Butterbrot und Liebe - Susanne Friedrich - E-Book

Butterbrot und Liebe E-Book

Susanne Friedrich

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Beschreibung

Hannah geht ganz in ihrer Marketingkarriere auf. Als sie den Butterbrot-Gastronom und Frontalduzer Christoph nach einer kurzen Affäre abserviert, denkt sie noch immer alles unter Kontrolle zu haben. Womit sie nicht gerechnet hat: Christoph glaubt an das große Liebesglück. Doch um Hannahs verschlossenes Herz zu knacken, reichen Träume allein nicht. Kurz entschlossen springen Christoph alle zur Seite: seine resolute Mutter Ulli, sein bester Freund Attila, seine herzensgute Kollegin Ellie und sogar Hannahs Vater Albers, der selbst ein wenig Glück verdient hat …

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Seitenzahl: 304

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2017 Susanne Friedrich

Umschlaggestaltung: Literaturtest, Berlin

Korrektur und Buchsatz: Ka & Jott, Prenzlau

Verlag:tredition GmbH, Hamburg

ISBN Paperback: 978-3-7439-4188-5

ISBN Hardcover: 978-3-7439-4189-2

ISBN E-Book: 978-3-7439-4190-8

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Kapitel 1

Hannah strich durch ihre Mähne, zupfte ihre perfekt sitzende Kostümjacke zurecht und atmete tief ein. Bleib ruhig, ermahnte sie sich. Ganz ruhig.

So gelassen wie möglich drehte sie sich um und kehrte zum Konferenztisch zurück. Die Anspannung im Raum war deutlich spürbar, hing wie schwerer Smog in der Luft. Hier und da räusperte sich jemand, fummelte an seinem Kugelschreiber oder rückte Blätter zurecht. Alle Augen waren auf Hannah gerichtet.

Sie baute sich vor ihrer Mannschaft auf, verschränkte die Arme und nahm jeden einzelnen der Reihe nach ins Visier. Stille. Wohin sie sah, angespannte Gesichter, manch eines verängstigt. Hannah spannte den Rücken an.

»In einem Moment wie diesem frage ich mich, ob sie Ihre Abschlüsse in einer billigen Tombola gewonnen haben. Anders ist das Resultat ihrer Arbeit, wenn Sie sie so nennen möchten, nicht zu erklären. Ich hoffe immer noch, dass es sich um einen schlechten Scherz handelt?«

Schweigen. Hier und da ein leiser Seufzer. Ansonsten Stille.

»Nun gut. Ich habe nicht vor, auf diese Präsentation im Detail einzugehen. Das Niveau entspricht einem Projekt lernbehinderter Sechsjähriger. Wir können es uns nicht leisten, uns damit zu blamieren und den Ruf unseres Unternehmens zu schädigen. Ich gebe Ihnen bis Montag, um das Ganze auf Vordermann zu bringen und es mir, pünktlich um neun in aller Frische, zu präsentieren. Noch Fragen?«

Eine Hand hob sich zaghaft. Niklas, ein junger Mitarbeiter mit einer Hornbrille der Größe eines Wagenrades, meldete sich zu Wort.

»Ich hatte mir Montag freigenommen. Meine Frau und ich feiern unseren ersten Hochzeitstag. Ich hab schon Tickets und Hotel gebucht. Barcelona«, fügte er mit einem zaghaften Lächeln hinzu.

Mehrere Augenpaare weiteten sich. Andere klappten zu. Hannahs blieben starr auf ihn gerichtet. Niemand rührte sich. Besser gesagt, niemand wagte es.

»Barcelona. Reizend! Eine schöne Idee, ganz zauberhaft! Dann können Sie mit ihrer Frau ja gleich die Tatsache feiern, dass sie ihren Job wieder los sind.«

Niklas Augen wuchsen zu der Größe seiner Brille. Ungläubig starrte er Hannah an, sah nicht, wie sein Gegenüber versuchte, ihn mit Handzeichen davon abzubringen, weiterzureden.

»Das ist nicht ihr Ernst? Das können Sie nicht machen!«

Sein Gegenüber legte jetzt den Kopf in die Hände, seufzte kaum hörbar, lehnte sich dann zurück und verschränkte die Arme.«

»Alles in Ordnung, Tobias?«, fragte Hannah ihn. »Möchtest du vielleicht die Antwort übernehmen?«

Tobias winkte dankend ab. Mitleidig sah er Niklas an, der fragend die Hände hob.

»Niklas, Sie stehen kurz vor dem Ende Ihres Probejahres. Einer festen Anstellung steht meiner Ansicht nach bis jetzt nichts entgegen. Sofern ich sehe, dass Sie auch weiterhin bereit sind, volles Engagement zu leisten. Die Entscheidung liegt ganz bei Ihnen. Sehe ich Sie Montag nicht, weiß ich, für welchen Weg Sie sich entschieden haben, und ziehe daraus die entsprechenden Konsequenzen. Nicht, ohne Ihnen dann auf ihrem zukünftigen beruflichen Werdegang alles erdenklich Gute zu wünschen. Wie gesagt, Ihr Leben, Ihre Entscheidung. Und ja, das ist mein Ernst. Nach dieser Präsentation ist mir die Lust am Scherzen vergangen. Danke dafür! So Herrschaften, das wäre alles. An die Arbeit, es gibt genügend zu tun. Lisa, du bleibst bitte noch, wir gehen kurz die Kernpunkte durch.«

Niklas rührte sich nicht, saß wie angewurzelt und starrte ungläubig vor sich hin. Die anderen Mitarbeiter erhoben sich zügig, sammelten ihre Sachen zusammen und suchten das Weite. Tobias gab Niklas zu verstehen, dass es an der Zeit war, zu gehen. Niklas erhob sich wie in Zeitlupe, sah ein letztes Mal zu Hannah, die ihnen bereits den Rücken gekehrt hatte und mit Lisa sprach. Kopfschüttelnd ging er Richtung Tür und stieß fast mit einem überdimensional großen Korb zusammen.

»Achtung, hier kommt die lang ersehnte Stärkung! Butterbrot und Liebe.«

Niklas starrte den Lockenkopf hinter dem Korb an, dessen Lächeln den Raum erhellte. Hannah wandte sich um und unterbrach ihre Unterredung mit Lisa. Alle Augen waren nun auf den Neuankömmling gerichtet.

»Butterbrot und Liebe, weil alles, was ich liefere, mit Liebe gemacht ist. Deiner Gesichtsfarbe nach zu urteilen, brauchst du dringend Vitamine. Versuchs mit einem ›Humus der Herkules‹, da kriegst du reichlich. Humus, Walnüsse und Granatapfelkerne. Die geballte Ladung Energie.«

Der Neuankömmling strahlte, Niklas schwieg, Hannah ging auf ihn zu und verschränkte wieder die Arme. Ihr Blick fiel auf Tamara, die aus dem Großraumbüro herbeieilte.

»Und am besten nimmst du einen frischen Saft, hebt die Stimmung«, fügte der Mann mit dem Korb hinzu. Sein Lächeln unterstrich das Gesagte.

»Tamara, können Sie mir erklären, was das soll?« Hannahs Ton war schneidend.

Tamara hob beschwichtigend die Hände. »Sorry, hab ich falsch durchgestellt. Hier nicht, Christoph. Überall, nur nicht hier!«, flehte sie ihn an.

Christoph sah ungläubig erst sie, dann Hannah an. Wieder lächelte er, nahm dann den ›Humus der Herkules‹, dessen Verpackung allein eine Sensation war, den frisch gepressten Rotebeetesaft, in einer ebenso auffällig schönen Glasflasche, und reichte beides dem verdutzten Niklas. »Ich komm gleich abkassieren«, zwinkerte er ihm zu und sah zu Hannah.

»Und was darf ich dir Gutes tun?«

Lisa blieb der Mund offen stehen, Tobias schob Niklas durch die Tür an Tamara vorbei, murmelte »Ich nehm später auch was«, und Tamara schlug die Hände vors Gesicht.

»Ein Frontalduzer. Ich scheine heute einen echten Lauf zu haben. Na toll«, gab Hannah in eisigem Ton zurück.

Christoph brach in Lachen aus, richtete sich aufrecht, beugte sich dann wie ein Page nach vorne, die rechte Hand auf die Brust gelegt. Die Verbeugung war trotz des ominösen Korbes vollendet. Als er wieder aufrecht stand, lächelten jetzt auch seine Augen, nicht allein der Mund.

»Vergebt mir, Hoheit. Wie kann ich Sie an diesem herrlichen Tag beglücken?«

Lisa schloss den Mund und sah ungläubig erst zu Christoph und dann zu Hannah. Tamara lehnte den Kopf mit geschlossenen Augen an den Türrahmen und zog scharf die Luft ein. Christoph rührte sich nicht.

Hannah musste lachen, ungewollterweise. Der Mann war nicht zu toppen. Lisa atmete erleichtert auf und Tamara sah Hannah ungläubig an. Selten schaffte es jemand aus dem Stand heraus, ihre Chefin zu einer Kehrtwendung zu bewegen, geschweige denn, ihr dabei noch ein Lächeln zu entlocken.

»Was gibt es dann Schönes?«, fragte sie schließlich und lugte in den Korb. Der Duft des Inhaltes lag im Raum, das Angebot die reinste Augenweide.

»Wie wär’s mit einer ›Himbeersinfonie der Sinne‹? Frischkäse, Himbeeren und Basilikum. Ein absoluter Burner!«

Hannah begutachtete das Paket. Umwerfend, dachte sie. Wie gemalt, jede einzelne Beere, wie gemalt. Und die Farben!

»Ich probiere es. Gewagt, aber okay. Kann heute ja nur besser werden.«

»Was zu trinken?«

»Nein, danke.«

»Macht dreifünfundneunzig.«

Hannah ging wortlos zu ihrem Schreibtisch, holte das Geld aus ihrer Tasche und reichte Christoph einen Fünfeuroschein.

»Passt so, danke!«

»Ich habe zu danken. Bis zum nächsten Mal!«

»Lisa, möchtest du etwas, dann können wir danach weitermachen?«

Lisa sah kurz erstaunt zu Hannah und ging dann lächelnd auf Christoph zu.

»Hast du auch klassische Varianten?«

»Na klar! Fleisch oder Fisch?«

»Fisch.«

»Dann probier das hier, ›Thunfischtheater‹, mehr verrate ich nicht«, sagte er mit einem Augenzwinkern. »Limo dazu?«

»Gerne!«

»Sieben Euro und zwanzig Cent, bitte.«

»Tamara kannst du auslegen? Ich hab mein Geld nicht dabei.«

»Klar! Komm, ich regle das.«

»Na dann«, strahlte Christoph Hannah an, »bis morgen!« Hannah winkte ihn mehr zur Tür hinaus, als dass sie ihn verabschiedete, ging zu ihrem Schreibtisch und legte ihr belegtes Brot ab. Der Anblick war wirklich verführerisch. Der Duft von Basilikum und Himbeeren kitzelte ihre Nase. Trotzdem, Arbeit geht vor, dachte sie mit einem stillen Seufzer und wandte sich wieder ihrer Mitarbeiterin zu.

»So Lisa, weiter geht’s im Text.«

Um den Korb hatte sich im Großraumbüro rasch eine kleine Menschentraube gebildet. Der Inhalt leerte sich mit rasender Geschwindigkeit. Christoph verteilte belegte Brote, Süßes und gute Laune. Als er fertig war, ging er zu Tamara am Empfang. Auf dem Weg dorthin kam er an Niklas vorbei, der mit Tränen in den Augen den Hörer auflegte.

»Zum Heulen hat bisher noch niemand meine Brote gefunden. So schlimm?«

Niklas schluckte und setzte die Brille zurecht, zwang sich zu einem Lächeln.

»Alles klar, Mann?«, fragte Christoph besorgt.

Niklas nickte stumm.

»Na dann, halt die Ohren steif. Deine Kollegin hat für dich bezahlt. Bis morgen.«

Bei Tamara angekommen, übergab er ihr eine liebevoll verpackte Schachtel Pralinés.

»Danke, dass du mich hier eingeführt hast. Auch von Atilla.«

»Kein Ding. Obwohl ich fast gestorben wäre, als du in Hannahs Büro marschiert bist. Krasser Act, muss ich schon sagen.«

»Ist die immer so?«

Tamara rollte die Augen und schnaufte. »Es gibt noch Steigerungsmöglichkeiten.«

»Alles klar. Reizende Person, muss ich schon sagen! Ich muss los. Wir sehen uns morgen, danke noch mal!«

»Nicht dafür, ciao!«

Tamara blickte Christoph verträumt nach, bis er im Aufzug verschwand. Eine Kollegin wischte sich gerade einen Krümel aus dem Mundwinkel und erhaschte einen letzten Blick von ihm.

»Ist der süß! Und seine Brote, mega! Weißt du, ob er in festen Händen ist?«

»Keine Ahnung. Aber die Schlange reicht bestimmt bis Brandenburg, sollte es so sein.«

Die Kollegin seufzte. »Wenigstens haben wir das Glück, ihn einmal am Tag zu sehen.«

»Du sagst es.«

Atilla stellte den vollen Korb zurecht, als die Tür aufging und Christoph freudestrahlend seinen leeren Korb schwang.

»Der Laden, in dem Tamara arbeitet, ist ein Volltreffer, ich brauch Nachschub!«

»Schon fertig. Krass, Mann! Alles verkauft?«

»Bis auf den letzten Krümel.«

Christoph fuhr sich durch die Locken.

»Alles klar, Mann? Du siehst aus, als wärst du gegen eine Wand gelaufen.«

»So ungefähr. Ich glaub, ich hab mich verguckt. Und sie ist nicht mal mein Typ.«

»Geil, Tamara?«

»Nein, Hannah. Ein echtes Monster, führt sich ziemlich mies auf.«

»Und du fährst auf sie ab? Das passt nicht.«

»Na ja, irgendwie, ich weiß auch nicht. Also ihr Lachen ist umwerfend und ihre Mähne, superschön.«

»Also doch dein Typ.«

»Nein, das ist es ja eben. Ich kam mir vor wie in meiner alten Firma, nach der feindlichen Übernahme. Eiszeitstimmung. Kriegt mich auch keiner mehr hin.«

»Wenn es so weiterläuft, musst du das auch nicht. Also, nicht quatschen, machen! Hier« Atilla reichte ihm den Korb, »ich schmier schon mal weiter.«

Christoph lachte, nahm den Korb und winkte Ellie zu, die hinter der Theke einen Kunden mit einem Smoothie versorgte. Die wenigen Plätze im Raum waren belegt, die Auslage nur noch dünn besiedelt.

Doch auch während seiner nächsten Lieferung ging Christoph die Begegnung mit Hannah nicht mehr aus dem Kopf. Er konnte sich beim besten Willen nicht erklären, wieso.

Hannah nahm den letzten Krümel. Die Brotkreation hatte ihre Laune deutlich verbessert. Köstlich hatte es geschmeckt, diese ungewöhnliche Kombination aus süß und salzig. Ein Geschmacksorgasmus, überlegte sie und musste lächeln. Echt süß, der Junge. Aber leider zu jung für mich. Zu schade! Hannah seufzte und widmete sich wieder ihrem Computer. Nach den frischen Farben des belegten Brotes regierte wieder kühle Sachlichkeit in ihrem Büro. Ein Klopfen an der Tür ließ sie aufsehen. Niklas stand in der Tür.

»Was ist?«

Niklas ging wortlos auf sie zu und reichte ihr ein Couvert. Fragend sah Hannah ihn an.

»Was ist das?«

»Meine Kündigung.«

Respekt, dachte Hannah. Der hat Eier, der Kleine. Wahnsinn! Gemächlich lehnte sie sich zurück und verschränkte die Arme. Niklas ließ sie nicht aus den Augen. Diese Brille ist echt der Knüller, überlegte Hannah und schob den Gedanken beiseite.

»So was will gut überlegt sein.«

Niklas hob das Kinn, sah sie trotzig an und schwieg.

»Schlafen Sie eine Nacht drüber, tauschen Sie sich mit Ihrer Frau aus. Wenn Sie dann immer noch kündigen wollen, nehme ich Ihre Kündigung an.«

»Mehr haben Sie nicht zu sagen?«

»Nein, wieso? Schicken Sie mir bitte Lisa, danke.«

Hannah lächelte kurz, widmete sich wieder ihrem Bildschirm und beachtete Niklas nicht weiter. Sein Schweigen lag deutlich hörbar im Raum, störte Hannah aber nicht weiter. Als sie wieder aufsah, stand Lisa vor ihr.

»Mach bitte die Tür zu und setz dich.«

Lisa tat wie befohlen und nahm Platz. Hannah nahm ihren Füllfederhalter und drehte ihn hin und her.

»Niklas wollte gerade kündigen.«

Lisa nickte.

»Ich würde ihn ungern verlieren. Er hat großes Potential, ist sich aber über seine Prioritäten noch nicht ganz im Klaren. Es wäre ein Verlust für uns, auch wenn niemand unersetzlich ist.«

»Er ist ein Teamplayer und zudem sehr beliebt.«

Hannah nickte. »Liegt wohl an der Brille. Wenn er morgen kommt und es sich anders überlegt hat, wovon ich ausgehe, übernehme ich die Umbuchungskosten seiner Reise.«

Lisa lächelte anerkennend.

»Aber wenn ich mitbekomme, dass du ihm diese Information gesteckt hast, spar dir die Mühe wiederzukommen, hab ich mich klar ausgedrückt?«

»Allerdings. Du fährst ein enormes Risiko.«

Hannah lehnte sich zurück und lächelte. »No Risk, no Fun.«

Kapitel 2

Christoph verstaute das letzte Päckchen. Ellies Cupcakes waren eine Sensation. Zum Glück hat sie nicht mitbekommen, dass ich gleich zwei davon vernascht habe. Er lächelte in sich hinein und sah auf. Wenn man vom Teufel spricht, dachte er und versuchte es mit seinem schönsten Lächeln.

»Netter Versuch, Cowboy. Du hast zwei Cupcakes vernichtet.«

Ellie verschränkte die Arme und grinste. Gefährlich. Ihre makellosen weißen Zähne hoben ihre schokoladenfarbene Haut hervor. Sie zog eine Augenbraue hoch und schnalzte mit der Zunge.

»Ich warte.«

»Die waren einfach zu lecker. Ehrlich jetzt! Dafür kann ich doch nichts!«

Ellies schallendes Lachen hallte durch den Raum. Eine der schönsten Klänge, die Christoph kannte. Ellie war eine der sympathischsten Menschen, die Christoph je untergekommen waren.

»Bin ich jetzt verhaftet?«

»Nein, aber erwischt sie dich noch mal, ist dein Arsch Geschichte.«

Atilla kam aus der Küche und wischte sich den Mund ab.

»Du hast mich verpetzt! Du! Und vernichtest gerade den Beweis deiner Schuld! Ellie, hast du das gesehen?«

»Er hat gefragt.«

»Schleimer!«

Ellie schüttelte lachend den Kopf, winkte ab und ging in die Küche.

»Arsch.«

»Ich liebe dich auch. Junge, du gefällst mir seit Wochen nicht mehr! Siehst aus, als wärst du gegen eine Wand gelaufen. Und die Tatsache, dass du zwei Cupcakes auf einmal wegziehst, gibt mir recht. Immer noch die Schnalle in Tamaras Laden?«

Christoph verschränkte die Arme und blies die Backen auf.

»Ich denke, sie ist nicht dein Typ?«

»Ist sie auch nicht. Aber sie geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Und die letzten Male war sie außerordentlich freundlich. Also zu mir. Ich mag ihr Lächeln, diesen Blick, der nichts preisgibt.«

»Ich mag ihr Lächeln, diesen Blick, der nichts preisgibt«, äffte Atilla ihn nach. »Junge, dann greif an! Worauf wartest du?«

»Ich weiß nicht. Ich will mir den Laden nicht verderben. Die sind echt okay, super Kunden. Tolle Leute!«

»Na, wenn du die Chefin entzickst und sie zur Abwechslung die Peitsche ablegt, würde die das auch nicht stören. Wo ist das Problem?«

»Ich weiß nicht. Hab keinen Bock auf ’ne Abfuhr.«

»Dann fühl mal vor. Mach dich rar.« Atilla überlegte kurz. »Ich sag dir was, ich liefere heute aus. Dann check ich mal die Lage.«

Atilla schnappte sich den Korb und sah Christoph an. »Jetzt schau nicht, als wär’ grad ein UFO gelandet. Ich kann das, mach dir keinen Kopf, Junge! Gibt’s was, das sie besonders mag?«

Christoph zuckte die Schultern. »Bisher fand sie alles lecker.«

Atilla schüttelte den Kopf und rieb sich die Augen.

»Scheiße, Junge! Dich hat’s so was von erwischt! Bis später! Halt die Bude am Laufen!«

Christoph winkte, vertiefte die Hände in den Taschen und zuckte zusammen, als ein Gast ihn um Zucker bat. Atilla verließ, immer noch kopfschüttelnd, das vollbesetzte Café und machte sich auf den Weg.

Hannah sah auf die Uhr, als Freudenrufe durch das Großraumbüro hallten. Sie lächelte. Butterbrot und Liebe. Schlaue Namensgebung, überlegte sie anerkennend, wirklich gewieft! Besser noch, der Name hält, was er verspricht. Keine Seifenblase, die beim ersten Bissen zerplatzt. Sie widmete sich wieder ihrem Bildschirm und wartete, zählte langsam bis drei.

»Hi.«

Hannah sah verwirrt auf. Der Lieferant war heute ein anderer. Sie spürte, wie ihr Herz ein wenig sank, und ärgerte sich über sich selbst. Verdammt, du benimmst dich wie ein Teenager, reiß dich zusammen!

Ihr Blick war kühl, als sie ihr Gegenüber musterte. Ein groß gewachsener Mann. Gutaussehend. Blendend, könnte man sagen, überlegte sie. Wenn man auf südländische Typen steht. Und ein gewinnendes Lächeln. Aber nichts im Vergleich zu … Schluss damit!

»Wo ist der Gutelaunebär? Etwa krank?«

Ihr Gegenüber grinste. »Wir wechseln uns ab. Mal so, mal so.«

»Hm. Heute nichts für mich, ich hab später noch einen Termin. Danke.«

Hannahs Lächeln war freundlich, aber kühl. Ihr Blick unterstrich das Gesagte.

»Wir haben heute besonders leckere Cupcakes, echte Meisterwerke!«

»So wie alles, was ihr liefert. Kompliment! Meine Mitarbeiter sind im siebten Himmel. Danke dafür!«

»Das hört man gern. Kein Cupcake? Letzte Chance?«

»Bloß nicht! Dafür muss ich fünf Extrarunden laufen. Und dafür bin ich heute zu faul. Danke, ich muss hier weitermachen.«

Lächelnd beförderte sie den jungen Mann zur Tür. Ihre Laune war am Nullpunkt. Sie konnte sich nicht entscheiden, was sie mehr ärgerte: Die Tatsache, dass er heute nicht gekommen war, oder dass ihr Magen zwischen den Kniekehlen hing.

Sie entschied sich, ihren Frust mit dem zu begraben, was sie am besten konnte. Arbeiten.

Am frühen Nachmittag kam Lisa in ihr Büro. »Brauchst du was? Ich war gerade auf der anderen Leitung.«

»Bring mir den König von Barcelona und gesell dich bitte dazu.«

»Geht klar.«

Wenig später nahmen beide vor ihr Platz. Niklas leckte sich den letzten Finger ab. »Sensationelle Cupcakes. Einzigartig!«

»Freut mich zu hören. So Niklas, wenn Sie nun Ihre Aufmerksamkeit auf uns lenken könnten, wäre ich Ihnen wirklich dankbar.

« Hannah lehnte sich zurück und versuchte dem Duft des Kuchens zu entkommen, der noch in der Luft hing. Ihr Magen brüllte.

»Sorry!«

»Zunächst einmal Glückwunsch, Sie sind nun ein fester Bestandteil unserer Mannschaft.«

Niklas nickte dankend und setzte die Brille zurecht.

»Wann geht Ihr Flug?«

»In drei Stunden.«

»Gut. Wenn Sie zurück sind, übernehmen Sie die Heuser-Kampagne. Es wird das erste Projekt sein, für das Sie die volle Verantwortung tragen. Ich zähle auf Sie, Niklas.«

Niklas Augen waren nun größer als seine Brillenränder. Hannah musste sich ein Lächeln verkneifen.

»Lisa wird Sie begleiten und unterstützen.«

Niklas nickte und lächelte Lisa dankbar zu.

»Also, raus mit Ihnen und genießen Sie Ihre hart verdiente Auszeit. Willkommen im Team, Niklas. Ich freue mich, dich Dienstag wieder bei uns zu haben.«

Niklas strahlte. Ein Honigkuchenpferd hätte im Vergleich schlecht abgeschnitten. Lisa bugsierte ihn hinaus. Hannah lehnte sich zurück und atmete aus. Verdammter Mist, ich sterbe vor Hunger!

Wenig später stand Niklas in der Tür. Ein aromatischer Duft eilte ihm voraus. Er setzte die Brille zurecht, lief auf Hannah zu und platzierte einen malerischen Cupcake vor ihr.

»Den musst du probieren. Alles andere wäre ein Verbrechen. Ein kleines Dankeschön von mir. Und liebe Grüße von meiner Frau.«

»Raus!«

»Bin schon weg!«

Lachend und winkend verließ Niklas das Büro. Hannah begutachtete den Cupcake vor ihr. Ein Gedicht. Er duftete so gut, wie er aussah. Ein kleines Kunstwerk. Sie seufzte. Wenn ich den jetzt esse, muss ich so hart ackern, um den von den Hüften zu halten, dachte sie. Verdammt!

Der Geruch stieg ihr in die Nase. Der brüllende Magen, der verlockende Duft, ihre Qual schien kein Ende nehmen zu wollen. Hannah hielt es nicht länger aus. Der erste Bissen landete in ihrem Mund. Himmlisch. Was für ein Genuss! Hannah lehnte sich zurück, schloss die Augen und genoss das Küchlein. So fühlt sich Glückseligkeit an, entschied sie. So und nicht anders!

Atilla stellte den leeren Korb ab und ging zur Kaffeemaschine. Christoph ließ ihn nicht aus den Augen. Atilla schwieg, nahm die Tasse mit frisch gebrühtem Kaffee und lehnte sich an die Wand.

»Und?«

»Was, und? Alles verkauft. Was dachtest du denn!«

»Davon rede ich nicht!«

»Sondern?«

»Mann, spann mich nicht auf die Folter!«

»Ach so, das! Sorry Junge, keine Chance!«

»Sag ich doch! Ich wusste es!«

Christoph ballte die Fäuste und trommelte wild auf dem Tresen. Einige Kunden sahen amüsiert auf, um sich dann wieder ihren Broten zu widmen. Der Duft von frisch gebrühtem Kaffee hing in der Luft und vermischte sich mit dem Aroma frischer Minze. Atilla sah ihm kopfschüttelnd zu.

»Junge, du bist so was von am Arsch.«

»Danke für die Info.«

Christoph rückte die Auslage zurecht, atmete tief ein und inspizierte das Ergebnis seiner Arbeit. Sein Geschäftspartner sah ihm schweigend zu. Christophs Stimmung war im Eimer, der letzte Hoffnungsschimmer geplatzt.

»Heute kein Gutelaunebär?«

Fragend sah er seinen Freund an.

»Das hat sie mich gefragt, wo heute der Gutelaunebär sei.

Das bist dann wohl du.«

Atilla grinste breit und wich dem Handtuch aus, das Christoph nach ihm warf.

»Arsch.«

»Scheint mein neuer Name zu sein. Wenn ich dir einen guten Rat geben kann … «, Atillas Blick wurde ernst, Besorgnis schwang darin mit. »Die Braut ist heiß, das geb ich gerne zu. So ein Kaliber kriegt man nicht alle Tage zu Gesicht. Aber, und das ist der springende Punkt, wenn du fällst, dann in einen Abgrund von schwindelerregender Höhe. Eine verdammt gefährliche Nummer.«

Christoph nickte, verschränkte die Arme und schnaufte. Die Worte seines Freundes bestätigten seine eigenen Gedanken. Aber er war machtlos, das ahnte er bereits.

»Was machst du heute noch?«

»Geh’ mit Ellie auf ’ne Party. Sie will mir endlich die süße Maus vorstellen, die sie hier manchmal besucht. Und du weißt ja, Ellies Partys sind immer die besten. Komm mit, das bringt dich auf andere Gedanken.«

Christoph stand unschlüssig. Er sah, wie Atilla den Kaffeebecher abstellte, sich in Stellung brachte, und, ohne ihn aus den Augen zu lassen, die Arme ausbreitete.

»Nein Mann, lass gut sein, nein!«, flehte Christoph.

Atilla ignorierte seine Bitte und deutete mit dem Zeigefinger auf ihn, sein Blick eine Aufforderung. Christoph schüttelte den Kopf und raufte sich die Locken. Dann brachte er sich selbst in Stellung, breitete die Arme aus und rief: »Hey!«

Die sitzenden Kunden sahen sich fragend um. Nichts rührte sich. Ellie kam aus der Küche mit einem frischen Blech Kuchen und blieb stehen.

Jetzt rissen beide die Arme in die Höhe, hüpften auf und ab und grölten mehr, als sie sangen:

»Hey, was geht ab, wie feiern die ganze Nacht, die ganze Nacht!«

Einige der Kunden klatschten im Takt oder hoben prostend ihre Kaffeetassen. Ellies Lachen flutete den Raum, mischte sich mit dem Duft des Kuchens und den frischen Farben des Geschirrs. Sie verschaffte sich und dem Blech Platz und machte sich dann daran, leere Teller und Tassen einzusammeln. Ein etwas zugeknöpft aussehender Kunde hielt anerkennend den Daumen hoch.

»Hat mal wieder vorzüglich geschmeckt.«

Ellie lächelte dankbar und nahm sein Geschirr.

»Und das Live Entertainment ist unschlagbar. Ich seh den ganzen Tag nur Zahlen. Sehr erfrischend, wirklich wahr!«

»Um hier zu arbeiten, braucht man starke Nerven.«

»Versuchen Sie es mal in einer Steuerkanzlei. Dagegen ist das«, er wies mit seiner Hand auf die beiden hüpfenden und grölenden Männer, »einfach herrlich!«

»Auch wieder wahr!«

»Bis morgen!«

Ellie winkte zum Abschied und ging mit dem leeren Geschirr hinter die Theke. Mit einem Blick zu Atilla verschränkte sie die Arme.

»Wenn ihr euch nicht gleich einkriegt, nehme ich euch nicht mit.«

Das grölende Tanzen endete abrupt.

»Mann, Ellie!«, empörte sich beide.

Ellie hob mahnend den Zeigefinger. »Ich meins ernst.

Schluss jetzt mit dem Kindergarten!«

Nun hoben beide abwehrend die Hände und machten sich daran, das Geschirr in die Maschine zu räumen und Ordnung zu schaffen. Ellie sah ihnen einen Moment zu.

»Na geht doch«, befand sie, nickte zufrieden und kehrte in die Küche zurück.

Hannah schnaufte, erhöhte das Tempo und lief die Steigung hinauf. Schweißperlen liefen ihr die Schläfen und den Rücken hinunter. Das T-Shirt klebte an ihrer Haut. Sie drehte die Musik auf, spornte sich selbst weiter an, lief wie eine Getriebene.

Noch eine Runde, überlegte sie. Eine Extrarunde für den Cupcake. Ihre Muskeln schmerzten. Hannah ignorierte es, lief und hielt das mörderische Tempo. Ihr Herz hämmerte in der Brust. Nach der Extrarunde um die krumme Lanke verringerte sie schließlich das Tempo. Sie sah auf die Uhr, nickte zufrieden und ging in ein schnelles Schritttempo über. Eine Stunde zwanzig Minuten. Ein Jogger nickte ihr anerkennend zu, während sie mit ihren Dehnübungen begann.

Hannah sah in den Himmel. Tageslicht hatte die Nacht endgültig abgelöst, die Sonne stand am Himmel. Sie atmete tief ein, fühlte sich frei, belebt und bereit, den Tag in Angriff zu nehmen. Mit einem letzten Blick auf den See lief sie zu ihrem Auto, stieg ein und startete den Motor.

Auf dem Heimweg überlegte sie, was sie frühstücken könnte und stellte fest, dass ihr eine Vielzahl der leckeren belegten Brote einfiel, die Christoph lieferte.

Sie griff fester um das Steuerrad und verdrängte den Gedanken. Trotzdem traten die Bilder wieder vor Augen. Sie schmeckte die köstlichen Aromen von frischen Kräutern, Rosmarinschinken oder Chilikäse. Hannah seufzte. Heimweh erfasste sie. Sie wählte die Nummer und wartete. Er war sicher schon auf.

»Hallo, mein Engel!«

»Guten Morgen, Papa.«

»Schon fleißig gewesen?«

»Allerdings. Mit einer Extrarunde. Du klingst gut.«

»Bin mit Bella unterwegs, trotz des Wetters.«

»Bei uns strahlt die Sonne.«

»Du Glückskind.«

Hannah lächelte. Es tat immer wieder gut, seine Stimme zu hören, zu spüren, wie der raue, dunkle Ton ihr Frieden gab.

»Was machst du am Wochenende, Papa?«

»Ich glaube, meine Tochter kommt mich besuchen. Ich werde für sie kochen.«

Hannah strahlte. »Klingt perfekt, Papa. Danke! Ich freu mich riesig!«

»Und ich mich erst. Bis dahin, mein Kind. Und fahr vorsichtig!«

»Mach ich.«

Hannah legte zufrieden den Hörer auf. Sie sah in den Himmel, verlor sich für einen Moment im strahlenden Blau und atmete ruhig und gleichmäßig. Der Tag konnte beginnen.

Kapitel 3

Christoph atmete genüsslich das Aroma ein. Das frischgebackene Sauerteigbrot in seinen Händen war genau so, wie es sein sollte. Die Kruste kross, der Laib satt und beweglich. Der Duft weckte Erinnerungen: durch Pfützen springen, durchnässt nach Hause kommen und dann eine Scheibe Brot, dick mit Butter bestrichen, heißer Kakao und die liebenden Arme seiner Mutter. Aromen von Butter, Schokolade und Zeder. Schätze für die Ewigkeit, tief verankert in seinem Innern.

Er legte den Laib zurück auf das Holzbrett und schnitt sich die Knuste ab, bestrich sie mit Butter, streute grobes Salz darauf und biss ab.

»Da sieht aber jemand glücklich aus.« Ellie strich ihre Schürze glatt und verschränkte die Arme. Lächelnd beobachtete sie Christoph, der mit geschlossenen Augen schweigend genoss. Bis zum letzten Krümel. Ellie schenkte sich einen Kaffee ein und nickte anerkennend.

»Ein wahrer Genießer, das bist du.«

»Es gibt nichts Schöneres als die kleinen, alltäglichen Freuden des Lebens. Großartig!«, befand Christoph und seufzte. »Ich muss los! Wo ist eigentlich Atilla?«

Ellie grinste verschwörerisch. »Scheint, als hat er gestern endlich seinen Treffer gelandet.«

»Na wenigstens einer. Gönn ich ihm. Bis später!«

»Christoph?«

Mit dem Korb in den Händen hielt er inne und drehte sich noch einmal zu ihr um.

»Ja?«

»Lass dich nicht verarschen. Das ist es nicht wert. Für niemanden.«

»Recht hast du. Bis später.«

Christoph salutierte und marschierte zur Tür. Er sah nicht Ellies besorgten Blick, der ihm folgte, bis er nicht mehr zu sehen war. Die Küchentür schwang auf. Atilla lief zielstrebig zur Kaffeemaschine, betätigte gekonnt die Knöpfe und drückte Ellie einen dicken Kuss auf die Stirn.

»Wo ist der Gutelaunebär?«

Ellie verschränkte die Arme und lehnte sich an die Theke. Ihr Blick sprach Bände. Atilla hob beschwichtigend die Arme.

»Mea culpa.«

»Im Gegensatz zu dir kann er feiern und arbeiten.«

»Jeder hat seine Schwächen.«

»Hah!«

»Außerdem weißt du, dass das nicht wahr ist.«

Ellie zwinkerte und blies ihm einen Kuss zu. »Er beliefert die Eiskönigin. Zur Strafe musst du die nächsten Stunden alleine klarkommen. Ich hab was zu erledigen.«

Atilla nahm seinen Kaffee, trank einen Schluck und seufzte erleichtert auf. Sein Blick fixierte jetzt Ellie, die ihre Schürze ordentlich faltete und die Hände darauf ruhen ließ.

»Gibt’s Probleme?«

»Ich hab das im Griff.«

»Verstehe. Du weißt, wo du mich findest, sollte sich das ändern.«

Ellie lächelte dankbar, drückte sanft seinen Arm und wandte sich der wartenden Kundschaft zu.

»Danke für ihre Geduld, der Master of Disaster kümmert sich gleich um euch. Bis später.«

Atilla gab Ellie einen Daumen hoch, lehrte seinen Becher, wischte sich den Mund ab, straffte die Schultern und klatschte in die Hände.

»So, Herrschaften, was darf ich euch Gutes tun?«

Er rieb sich die Hände, drehte das Radio auf und grinste breit. Showtime!

Tamara klatschte in die Hände, als eine Duftwolke von frischen Kräutern, Brot und luftgetrocknetem Schinken Christophs Eintreten ankündigte. Er lächelte fröhlich und platzierte den Korb vor ihr.

»Das Übliche?«

»Ganz genau.«

Ein Strahlen erhellte Tamaras Gesicht. Christoph platzierte ihr Lieblingsbrot, einen frisch gepressten Orangensaft und ein Espressokonfekt vor ihr. Tamara schob das Geld über die Theke.

»Stimmt so, Lebensretter!«

Christoph grinste. »Na dann, ab in die Höhle des Löwen!«

Tamara verdrehte die Augen. Christophs Erscheinen ließ Jubelrufe erklingen.

»Bin sofort bei euch«, beschwichtigte er seine Kundschaft, als er das Großraumbüro durchquerte.

»Good luck with your mission«, bemerkte Niklas trocken, ohne von seinem Bildschirm aufzuschauen.

Christoph grinste, klopfte deutlich hörbar an der geschlossenen Glastür an und trat ein. Hannah stand am Fenster und hatte ihm den Rücken zugekehrt. Sie drehte sich um, signalisierte ihm zu warten und wandte sich dann wieder der durchgängigen Glasfront zu. Sonnenstrahlen fingen sich in ihren kastanienfarbenen Locken. Ein verspielter Kontrast zu ihrem sachlichen hellgrauen Hosenanzug, der perfekt saß und ihrer schlanken Figur schmeichelte. In diesem hypermodern eingerichteten Büro wirkte ihre Lockenpracht wie eine kleine Revolte. Christoph konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen und stellte den Korb ab.

Wenig später beendete Hannah das Telefonat, durchquerte den Raum und gesellte sich zu ihm. Sie legte das Telefon ab und verschränkte die Arme. Ihren Blick konnte Christoph nicht deuten.

»Hi.«

»Hi. Was kann ich dir Gutes tun?«

Hannah lächelte verschmitzt. Äußerst ungewöhnlich, dachte Christoph. Aber vielleicht hängt mir einfach noch die durchgezechte Nacht in den Knochen, und ich bilde mir das nur ein? Er erwiderte ihr Lächeln und sah sie fragend an.

»Ich nehme den Sauerteig mit Obazda, Radieschen, Tomaten und Zwiebeln. Für die Kreation benötigst du eigentlich eine Zulassung für Betäubungsmittel. Das Ding macht süchtig.«

Christoph grinste, fischte Hannahs Wahl aus dem Korb und legte sie vor ihr ab. Er freute sich, dass ihm der Obazda heute besonders gut gelungen war.

»Wie immer kein Getränk?«

»Richtig. Was schulde ich dir?«

»Puh! Womit fange ich an?« Christoph grinste. Sein Kopf brummte noch ein wenig, aber in Hannahs Anwesenheit wich der Schmerz einer beschwingten Leichtigkeit. Sie lachte.

»Der Gutelaunebär. Einfach nicht zu toppen.« Hannah zog einen Fünfeuroschein aus der Hosentasche und reichte ihn Christoph. Der Duft ihres Parfüms stieg ihm in die Nase. Noten von Orange und Zedernholz. Schmetterlinge flatterten in seinem Bauch.

»Stimmt so.«

»Herzlichen Dank.« Christoph verstaute den Schein und spürte Hannahs Blick auf sich ruhen. Die Frau ist ein einziges Mysterium, überlegte er.

»Etwas kurzfristig, aber ich wage es trotzdem. Hast du heute Abend schon was vor?«

Hannahs kühler Blick ruhte auf ihm, der nicht zu ihrem Parfüm und dem zaghaften Lächeln, das ihre Mundwinkel umspielte, passte. Christophs Herz schlug Purzelbäume. Die Welt blieb stehen, drehte sich nicht mehr. Er sah nur noch Hannah. Und brachte kein Wort mehr heraus. Stille breitete sich aus.

»Kein Problem, ich dachte mir schon, dass die Einladung zu kurzfristig ist. Vergiss es«, sagte sie schließlich.

»Nein! Ja! Ich meine, nein!« Christoph verfluchte sich selbst und sein Gestammel. Er fuhr sich durch seine Locken, zwang sich zu einem Lächeln. Hannah sah ihn belustigt an. Mit verschränkten Armen vor der Brust legte sie ihren Kopf leicht schief.

»Ich wollte heute eigentlich einen Ruhigen schieben, war gestern etwas heftig, die Party.«

Hannah nickte. Ihr Blick wandelte sich binnen Sekunden von belustigt zu abwägend.

»Aber ich komme gerne. Wohin eigentlich?«

Hannah lächelte wieder. »Eine neue Ausstellung in Mitte. Ich dachte, mit deiner kreativen Ader wär das vielleicht was für dich? Moderne Kunst.«

»Absolut, klar, warum nicht! Um wie viel Uhr?«

»Gegen achtzehndreißig. Passt das?«

»Perfekt, dann kann ich mich noch kurz aufs Ohr hauen.«

»Schön. Ich schick dir die Adresse. Gibst du mir deine Nummer?

»Klar!«

Christoph fummelte umständlich in seiner Hosentasche und holte sein Handy hervor. Zwar kannte er die Nummer auswendig, aber sicher war sicher. Er gab Hannah die Nummer durch, die sie gleich in ihr Smartphone eingab.

»Perfekt. Kommt gleich«, sagte sie mit einem Lächeln. »Wir treffen uns am besten dort, in Ordnung?«

»Ja, absolut.«

»Na dann, bis später.«

Christoph nahm seinen Korb und wurde sich seines dämlichen Grinsens bewusst, das er an den Tag legte. »Ciao« brachte er gerade noch hervor und verließ das Büro. Nicht, ohne sich für seine Unbeholfenheit zu verfluchen.

Niklas empfing ihn mit verschränkten Armen und einem breiten Grinsen. In seinem schwarzen Rollkragenpullover, seiner ominösen Brille und seinen kurz geschorenen Haaren wirkte er ein wenig wie ein Außerirdischer, der gerade gelandet war.

»Erde an den Gutelaunebär, bitte kommen!«

Verdutzt sah Christoph ihn an und grinste. Einen Moment lang fehlte ihm die Orientierung, Niklas hatte ihn aus seiner Traumwelt gerissen. Aber er hatte sich schnell wieder im Griff.

»So, Herrschaften! Zeit für eine Stärkung, was kann ich euch Gutes tun?«

Binnen Kürze war er von einer hungrigen Meute umringt, die sich für die belegten Brotkreationen begeisterten und die frischen Aromen und Farbpracht lobten. Christoph war in seinem Element. Wie so oft, wenn er sah, dass sein kreatives Konzept aufgegangen war und er nicht einfach Brote verkaufte, sondern eine Lebenseinstellung: Genießen. Aus vollen Zügen. Rückhaltlos.

Atilla ließ Christoph nicht aus den Augen, als er mit verträumter Miene ins Café spazierte. Ellie, die gerade die letzten Teller weggeräumt hatte, folgte seinem Blick und tat es ihm gleich. Christoph kam mit seinem leeren Korb vor ihnen zum Stehen. Fragend sah er sie an.

»Was ist denn mit euch los?«

»Das Gleiche könnte ich dich fragen. Du siehst völlig geistesabwesend aus. Alles in Ordnung?«, fragte Ellie besorgt.

Christoph antwortete mit einem verträumten Lächeln, das von einem Ohr zum anderen reichte. Atilla schüttelte den Kopf, Ellie sah ihn fragend an.

»Ach du Scheiße«, stöhnte Atilla.

»Auweia«, flüsterte Ellie.

»Ich habe heute Abend ein Date mit Hannah.«

»Oh Mann, ich hab’s gewusst!«, stöhnten Atilla und Ellie im Chor. Atilla schlug die Hände vors Gesicht, Ellie wischte sich die Hände an der Schürze.

»Na, wenn das mal gut geht«, kommentierte sie die Neuigkeit und wackelte mit dem Kopf. »Ich bin dann mal weg.«

Mit diesen Worten ging sie in die Küche. Christoph stellte den Korb ab und sah seinen Freund verständnislos an.

»Was?«

»Junge, du bist wie der kleine Hase, der vor der Riesenschlange mit weit aufgerissenem Maul sitzt, nichts Böses ahnt und gleich gefressen wird. Kriegst du eigentlich noch was mit?«

»Unsinn!«

»Denk an meine Worte, du spielst mit dem Feuer. Du bist ihr nicht gewachsen.«

Christoph machte einer Kundin Platz und verschränkte die Arme. Atilla wickelte die Bestellung ab, während Christoph sich das Gesicht rieb und nachdachte. Nachdem die junge Frau wieder weg war, sah er seinen Freund an. Das Weichteil zwischen seinen Ohren war wieder aufnahmefähig.

»Wieso kann ich mich darüber freuen, dass du gestern einen Treffer gelandet hast, und du dich nicht für mich?«

»Weil ich bei diesem Treffer die Oberhand hab, im Gegensatz zu dir.«

Christoph schwieg. Er wusste, Atilla hatte recht. Aber was half das schon?

»Na wenigstens siehst du es ein. Lass dich nicht verarschen, mehr sag ich dazu nicht.«

»Das hat Ellie mir bereits mit auf den Weg gegeben.«

»Na dann hat dir jeder seinen Teil dazu gesagt. So und jetzt schleich dich und hau dich ’ne Runde aufs Ohr. Du siehst aus wie aus dem Arsch gezogen. So kannst du unmöglich gehen.«

Christoph grinste, salutierte Atilla, der lachte und sich das Geschirrtuch über die Schulter warf.

»Und denk dran, morgen pünktlich und frisch zur Arbeit zu erscheinen. Wer feiern kann, kann auch arbeiten.«

»Sehr witzig, fass dir mal schön an die eigene Nase!«

Lachend verließ er das Café. Heute konnte ihn niemand von Wolke sieben holen.

In dem Durcheinander des Stimmengewirrs hatte Christoph Schwierigkeiten, sich zu orientieren. Die Galerie war bis auf den letzten Millimeter mit Menschen gefüllt. Viele von ihnen sahen skuriller aus, als die Kunst an den Wänden. Eine Farbexplosion nach der anderen stach Christoph ins Auge. Lächelnd zwängte er sich durch die Menge. Er war wenige Minuten zu spät. Schließlich erkannte er eine Gestalt, die mit ihrem kühlen silbergrauen Hosenanzug aus dem Farbenmeer hervorstach. Christoph kam erleichtert vor Hannah zum Stehen.

»Sorry, parken ist hier eine Katastrophe.«