eine einmalige Sache. Es passt einfach nicht, das verstehst du doch, oder?

Natürlich, Rob, das verstehe ich total. Sieh dich an und dann sieh mich an und alles ist klar. Ich merke, wie sich meine Augen mit Tränen füllen, und starre stur aus dem Fenster. Nein, ich werde jetzt nicht heulen. Nicht vor diesem arroganten Idioten. Wie konnte ich mich so täuschen? Was war das vorhin, als er meine Hand gehalten hat? Als wir uns am See so toll unterhalten haben? Als er mich gebeten hat, mitzukommen? Wollte er sich nur über mich lustig machen? So hätte ich ihn niemals eingeschätzt. So gemein und fies. Rob scheint immer noch zu zögern, und ich frage mich, worauf er wartet. Auf die große, finale Abschlussszene? Darauf, dass die kleine Mollimaus weinend zusammenbricht, weil Mr. Heiß-und-Sexy sie doch nicht haben will? Da kann der Arsch aber lange warten. Ich tue so, als ob ich seinen Blick nicht bemerkt hätte, und atme erleichtert auf, als er endlich den Motor startet und losfährt. Die Fahrt verläuft in tiefem Schweigen, und ich bin mehr als froh, als wir den Campus erreichen und Rob den Wagen parkt. Ich kann gar nicht schnell genug aussteigen und von ihm wegkommen.

„Ja, dann. Danke für die Einladung.“

Ich blinzele und drehe mich hastig um. Doch offenbar hat er noch nicht genug, denn er ist gleich darauf an meiner Seite und läuft neben mir her. Seine Miene ist nicht mehr ganz so abweisend wie vorhin und ich muss beinahe lachen. Ja, hier schaut ja auch niemand aus seiner coolen Clique zu, hier kann er sich wieder netter geben, wenn er mit der unscheinbaren, grauen Maus unterwegs ist. Wütend balle ich die Fäuste.

„Du musst nicht mitkommen, ich finde den Weg“, zische ich schnippisch, doch er hat offenbar nicht die Absicht, auf mich zu hören.

„Klar muss ich. Ich lade kein Mädchen ein und lasse sie dann alleine durch die Dunkelheit nach Hause laufen.“

Ach, auf einmal so ritterlich? Ich puste mir wütend eine Haarsträhne aus der Stirn. Steck dir deine Ritterlichkeit doch sonst wohin.

„Wir sind hier auf dem Collegecampus und nicht in der Bronx. Ich laufe andauernd im Dunkeln hier herum. Ehrlich, ich kann alleine gehen.“

Er wirft mir einen schrägen Blick von der Seite zu.

„Ich will aber mitkommen, wenn es okay ist.“

Okay? Okay wäre gewesen, wenn du dich nicht wie ein dämlicher Idiot benommen hättest.

„Ehrlich? Warum? Ich habe nicht den Eindruck, als ob du großen Spaß an meiner Gesellschaft hättest.“

Ich will das gar nicht sagen, aber es rutscht mir einfach so heraus. Ich senke den Kopf, will gar nicht sehen, wie er mich anschaut. Und will nicht hören, was er dazu zu sagen hat. Warum kann ich nicht einfach meine Klappe halten? Ich laufe eilig weiter, doch Rob will offenbar auf meine blöde Frage antworten, denn er hält mich am Arm fest und dreht mich zu sich herum. Seine schönen Augen haben einen reumütigen Ausdruck, doch ich will das nicht sehen.

„Es tut mir leid, ich weiß, es ist nicht optimal gelaufen heute Abend.“

Ich muss lachen. Nicht optimal gelaufen? So kann man es auch nennen.

„Warum? War doch cool. Wir wollten den Film sehen und das haben wir gemacht. Alles andere … was soll’s.“

„Aber …“, fängt er an, doch ich habe genug.

„Ich bin müde und will auf mein Zimmer. Es ist okay, Rob. Belassen wir es dabei, ja?“

Er zieht die Schultern hoch, ich sehe ihm an, dass er es ganz und gar nicht dabei belassen will, und mir ist nicht klar, warum nicht. Aber ich habe einfach genug für heute. Harrys Worte klingen wie eine Dauerschleife in meinem Ohr. Ich höre sein hämisches Gelächter, sehe, wie er mir zum Abschied einen verächtlichen Blick hinwirft. Sehe meine Schwestern, meine Mutter … niemand, niemand ist wie ich. Meine Hände zittern, als mein Blick über Rob streift. Wir haben mein Wohnheim erreicht, stehen vor der Eingangstür. Er hat wieder die Hände in die Taschen seiner Jeans gesteckt und sieht mich mit diesen Augen an, die die Farbe des weiten Ozeans haben. Mein Blick schweift über seine Hammerfigur - schlank, muskulös, sportlich. Er ist groß, sicher einen Meter achtundachtzig. Sein Gesicht ist perfekt schön. Alles an ihm ist perfekt. Perfekt. Und damit ist er das genaue Gegenteil von mir. Er wird es nie kapieren, was es für jemanden wie mich bedeutet, wenn er mir Zuneigung entgegenbringt. Und was es bedeutet, wenn sich diese Zuneigung als Lüge herausstellt.

„Gute Nacht“, murmele ich und wende mich ab.