Bones vom Großen Fluss - Edgar Wallace - E-Book

Bones vom Großen Fluss E-Book

Edgar Wallace

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Beschreibung

Im neunten Band der Reihe geht es wieder hauptsächlich um Bones. Der Bezirkshauptmann setzt ihn immer wieder als Vertreter gegen aufständische Häuptlinge ein. So seltsam der Leutnant im privaten ist, so diszipliniert ist er im dienstlichen Bereich. Es ist eine Zeit, in der die großen Weltmächte um koloniale Ehren wetteifern, eine Zeit des Ju-Ju, der Medizinmänner und eines unruhigen Friedens mit Bosambo, dem beeindruckenden Häuptling der Ochori. Als Kommissar Sanders in Urlaub geht, übernimmt der vertrauenswürdige Leutnant Hamilton die Verwaltung der afrikanischen Territorien. Doch wieder einmal schafft es der störanfällige Francis Augustus Tibbetts, genannt "Bones", obwohl er eigentlich helfen will, nur seine eigene Art von unschuldigem und liebenswertem Unfug zu verbreiten.

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Seitenzahl: 317

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Edgar Wallace

Sanders vom Strom

Die Afrika-Romane 10. Band

Scratch Verlag

Klassik

e-book 130

Originaltitel: Bones of the River. 1923

Erscheinungstermin: 01.10.2022

© Scratch Verlag

Erik Schreiber

An der Laut 14

64404 Bickenbach

[email protected]

www.scratch-verlag.de

Titelbild: Simon Faulhaber

Vertrieb: neobooks

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Das schreckliche Wort

Der Gesundheitsinspektor

Das schwarze Ei

Ein nettes „Mädchen“

Die Messingbettstelle

Ein Hundeliebhaber

Der „Fotograf“

Der Heilkünstler

Die Wazoos

Die Panafrikaner

Das Weib, das zu den Vögeln sprach

Der Teufelssee

Biographie

Vorwort

Dies ist der zehnte Band der zwölf Afrika-Romane von Edgar Wallace. 1923 erschien dieser Roman, der sehr viel Aufmerksamkeit erhielt.

Diesen Roman, wie auch die folgenden, sollte man in der damaligen rassistischen, kolonialistischen akzeptierten Grundstimmung lesen. Damals war diese Art schriftstellerischen Ausdrucks ganz normal. Daher findet man auch keine Anpassung an die heutige politisch korrekte Veränderung.

Die Geschichten, das Buch ist eher eine lose aufeinander aufbauende Kurzgeschichtensammlung, sind ereignisreich, wenngleich nicht der „modernen Action“ zuzuordnen. Es gibt Streitigkeiten, kriegerische Auseinandersetzungen, Zauberdoktoren und weiße Glücksritter.

Edgar Wallace beschreibt in seinen Afrika-Romanen den Zustand der Kolonialherren wie Väter zu Kindern, die die Eingeborenen darstellen.

Seine Afrika-Romane sind ein Stück Zeitgeschichte und Kolonialgeschichte zugleich. Weit eindrucksvoller, als in den Geschichtsbüchern, beschreibt er die Zeit der kolonialen Inbesitznahme Afrikas aus Sicht der Kolonialmächte nachvollziehbar.

Einen „politisch korrekten“ Roman können Sie hier jedoch nicht erwarten. Es würde den Flair der Erzählung zerstören und ihn nicht mehr lesbar machen.

Das schreckliche Wort

„Passen Sie auf die Hühner auf, schmeißen Sie die Katze raus, und vergessen Sie nicht, die Uhr aufzuziehen!“, sagte Hamilton mit einem Lächeln, das mehr Grimasse war.

Leutnant Tibbetts neigte sein Haupt mit einem Ausdruck, den er für stille Würde hielt.

„Und tun Sie was für Ihren steifen Hals!“, fügte Hamilton hinzu. Hauptmann Hamilton kehrte vom Deck der „Zaire II“ noch einmal zu der kleinen festen Mole zurück, die vom Stationsland in den Fluss ragte.

Distriktsgouverneur Sanders war im Begriff, auf eine kurze Inspektionsreise zu gehen, und Hauptmann Hamilton und eine halbe Kompanie Haussa sollten ihn begleiten.

Mr. Tibbetts, bekannt unter dem Namen „Bones“, blieb als Oberbefehlshaber zurück und sollte sieben Tage lang stellvertretender Distriktsgouverneur, stellvertretender Oberstkommandierender der bewaffneten Macht, stellvertretender Oberzahlmeister und Stabschef sein. Außerdem waren ihm augenblicklich fünfundzwanzig Orpingtonhennen, drei junge Hähne und ein neues Hühnerhaus unterstellt, die sämtlich das Eigentum seines Vorgesetzten waren. Katze und Uhr waren Phantasiegebilde Hauptmann Hamiltons.

„Und - was ich noch sagen wollte -“ Hamilton, einen Fuß auf dem Deck des kleinen Dampfers, den anderen auf der Mole, wandte sich um. „Lassen Sie das Märchenerzählen, Bones!“

Einmal nämlich, als Bones die Station unterstellt gewesen war, kam ein Kanu mit einem kleinen Isisihäuptling, der sich mit einer Klage an den Distriktsgouverneur wenden wollte. Und Bones, unfähig, das Palaver zu regeln, benutzte die glänzende Gelegenheit, ihm ein Grimmsches Märchen in oberflächlicher Übersetzung zu verzapfen. Das hatte sich nicht gerade als ein sehr glücklicher Versuch erwiesen, denn als der kleine Häuptling in sein Dorf zurückkam, versuchte er diesen neuen Märchenzauber. Der Erfolg erwies sich als verheerend, denn als es ihm nicht gelang, sein nörgelndes Weib in einen Baum zu verwandeln, hatte er sie in seinem Ärger überaus tüchtig verprügelt, jedoch zu stark, so dass sie daran starb.

„Gebieter“, hatte er sich damals entschuldigt, „ich hab' den Zauber genau nach Lord Tibbetts Worten ausgeführt, denn ich habe sie mit Wasser besprengt und dabei gesagt: >Werde ein Baum!<, aber da sie von einem bösen Geist besessen war, gehorchte sie Lord Tibbetts Zauberspruch nicht.“

Bones schnaubte. „Ihr Sarkasmus, mein verehrter Befehlshaber, ist an mir überaus verschwendet. Ich werde mich einfach mit meinen netten alten Studien einschließen und mich weigern, irgendjemand zu empfangen. Und was Ihre unanständigen alten Hähne und Hennen anlangt, so weigere ich mich, das Geringste mit ihnen zu tun zu haben. In den Dienstvorschriften steht nichts davon, dass ich mich um Hühner zu kümmern hätte. Ich hasse es geradezu, Sie zu belehren. Aber Sie sollten es wirklich wissen, lieber Offizier, dass es nicht zu meine Aufgaben gehört, ihnen ihre Milch oder sonst irgendwelches Futter zu verabreichen, das diese unglücklichen Viecher nötig haben ...“

„Leben Sie wohl, Bones!“, rief Sanders von der Kommandobrücke. „Boy! Wirf das große Tau los!“

Die Vertäuleine klatschte ins Wasser. Mit munter schlagendem Heckrad glitt die „Zaire II“ in die Mitte des Fahrwassers und richtete ihre Nase gegen die lehmfarbene Strömung.

„Lehren Sie den neuen Twostep!“, brüllte Hamilton lachend.

„Bringen Sie den Ihren Hühnchen gefälligst selbst bei!“, kreischt Bones.

*

Leutnant Tibbetts hatte drei Wachträume. In Wirklichkeit hatte er deren nahe an dreihundert, aber drei davon bevorzugte er. Der erst beschäftigte sich mit der Rettung schöner weiblicher Wesen aus verschiedenen haarsträubenden Gefahren. Bones hatte in seinem Traum ein brünettes Mädchen mit großen, leuchtenden Augen und schlanker, biegsamer Gestalt. Dann ein blondes Mädchen mit einem milchhellen Tein, das nicht ganz so schlank war. Und schließlich eine kecke, draufgängerische Person, die gegen seine ernstgemeinten Ratschläge immer in Unannehmlichkeiten geriet, die ihm trotzte und ihre eigenen willigen Wege verfolgte, die einen aufrichtigen jungen Liebhaber verließ, dessen Leid und Kummer niemand mit einem Blick auf sein bleiches, gemeißeltes Gesicht zu erraten vermocht hätte. Und wenn er sie dann rettete, pflegte sie ihm weinend in die Arme oder mit Tränen auf ihre Knie oder lang ausgestreckt vor die Füße zu fallen.

Aber unweigerlich fiel sie, so oder so, und erreichte seine Verzeihung oder auch nicht, je nach der Gemütsverfassung, in der sich Bones gerade befand.

Sein zweiter Traum war, dass er große Schätze von ungeheurem Wert entdeckte und eine wundervolle Jacht kaufte, die mit schweigsamen, uralten, geheimnisvollen Männern bemannt war. Damit pflegte er unbekannte Meere zu befahren und ganz unerwartet in Cowes wieder aufzutauchen. Und wenn es auch nicht immer Cowes war - unabänderlich geschah es vor einer riesigen, elegant gekleideten und begeisterten Menge. Und schöne Mädchen pflegten dann zuzusehen, wie die Jacht majestätisch auf ihren Ankerplatz segelte, und pflegten zueinander oder zu irgendjemandem, der zufällig in unmittelbarer Nähe stand, zu sagen: „Das ist der „Gelbe Vampir“, der eben von einer seiner geheimnisvollen Reisen zurückkehrt. Sehen Sie! Der Mann auf der Brücke ist Kapitän Tibbetts, der Millionär. Man erzählt sich von ihm, er sei ein Weiberfeind. Ich möchte ihn zu gern kennenlernen.“

Sein dritter Traum war ihm der liebste. Er träumte, dass die Hohen Behörden sein ungewöhnliches Organisationstalent, seine erstaunliche Kenntnis des Verbrechertums und die Furcht, die sein Name in der Brust der Bösewichter erweckte, entdeckt hätten. Dann würden sich die zarten und verwöhnten jungen Reiterinnen im Park nach ihm umdrehen, seiner düsteren Gestalt nachstarren und einander bezeichnende Blicke zuwerfen.

„Das ist Kommissar Tibbetts von der Kriminalabteilung. Kein Tag vergeht, an dem seine unerbittliche Hand nicht einen Mörder zum Galgen schleift. Wie schwarz und düster sein Leben sein muss! Ich wünschte, ich könnte eine Empfehlung an ihn bekommen!“

Bones hatte viele Streifzüge in das Gebiet der Aufklärung von Verbrechen gemacht. Sie waren aber nicht sehr erfolgreich gewesen. Er hatte Bücher über Kriminologie gelesen und gelehrte Fachbücher studiert, in denen Wissenschaftler mit fremdländisch klingenden Namen die Größe von Verbrecherohren tabellarisch geordnet und merkwürdige Schlüsse aus der Form ihrer Nasen gezogen hatten. Dieser Wissenszweig wurde in dem Augenblick unbeliebt, als Bones in der Form von Hauptmann Hamiltons Augenbrauen positive Beweise für Anlagen zum Mörder entdeckte.

*

Bones lag lang ausgestreckt auf der kleinen mit Matten belegte Veranda, vor seiner Hütte. Es war ein glühend heißer Tag ohne einen einzigen Hauch des Seewindes, um die Schmelzofenatmosphäre zu lindern, die um die Station herrschte.

Bones schlief nicht. Aber er wachte auch nicht. Er war gerade dabei, einen Kerl festzunehmen, der die Polizei der ganzen Welt zum Narren gehalten hatte, bis er, irregeführt, in den Aktionsradius dieses luchsäugigen Spürhundes, des Fährtenfinders Tibbetts von Scotland Yard, geriet.

Da, plötzlich das Patschen nackter Füße. Bones blinzelte.

Es war ein schlanker, barfüßiger Haussakorporal, der heraufkam und seine Hand an seinen scharlachroten Tarbusch legte.

„Da ist ein Kanu vom Oberland angekommen. Ich habe den Leuten gesagt, dass sie warten sollen, bis Sie gesprochen haben.“

„Ha?“, fragte Bones dumpf. „Was ist das für ein Unsinn?! Nehmt den Kerl fest und bringt ihn zu mir!“

Er hätte ebenso gut die Ilias vortragen können, der Korporal würde sie ebenso wenig verstanden haben, denn Bones sprach englisch.

„Lasst sie hierherkommen!“, befahl er schließlich. „Und - Mahmet - hast du den Gluck-Glucks Futter gegeben?“

„Gebieter, du hast doch gesagt, du selbst würdest den Gluck Glucks Futter geben. Wasser habe ich ihnen gegeben, weil sie ein fürchterliches Spektakel machten.“

Bones klemmte das Monokel ein und starrte den Mann an. „Bring die Kerle her! Dann schaff das Futter zu den Vögeln, die Hamiltons Augapfel sind, weil sie seine eigenen Tanten sind, die in Hühner verzaubert wurden ...“

Bones hielt inne. Er entsann sich Hamiltons Warnung, kein Märchen zu erzählen.

Darauf kam M'gula von den Oberen Ochori zu ihm, ein Mann von vierzig Jahren mit einem großen Schädel und noch runzeligerem Gesicht.

„Ich sehe dich, Tibbetti“, platzte er los, als er sich im heißen Sonnenlicht niederhockte.

„Ich sehe dich, Mann“, antwortete Bones. „Nun sage mir, warum bist du in deinem großen Kanu gekommen? Sandi ist nicht bei mir. Er ist nach dem Isisiland gefahren. Aber ich vertrete ihn und halte Gericht“, bemerkte Bones geschwollen.

„Gebieter, ich habe von dir und deiner Weisheit gehört. Von dem Wasser, das nur ein Ufer hat, bis zu den Bergen des alten Königs redet das Volk von dir und klatscht in die Hände. Man erzählt sich, dass du größer als Sandi selbst seiest, da du ein Zauberer bist. Denn du berührst Dinge mit deiner Hand, und sie verschwinden. Du holst Silberdollars aus der Luft. Und es geht das Gerücht, dass du schöne Dinge, wie Vögel und ganze Stücke Zeug und kleine Tiere, aus einem leeren Topf geholt hättest.“

Bones hustete ein wenig schuldbewusst. Er hatte einmal einige Taschenspieler-Kunststückchen vor einer gebannten Zuschauerschaft ausgeführt. Glücklicherweise wusste Hamilton davon nichts.

„Und weil ich wusste, dass der Gebieter Sandi zu den Isisi gegangen ist, kam ich zu dir, Gebieter. Denn ich habe viele Gedanken, die mich beunruhigen.“

In einem Land, in dem Menschen tausend Meilen wanderten, um die Antwort auf ein Rätsel zu erfahren, war es weiter nicht merkwürdig, dass jemand die lange Reise vom Ochoriland machte, um sich von einer, wenn auch geringen, Sorge befreit zu sehen. Und Bones wartete.

„Gebieter, ich bin ein Mann, der viele Jahre gelebt hat, der viel nachgedacht und wenig, wenig getan hat. Mein leiblicher Bruder ist Häuptling von K'mana; er trägt eine Medaille an seinem Hals, und die Menschen sagen „Kwas“ zu seinem Richterspruch. Und ich, der ich doch meiner Gedanken halber größer bin als er, stehe nur im Rang eines gemeinen Mannes. Nun sage mir, Tibbetti, müssen alle Menschen das bleiben, als das sie geboren sind?“

Bones begann interessiert zu werden. „Wie heißt du, Mann?“

Und als sein Besuch ihm das gesagt hatte: „M'gula, viele Menschen wurden niedrig geboren und haben es zu Bedeutung gebracht. Das ist wohlbekannt.“

Je mehr Bones sich für den Gegenstand erwärmte, je mehr er sich des nützlichen Charakters seiner Vorlesung bewusst wurde, desto gesprächiger wurde er. Er erzählte die Geschichte eines jungen korsischen Artillerieoffiziers, der nach einem Thron gestrebt hatte. Er erzählte von einem armseligen Knaben in einer Walzmühle - ein eisernes Wunder nannte er ihn -, der reich geworden war. Er plünderte die Geschichte und legte sie falsch aus, um die Lehre von der Benutzung des Augenblicks zu predigen, und M'gula saß bewegungslos.

„Nun sehe ich, dass du weiser bist, als M'shimba selbst und größer als die Dämonen“, sagte M'gula, als Bones sich satt geredet hatte „Und ich habe ein warmes Gefühl im Magen, denn nun weiß ich, dass Menschen groß werden aus ihren Gedanken heraus.“

Er kam am nächsten Morgen wieder, und Bones, der inzwischen einige weitere geschichtliche Daten zusammengeklaubt hatte, setzte seine Belehrung über Selbsthilfe fort.

„Der Leopard kommt einmal ans Netz.“ Er umschrieb auf die Weise das Sprichwort von der Gelegenheit, die einmal an die Tür klopft. „Und wenn das Netz dauerhaft ist, siehe, dann wird er deine Beute. Aber, wenn das Netz alt ist und die Fallgrube nicht tief genug, dann trollt er sich und kehrt nicht wieder.“

M'gula kehrte als ein belehrter Mann ins Ochoriland zurück. Einen Monat nach seiner Rückkehr wurde sein Bruder, der Häuptling, von einem leidenschaftlichen Drang ergriffen, vor seinem Dorfvolk aufzustehen und das Gedicht, „M'sa“ genannt, vorzutragen.

Den Namen „Gedicht“ verdiente es vom weißen wie vom schwarzen Standpunkt aus, denn es behandelte den Tod in einer malerischen und phantasievollen Weise.

Es gab keinen Mann oder Knaben, von einem Ende, dessen Gebiet bis zum anderen, der nicht „M'sa“ hätte rezitieren können, wer er es gewagt hätte, Teufeln und Ju-Ju-Zauber die Stirn zu bieten. Aber das Gesetz verlangte, dass „M'sa“ im Flüstern gelehrt wurde und an geheimen Plätzen, von denen alle Vögel verscheucht waren. Denn Vögel waren dafür berüchtigt, dass sie Mitglieder der Geisterwelt waren, die Neuigkeiten verbreiteten und auf ihre merkwürdige Weise über die Seelen der Menschen schwätzten.

Im Flüstern musste das Gedicht gelehrt werden; im Flüstern musste es vorgetragen werden. Und sein Schlusswort, das Wo „M'sa“ durfte niemals über die Lippen kommen. Kein Mensch hat jemals erklärt, was „M'sa“ bedeutet. Genug, dass es ein so fürchterliches Wort ist, dass es schon allein beim Darandenken die Menschheit erzittern lässt.

Die Überlieferung sagt, dass kein Mensch, gesund oder wahnsinnig, in den letzten hundert Jahren das Wort „M'sa“ ausgesprochen habe. Und als Busubu, der kleine Ochorihäuptling, aufstand ui beim Dorffeuer das große Gedicht mit einer fürchterlichen Stimme vortrug, saßen seine Leute zuerst starr vor Schrecken bei dieser Gotteslästerung und deren fürchterlicher Bedeutung. Dann stoben sie auseinander und flohen, sich die Ohren zuhaltend, in ihre Hütten.

In der Nacht, als Busubu schlief, kamen seine beiden Söhne und sein Bruder in seine Hütte und weckten ihn sanft.

Er stand auf und ging mit ihnen in den Urwald. Sie marschierten die ganze Nacht, bis sie an einen großen Sumpf kamen, wo die Krokodile ihre Eier legten. Die Wasser des Teiches kräuselten und drehten sich unaufhörlich im grauen Licht der Dämmerung. Sie rasteten am Ufer eines kleinen Sees, und der Bruder sprach.

„Busubu! Du hast den schrecklichen Dämon auf unser Volk gehetzt, der uns alle zu Sklaven machen wird. Wir wissen das, denn unser Vater hat uns das gesagt. Dieser Dämon ist mit seinem Bein an den Grund dieses Sumpfes gefesselt und wartet darauf, bis er das Wort „M'sa“ hört. Denn dann soll er frei sein. Nun meine ich, Busubu, musst du zu diesem Geist sprechen.“

„O Mann und Bruder!“, wimmerte Busubu, der Häuptling. „Ich würde die fürchterlichen Worte nicht ausgesprochen haben, wenn ihr mir nicht gesagt hättet, es sei der Befehl Sandis, ich solle es tun. Denn kamt ihr nicht heimlich in meine Hütte und sagtet ihr mir nicht, Sandi hätte den Geist getötet, damit alle Männer das Wort „M'sa“ ohne Furcht aussprechen könnten?“

„Du bist wahnsinnig und ein Lügner!“, sagte M'gula ruhig. „Lasst uns ein Ende machen!“

Und da sie sein Blut nicht an ihren Händen haben wollten, fesselten sie ihn an einen Baum, nahe der Stelle, wo sich das Wasser am häufigsten kräuselte, blendeten ihn und verließen ihn. Sie warteten eine Weile in Hörweite des Ortes, und als sie am Nachmittag gewisse Schmerzenslaute vernahmen, wussten sie, dass ihr Werk vollbracht sei, und kehrten in ihr Dorf zurück.

„Nun, ihr Söhne Busubus“, sagte der Onkel der jungen Männer, „wenn diese Angelegenheit zu Sandis Ohren kommt, werden seine Soldaten kommen, und wir werden baumeln. Lasst uns morgen ein ordentliches Palaver aller Dorfeinwohner und aller jener, die im Urwald wohnen, zusammenrufen und lasst uns ihnen sagen, dass Busubu wahnsinnig gewesen, in den Fluss gefallen und ertrunken sei.“

„Und dass eine der Schrecklichen ihn an den Beinen erwischt habe“, sprang sein Neffe hilfreich ein.

„Und, M'gula, ich will meines Vaters Stelle einnehmen und Recht sprechen. Wenn Sandi kommt und mich klug reden hört, wird er sagen: „Dieser Sohn Busubus ist mein Häuptling“.“

Sein Vorschlag erweckte keine Begeisterung.

„Ich will an meines Bruders Stelle sitzen, denn ich bin ein alter Mann, und alte Leute sind weise. Und wenn Sandi kommt, will ich für euch beide sprechen“, fügte Busubus Bruder M'gula hinzu.

Und so wurde es vereinbart. M'gula saß auf dem Staatssessel dem strohgedeckten Palaverhaus und gab sein Urteil ab und hielt Reden. Eines Tages lud er seine beiden Neffen zu einem großen Mahl von Fisch und Maniok (kartoffelähnlich schmeckende lange Knolle). Nach dem Mahl erkrankten beide Neffen. Sie wurden am nächsten Morgen in der Mitte des Flusses begraben, und M'gi nahm ihre Weiber in sein Haus. Bosambo, oberster Häuptling der Ochori, hörte Gerüchte und schickte einen Monat oder etwas später eine Brieftaube an Sanders.

„M'gula? Wer zum Teufel ist M'gula?“ fragte Hamilton.

Sie waren gerade beim Frühstück in dem großen, luftigen Esszimmer des Stationshauses. Sanders hatte die an diesem Morgen angekommene Brieftaubenpost laut vorgelesen.

„Mein lieber alter Ham“, versetzte Bones, der diesem gegenübersaß, „mein lieber Hauptmann und Ehrwürden! Wollen Sie damit sagen, Sie kennen M'gula nicht?“

Leutnant Tibbetts saß, die erhobene Kaffeetasse in der Hand, und hatte einen Ausdruck von Ungläubigkeit und Verwunderung im rosigen Gesicht.

„Ich wünschte beim Himmel, Bones, Sie würden nicht immer mit vollem Mund sprechen. Wurden Ihnen als junge denn gar keine Manieren gelehrt?“

Bones verschluckte irgendetwas sehr schnell und mühsam. „Sie haben mich eben einen Pflaumenkern verschlucken lassen, Sie alter grausamer Präfekt“, sagte er vorwurfsvoll. „Ich behaupte nicht, jeden netten alten eingeborenen Schwarzen von Angesicht kennen. Aber M'gula kenne ich ... Er ist so ein Fischerkerl, noch ein ganz junger Bengel ... am Isisifluss. Habe ich recht, Exzellenz?“ Sanders schüttelte den Kopf. „Sie sind im Irrtum. Er gehört den Nord-Ochori.“

„Wenn ich sagte Isisi“, fuhr Bones ohne jede Scham fort, „meine ich natürlich die Ochori. Ich kenne seinen Vater. Hübscher, netter liebenswürdiger alter Schuft.“

„Ich hängte seinen Vater vor zehn Jahren“, entgegnete der geduldige Sanders. „Und mir scheint, das Gehängtwerden ist in der Familie erblich.“

„Es scheint so“, murmelte Bones, noch immer nicht eingeschüchtert. „Nun, da Sie ihn erwähnen, entsinne ich mich seiner. M'gula, natürlich. Lieber alter Ham, ich bin wirklich überrascht, dass Sie einen Kerl wie M'gula vergessen können.“

„Was hat er denn ausgefressen?“, fragte Hamilton.

„Gift, das ist sicher. Wahrscheinlich ein verblümter Mord, obwohl, ich denke, dass das schwer nachweisbar sein wird. Busubu, der kleine Häuptling der Gegend, ist verschwunden. Ich glaube, er war etwas verrückt. Das letzte Mal, als ich durch die Gegend kam, entwickelte sich bei ihm die Schlafkrankheit. Die typischen Nackendrüsen. Nur glaubte ich, es würde länger dauern, ehe das Wahnsinnsstadium erreicht sein würde.“

Sanders klopfte mit seinen Fingerspitzen auf seine weißen Zähne. Das war immer ein Zeichen der Unruhe bei ihm.

„Ich habe halb und halb Lust, Sie in den Busch zu senden, Bones. Sie können den „Wiggle“ nehmen und unterwegs bei Bosambo anlaufen.“

„Sicher ist es eine ziemlich einfache Sache, M'gula zu stellen“, bemerkte Hamilton. „Es ist nichts Ungewöhnliches. Ein Häuptling verschwindet auf geheimnisvolle Weise, ein Verwandter springt auf den frei gewordenen Platz ...“

Sanders schüttelte den Kopf. „Dieses Verbrechen weist einen merkwürdigen Zug auf - wenn es ein Verbrechen ist. Es findet sich keiner, der Angaben darüber machen kann oder machen will. Gewöhnlich, sogar in einem kleinen Dorf, kann man ein Dutzend Gerüchte hören, die ineinandergreifen. Bosambo sagt, dass M'gula vor zwei Monaten eine Reise hierher, nach der Station, gemacht habe. Ich kann mich aber seines Hierseins nicht entsinnen.“

Irgendetwas in Bones Gesicht lenkte die Aufmerksamkeit seines Vorgesetzten auf sich.

„Bones! Sie haben ihn gesehen?“

„Ob ich ihn gesehen habe, lieber alter Ham? Der Herr segne mich, wenn ich mich darauf besinnen kann. Wenn man die ganze Nacht mit Ihren netten alten Hennen ...“

„Sie haben ihn gesehen, und ich wette, Ihre verdammte Leidenschaft, die unglücklichen Eingeborenen erziehen zu wollen, ist dafür verantwortlich. Welchen Zweig der Wissenschaft haben Sie durchgenommen?“

Bones stand vom Tisch auf.

„Jedes Mal, wenn ein ungezogener alter Häuptling verschwindet, legen Sie das mir zur Last, Sir“, meinte Bones bitter, „und jedes Mal wenn ...“ Plötzlich hielt er inne, sein Ton wechselte. „Was sagten Sie eben, Exzellenz? Sie wollten mich hinaufschicken, um dort herumzuspüren? Ich will mich nicht selber loben, aber ich habe eine gute Witterung für die Sorte Arbeit. Dinge, die Sie gar nicht bemerken würden, lieber alter fledermäusiger Vorgesetzter, nagle ich 'ner Minute fest. Sie kennen mich, Exzellenzchen ... Wer fand Ihre Zigarettenhalter, als Sie ihn verloren hatten?“

„Ich“, erwiderte Hamilton.

„Aber wer hat Sie auf die Spur gebracht, lieber alter Ham? Wer hat Ihnen gesagt: „Haben Sie schon in Ihrer Tasche nachgesehen? Ich. - Ich wette, ich bringe dieses Geheimnis an den Tag, ehe zweimal die Augen auf- und zumachen. Beobachtungsgabe macht’s. Ein ganz wenig Zigarrenasche, ein zerrissener Brief, Dinge, die einem gewöhnlichen Sterblichen gar nicht in den Sinn kommen.“

„Ich fürchte, Sie werden weder Zigarettenasche noch Briefe im Ochoriland finden“, versetzte Sanders trocken. „Aber ich habe die Empfindung, dass man dieser Sache nachgehen muss. Nehmen Sie den „Wiggle“ und fahren Sie zu dem Dorf! Sie könnten Bosambo auf Ihrem Weg dorthin mitnehmen. Überlassen Sie es ihm, einen richtigen Häuptling zu ernennen! Und seien Sie vorsichtig! Diese Völker im Norden sind eigentümlich und hängen aneinander wie Kletten. Sogar Bosambo ist ihrer nie ganz Herr geworden. Vielleicht haben Sie Erfolg.“

Bones lächelte bei dem Wort „vielleicht“.

Bosambo, Oberhäuptling der Ochori, hielt ein Palaver mit allen seinen fünfzig Häuptlingen, denn das Land war unruhig. Ganz unerwartet hatte es eine Missernte gegeben; eine geheimnisvolle und verheerende Seuche war unter den Ziegen aufgetreten, und drei ansehnliche Stämme hatten ihren Tribut verweigert und eine trotzige Botschaft an ihren Oberherrn gesandt. Es ging ein Gerücht, dass diese Drei sich zu einem Bündnis zusammengetan hätten, und konnte nur Krieg bedeuten. Außerdem, ein Steuereintreiber war zu Tode geprügelt und ein anderer, wie Bosambo vermutete, ertränkt worden. Bosambo, der seinen Mantel von Affenschwänzen trug und seine drei kurzen Schlachtspeere bei sich hatte, hörte Stunde auf Stunde zu, als Sprecher auf Sprecher aufstand und ihn anredete. Als letzter Sprecher redete M'febi, ein Häuptling, der im Verdacht stand, ein großer Zauberdoktor zu sein. Den ganzen Tag hatte Bosambo auf das Auftreten dieses Mannes, des mächtigsten seiner Untertanen und ihm am feindlichsten gesinnten, gewartet.

„Gebieter Bosambo, du hast gehört“, begann M'febi inmitten einer Totenstille, „Seuchen herrschen im ganzen Land, und keiner, der sich nachts niederlegt, weiß, was die Sonne des nächsten Tages beleuchten wird. Ich, als weiser Mann, der die Geheimnisse kennt, kenne die Veranlassung hierfür, und ich will sie dir nennen: Das fürchterliche Wort ist gesprochen worden, und der Dämon der Stillen Wasser ist los und geht um.“

Ein angstvolles Murmeln lief durch die Versammlung. Die Männer rieben ihre Finger im Staub und beschmierten in Eile ihre Arme damit.

„Darum“, fuhr M'febi, erfreut durch die Sensation, die er erregt hatte, fort, „verfault unsere Ernte. Aus diesem Grund legen sich unsere Ziegen hin und sterben, indem sie Geräusche mit ihren Kehlen machen. Und nun, Bosambo, sollst du, der du der Liebling Sandis und so ausnehmend klug bist, unser Getreide wieder aufstehen lassen und unsere Ziegen wieder munter machen.“

Bosambo erhob seine Hand. „M'febi, bin ich ein Zauberer? Kann ich die Toten wieder lebendig machen? Antworte!“

M'febi zögerte. Er witterte Gefahr. „Nein, Gebieter, das kannst du nicht.“

„Gut, dass du das zugibst“, bemerkte Bosambo unheilvoll. „Denn, wenn ich ein solcher Zauberer wäre, würde ich dich dort, wo du stehst, gespeert haben. Und das mit dem furchtbaren Wort, das ist deine Erfindung. Und ich sage dir, M'febi, ich verfahre sehr schnell mit Männern und Häuptlingen, die mir Geister bringen, wenn ich Gummi von ihnen fordere. Die machen dann auch Geräusche mit ihren Kehlen und schlafen auf ihren Gesichtern. Ich will meinen Tribut haben! Denn das kommt mir zu, mir und Sandi und dessen König! Und was diese Leute aus dem Norden anlangt, die sich wider mich verschwören, so werde ich ihnen Feuer und Speere bringen. Und sie sollen Blut zahlen anstatt Tribut! Das Palaver ist aus!“

An diesem Tag noch musterte Bosambo seine Kriegerscharen: junge Männer, die über Geister spotteten und M'shimba M'shamba selber ins Gesicht lachten. Und sie kamen auf den Ruf seines Lokolis in Haufen von zehn und wieder zehn, von jedem Dorf, zu den der Ton seiner Trommel reichte. Und sie führten auf der Ebene, die jenseits der Stadt lag, ihre Kriegstänze auf.

Als Bones ankam, fand er die Stadt als ein einziges bewaffnetes Feldlager vor. Bosambo, der ihn am Ufer empfing, hielt es für klug ihm nichts von der Unruhe in seinem Land zu sagen. Aber als Bones andeutete, dass der Häuptling ihn nach dem nördlichen Gebiet begleiten solle, wurde dieser sehr niedergeschlagen und fand es ziemlich schwierig, seine Unlust darüber zu erklären.

„Gebieter Tibbetti, ich würde für Sandi bis ans Ende der Welt gehen, aber für dich sogar bis in die Hölle. Nur ist es gerade jetzt eine schlimme Zeit. Denn ich habe viele Palaver abzuhalten, und es ist der Monat der Steuereintreibung. Darum, Tibbetti, geh du allein und ich werde dir folgen, noch ehe es Vollmond ist.“

Das war ein Plan, der dem Amateurdetektiv passte. Denn er wollte den Ruhm für die Entdeckungen, die er zu machen sich zutraute, für sich allein in Anspruch nehmen.

„Dieser Busubu war wahnsinnig“, sagte Bosambo beim Abschied. „Was diesen M'gula anbelangt, so weiß ich nichts über ihn, weil er ein gewöhnlicher Mann ohne Rang ist. Ich meine, wenn man seine Füße ein wenig ansengt, könnte er gestehen, Tibbetti. Denn die Fußsohlen alter Männer sind sehr empfindlich.“

Aber Bones wusste einen besseren Weg.

Am Morgen des Tages, an dem Bones dort im Dorf ankam, hatte M'gula eine geheime Konferenz mit den Häuptlingen der drei ansässigen Stämme, deren Landschaften an die seinige grenzten.

„Meine Späher brachten mir Nachricht, dass Tibbetti mit Soldaten in seinem kleinen Schiff auf dem Weg hierher ist, um zu erfahren, auf welche Weise Busubu starb. Nun ist Tibbetti mein Freund, de er hat mir den Weg zur Macht gezeigt. Und weil er mein Freund ist, darum werde ich ihn zu euch senden, damit er mit euch ein Palaver hält.“

„Aber wenn er kommt, wird er seine Soldaten mitbringen, und dann würde es ein schlimmes Palaver werden“, antwortete bedenklich einer der Rebellenhäuptlinge. „Wie können wir wissen, ob er nicht Böses über uns zu Tibbetti, dem Sohn Sandis, spricht? Denn es ist klar, dass du für dein Dorf zu groß geworden bist. Und man sagt, dass du nach der Herrschaft über die drei nördlichen Stämme strebst, wie es Gubula tat.“

Gubula war ein Häuptling im grauen Altertum gewesen, der schon achthundert Jahre tot war. Aber achthundert Jahre sind beim Eingeborenen „gestern“, und „gestern“ heißt für sie „vor Jahrhunderten“.

M'gula war bestürzt über die unverblümte Bloßstellung seiner geheimsten Gedanken und Bestrebungen.

„Sobald Tibbetti wieder fort ist, wollen wir weiterreden“, sagte er. „Und nun kommt in mein Haus! Wir wollen ein Mahl halten!“

„Besser, du kommst in mein feines Haus, M'gula, und wir halten dort ein Mahl“, versetzte der Sprecher der Nordstämme. „Denn ich möchte kein Bauchweh haben und auch nicht auf der Insel im Strom begraben werden.“

Der Tod der Neffen M'gulas schien nicht unbemerkt geblieben zu sein. Jedenfalls beschwichtigte M'gula die Leute, schickte sie mit gefestigtem Vertrauen in seine Aufrichtigkeit zurück und bereitete sich auf die Ankunft Bones vor.

Leutnant Tibbetts war kaum länger als eine halbe Stunde im Dorf, als er auch schon, eine lange Pfeife im Mund und einen wütenden Ausdruck im Gesicht, seine Nachforschungen begann.

Willige, aber verlogene Männer und Weiber zeigten ihm genau die Stelle am Ufer, auf der Busubu gestanden hatte, als der Alligator ihn packte. Zur Bestätigung ihrer Angaben wiesen sie auf die beschuldigte Echse, die sich in diesem Augenblick mit offenem Rachen auf einer niedrigen Sandbank in der Mitte des Stromes sonnte.

Bones empfand ein augenblickliches Verlangen, den Alligator zu erschießen und eine gründliche Untersuchung von dessen Innerem vorzunehmen. Aber er besann sich, dass es doch schon zu lange her sei, als dass das dort Aufgefundene noch von irgendwelchem Wert sein könnte. Mit Hilfe eines Bandmaßes und eines Bleistiftes machte er einen genauen Situationsplan, der die Entfernung von Busubus Haus zum Fluss aufwies. Darauf befragte er die Weiber des verstorbenen Busubu; störrische, dumme Frauenzimmer, die gänzlich von ihren häuslichen Beschäftigungen in Anspruch genommen waren. Diese konnten ihm nichts mitteilen, als dass Busubu seine Hütte verlassen habe und nicht zurückgekehrt sei. Die Veranlassung zu seinem Gang hatten sie, weil ihnen das bequemer schien, vergessen. Sie wussten nur, dass er nicht zurückkehrte und sie danach in das Haus M'gulas gegangen waren.

„Sehr verwirrend“, meinte Bones, indem er ernst den Kopf schüttelte.

Nachts schlief er auf dem kleinen Dampfer, der nahe am Ufer festgemacht war. Seine Tage waren mit den Bemühungen, die Sache aufzuklären, ausgefüllt, seine Abende mit Erweiterung seiner Kenntnisse. Wenn er nur M'gula dafür interessieren könnte! M'gula würde ihm sicher viel Fesselndes mitteilen können! Bones hatte eine Leidenschaft für die Sagen der Eingeborenen und lernte neue Geschichten von Schlangen und eine nagelneue Legende über M'shimba M'shamba und ein geheimnisvolles Gedicht kennen.

„Herr, dieses Gedicht ist das größte Geheimnis meines Stammes“, berichtete ihm M'gula mit gedämpfter Stimme. „Denn jeder Mann, der dieses Gedicht weiß, hat Macht über alle in der Welt. Und weil meine Leute eine Ahnung davon hätten, dass ich dich das Gedicht gelehrt habe, würde mein Volk mich sicher töten. Wenn ein weißer Gebieter dieses Wunder ausspricht, werden alle Menschen ihn anbeten. Und ich habe dich dieses gelehrt, weil ich dich liebe, Tibbetti. Nun wiederhole mir die Worte: „Talaka m'sidi lulanga ...“.“

Auf diese Weise lernte Bones es auswendig. Eine ganze Woche lang hatte er seine Nachforschungen angestellt, ohne etwas mehr entdecken, als er schon bei seiner Ankunft wusste. Am siebenten Tag kam eine Einladung aus Lusingi.

„Gebieter, die Leute hier sind aufsässig gegen Bosambo, der sie grausam behandelt hat. Ich glaube, es würde Sandi gefallen, wenn du zu ihnen in deiner netten Art sprächest. Denn sie sind ein sehr einfaches Volk. Auch wenn du das Gedicht vortrügst, das ich dich gelehrt habe, würden sie dich sehr verehren und dir den Tribut zahlen, den sie Bosambo verweigert haben.“

Das war eine Gelegenheit, auf die Bones gerade gewartet hatte, jetzt handelte es sich darum, ob er zurückfahren und sein Versagen als Detektiv eingestehen sollte oder ob er die Befriedung eines aufsässigen Stammes erreichte. Sanders würde das Letztere sogar mehr schätzen als die Aufklärung des Geheimnisses um Busubus Tod.

Die Stadt Lusingi lag fünf englische Meilen vom Flussuentfer und Bones marschierte munter und ohne Gefolge dorthin. M'gi begleitete ihn bis an das Ende der Dorfstraße und ging dann mit seinen Ratgebern zurück.

„Ich glaube, das Lusingivolk wird Tibbetti töten“, sagte er aufgelegt. „Dann werde ich Nachricht an Sanders schicken, und er wird begreifen, dass ich sein guter Freund bin, und wird mir die vier Stämme unterstellen. Auf diese Weise wird ein Mann groß, Osuru, genau, wie der Gebieter Tibbetti das prophezeit hat.“

Der arglose Bones gelangte in die Stadt, in der der Häuptling ihn empfing und nach dem Palaverhaus begleitete. Als Bones auf die Menge unfreundlicher Gesichter niedersah, die sich ihm zuwandten, schmunzelte er innerlich.

Er kannte ihre Drangsale. Der Häuptling, der nicht wusste, welche militärischen Kräfte Tibbetts folgten, war beunruhigt und hatte ihm alles Missgeschick kurz aufgezählt: Ein Teufel treibe im Land sein Unwesen, die Ziegen krepierten; und um das Unglück vollzumachen, habe Bosambo nach seinem Tribut gesandt - die alte bekannte Klage.

„O Leute, ich sehe euch“, begrüßte Bones sie.

Er sprach geläufig in dem weichen und seidigen Dialekt der Nord-Ochori, der sich wenig vom Bomongodialekt unterscheidet, der von einem Ende des Flusses bis zum anderen gesprochen wird. „Sandi hat mich hergesandt, um in eure Herzen zu sehen ...“ Seine Ansprache beschäftigte sich hauptsächlich mit Wirtschaftsfragen der Eingeborenen. Und darin sprach Bones als Sachverständiger, denn er hatte sich gründlich mit den Aufgaben befasst, denen diese Buschfarmer gegenüberstanden.

Augenblicklich kam er zu seiner Schlussrede.

„O Leute, hört mich! Ich spreche an Stelle Sandis und der Regierung! Wenn die Ernte gut ist und wenn ihr viele Ziegen habt, und wenn die kleinen Bäume im Wald euch viel Gummi geben, legt ihr euch dann nicht einen Vorrat von Korn und Gummi an? So dass ihr, wenn schlimme Zeiten kommen, weder hungern noch mit leeren Händen zu eurem Oberhäuptling zu kommen braucht? Nun sind solche Tage gekommen! Nun müssen eure Vorratskammern geöffnet und das, was vergraben ist, muss ausgegraben werden. Das ist nun einmal so in der ganzen Welt, dass schlimme Tage und gute Tage einander folgen.“

Seine Zuhörerschaft starrte ihn regungslos an. Der geizige Charakter der Nord-Ochori ist berüchtigt.

„Und nun werde ich euch ein Gedicht von großer Gewalt und großem Zauber vortragen“, fuhr Bones fort und feuchtete seine Lippen im Vorgeschmack. „Hört alle zu, ihr Leute ...!“

Grabesstille senkte sich auf seine Zuhörerschaft. Bones schloss seine Augen und begann.

Er amüsierte sich selber gründlichst dabei. Er hörte das Rauschen einer Bewegung und zog einen ganz falschen Schluss über deren Ursache. Als er seine Augen öffnete, befand er sich allein. Der kleine Hügel, der dicht mit Stadtvolk übersät gewesen war, war verlassen. Männer und Weiber flüchteten in den Schutz ihrer eigenen Häuser, damit ihre Ohren nicht vom Klang des fürchterlichen Wortes entsetzt würden.

„Großer Gott!“ schnappte Bones und sah sich im Kreise um. Der Häuptling und seine Ratgeber waren bereits verschwunden, er selbst war gänzlich allein. In wenigen Augenblicken war kein menschliches Wesen mehr in Sicht. Bones Nackenhaare begannen sich aufzurichten. Er witterte die Gefahr sofort. Er zog seinen langläufigen Browning aus dem an seiner Seite hängenden Futteral, fühlte nach dem Rahmen mit den Reservepatronen und schob, indem er die Sicherung zurückzog, eine Patrone in die Kammer. Da stieg er langsam den Hügel herunter. Sein Rückweg zum Fluss führte durch die endlose Hauptstraße der Stadt. Er hielt sich in der Straßenmitte und schritt ohne Hast. Wilde Augen folgten ihm aus dem Dunkel der Hütten. Und doch gab es keine Bewegung. Als er sich umwandte, gewahrte er einen Kopf, der sich aus einer offenen Tür schob, aber er wurde fast augenblicklich zurückgenommen.

Er wusste, dass ihm nichts geschehen würde, solange er sich in Stadt selbst befand. Die Gefahr lag für ihn in dem dichten Gehölz außerhalb. Er hielt seine Hände hoch und maß die Entfernung Sonne vom Horizont. Er hatte noch eine drei viertel Stunde bis Sonnenuntergang, und er war fünf und eine halbe Meile von seinem Dampfer entfernt.

„Das Gedicht hat schuld“, dachte er und brachte auf irgendwelche Weise das Gedicht in Verbindung mit dem Verschwinden Busubus. Als er das Ende des Ortes erreicht hatte, ging er schnell durch das üppige Gras, das ihn vom Waldpfad trennte.

Wisss!

Ein Speer flog an ihm vorbei, grub sich zitternd in einen Baum. Bones wirbelte herum, mit schussbereitem Revolver. Niemand zu sehen. Dann fing er zu laufen an. Sofort begannen Speere um ihn herumzuschwirren. Er stellte den Ort fest, woher der Angriff kam. Aus dem hohen Gras zu seiner Linken. Er zielte, feuerte zweimal.

Eine dunkle Gestalt sprang auf und fiel wieder hin. Jetzt rannte Bones wirklich.

Der Pfad drehte und wand sich, keine zwölf Yards verlief er gerade. Und solange Bones nur vor seinen Verfolgern bleiben konnte, war er sicher, denn das Gehölz an beiden Seiten war zu undurchdringlich für Speere. Schnell trabte er los, aber der Laut trabender Füße hinter ihm kam näher und näher. Bones hielt inne und drehte sich um. Da hörten auch die hinter ihm zu laufen auf.

Bones konnte es sich nicht gestatten, zu warten. Denn er wusste, dass die Männer, die ihn verfolgten, sich in diesem Augenblick im Wald von Stamm zu Stamm arbeiteten, um ihn zu überflügeln. Wieder lief er, und diesmal kamen seine Verfolger in Sicht. Ein Speer flog so nahe an ihm vorbei, dass er die Gamasche seines Beines streifte.

Halb unbewusst wunderte er sich, warum sie ihn noch nicht getroffen hatten, denn die Ochori sind berühmte Speerwerfer. Erst später erfuhr er, dass der Sumpf ein lebendes Opfer haben wollte.

Er drehte sich um und feuerte dreimal mitten in den Haufen seiner Verfolger; das hielt sie eine Sekunde auf. Dann, als er dachte, er hätte eine Krümmung des Weges erreicht, geriet ihm ein Speer zwischen die Beine. Er stolperte und fiel, und ehe er sich noch erheben konnte, waren sie auf ihm.

In der Nähe stand die Sterbehütte eines Wahnsinnigen, eines jener Häuser, zu denen das Stadtvolk seine betagten Verwandten brachte, wenn sie nicht mehr arbeiten konnten und eine Last ihres Gemeinwesens wurden. Hier starben sie, und die wilden Tiere trugen sie in ihr Lager.

„Was ihr hier tut, Mann“, sagte Bones, als er wieder zu Atem kam, „ist eine schlimme Sache. Denn jetzt wird Sandi kommen, und dann, glaube ich, wird es ein großes Hängen geben.“

Er sprach zum Häuptling von Lusingi, der ihn vor weniger als einer Stunde bewillkommnet hatte.

„Tibbetti, und wenn wir alle hängen, sterben musst du! Denn du hast das fürchterliche Wort gesprochen, das den Sumpfdämon befreit hat. Und nun wird Unheil über unser Land kommen, und unsere Kinder werden von Seuchen befallen werden, und Feuer wird auf unsere Hütten fallen. Da wir uns fürchten, werden wir dich zu dem Geistersumpf nehmen. Wir werden dich etwas blenden, und danach werden dich die Schrecklichen holen. Darum schlafe, Tibbetti, denn bei Mondaufgang müssen wir gehen!“

Sie hatten ihm die Waffen abgenommen, aber sie hatten ihn nicht gefesselt, und Bones setzte sich auf den Boden der Hütte nieder, den Kopf in die Hände gestützt, und erwog die Möglichkeiten einer Flucht.

Deren waren wenige, denn es schien, als ob jeder waffenfähige Mann die Stadt verlassen habe, um ihn zu fangen. Von dem Platz, auf dem er saß, konnte er wahrnehmen, dass das Gehölz von Menschenschwärmen bevölkert war. Die Aussicht war nicht ermunternd.

In diesem Augenblick sah er den Häuptling in die Hütte treten und rief ihn an.

„Sage mir, hat Busubu das fürchterliche Wort ausgesprochen. Der Häuptling nickte zur Bejahung mit dem Kopf.

„Und auf diese Weise starb er? An dem Teich beim Sumpf?“

„Gebieter, so starb er!“ gab der andere zu.

„Gelöstes Geheimnis!“, meinte Bones mit melancholischer Genugtuung.

Er war an diesem Morgen zeitig aufgestanden und hatte einen ermüdenden Tag hinter sich. Die Ermahnung des Häuptlings, zu schlafen, wirkte suggestiv. Bones war gesund und jung und lebte für den Augenblick. Er hatte sich kaum lang auf den Fußboden ausgestreckt, als er auch schon einschlief.