Briefe aus dem Gefängnis - Rosa Luxemburg - E-Book + Hörbuch

Briefe aus dem Gefängnis E-Book und Hörbuch

Rosa Luxemburg

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Beschreibung

Briefe aus dem Gefängnis Rosa Luxemburg - Anfang 1919 gründete sie die Kommunistische Partei Deutschlands mit, die zwar ihr Programm annahm, aber die von ihr geforderte Teilnahme an den bevorstehenden Parlamentswahlen ablehnte. Am 15. Januar 1919 wurden sie und Karl Liebknecht von Angehörigen der Garde-Kavallerie-Schützen-Division ermordet.Zwischen 1915 und 1918 verbrachte sie insgesamt drei Jahre und vier Monate im Gefängnis. Die in diesem Band veröffentlichten Briefe hat sie während dieser Gefängnisaufenthalte verfasst.

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Seitenzahl: 69

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Zeit:1 Std. 34 min

Sprecher:Mirjam Morlok
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Rosa Luxemburg
Briefe aus dem Gefängnis

INTERNATIONALE JUGENDBIBLIOTHEK Nr. 10

ROSA LUXEMBURG

Briefe aus dem Gefängnis

Mit einem Bild und einem Faksimile

1922

VERLAG DER JUGENDINTERNATIONALE BERLIN-SCHÖNEBERG

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der ÜbersetzungCopyright by Verlag der Jugendinternationale, Berlin-Schöneberg

21. BIS 40. TAUSEND

Herausgegeben vom Exekutivkomitee der Kommunistischen Jugendinternationale

Druck von Walter Grützmacher, Berlin SW 61, Blücherstr. 22

Zur Einführung

Drei Jahre und vier Monate hat Rosa Luxemburg während des Krieges im Gefängnis verbracht, ein Jahr (vom Februar 1915 bis Februar 1916) im Berliner Weibergefängnis (Barnimstraße) für eine in Frankfurt a. M. gehaltene Rede über die Soldatenmißhandlungen, dann zwei Jahre und vier Monate (vom 10. Juli 1916 bis zum 10. November 1918) in »Schutzhaft« in Berlin, Wronke und Breslau. Sie war ganz von der Außenwelt abgeschnitten, nur Bücher und Briefe, die strenge Zensur passiert hatten, durften sie erreichen. Einmal im Monat war Besuch unter strenger Aufsicht gestattet.

Die Kraft der mutigsten Vorkämpferin des Proletariats sollte gebrochen und ihre weckende, die Lüge geißelnde, die Wahrheit wissende Stimme sollte zum Schweigen gebracht werden. Beides mißlang. Dieser stählerne Wille erschlaffte nicht. Rosa Luxemburg hat in diesen Gefängnisjahren unermüdlich gearbeitet. – Die unsagbare Einsamkeit endloser Tage und Nächte sammelte alle Kräfte ihres Geistes und ihrer Seele. Die Leidenschaft der Erkenntnis ließ ihre Stimme zu Fanfarentönen anschwellen: die berühmte »Junius-Broschüre«, die hinter Gittern entstand, war nicht der einzige Weckruf, der den Weg aus dem Gefängnis fand. Flugblätter, Aufrufe und wesentliche Beiträge zu den »Spartakus-Briefen« wußte Rosa Luxemburg ihren politischen Freunden zu übermitteln. Durch aufreibende illegale Korrespondenz und Arbeit suchte sie von ihrer Zelle aus die revolutionäre Entwicklung der deutschen Arbeiter zu lenken.

Doch weder ihre wissenschaftliche noch ihre agitatorische Arbeit aus diesen furchtbaren Jahren soll hier gewürdigt werden. Hier gilt es, der Jugend, den Arbeitern, all denen, für deren Wohl und Freiheit sie kämpfte, litt und starb – durch feige Verbrecherhände starb – die ganze Seele der Vielverleumdeten zu zeigen. Hier schwindet die Scheu vor Preisgabe persönlichen Lebens. Diese privaten Briefe sind keine Privatbriefe mehr. Wer die Wissenschaftlerin und Kämpferin Rosa Luxemburg kennt, kennt noch nicht alle Seiten ihres Wesens. Die Briefe aus dem Gefängnis runden das Bild. Die Anhänger und Mitkämpfer Rosa Luxemburgs haben ein Recht darauf, den Reichtum ihres unermüdlich quellenden Herzens zu kennen. Sie sollen sehen, wie diese Frau, über ihren eigenen Leiden stehend, alle Wesen der Schöpfung mit verstehender Liebe und dichterischer Kraft umfängt, wie ihr Herz in Vogelrufen erzittert, wie Verse beschwingter Sprache in ihr widerklingen, wie Schicksal und tägliches Tun der Freunde in ihr geborgen sind. So stellen wir das Denkmal auf, das die Tote sich selbst errichtet hat.

Berlin, August 1920

Die Herausgeber

Die in dieser Sammlung enthaltenen Briefe sind an Frau Sophie Liebknecht gerichtet

Aus dem Briefe vom 20. Juli 1917

AUS LEIPZIG

Postkarte.[1]

Leipzig, 7. 7. 16.

Meine liebe kleine Sonja!

Es ist heute eine drückende feuchte Hitze, wie meist in Leipzig – ich vertrage so schlecht die Luft hier. Ich saß vormittag 2 Stunden in den Anlagen am Teich und las im »Reichen Mann«.[2] Die Sache ist brillant. Ein altes Mütterchen setzte sich neben mich, tat einen Blick auf das Titelblatt und lächelte: »Das muß ein feines Buch sein. Ich lese auch gern Bücher«. Bevor ich mich zum Lesen hinsetzte, prüfte ich natürlich die Anlagen auf Bäume und Sträucher hin – alles bekannte Gestalten, was ich mit Befriedigung feststellte. Die Berührung mit Menschen befriedigt mich dagegen immer weniger; ich glaube, ich werde mich doch bald ins Anachoretentum zurückziehen, wie der hl. Antonius, aber – sans tentations mehr. Seien Sie heiter und ruhig.

Herzliche Grüße Rosa.

Den Kindern viele Grüße.

AUS BERLIN

Postkarte.

Berlin, den 5. 8. 1916. (Gefängnis in der Barnimstraße.)

Meine liebe kleine Sonja!

Heute, am 5. August, erhalte ich soeben Ihre beiden Briefe zusammen: den vom 11. Juli (!!) und den vom 23. Juli. Sie sehen, die Post zu mir geht länger als nach New York. Inzwischen habe ich auch die Bücher gekriegt, die Sie mir geschickt hatten und ich danke Ihnen für alles aufs herzlichste. Es tut mir sehr weh, daß ich Sie in Ihrer Lage verlassen mußte; wie gern möchte ich mit Ihnen im Feld wieder ein wenig schlendern oder im Erker in der Küche auf den Sonnenuntergang blicken .... Von Helmi hatte ich eine ausführliche Karte mit der Reisebeschreibung. Vielen, vielen Dank auch für Hoelderlin. Aber Sie müssen nicht so mit dem Geld für mich schmeißen, das ist mir eine Pein. Auch für alle guten Sachen und die Wicken herzlichen Dank. Schreiben Sie bald, dann kriege ich es vielleicht noch in diesem Monat. Ich drücke Ihnen fest und warm die Hand. Bleiben Sie tapfer und lassen Sie sich nicht niederdrücken. Ich bin in Gedanken bei Ihnen. Grüßen Sie vielmals Karl und die Kinder.

Ihre Rosa.

Pierre Loti ist wunderbar, die andern habe ich noch nicht gelesen.

AUS WRONKE

Postkarte.[3]

Wronke, 24. 8. 1916.

Liebe Sonitschka, daß ich jetzt nicht bei Ihnen sein kann! Die Sache trifft mich schwer. Aber, bitte, behalten Sie den Kopf oben, manches wird schon anders, als es jetzt aussieht. Jetzt müssen Sie aber fort – irgendwo aufs Land, ins Grüne, wo es schön ist und wo Sie Pflege finden. Es hat keinen Sinn und Zweck, daß Sie jetzt weiter hier sitzen und immer mehr herunterkommen. Bis zur letzten Instanz können wieder Wochen vergehen. Bitte, gehen Sie sobald wie irgend möglich.... Für Karl wird es sicher auch eine Erleichterung sein, wenn er Sie auf Erholung weiß. Tausend Dank für Ihre lieben Zeilen vom 10. und für die guten Gaben. Sicher werden wir nächstes Frühjahr zusammen im Feld und im Botanischen herumstreifen, ich freue mich jetzt schon darauf. Aber jetzt gehen Sie fort von hier, Sonitschka! Können Sie nicht zum Bodensee, damit Sie ein bißchen den Süden spüren!? Bevor Sie gehen, möchte ich Sie unbedingt sehen, machen Sie eine Eingabe in der Kommandantur. Schreiben Sie bald wieder eine Zeile. Bleiben Sie ruhig und heiter trotz alledem! Ich umarme Sie.

R.

Für Karl tausend herzliche Grüße.

Die beiden Karten von Helmi und Bobbi habe ich erhalten und mich sehr gefreut.

Wronke, 21. 11. 16.

Meine geliebte kleine Sonitschka,

ich erfuhr von Mathilde, daß Ihr Bruder gefallen ist, und bin ganz erschüttert von diesem Schlag, der Sie wieder traf. Was müssen Sie alles in der letzten Zeit ertragen! Und ich kann nicht einmal bei Ihnen sein, um Sie ein wenig zu erwärmen und aufzuheitern!... Auch bin ich unruhig um Ihre Mutter, wie sie dieses neue Leid ertragen wird. Das sind böse Zeiten, und wir haben alle eine lange Verlustliste im Leben zu verzeichnen. Jeder Monat kann jetzt wahrhaftig wie bei Sebastopol für ein Jahr zählen. Hoffentlich kann ich Sie recht bald sehen, ich sehne mich danach von ganzem Herzen. Wie haben Sie die Nachricht von Ihrem Bruder erhalten, durch die Mutter oder direkt? Und was hören Sie von dem anderen Bruder? Ich wollte Ihnen so gern durch die Mathilde etwas schicken, habe aber hier leider gar nichts, als das kleine bunte Tüchlein; lachen Sie's nicht aus; es sollte Ihnen nur sagen, daß ich Sie sehr liebe. Schreiben Sie bald eine Zeile, damit ich sehe, in welcher Verfassung Sie sind. Grüßen Sie tausendmal Karl. Ich umarme Sie herzlichst

Ihre Rosa.

Den Kindern viele Grüße!

Wronke, 15. 1. 17.

.... Ach, heute gab es einen Augenblick, da ich's bitter spürte. Der Pfiff der Lokomotive um 3,19 sagte mir, daß Mathilde abdampft, und ich lief gerade wie ein Tier im Käfig den gewohnten »Spaziergang« an meiner Mauer entlang, hin und zurück, und mein Herz krampfte sich zusammen vor Schmerz, daß ich nicht auch fort von hier kann, o, nur fort von hier! Aber das macht nichts, mein Herz kriegte gleich darauf einen Klaps und mußte kuschen; es ist schon gewöhnt, zu parieren wie ein gut dressierter Hund. Reden wir nicht von mir.