Bücher im Herz - Alica H. White - E-Book

Bücher im Herz E-Book

Alica H. White

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Beschreibung

Herzklopfen auf Knopfdruck.
Nachdem ihr reicher Ex sie betrogen hat, ist Mias neues Ziel ganz klar: Männer meiden, Geld verdienen und ihre Unabhängigkeit zurückgewinnen. Um das zu erreichen, plant sie, einen Liebesroman zu schreiben. Auch wenn Mia gerade wenig nach Romantik ist, mit Hilfe von KI und Genreregeln sollte der Erfolg doch garantiert sein, oder?
Als sie in ihrem Stammcafé auf Ben trifft, bietet er sich selbstlos an, ihre romantische Muse zu sein. Auf seine neunmalklugen Kommentare könnte sie zwar verzichten, aber scheinbar ist Ben genau das, was ihr gefehlt hat. Ihre Mutter beharrt währenddessen darauf, dass Mia ihren Ex zurücknehmen soll. 
In dem Chaos aus Gefühlen und ungeahnten Wendungen wird klar, dass kein Algorithmus der Welt Mia vorgeben kann, wie ihre Liebesgeschichte ausgeht …

Die romantische Komödie “Bücher im Herz” ist die überarbeitete Neuauflage von "Hauptsache Millionär" (2022 erschienen) und der fünfte Band der "Herz über Kopf"-Reihe.

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BÜCHER IM HERZ

ALICA H. WHITE

Verlag:

Zeilenfluss Verlagsgesellschaft mbH

Werinherstr. 3

81541 München

_____________________

Texte: Alica H. White

Cover: Giusy Ame/Magcicalcover.de

Korrektorat: TE Language Services – Tanja Eggerth

Satz: Zeilenfluss

_____________________

Alle Rechte vorbehalten.

Jede Verwertung oder Vervielfältigung dieses Buches – auch auszugsweise – sowie die Übersetzung dieses Werkes ist nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags gestattet. Handlungen und Personen im Roman sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

_____________________

ISBN: 978-3-96714-445-1

1

SCHICKSALSBEGEGNUNG

Das Leben ist doch manchmal ein A…, oder? Aber mich kriegt es nicht klein. Ich werde es machen wie die Maus, die in den Sahnetopf fiel. Irgendwann werde ich die Sahne zu Butter geschlagen haben und klettere heraus aus dem Topf, in dem ich seit meiner Geburt schwimme.

Die Sonne scheint durch die Butzenscheiben des gemütlichen Cafés. Ich hätte mich genauso gut ins Moonbucks, gegenüber, setzen können. Aber da ist es mir zu hip. Mehr Plastik geht nicht. Es ist eng und laut. Dazu grelle Beleuchtung und die knalligen Farben, die einen regelrecht anbrüllen. Da muss man nicht nur wegen des Koffeins Angst haben, dass man nachts nicht schlafen kann. Und dann noch diese Musik. Echt anstrengend.

Nein, hier ist es gechillter. In dieser Atmosphäre bekomme ich viel mehr Inspiration für meinen Roman, den auch die Leute dort drüben kaufen sollen, damit sie endlich mal rauskommen, aus dieser künstlichen, kalten Neonwelt.

Sie sollen ihr Herz wieder spüren, den Puls der Liebe. Fast so, als wären sie dabei. Raus aus dem Alltag, rein in die Wohlfühlzone. Das Ganze kostet sie dann weniger als ein Becher Kaffee. Ganz kleines Geld für so viel Gefühl. Ich bin jung und brauche das Geld, damit ich endlich zu Hause ausziehen kann.

Ja, ich wohne noch bei meiner Mutter – zwangsläufig.

Und obwohl ich mit dem Studium fertig bin, und bald eine Stelle antreten werde, reicht mein Anfängergehalt nicht, um zu Hause auszuziehen. Aber es geht aufwärts, wir wollen doch den Mut nicht verlieren. Wenn mein Gehalt steigt, die ein oder andere Boomerwohnung frei wird, und der Wohnungsmarkt endlich wächst könnte es in circa zehn Jahren klappen. Vorausgesetzt, die Mieten sind bis dahin nicht in den Himmel gestiegen.

Eigentlich bin ich ja selber schuld, dass ich noch ein Nesthocker bin. Schließlich hätte ich nur das Fremdgehen meines Freundes Gerrit ignorieren müssen, dann wäre ich bei ihm eingezogen. Der hat genug Schotter. Aber wer will sich schon von so einem windigen Typen abhängig machen? Ich auf jeden Fall nicht. Nein, ich habe keine Lust mehr auf solche Typen, die meinen sie sind wer, nur weil ihre Familie Geld hat. Ich werde Einzelkämpferin. Und zwar so lange, bis es endlich für eine eigene Wohnung reicht.

Ich stelle mir das so vor: Ich werde einen Liebesroman schreiben, mit dem ich mein spärliches Gehalt aufbessere. Einen, der die Gefühle lockt, als wären sie echt. Wenn ich es richtig gut mache, dann geht er durch die Decke. Immerhin war ich in der Schule besonders gut darin, Aufsätze zu schreiben. Okay, KI war da natürlich schon eine gute Hilfe, aber auch die muss man beherrschen. Die Veröffentlichung mit Self-Publishing als eBook geht ja heutzutage ganz einfach. Geld verdienen ohne Kapitaleinsatz und praktisch ohne Risiko. Was will man mehr?

Nachdenklich sitze ich an meinem Lieblingstisch, hinten in der Ecke. Hier ist es etwas ruhiger. Man kann gut die Leute beobachten oder aus dem Fenster sehen. Ein Ort, um mich zu beflügeln. Ich liebe das Röcheln, Dampfen und Zischen der alten Espressomaschine in diesem Café. Das Klappern des Geschirrs und die leisen Unterhaltungen der Gäste bilden dabei die perfekte Untermalung.

Mein Blick schweift über das zusammengewürfelte Mobiliar, es ist bunt und abwechslungsreich. Die Leute sind hier so echt. Dann sehe ich durch die Butzenscheiben hinüber zu Moonbucks. Die grelle Fassade passt zum Publikum. In dem großen Schaufenster, wo sich die Hipster zur Schau stellen lassen, blinkt ein Leuchtschriftzug mit ›open‹. Mich würde das Geblinke wahnsinnig machen. Nun ja, die Geschmäcker sind verschieden.

Gerrit war gerne in dieser Neonbude. Er meinte, man könne mit den Leuten dort so gut reden. Ich konnte das nie nachvollziehen, denn die Gesprächsthemen dort waren nicht meine. Meistens ging es um Geld. Na ja, vielleicht hätte ich doch besser aufgepasst. Allerdings … wenn ich eins behalten habe, dann, dass man viel Geld braucht, damit noch mehr dazukommt. Oder, um es in den Worten meiner Oma zu sagen: Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen.

Drüben gibt es auch Kaffee. Aber keinen gewöhnlichen, denn dort will keiner normal sein. Fast alle Sorten sind aromatisiert. Wahrscheinlich, damit man die schlechte Qualität nicht so schmecken kann. Ja, man muss sich eben verkaufen können.

Apropos verkaufen. Ich muss meinen Roman auch verkaufen. Gut verkaufen, wenn ich damit meinen Auszug finanzieren will.

Eigentlich ist es doch ganz einfach. Man braucht eine gute Recherche und orientiert sich am Erfolg der anderen Autoren. Schon kennt man die Zutaten für einen solchen modernen Groschenroman. Neue Ideen? Das wird schwer, schließlich dürfte es Milliarden von Liebesromanen geben. In allen Facetten.

Nein, Ideen braucht man eher weniger. Man muss die alten Erfolgsmuster neu verpacken. Die richtigen Klischee-Bausteine neu zusammenstellen, ein paar Details ändern – et voilà. Fast Food für die Seele. Ich glaube, so könnte es etwas werden. Das wird auf jeden Fall meine Strategie.

Und ich weiß auch, wo ich die meisten abgedroschenen Ideen finde: Bei der künstlichen Intelligenz. KI ist ja in aller Munde und mit Hilfe eines Chat Bots könnte ich ruckzuck fertig werden.

Bloß, was verspricht den besten kommerziellen Erfolg? Da orientiere ich mich doch einfach an einer Bestsellerliste. Ich hole mein Handy heraus, bestelle einen Cappuccino beim Kellner und fange mit dem Recherchieren an.

Echte Literatur steht ganz oben. Oh Gott! Nein, da wage ich mich natürlich nicht dran.

Ein historischer Roman. Nein, dafür wird zu viel Recherche benötigt.

Dann kommt ein Krimi. Nein, Krimis sind nicht meins. Auch nicht Love-Crime.

Ein Erotikthriller. Oha! Nein, ich glaube, dafür bin ich nach der frischen Trennung nicht in Stimmung. Wahrscheinlich würde da auch die KI nicht mitspielen. Oder man muss für solche Themen bezahlen. Schließlich wurde die KI zumeist von prüden Amis gefüttert.

Schafft es eigentlich kein stinknormaler Liebesroman in die Charts?

Etwa so: Reicher Schnösel, selbstverständlich unverschämt gutaussehend, trifft seine Herzensdame. Die ist in Bedrängnis, vorzugsweise finanzielle Not und von ihrem Verlobten enttäuscht, denn er hat sie betrogen dieser Schuft, was sie natürlich absolut nicht verdient hat. Denn sie ist schön, klug und taff – aber eben leider arm wie eine Kirchenmaus. Dann erscheint ihr rettender Ritter auf der Bühne. Möglichst früh, unverschämt gutaussehend, unverschämt reich. Reicher Held, armes Mädchen. Das klingt natürlich … langweilig. Nur, im Moment scheint es der einzige Plot zu sein, der für mich machbar ist. Ich werde mich diesem Diktat beugen.

Ha! Ich bin mindestens so gut wie die KI.

Der reiche Schnösel hat nur einen einzigen Fehler … die Frauen … an jedem Finger zehn. Er kann sich vor Verehrerinnen nicht retten. Kein Wunder, er ist ja so ein toller Typ … mit unfassbar viel Kohle. Das Geld macht ihn frech und arrogant. Aber er sieht nur auf den ersten Blick so aus wie eine alte Teflonpfanne, die zwar ein bisschen schmierig ist, aber nichts anbrennen lässt. In Wirklichkeit ist er smart. Das wahre Wesen kommt hervor, wenn man die Pfanne nur mal kräftig bürstet. Frauen stehen auf so was, müssen sie, sonst würden sie nicht auf Gerrit stehen. Außer ich, natürlich. Aber ich schreibe den Roman ja nicht für mich.

Mir wäre es ja noch wichtig, dass der Protagonist Hirn hat. Und Empathie. Aber ich glaube, das ist definitiv zu viel des Guten. Zu unrealistisch. Obwohl … seit wann sind Liebesromane realistisch?

Fest steht, mein Protagonist braucht gaaanz viel Geld.

Millionär! Mindestens.

Am besten taucht das Wort gleich im Titel auf. Probeweise gebe ich das Stichwort: Millionär beim größten Online-Buchhändler, Amazon, ein … Puh! Fast fünftausend Ergebnisse. Mein Blick fliegt über die Buchstaben:

Vom Tellerwäscher zum Millionär

– Spüllappen und Handtücher.

Okay, da sind alle Worttreffer dabei. Ach ja, der verkauft mittlerweile ja nicht nur Bücher, sondern alles Mögliche.

Na, dann beschränken wir die Geschichte mal auf Bücher …

Oh je, immer noch tausende! Wie soll ich da hervorstechen?

Runtergehen mit der Kohle? Keine Chance. Also rauf: Stichwort ›Billionär‹.

Die Ergebnisse sind ziemlich schräg, zu viel Hardcore-Erotik. Nein, Erotik hatte ich ja schon ausgeschlossen.

Stöhnend reibe ich mir über die Stirn. Es hilft nichts, ich muss einen besonders knackigen Titel mit ›Millionär‹ finden. Ich denke, das wird die größte Herausforderung dieses Romans sein. Der fordert, zusammen mit dem Cover, die Aufmerksamkeit. Das Cover zu gestalten ist kein Problem für mich. Es war Bestandteil meines Studiums.

»Ist hier noch ein Platz frei?«, vernehme ich, während ich immer noch in der Recherche versunken bin.

Die markante, dunkle Stimme lässt meine Nerven seltsam vibrieren, ich bekomme eine Gänsehaut. Ich schaue hoch, in das Gesicht eines grinsenden Typen. Als Erstes fallen mir die zerzausten, dunkelblonden Haare und der Drei-Tage-Bart auf. Diese Friese lässt sich bestimmt nicht gut bändigen. Wahrscheinlich ist das auch so gewollt. Er wirkt ein bisschen wie ein verwegener Abenteurer. Ich lege ihn in die Chickmagnet-Schublade, und da sollte er auch bleiben. Sollte … aber er hat so schöne blaue Augen …

Ich schlucke und kann meinen Blick nicht abwenden. Er hält ihm stand.

Er trägt ein leuchtend blaues T-Shirt mit dem Spruch: Niveau ist keine Creme.

Sehr witzig und leicht arrogant.

Frech, arrogant, Herzensbrecher? … Jetzt müsste er nur noch Millionär sein, dann wäre er der perfekte Protagonist für meinen Roman.

Ich kichere.

»Warum lachst du? Habe ich eine Nudel auf der Nase?«

Nudel? Er kennt den Loriot-Sketch mit der Nudel? Das macht ihn mir gleich ein bisschen sympathischer.

»Nein, nein. Das ist nicht wegen dir«, tröste ich ihn und winke ab.

»Ist es nicht?«

»Ich habe manchmal so komische Gedanken«, erkläre ich.

»Ah ja? Ich auch. Darf ich mich trotzdem zu dir setzen?«

Darf mich so einer nerven? Und was ist das überhaupt für eine blöde Anmache?

Ein Rundumblick sagt mir, dass tatsächlich alle Tische besetzt sind. Also vielleicht doch keine Anmache – wer weiß. Und sein Dackelblick ist herzerweichend.

Ich nicke, aber nur widerwillig, denn ich brauche schließlich Ruhe, um mich zu konzentrieren. Warum mache ich nur immer wieder Sachen, die ich eigentlich gar nicht machen will? Definitiv ein Problem, an dem ich arbeiten sollte.

»Danke«, sagt er. »Dies hier ist mein Lieblingstisch. Hier ist es etwas ruhiger. Ich liebe es, von hier aus die Leute zu beobachten. Manchmal sehe ich auch nur aus dem Fenster.«

Er lächelt mich an. Der erste Eindruck ist entscheidend, sagt man. Mein erster Eindruck: sympathisch. Oh Gott, nein! Wie kann ich den sympathisch finden? Hilfe, Mia! Dein Personenradar ist gerade gestört.

»Ja, das hier ist auch mein Lieblingsplatz«, höre ich mich sagen. Was ist nur mit mir los?

»Ich bin übrigens Ben. Wie heißt du?«

Dieses Lächeln … es verstärkt dieses Kribbeln, das seine Stimme verursacht hat. Puh, irgendwie wird es wärmer hier, am liebsten würde ich mir Luft zufächeln. Ich darf keine Unterhaltung führen, das lenkt mich nur ab.

Ben heißt er. Oh Mann. Er erwartet jetzt hoffentlich nicht, dass ich ihm auch verrate, wie ich heiße.

»Du darfst hier sitzen, aber nur, wenn du mich nicht vollquatschst.« Okay, das kam ein bisschen zickig rüber. Zur Entschuldigung lächle ich ihn zuckersüß an.

»Ich will dich nicht zutexten. Dein Vorname würde mir völlig reichen«, sagt er mit einem unschuldigen Blick.

Ich kenne solche Typen, denen man nichts abschlagen kann. Gerade habe ich mich von einem solchen Exemplar getrennt. Erst himmeln sie einen an, wickeln einen spielend leicht um den Finger. Sie lesen einem jeden Wunsch von den Augen ab, aber nur solange man alles tut, was sie wollen. Im Prinzip wird man nur gnadenlos ausgenutzt. Zugegeben, ich habe krasse Vorurteile, aber aufgrund meiner Leidensgeschichte völlig zu Recht.

»Wieso willst du unbedingt meinen Vornamen wissen?«, erkundige ich mich nervös.

»Ganz einfach, weil ich immer gerne netten Menschen begegne«, beteuert er … glaubwürdig.

Ich krause die Stirn. »Und mich willst du kennenlernen, warum?«, frage ich und mustere ihn skeptisch.

Er weicht ein winziges Stück zurück und nickt. Das wirkt nicht nur harmlos, sondern … liebenswürdig.

Boah, der Typ ist mit allen Wassern gewaschen. Vorsicht, Mia!

»Dir ist doch klar, dass du baggerst«, zische ich.

»Nein, tu ich nicht. Ich glaube einfach nur, dass du nett bist. Du siehst jedenfalls so aus … Aber möglicherweise bist du auch nur –«, antwortet er grinsend.

»Auch nur was?«, frage ich und beuge mich vor, während ich meine Augen zusammenkneife.

»Nett«, beteuert er mit erhobenen Händen.

Er wollte ganz bestimmt zickig sagen. Ich presse meine Kiefer aufeinander, meine Lippen kräuseln sich.

»Nett? Nett ist die kleine Schwester von langweilig.« Okay, das ist jetzt … sagen wir mal … ein selbstbewusster Spruch. »Ich. Bin. Nicht. Nett. Klar? Und auch nicht zickig. Du willst dich doch nur bei mir einschmeicheln.«

Ben wirkt nur einen Moment irritiert.

»Na gut, dann sagen wir, du bist unnahbar«, verkündet er. »Ich kapier schon, du machst einen auf spröde, um dich zu schützen. Und nein, du bist nicht gezwungen, mir deinen Namen zu verraten, wenn du nicht willst. Natürlich nicht«, grummelt er.

Ich schlucke. Schon regt sich mein schlechtes Gewissen. Ich bin wohl übers Ziel hinausgeschossen. Vielleicht bin ich wirklich so gefrustet von den Männern, dass ich nur noch schlecht über alle Männer denke.

Er mustert mich aufmerksam.

»Tut mir leid, dass dich jemand so verletzt hat.«

Also das! … Das ist ja eine Frechheit.

»Wie kommst du darauf, dass mich jemand verletzt hat?«

»Ist nicht schwer«, antwortet er gelassen.

»Mit mir ist alles in Ordnung. Ich bin völlig heil. Völlig. Klar? Das Problem sind nur Typen wie du«, grummle ich.

Ben zieht die Brauen hoch. »Wieso bin ich ein Problem?«

Ich schnappe nach Luft. »Sind das nicht alle Männer? Vor allem die mit Geld. Die denken nicht nur, sie können sich alles kaufen, sie tun es auch. Und manche Schnallen sind echt billig zu haben.«

Mein Gegenüber nickt wissend.

Verdammt, nun habe ich ihm bestätigt, dass er recht hat. Ich sollte ein bisschen aus der Krawallschachtel-Nummer heraus.

»Mia.«

»Was?«

»Du wolltest doch wissen, wie ich heiße. Ich heiße Mia.«

Um seinem Blick auszuweichen, senke ich den Kopf und führe meine Recherche weiter. Ich scrolle durch die vielen Buchtitel mit ›Millionär‹. Oh Mann, da hatten schon viele Autoren viele gute Ideen. Das muss jetzt etwas Griffiges sein … Doch mein Kopf ist nicht nur leer, er ist ein vom Schädelknochen umhülltes Vakuum. Ich kann keinen klaren Gedanken fassen. Hoffentlich haut dieser Ben bald ab.

»Was machst du da?«, fragt er stattdessen und beugt sich zu mir rüber.

Eine neugierige Nervensäge. Was antwortet man so einem Typen? Vielleicht sollte ich ihn mit der Wahrheit schocken.

»Ich suche einen Buchtitel mit ›Millionär‹.«

»Aha. Das dürfte ja kein Problem sein. Da hat man sicher viel Auswahl.«

»Ich brauche einen, den es noch nicht gibt.«

Er sieht mich verwirrt an. »Wieso?«, fragt er.

»Weil ich einen benötige, für mein Buch.«

»Du willst ein Buch schreiben?«

»Du bist ein echtes Cleverchen.«

Er lacht … verdammt gewinnend.

»Ein Buch? Mit ›Millionär‹ im Titel? Du bist doch auf einen Bestseller aus?«, stellt er messerscharf fest.

»Warum sollte ich mir sonst die Arbeit machen?«, antworte ich.

»Du bist Autorin?«

»Noch nicht.«

»Du willst eine werden?«

»Blitzbirne.«

»Warum?«

»Ich bin jung und brauche das Geld? Warum sollte ich sonst auf so eine Idee kommen?«

Ben zuckt mit den Schultern. »Weil du selbst gerne liest? Aus Leidenschaft?«

»Leidenschaft? Die ist mir gründlich vergangen. Ich hege keine romantischen Gefühle, schon gar nicht für Männer.«

Er beugt sich interessiert vor. »Du willst einen Lesbenroman schreiben?«

Ich schnaube. »Geht’s noch?!«

»Aber wie willst du denn so was wie Gefühle rüberbringen, wenn du gerade alles verdrängst?«

Gibt der jetzt nicht eher Ruhe, bis ich ein Loch im Bauch habe? »Ich schreibe natürlich nicht selbst. Das macht die KI.«

»Aber dann wirst du es schwer haben, schon allein rechtlich.«

»Wie kommst du darauf? Bist du Verleger?« Natürlich habe ich auch von den Problemen mit dem Urheberrecht gehört. Doch das kann man sicher umgehen, wenn man geschickt umformuliert. Das werde ich ja wohl noch hinkriegen.

»Suchst du einen Verleger?«

»Ich glaube nicht, dass die Verlage auf mich warten. Ich werde Selfpublisher«, verkünde ich selbstbewusst.

»Dann wirst du’s noch schwerer haben.«

»Woher weißt du das? Bist du selbst einer?«

»Nein, aber ich kenne mich ein bisschen mit Vermarktung aus.«

Ich nicke abschätzig. »Ach, jetzt weiß ich! Du bist Motivationscoach.«

»Nicht schlecht«, antwortet er anerkennend.

»Echt jetzt? Ein Coach? Wohl eher ein Motivationsvernichter.«

»Na ja, so was Ähnliches wie ein Coach. Mehr so kreativ gesehen.«

»Fällt dir etwa einer ein?«, frage ich.

»Was?«

»Na, ein Buchtitel mit ›Millionär‹.«

»Ein Millionär?«

Mir entweicht ein genervtes Stöhnen. Was soll der Blödsinn? Ich sehe wieder auf mein Smartphone und scrolle weiter.

»Dem Millionär ist nichts zu schwer«, kommt es kichernd.

Ich blicke auf, er zwinkert.

»Na, dann darf die Herzensdame ja ruhig Übergewicht haben«, erwidere ich.

»Übergewicht hat sie nie, sie glaubt es nur«, antwortet er immer noch grinsend.

Mir entfährt ein ›tsst‹, dann führe ich meine Recherche fort.

»Der Millionär und sein Smombie«, sagt er nach einer Weile.

»Was ist ein Smombie?«, frage ich, obwohl ich nicht glaube, dass es mich interessiert.

»Das kennst du nicht? Eine Wortkombination aus Smartphone und Zombie.«

»Interessant, aber ich muss jetzt weiter recherchieren«, bemerke ich, während ich erneut auf das Handy schaue.

Er räuspert sich. »Das war eine Anspielung.«

»Schon kapiert, Pappnase«, murmle ich.

»Du bist echt anspruchsvoll«, neckt er mich.

Den Spruch kenne ich. Mit einem entschlossenen Blick sehe ich auf. »Sag mal, hast du eigentlich nichts Besseres zu tun, als die arbeitende Bevölkerung zu nerven?«, ranze ich.

»Nein. Aber was stört dich an einem netten Gespräch? Es könnte dich inspirieren«, antwortet er wie aus der Pistole geschossen.

»Merkst du noch was? Was machst du eigentlich hier?«

Sein Gesichtsausdruck wird auf einmal unergründlich. »Ich bin ein Millionär und suche eine Frau, die nicht hinter meinem Geld her ist.« Schon wieder dieses … Grinsen. Dieses Mal die süffisante Variante, die schnell wieder charmant wird.

Ich schlucke. Irgendwie hat er etwas faszinierend Freches an sich.

»Du suchst eine bescheidene Frau? Da bist du bei mir an der falschen Adresse«, erwidere ich kopfschüttelnd.

»Tatsächlich? Warum?« Sein Blick durchbohrt mich geradezu.

»Weil ich definitiv hinter deinem Geld her wäre, wenn du welches hättest«, gehe ich frech in die Offensive. Wird auch Zeit, dass ich meine Schlagfertigkeit wiederfinde.

Ben liftet die Augenbrauen. »Hinter meinem Geld?«

Ich zucke mit den Schultern. »Wozu ist ein Millionär sonst gut?«

Er streicht sich demonstrativ am Kinn. »Hm, so hätte ich dich gar nicht eingeschätzt«, antwortet er mit sinkender Stimme.

»Ich mich auch nicht«, erwidere ich und seufze. »Warum gehe ich eigentlich auf solch ein dämliches Gespräch ein?«

»Weil ich nett bin?«, spekuliert Ben provokativ.

»Wenn du wirklich nett wärst, würde ich jetzt nicht an Flucht denken«, gebe ich zurück.

Ben weicht fast unmerklich zurück. »Bitte nicht.«

Inzwischen ist der Kellner da und stellt mir meinen Cappuccino auf den Tisch. Ging ja superschnell, denke ich mürrisch. Jetzt kann ich nicht mal mehr schnell flüchten.

Erwartungsvoll blickt die Bedienung zu Ben.

»Wie immer«, murmelt der.

»Gerne.« Der Kellner nickt und dreht sich um.

Ich sehe überrascht zu Ben. »Du bist wohl öfter hier?«

»Wie ich merke, bist du auch ziemlich clever«, kontert er schlagfertig.

»Dein Punkt.«

Wir lächeln uns an. Irgendwas an ihm gefällt mir. Er hat was. Das gewisse Etwas, das meine Schmetterlinge im Bauch zum Flattern bringt.

»Ja, ich liebe diese Atmosphäre hier. Die Menschen sind hier so echt.«

Jetzt hat er mich und ich sehe genauer hin. Er hat große blaue Augen, die warm funkeln. Ich fühle mich von seinem Blick zärtlich umhüllt und möchte darin versinken … seufz.

»Warum seufzt du? Alles in Ordnung?«

Fuck! Was mache ich denn da schon wieder? Schnell hole ich die abschweifenden Gedanken zurück in die Realität.

»Ähm«, stammle ich. »Ich brauche eine billige Wohnung. Weißt du eine?«

»Was?«, gluckst er.

»Na, darum habe ich geseufzt«, rede ich mich raus.

»Ach so. Ja, der Wohnungsmarkt ist echt schlimm.«

»Suchst du auch gerade?«

»Nein, aber man hört es ja überall.«

»Wohnst du noch bei deiner Mutter?«

Ben schnappt nach Luft. »Wie kommst du da jetzt drauf?«, fragt er entsetzt.

»Wie kannst du dir sonst eine Wohnung leisten?«

»Ach so.« Er lacht erleichtert. »Ich habe Glück. Ähm … sozusagen eine Firmenwohnung.«

»Ah ja? Wo arbeitest du denn?«, frage ich interessiert.

Doch Ben wendet sich ab und lächelt der Bedienung zu, die schon wieder da ist und ihm ›das Übliche‹ serviert.

Was ist das denn? Der Kellner bringt ihm in Rekordzeit einen Espresso und ein paar Muffins. Der benimmt sich ja so, als bediene er einen Promi. Oder Ben ist einer, der sich gerne wichtigmacht und mit Trinkgeld um sich wirft. Ja, wenn ich’s mir recht überlege, das Zweite würde eher zu ihm passen.

»Ich habe es auf die Rechnung gesetzt«, informiert der Kellner ihn, während er das Tablett ablädt.

»Danke«, antwortet Ben und schiebt ihm etwas Trinkgeld zu.

»Darf ich dich einladen?«, fragt er mich.

Ich lege den Kopf schief. »Wenn damit keine weiteren Verpflichtungen verbunden sind.«

»Nimm den Cappuccino doch bitte mit auf meine Rechnung, Gregor, ja?«

Gregor nickt. »Gerne.«

Ich bin beeindruckt, Bens Ton hat eine bestechende Routine. So, als ob er es gewohnt ist, Anweisungen zu geben. Auf jeden Fall ist er redegewandt. Na ja, als Coach–

»Warum willst du eigentlich unbedingt das Wort ›Millionär‹ in deinem Buchtitel?«, holt er mich aus meinen Gedanken.

»Dann weiß man doch gleich, worum es geht, oder? Unrealistische Liebesromane. Oder kennst du einen Krimititel mit ›Millionär‹?«

Ben hebt die Brauen. »Du magst gar keine Liebesromane?«

»Ich finde sie unrealistisch, um nicht zu sagen verlogen. Speziell Millionärsromane«, schnaube ich verächtlich.

»Aber dann muss es doch für dich eine Qual sein, so etwas zu verfassen?«

»Das werde ich ja herausfinden. Auf jeden Fall ist es die einfachste Art, ohne Kapital Geld zu verdienen, weil es so einem einfachen Schema folgt. Man braucht keine besondere Kreativität, nur eine Art Speck, mit dem man die Mäuse fängt.«

Ben nickt wissend. »Ohne Kapital für Werbung etc.? Die Zeiten sind vorbei, würde ich sagen.«

»Motivationscoach, ja?«

Sein Mundwinkel zuckt. »Und warum Liebesromane, wenn du sie öde findest?«

»Weil ich ein umsatzstarkes Genre brauche, um möglichst viel Geld zu verdienen.«

Er grinst. »Du siehst doch gut aus, such dir doch lieber einen richtigen Millionär.«

»So einen wie dich? Sehr witzig«, stöhne ich. »Ich habe gerade von Männern die Nase voll, speziell von Millionären. Das ist ein nicht unerhebliches, zusätzliches Problem.«

»Oha. Warum muss es dann unbedingt ein Millionär sein?«

»Verrat ich dir nur, wenn du dann endlich Ruhe gibst.«

Er nickt eifrig. »Vielleicht kann ich dir ja helfen.«

»Wie das? Und vor allem warum?«

»Weil ich ein netter Mensch bin?«

»Menschen, die von sich behaupten, dass sie nett sind, wecken schon mal gleich mein Misstrauen.«

»Kann ich verstehen, geht mir genauso.«

»Ach ja? Und du bezeichnest dich als nett, weil du es wirklich bist?«

»Exakt.«

Ich schnaube.

»Also, verrat mir doch, was du gegen Millionäre hast.« Ben lehnt sich zurück und verschränkt die Hände hinter dem Kopf.

»In der Realität sind doch alle echten Millionäre alt und hässlich. Jedenfalls, wenn sie sich ihre Kohle selbst verdient haben. Die Erben sind zwar jung und manchmal auch gutaussehend, aber oft das Ergebnis jahrhundertelanger Inzucht. Und verwöhnte, neureiche Millionärssöhnchen, das geht ja wohl noch weniger.«

»Interessant. Und welchem Typ bist du verfallen?«

»Egal, denn ich glaube nicht, dass arme Männer viel besser sind.«

»Aha!« Bens Augen blitzen auf. »Jetzt weiß ich auch, warum du auf unnahbar machst«, antwortet er und streicht sich übers Kinn. »Dann scheint ›reich zu heiraten‹ ja ein Thema für dich zu sein«, schiebt er nach. Bei ›reich zu heiraten‹ macht er Gänsefüßchen mit den Fingern in der Luft.

»Du wolltest doch Ruhe geben«, stöhne ich genervt. »Und im Übrigen ist es eher das Lieblingsthema meiner Mutter. Was mich betrifft, ich möchte mein Geld lieber selbst verdienen.«

»Deine Eltern wollen, dass du reich heiratest?«

»Meine Mutter. Sie hat zugunsten meines Vaters einmal den Antrag eines Baulöwen abgelehnt. Da sie aber inzwischen von meinem Vater geschieden ist, bereut sie es heute.«

»Tja, das ist natürlich dumm gelaufen.« Ben grinst.

»Ich weiß nicht. Der Baulöwe ist inzwischen auch pleite.«

»Oha.«

Eine Weile ist Sendepause.

Gott sei Dank! Ich nutze die Zeit, um weiter zu recherchieren, kann mich aber immer noch nicht konzentrieren. Denn es gelingt mir nicht, Ben aus meinem Kopf zu verdrängen.

»Bist du eigentlich öfter hier?«, baggert er hartnäckig weiter.

»Nur, wenn ich nicht arbeiten muss. Apropos, musst du gar nicht arbeiten?«, erwidere ich genervt.

»Doch, ich komme immer für die Pausen hierher. Meine Firma ist nicht weit von hier.«

»Nicht weit von hier? Womöglich bei der GET SMARTER-Group?«

»Ja genau.«

Na, prima! Er ist ein zukünftiger Kollege. Ich muss trocken schlucken und überlege, was er wohl dort wirklich arbeiten könnte. Den Coach nehme ich ihm nicht so richtig ab. Bei dem Aufzug kann er ja eigentlich nur ein Bürobote sein … oder etwas in der Art. Obwohl ich vor Neugier platze, frage ich ihn nicht. Vielleicht ist es ihm ja sogar peinlich. Dann ist es sicher besser, ihm nicht zu verraten, dass ich demnächst dort meine Stelle antreten werde. Nur, was soll ich jetzt antworten? Ihm, einem Frauenheld und bald schon Arbeitskollegen. Solche Techtelmechtel sind meistens nicht gewünscht, weil sie dem Arbeitsklima schaden können. Nein, ich kann unmöglich weiterflirten. Überhaupt, wieso nenne ich es in Gedanken einen Flirt?

»Na dann«, erwidere ich schließlich und erhebe mich. »Hier komme ich heute nicht mehr weiter. Ich werde nach Hause gehen und dort weitermachen. Vielleicht ergibt sich der Titel dann ganz von selbst. Vielen Dank für den Cappuccino.«

»Warte, setz dich doch. Du hast ihn ja noch nicht mal getrunken.«

Das stimmt. Und schon hat er mich zum Zögern gebracht. Verdammt.

»Es geht auch ganz schnell, den Kaffee zu trinken. Er ist doch schon abgekühlt.«

»Okay.« Ich setze mich wieder und stürze den Kaffee hinunter.

»So, jetzt muss ich aber.«

Ben hat wieder den enttäuschten Dackelblick von eben aufgesetzt. »Sehr gerne. Bist du morgen eigentlich wieder hier?«

Überrascht stelle ich fest, dass ich darüber nachdenke. Der Kerl bringt mich zu sehr aus dem Konzept. »Vielleicht, kommt darauf an«, wiegle ich ab.

»Worauf?«

»Ob ich Lust habe.«

»Aha. Na dann hoffe ich doch mal, dass du Lust bekommst. Natürlich nicht doppeldeutig gemeint«, antwortet er und zwinkert.

Er sieht dabei niedlich aus, aber der Kommentar könnte kaum blöder sein.

Ich verdrehe die Augen. Schnell weg hier!

»Bis morgen … vielleicht«, murmle ich, während ich meinen Stuhl an den Tisch schiebe.

2

DER GANZ NORMALE WAHNSINN

Auf dem Weg nach Hause geht mir dieser Ben nicht mehr aus dem Kopf. Ständig habe ich sein Gesicht vor mir. Er ist ein Typ, der nachhallt. Vielleicht hätte ich mich doch länger mit ihm unterhalten sollen. Vielleicht hätte er sich dann entzaubert. Oder er hätte mir tatsächlich geholfen. Ich bin mir nicht sicher, ob er nichts weiter als ein Wichtigtuer ist. Kennt man ja, die Charmebolzen sind die Schlimmsten.

Warum mache ich mir eigentlich so viele Gedanken? Ich habe ja gar nicht ausgeschlossen, dass ich morgen wiederkomme, dann kann ich ihn ja immer noch auf Substanz abklopfen. Also sollte ich ihn jetzt endlich aus meinem Hirn vertreiben und mir lieber die Realität vor Augen halten.

Gerrit hat mich mit meiner besten Freundin betrogen, deshalb fühle ich mich einsam. Beide beteuern zwar, dass es nichts Ernstes war und nichts zu bedeuten hatte, aber das kennt man ja … nicht nur aus Romanen und kitschigen Filmen.

Ich kann ja wirklich viel gebrauchen, aber sicher keinen neuen Mann in meinem Leben. Und schon gar keinen schrägen Büroboten, der T-Shirts mit dämlichen Sprüchen trägt. Nein, ich werde morgen nicht wieder hierherkommen. Es reicht ja, wenn ich ihn dann in der Firma wiedersehe.

Nach der Bahnfahrt muss ich die letzten Meter zu Fuß zurücklegen und zwinge mich dabei, über die Handlung meines Bestsellers nachzudenken. Wenn man selbst ein eher miserables Liebesleben hat, ist es gar nicht so einfach, gute Ideen zu entwickeln. Also werde ich gezwungen sein, mir die Ideen irgendwo anders zu besorgen. Nein, klauen würde ich es nicht nennen. Eher inspirieren lassen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass jede Idee zu dieser Liebes-Thematik schon mal jemand hatte. Schließlich ist das Thema so alt wie die Menschheit.

Endlich bin ich an meinem Elternhaus angekommen, ein Reihenhäuschen mit schlauchartigem Grundstück. Der Vorgarten ist der ganze Stolz meiner Mutter. Er ist nach Süden ausgerichtet. Auf dem drei Meter langen Weg bis zur Haustür sind links und rechts edle Rosen gepflanzt. An warmen Sommertagen verströmen sie einen betörenden Duft.

Aber Rosen haben nicht nur Dornen, sondern auch Blätter – Blütenblätter. Die könnten herunterfallen und den braunen Boden ein bisschen farbiger machen. Ganz fatal wäre es, wenn sich dann noch ein ekliger Regenwurm dran gütlich tun würde. Der natürliche Lauf der Dinge stört den Perfektionismus meiner Mutter ungemein, deshalb werden die Blüten von meiner Mutter sofort abgeschnitten, sobald sie das Stadium der Knospe überschritten haben. Andernfalls müsste sie ja ständig welche mühselig aufsammeln. Ja, meine Mutter ist eine ganz Ordentliche. Sie verbringt endlose Stunden mit der Pflege dieser kleinen Beete. Schließlich sind es die, die von allen Leuten gesehen werden.

Aber nicht nur das, natürlich ist auch das ganze Haus so perfekt. Mich hat das früher immer zur Rebellion animiert. Für mich darf ein Raum ruhig bewohnt aussehen. Ich habe mir alle Mühe gegeben, mein Zimmer so unordentlich wie möglich zu halten. Erst als Gerrit, mein Ex, immer zu Besuch war, änderte sich das. Wahrscheinlich ein Grund, warum meine Mutter ihn so mag. Jetzt, wo Gerrit Geschichte ist, treibe ich meine Mutter wieder zur Weißglut. Schon allein als Strafe dafür, dass sie mir ständig damit in den Ohren liegt, dass ich ihm verzeihen soll.

Aber Gerrit hat auch die Gabe, sich mit endlosen Loborgien über den exzellenten Geschmack meiner Mutter erfolgreich bei ihr einzuschmeicheln. Dieser Schleimer.

Vor dem Küchenfenster steht eine kleine Holzbank, auf der man in der Sonne sitzen kann. Der rückseitige Garten ist mehr eine verlängerte Terrasse, die nach zwei Metern englischem Rasen mit einer öden, hohen Thujahecke endet. Die hat den Charme einer grünen Mauer. Es fühlt sich ein bisschen nach Gefängnishof an, wenn man darin sitzt. Und durch den vielen Schatten ist sie praktisch nur an heißen Sommertagen nutzbar.

Ich setze mich noch ein wenig vor das Haus in die Sonne. Es ist ein wahres Highlight. Immerhin hat meine Mutter duftende Lavendelbüsche vor die Bank gepflanzt, um Läuse von den Rosen fernzuhalten. Die Duftmischung ist betörend. Ich liebe es, die Schmetterlinge zu beobachten, die manchmal hier vorbeiflattern. Das Gesurre und Gebrumme der anderen Insekten ist wunderbar beruhigend für mein aufgewühltes Gemüt.

Doch sobald ich mich entspanne, kehrt Ben wieder in meine Gedanken zurück. Das nervt. Ich muss mich unbedingt auf meine Ziele konzentrieren.

Wie komme ich wohl mit meiner Recherche am schnellsten zu einem Ergebnis? Ob ich die Bestseller der letzten Jahre mal lesen soll? Und dann aus jedem einen Happen nehmen, alles gut mixen und: tada … der neue Bestseller. Könnte klappen, macht aber viel Arbeit und dauert daher lange – zu lange.

Ich werde aus meinen Gedanken gerissen, als sich die Tür öffnet. Die Stimme von Gerrit jagt mir einen Schauer über den Rücken. Warum lässt er nicht einfach von dieser Rolle als ›Schwiegermamis Liebling‹ ab?

»Ah Mia, da bist du ja. Jetzt wollte ich gerade gehen«, behauptet er und setzt eine enttäuschte Miene auf.

Ja, Gerrit ist ein toller Schauspieler.

»Ja, wie schade«, antworte ich übertrieben und blecke meine Zähne. So wird wohl auch solch ein Dummbeutel wie Gerrit begreifen, dass ich auf seine Besuche keinen Wert lege, sie schmerzen.

Jedes Mal wenn ich ihn sehe, zieht sich mein Herz zusammen. Wie kann man jemanden nur so kalt hintergehen? Und Elena erst, die Schlange. Mit ihr werde ich nie wieder ein Wort reden.

Ich mustere meinen Ex ausgiebig. Er hat Ringe unter den Augen, sieht erschöpft aus. Es wird ihn doch wohl nicht mitnehmen, dass Schluss ist? Egal! Mir geht es schlechter. Schließlich bin ich die Betrogene.