5,99 €
Hol dir alle 3 Romane der "Plötzlich Callgirl" Reihe! Ja, meine beste Freundin und Mitbewohnerin ist Callgirl. Normalerweise habe ich damit kein Problem, im Gegenteil,Tina hat immer ein paar interessante Geschichten zu erzählen. Dass sie schwanger wird, kam allerdings nicht in ihrem Lebensplan vor, und in meinem auch nicht. Noch weniger hatte ich geplant, für Tina einzuspringen. Aber was solls. Ein Wochenende lang die angebliche Verlobte eines Millionärs zu spielen. Das bekomme ich hin … glaube ich. Ein prickelnder Liebesroman – heiß, witzig und spannend.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 653
Nachdruck, Vervielfältigung und Veröffentlichung - auch auszugsweise - nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages!
Im Buch vorkommende Personen und Handlung dieser Geschichte sind frei erfunden und jede Ähnlichkeit mit lebenden Personen ist zufällig und nicht beabsichtigt.
Copyright © 2021 dieser Ausgabe Obo e-Books Verlag,
alle Rechte vorbehalten.
M. Kluger
Fort Chambray
Apartment 20c
Gozo, Mgarr
GSM 2290
Covergestaltung: Art for your book
Callgirl über Nacht
1. Vergangenheit
2. 4 Jahre später
3. Alle Jahre wieder
4. Noch mehr Probleme, die kein Mensch braucht
5. Die falsche Frau
6. Blöder Neandertaler
7. Let the Party begin
8. Die Wiedergeburt des Jungfernhäutchens
9. Gottverdammte Katergefühle
10. Die Schreckliche
11. Let the Challenges begin
12. Nasses Vergnügen
13. Rang 27
14. Catching the Peaches
15. Tipibau für Dummies
16. Lagerfeuer-Romantik
17. Enthüllungen
18. Die Falle
19. Let the Challenges end, pleeeeeze ...
20. Stolz geschwellte Brust
21. Das zweite erste Mal
22. Zwei Blätter im Indian Summer
23. Vergrabene Gefühle
Bei Anruf Callgirl
1. Blödes Herz
2. Workaholic
3. Immer nur Probleme
4. Shit Meeting
5. Schicksal
6. Stock 16, bitte
7. Die Aufgabe
8. Christian Bailey
9. Let the Games Begin
10. Runder Arsch und Tequila
11. Einer zu viel
12. Fiese Tricks
13. Kopfschmerzen
14. Goldene Höschen
15. It’s getting hot, Baby
16. Der Countdown läuft
17. Gouvernanten-Spiele
18. Letzter Versuch
19. Blöde Pfirsiche
20. Untröstbar
21. Wer war nochmal schuld?
22. Geld ist nicht alles
23. Drei kleine Worte
Callgirl unterm Weihnachtsbaum
1. Die schlimmsten zwei Wochen meines Lebens
2. Fuck!
3. Only You
4. Big big Love
5. Der arme Kerl
6. Aufheizen
7. Jacob verleiht Flügel
8. Schluss mit Reden
9. Schneemänner
10. Todespunsch
11. Hölzerne Einhörner
12. Tock Tock Tock
13. Eine richtige Frau
14. Hilfe, Einbrecher!
15. Exfreundinnen und kleine Monster
16. Der verschollene Bruder
17. Familienbande
18. Schlaf Jacob, schlaf
19. Schnee und anderes Gestöber
20. Auf dem Dach
21. Tauchstation
22. Gitarrenklänge
23. Offenbarungen
24. Schadensbegrenzung
25. Ruhe vor dem Sturm
26. Junge auf der Flucht
27. Ruhe nach dem Sturm
28. Die Frage
29. Zu- oder Absage?
30. Verantwortung
31. Weihnachten
Über OBO e-Books
Sex war definitiv nichts für Feiglinge.
Entweder lag der Mann auf der Frau und die Frau machte fast Spagat. Oder die Frau galoppierte auf dem Mann wie auf einem Gaul. Oder der Typ besprang sie von hinten wie ein Deckhengst eine Zuchtstute. Zwischendurch zückte er seinen gewaltigen Prügel (in Biologie-Büchern verharmlosend erigierter Penis genannt), an dem die Frau begeistert schleckte und lutschte. Zu guter letzt spritzte er ihr unter brünstigem Stöhnen einen halben Liter trübe weiße Flüssigkeit auf den in die Luft gereckten Arsch oder auf die mit den Händen zusammen gequetschten Titten. Und dann ging alles wieder von vorn los.
Zur Abwechslung gab es das Setting statt mit zwei auch mit drei oder vier blöde glotzenden und grunzenden Menschen. Nur noch die Nasen- und Ohrenlöcher der Frau blieben frei. Nicht zu vergessen, dass man sich wahlweise in schwarze Ganzkörperkondome quetschen und sich fesseln und auspeitschen lassen konnte.
Das sah nicht lustig aus.
„Jetzt fühl ich mich noch beschissener”, sagte Ron tonlos.
Mein bester Freund hatte auf mein Drängen hin von seinem großen Bruder drei Pornos ausgeliehen. Heimlich natürlich. Also, er hatte sie geklaut, würde die DVDs aber unauffällig unter die Matratze seines Bruders zurücklegen. Da wir beide mit 18 garantiert die einzigen Jungfrauen auf der Welt waren und uns deswegen unzulänglich fühlten, hatten wir uns gemeinsam auf das erste Mal vorbereitet. Neben der Theorie kannten wir dann jetzt auch die Praxis, jedenfalls vom Zusehen.
Ich warf Ron einen mitfühlenden Blick zu, während ich mich innerlich von dem Gedanken verabschiedete, jemals selbst Sex zu haben. Um Kinder zu bekommen, würde ich mich zu gegebener Zeit künstlich befruchten lassen.
Frustriert sammelte ich die leeren Pizza-Packungen und Chips-Tüten zusammen und ging nach Hause, um das Gesehene zu vergessen.
* * *
„Meiner ist nicht mal so lang”, flüsterte Ron mir am nächsten Tag zu. Wir hatten Mathe bei Prof. Broom. Darin waren wir beide den anderen meilenweit voraus, obwohl wir eigentlich niemals zuhörten. Wenn es um Zahlen ging, waren wir Naturtalente.
„Wie lang?”
Ron bewegte Daumen und Zeigefinger auseinander. Sein rötliches Gesicht wurde dabei so rot, dass fast gar kein Unterschied mehr zu seinem orangeroten Haar zu bemerken war. Aber ich wusste auch so, wovon er sprach.
„Zwölf Zentimeter … Du Glückspilz! In meine Löcher passt kaum ein Zäpfchen rein”, sagte ich.
„Willst du damit andeuten, dass … äh … wir … beide ...” Ron brach mitten im Satz ab und senkte über seinem Mathebuch beschämt den Kopf.
„Ich will unsere Freundschaft nicht aufs Spiel setzen”, seufzte ich, obwohl der Gedanke, dass Ron und ich jetzt auch noch miteinander ins Bett gingen, nahe lag. Wir kannten uns seit der Wiege, unsere Eltern waren befreundet, wir waren Nachbarn und wir hatten uns über den Verlust unserer gleichgeschlechtlichen Freunde hinweg getröstet, die in andere Staaten gezogen waren und uns nach ein paar Briefen vergessen hatten.
„Zum Glück sind wir uns einig”, sagte Ron und nickte.
„Du solltest es mit jemandem tun, der zu dir passt. Nicht mit so einem Rotfuchs wie mir. Ich meine, ich bin weiß wie die Wand, dazu das rote Haar, rote Wimpern, die Zahnspange, multiple Allergien”, meinte Ron, nachdem wir eine lächerlich leichte Mathe-Aufgabe gelöst hatten.
„Mit wem?” Jetzt war ich aber gespannt, wen Ron für mich ausgesucht hatte.
„Cole?”
„Willst du mich verarschen? Der hat doch schon mit jeder an der Schule was gehabt.”
„Eben drum. Der sollte wissen, wie es geht. Außerdem ist er schon lange scharf auf dich.”
Das stimmte. Aber es lag nicht an mir persönlich. Wenn Adrenalin-Cole eine Frau sah, musste er seinen erigierten Penis, der vermutlich so aussah wie die Prügel aus den Pornos, in sie reinstecken. Das war bei ihm wie ein bedingter Reflex. Dass ihm das bei mir nicht gelang, konnte er nicht verkraften, was ich daran bemerkte, dass er mich mindestens einmal in der Woche blöde von der Seite anlaberte.
„Komm schon, Emma Smith, mach dich locker. Zieh die Brille ab und ich begleite dich zum Klo.”
Kurz: Cole war ein Idiot!
Ich kam in Schlabberpullis, ausgebeulten Jeans und mit unordentlich zusammengeknüllten Haaren in die Schule. Vermutlich stellte Cole sich meine Wenigkeit ganz einfach frisch gebadet und perfekt gestylt vor. Oder mit einem Sack über den Kopf und ansonsten nackt und breitbeinig.
Ich drehte meinen Kopf und sah zu dem Platz, wo Cole vergeblich über der Aufgabe brütete, die Ron und ich längst gelöst hatten. „Du spinnst. Cole sieht gut aus, aber er ist saublöd.”
„Dumm fickt gut”, sagte Ron.
„Er ist ein Arschloch. Willst du, dass ich nachher heule?”
„Aber ich will es probieren”, sagte Ron trotzig.
Ich musste lachen. „Mit Cole?”
„Bin ich schwul? Mit ner Prostituierten.”
Mir blieb die Spucke weg. Es dauerte eine Weile, bis ich hervorbrachte: „Du spinnst, Ron.”
„Nee, ehrlich. Ich will ganz einfach wissen, wie sich eine Frau von innen anfühlt.”
* * *
Ron hatte es getan. Er war tatsächlich zu einer Prostituierten gegangen. Und dann war er doch schwul.
Ich schwankte zwischen Verabscheuung und Bewunderung wegen der Sache mit der Prostituierten. Schließlich siegte die Bewunderung. Den Mut musste man erstmal aufbringen. Und dass Ron schwul war, hatte ich mir sowieso gedacht.
Aber jetzt war ich die letzte Jungfrau auf der Welt. Ich wollte es hinter mich bringen. Bevor ich wusste, wie es war, würde mein Geist keine Ruhe geben. Vielleicht war ich ja auch homo. Ich glaubte es aber nicht. Dafür hatte ich mich ganz einfach in zu viele Rockstars verknallt. Leider waren die für mich nicht greifbar und die Jungs, die ich so kannte … Es war ein Teufelskreis.
„Wenn du willst, machen wir es einmal, damit du weißt, wie es ist. Männliche Prostituierte sind nämlich unglaublich teuer”, wusste Ron. Er versprach, sich besonders viel Mühe mit mir zu geben. Mit Kerzen, leiser Kuschelmusik und mit viel Zeit und zärtlichem Streicheln.
„Beim ersten Mal ist das besonders wichtig. Aber auch später brauchen Frauen das, sonst kommen sie nicht. Außer einige wenige Ausnahmen”, sagte Ron.
„Ich habe dieselben Bücher gelesen wie du”, erinnerte ich ihn.
„Gib doch einfach zu, dass du es nicht mit mir tun willst, weil ich scheiße aussehe”, sagte Ron und präsentierte mir absichtlich seine blinkenden Brekkies.
Ron brachte mich dauernd zum Lachen, was eigentlich ideale Voraussetzungen für eine Beziehung waren. Aber jetzt war Ron erwiesenermaßen schwul.
„Wenn ich die Brille abnehme, sehen sowieso alle Kerle gleich aus”, grinste ich.
„Okay. Dann mach es mit Cole”, grinste Ron zurück.
Und dann machte ich es mit Cole.
* * *
„Du siehst so fucking heiß aus ohne Brille”, stöhnte Cole.
Ich klammerte mich an ihn. Er war groß und breitschultrig. Die Weiber standen wirklich alle auf ihn. Ich auch. Obwohl er nicht die hellste Laterne war, war ich doch stolz, dass er mich heiß fand.
Leider war mir nicht wirklich heiß.
„Mir ist arschkalt”, murmelte ich in Coles Mund hinein, den er sperrangelweit aufgerissen hatte, um mich zu küssen. Ich spürte seine Oberlippe direkt unter der Nase und die Unterlippe auf dem Kinn. Mittendrin machte seine Zunge irgendwas in meinem Hals. Noch einen Millimeter tiefer und ich müsste würgen.
„Echt jetzt, Emmi? Du willst es anal? Boah, geil! Das hatte ich noch nie. Dreh dich um”, sagte Cole und guckte dabei genauso sabberig wie diese Typen aus den Pornos von Rons Bruder. Nebenbei rieb er sich an mir. Von Reibungswärme jedoch keine Spur. Immerhin hatte er mich Emmi genannt. Das war irgendwie niedlich.
„Cole, mir ist ARSCH-KALT!”, stellte ich die Sache dennoch richtig. Es war Winter. Draußen herrschten Minusgrade. Ich fror entsetzlich, denn die Schul-Klos wurden nicht beheizt. „Können wir eventuell etwas schneller zur Sache kommen?”
„Wohoo, du bist eine ganz Scharfe! Ich habe es immer gewusst! Dann komm ich jetzt mit meinem Heiz-Stab”, grinste Cole dreckig und sagte mit so einer finsteren Miene zu mir: „Pack ihn aus.”
Was blieb mir anderes übrig, wenn ich nicht bis zur Rente auf meine Entjungferung warten wollte? Mit zitternden Fingern öffnete ich Coles Jeans.
Da war auch schon sein ... erigierter Penis. Gott sei Dank hatte er keinen von diesen Porno-Prügeln.
Cole rollte geschickt ein Kondom über sein nach links gekrümmtes Teil.
„Du siehst begeistert aus”, freute er sich, während ich mit seiner Hilfe an ihm hochkletterte und meine steif gefrorenen Beine um seine Hüften schlang.
„Hm. Er ist so schön ...” Das klein verkniff ich mir im letzten Augenblick. Ron hatte mich davor gewarnt. Außerdem war die Fliesenwand in meinem Rücken gefroren. Egal. Gleich war es soweit. In wenigen Sekunden würde ich wissen, wie es war. Würde es an meinem ganzen Körper kribbeln? Würde ich schreien, so wie die Frauen in den Pornos? Oder sah es bei mir eher so aus wie in dem Aufklärungsbuch? Würde mir ein sanftes Lächeln über das Gesicht huschen? Wie wohl der Orgasmus war?
Da! Es war soweit. Cole steckte, beziehungsweise fummelte mir sein Teil in meine Pussy. Er war drin. Ich spürte ihn in mir.
„Aaaaaaaah, Baby, ich komme!”, grunzte er und dann riss mein Jungfernhäutchen.
Wo zum Teufel war Ron? Und damit meinte ich nicht Ron Weasley, den besten Freund von Harry Potter, meiner Lieblingslektüre, sondern tatsächlich meinen immer noch allerbesten, rothaarigen Freund. Der Ron, mit dem ich am Wochenende ein halbes Dutzend Action-Videos durchziehen und im Bett Pizza vertilgen konnte, während sich meine Mitbewohnerin und zugleich beste Freundin mit gut zahlenden Kerlen herumtrieb. Der Ron, mit dem ich jedes noch so komplizierte mathematische Problem bequatschen konnte, ohne dass er die Augen verdrehte. Der Ron, der fast gemeinsam mit mir seine Unschuld verloren hatte und der mir seit dem ersten Semester an der New York Columbia mit seiner Anwesenheit die Scheißtypen vom Hals hielt.
Wir hatten es wahrhaftig geschafft und studierten das, was wir schon immer am besten konnten. Und das auch noch in New York. Ron lebte sogar mit der Liebe seines Lebens zusammen. Er hieß Jonathan und war ein echt lieber, süßer Kerl. In meinem Liebesleben hatte sich nicht wirklich viel getan.
Egal. Die in dem Moment einzig wichtige Frage war sowieso, wo Ron nur blieb. Ich zückte mein Handy und schickte ihm eine WhatsApp, während das arrogante Arschloch, das sich direkt neben mich gepflanzt hatte, mich beäugte. Wo sollte Michael auch sonst hin? Der Seminarraum für die Masterstudenten hatte ja bloß 60 Plätze. Und es befanden sich immerhin vier Personen in dem Stochastik-Kurs, einschließlich dem Professor und mir.
„Nur weil mein Freund heute nicht auf meinem Schoß sitzt, musst du deinen Ellbogen nicht auf meinem Blatt parken. Nimm ihn da weg!“, knurrte ich meinen lästigen Mitstudenten an. Michael sah gut aus, richtig gut. Sogar besser als Cole, mein Entjungferer. Die Weiber bettelten ihn geradezu an, dass er sie begattete. Aber was gutes Aussehen mit gutem Sex zu tun hatte, wusste ich inzwischen. Michael sollte seinen Porno-Prügel gefälligst woanders reinfummeln. Ich wollte das Ding gar nicht erst sehen.
„Was denn? Macht dich jetzt schon mein Ellbogen an? Vielleicht sollten sexy Ron und du nicht bis zur Hochzeit mit dem Sex warten. Oder soll ich ihn vertreten?”, grinste der Hirni blöde.
Warum studierte dieser Idiot nicht ein Fach, in dem mehr als eine Frau eingeschrieben war oder ging gleich in eine Bar? Aber bitte nicht in die, in die ich gleich nach dem Seminar musste, um zu arbeiten. New York war klasse, aber es war so furchtbar teuer, dass ich neben meinem Mini-Job in der Uni-Bibliothek und dem Mini-Job als Tutorin bei Prof. Kentwell noch in einer Bar kellnern musste. Das Stipendium reichte höchstens für ein halbes Zimmer im Studenten-Wohnheim und meine Eltern waren nun wirklich nicht in der Lage, mich zu unterstützen.
Frustriert seufzend raffte ich mein Zeug zusammen und setzte mich auf einen anderen Platz. Weit weg von Michael hatte ich endlich Ruhe, um mich auf den Stoff zu konzentrieren. Das hieß, vorher erreichte mich endlich eine Nachricht von Ron: „Tut mir leid, Em. Jonathan hat die Grippe und ich fürchte, ich hab mich angesteckt. Fieber, Kopf, Hals. Ich krieg kein einziges Wort raus. Wir liegen zwar zusammen im Bett, können aber nicht mal die Finger bewegen. Ich hab zwar auch Rudy eine Message geschickt, aber entschuldige mich bitte trotzdem noch bei ihm. Du weißt ja, wie er ist … Ich schick dir einen Kuss ohne Bazillen … Ron.”
Das war doof. Ron und ich besuchten nicht nur gemeinsam die Uni-Seminare, wir arbeiteten auch beide in Rudy’s Bar. Heute war After Work Party. Ausgerechnet heute war Ron krank. Ich wusste schon jetzt, dass ich ganz sicher drei Kreuze machen würde, wenn meine Schicht vorbei war. Diese After-Workler waren echt die übelsten Grapscher. Ich arbeitete sonst hinter der Theke, aber wenn Ron nicht da war, würde ich in den Gastraum müssen.
„Gute Besserung euch zwei Süßen. Wenn ihr was braucht (Schokolade oder Kondome), schick mir ne SMS. Ebenfalls bazillenfreier Kuss, Em”
Als das Seminar vorbei war, packte ich, so schnell ich konnte, meine Klamotten und raste mit gesenktem Kopf zur Tür, denn Prof. Kentwell wollte sicher wieder mit mir reden. Ich aber nicht mit ihm. Er war sowieso viel zu jung für einen Professor und, wie ich fürchtete, genauso sexbesessen wie Michael. Das Gerücht ging jedenfalls rum.
„Emma Smith!”
Ich versuchte ruhig weiter zu atmen und blieb stehen, obwohl die Fluchtgedanken drängten. „Tut mir leid, Professor, ich habe in fünf Minuten einen Zahnarzttermin“, log ich lächelnd und stürmte davon. Wenn Kentwell erfuhr, dass ich neben der Uni und der Bücherei noch in einer Bar arbeitete, war ich den Tutoren-Job los. Und wenn ich zu spät in der Bar auftauchte, war ich den Kellner-Job los. Und nur von dem Stipendium und dem Mini-Job in der Bücherei konnte ich nicht überleben. Diese Teufelskreise verfolgten mich durch mein gesamtes Leben. Aber wenn Ron gesund war, ging es mir super!
Kurz bevor ich die Bar betrat, erreichte mich Rons WhatsApp: „Jetzt müsstest du eigentlich Michael und Kentwell abserviert haben. Die notgeilen Karriereheinis schaffst du auch noch. Ich glaub an dich, Em. Weiterer bazillenfreier Kuss von Ron”
Ach, mein lieber, guter alter Freund … Ein Lächeln huschte über mein Gesicht. Leider war es vorerst das letzte.
* * *
Das Geräusch, das mir beim Aufschließen des Apartments entgegen schallte, verhieß nichts Gutes.
Es klang wie „Würg“. Und „Wuäääh”. Etwas bröckelte und schluchzte.
Nein! Nicht auch noch das! Doch es war genau das.
„Ich bin schwanger!“, würgte Tina meine Vermutung nebst grünlicher Brocken hervor. „Es ist von ihm.“
Das hatte ich befürchtet. Ich kniete mich neben das Nervenbündel vor dem Klo und nahm ihr langes Haar aus der Schüssel. Mit einer gewohnheitsmäßigen Bewegung zwirbelte ich es zu einem unordentlichen Bun und ignorierte, dass sich darin Erbrochenes befand. Ein bisschen Kotze war nun wirklich unser geringstes Problem. Meine Freundin und Mitbewohnerin arbeitete bei einem Escort-Service, um ihr Studium zu finanzieren. Das dumme Huhn hatte sich in einen Kunden verliebt, der natürlich auch noch verheiratet war.
„Seit wann weißt du es?“ Augenblicklich vergaß ich die ganzen notgeilen Typen aus der Uni und aus der Bar, die mein Leben verpesteten. Ich hatte sie alle abgewehrt. Darin war ich in den vergangenen Jahren zur Expertin geworden. Und die große Liebe, nach der ich mich in meinen schwachen Augenblicken sehnte, hatte ich schon lange abgeschrieben. Ungefähr seit ich Tina und ihr Problem kannte.
Ein lautes Schnaufen, gefolgt von einem Würgen und Spucken ließ Tinas schönen Körper erneut erbeben.
„Das ist es ja gerade“, schluchzte sie herzergreifend, während ich ihr über den Rücken streichelte. „Ich bin schon in der zehnten Woche. Wenn ich es behalte, kann ich bald nicht mehr arbeiten gehen. Ralph will nichts mehr mit mir zu tun haben. Er leugnet alles und behauptet, das Kind könnte von jedem sein. Ich müsste einen Vaterschaftstest anleiern, Alimente einklagen ...“
Ich wartete, bis Tina sich ausgekotzt hatte und wir Seite an Seite mit angezogenen Beinen auf ihrem kleinen Sofa saßen und süßen Kamillentee schlürften.
„Weißt du denn schon, was du machen willst?“, fragte ich sie sanft.
Tinas große, braune Augen füllten sich wieder mit Tränen. Es sah aus, als plätscherte ein ganzer See darin.
„Abtreiben. Was sonst?“
Sie sah mich fertig an. Ich war alles andere als weltfremd, aber bei dem Gedanken an eine Abtreibung drehte sich mir der Magen um. Ich hielt schon nicht viel davon, dass Tina diesen Job machte, aber irgendwann war es ihr gelungen, mich davon zu überzeugen, dass das ihre freie Entscheidung sei. Dass sie Spaß daran hatte, mit immer anderen, angeblich gut erzogenen und gebildeten Männern auszugehen. Leichter und amüsanter könnte man kein Geld verdienen, hatte sie behauptet. Und jetzt erwartete sie ein Kind von einem verheirateten Kunden.
„Ich habe mir schon einen Termin besorgt. Nächste Woche. Mittwoch, neun Uhr ist es soweit“, sagte sie plötzlich ganz klar. Sie fuhr sich mit dem Unterarm über ihr Gesicht und trocknete die Tränen.
„Bist du dir sicher?“ Mit einem Mal war ich so fertig, wie Tina es vorhin noch gewesen war.
„Nein, natürlich nicht. Aber es ist die einzige vernünftige Lösung.“ Tinas Körper bebte, als sie mich mit ihren langen, schlanken Armen umfing. Im Gegensatz zu mir war sie trotz ihrer superschlanken Figur durchtrainiert und stark und hielt mich wie in einem Schraubstock.
„Oh je”, sagte ich. „Ich weiß, das ist eine blöde Frage, aber kann ich irgendetwas für dich tun? Bitte, lass mich dir helfen!“
„Kannst du zaubern?“
„Nein, aber ich kann dir zuhören, während du deine Entscheidung nochmal überdenkst. Wenn du dich dann aus voller Überzeugung für die Abtreibung entscheidest, wenn du sicher bist, dass du die Entscheidung nicht bis an dein Lebensende bereust, begleite ich dich.”
„Nein. Tu das nicht. Und hör auf, mich so anzusehen. Ich habe keine Zeit, noch länger zu heulen. Ich habe einen Auftrag, der das ganze Wochenende geht.“
„Sag ab.“
Tina legte den Kopf schräg und schaute mich an wie ein Kind, das die einfachsten Sachen nicht kapiert. „Und wovon soll ich die Abtreibung bezahlen? Die Miete? Die Studiengebühren? Nein, das geht gar nicht. Ich muss da durch. Ich bin schon froh, dass du mir zuhörst, dass du mir keine Vorwürfe machst, obwohl du mich oft genug gewarnt hast. Danke, Emma. Danke, danke, danke! Und jetzt lass mich bitte allein. Ich muss schlafen, damit ich Freitag wieder auf den Beinen bin.“
* * *
Am Freitagmorgen war Tina noch nicht wieder auf den Beinen. Es war sogar alles noch schlimmer geworden mit ihr. Tina war ein Schatten ihrer selbst. Ihr sonst so glänzendes, rotes Haar war stumpf und strähnig wie eine alte Karnevalsperücke. Ihre durchtrainierte Figur, für die ich sie so bewunderte, wirkte schlaff und ausgemergelt. Aber am schlimmsten war ihre Gesichtsfarbe. Tina war grün im Gesicht und ihre Kotzanfälle waren unberechenbar. Aber sie weigerte sich, ins Krankenhaus zu gehen, und ihr Gynäkologe, den ich zu einem Hausbesuch überredet hatte, behauptete, das sei die normale Schwangerschaftsübelkeit. Meine Gyn, die ich zwecks einer zweiten Meinung ebenfalls zu uns bestellt hatte, sagte dasselbe. Je mehr man kotzte, desto besser ginge es dem Kind.
Ich schwor mir, dass ich garantiert nicht mal mit künstlicher Befruchtung ein Kind bekommen würde.
„Tina, so kannst du nicht zu deinem Auftrag!”, sagte ich bestimmt. Ehrlich, das konnte sie doch nicht wirklich vorhaben. Weder Ruhe, noch das Medikament, das der Gyn Tina gegeben hatte, wirkten.
Tina göbelte in ihren Eimer und sagte erschöpft: „Aber ich muss. Ich kann mir den finanziellen Ausfall nicht leisten. Oder hast du zufällig 5000 Dollar auf dem Konto, die du mir borgen kannst?”
Hieß ich Rockefeller? Natürlich hatte ich keine solchen Unsummen auf meinem Konto. Am Monatsende hatte ich diese Zahl ohne die drei Nullen im Portmonee und mein Konto war in den roten Zahlen. So sah es aus.
„Du musst dir das Geld von jemandem leihen. Was ist mit deinen Eltern? Geschwister? Andere Freunde? Ralph muss es dir geben! Er hat den Schlamassel, in dem du steckst, zu verantworten”, beschwor ich meine ruinierte Mitbewohnerin / Freundin.
„Keine Chance. Mein Vater ist arbeitslos und meine Mutter lebt schon lange nicht mehr. Geschwister habe ich keine. Meine Freunde kennst du. Es sind dieselben wie deine. Und Ralph - ich habe echt keine Ahnung, wie er mit Nachnamen heißt, wo er wohnt ...” Tina würgte, ohne dass etwas aus ihr rauskam. Ein Lächeln zog über ihr grünes Gesicht. „Es ist vorbei …”
Aber es war nicht vorbei. Schon im nächsten Augenblick kam noch mehr dünnflüssiges, grünes Zeug aus Tina raus.
„Kannst du dir von der Agentur einen Vorschuss geben lassen?”
„Wenn ich so kurzfristig absage und dann auch noch einen Vorschuss brauche, bin ich raus. Wuäääääh …”
„Ich spreche mit denen!”
„Bitte, bitte, tu das nicht. Die haben keine Nachwuchssorgen! Wuäääääh ...”
Damit war ich am Ende mit meinem Latein. Jetzt fiel mir nur noch eine Lösung ein und die gefiel mir gar nicht. Leider war ich ebenfalls am Arsch, wenn Tina am Arsch war. Ich konnte wohl kaum zu Ron und Jonathan in ihr 14-Quadratmeter-Apartment ziehen.
„Tina, ich übernehme deinen Job für dieses eine Wochenende - du erholst dich und überlegst dir die Sache mit der Abtreibung!“
Tina kotzte noch eine Runde. Vermutlich verdaute sich ihr Körper gerade selbst. Ich hätte sie immer noch am liebsten sofort in die Klinik gebracht.
„Das würdest du wirklich für mich tun?” Ihre Augen mit den tellergroßen dunklen Ringen, die in den vergangenen Tagen darum gewachsen waren, erschienen über dem Rand des Eimers.
„Ja”, sagte ich mit fester Stimme, obwohl ich meine Hilfsbereitschaft auch schon ein klein wenig bereute.
„Traust du dir das denn zu? Es geht um ein Wochenende, an dem du vor seinen Freunden die zukünftige Frau eines reichen Geschäftsmannes spielen sollst”, fügte Tina hinzu.
„Er wird ja wohl kaum vor seinen Freunden mit mir vögeln wollen.”
„Auch nicht hinter ihrem Rücken. Er will nur die Begleitung. Aber es muss schon echt aussehen. Händchen halten, verliebte Blicke und so.”
„Okay, das krieg ich hin. Aber es ist schon beknackt, oder? Warum tut er das?”
„Er will seine alten Freunde mit einer tollen, jungen Frau neidisch machen.” Tina zuckte mit den Schultern, bevor sie in den Eimer kotzte.
„Mach dir keine Sorgen, Tina. Das wird schon nicht so schwer sein. Ich stelle mir vor, ich wäre eine Schauspielerin. Im Übrigen bleibe ich meinen Prinzipien treu: Erst das Studium beenden, dann Karriere machen, dann weitersehen. Zeig mir einen Kerl, der es schafft, mich ins Bett zu kriegen. Ich bin die Weltmeisterin im Männer-Abschütteln.”
Ich kratzte mich am Kopf.
„Na ja, an deinem Äußeren müssen wir trotzdem noch was tun”, meldete sich Tina mit zerknirschtem Gesichtsausdruck zurück.
* * *
Ratsch …
„AUUUUUU … Wollen Sie mich umbringen?”, brüllte ich die Kosmetikerin an. Ich erwartete nicht wirklich eine Antwort von ihr, aber zumindest eine Entschuldigung für das, was sie meiner unteren Hälfte antat.
„Glaub mir, Emma. Ist der Bär einmal weg, sieht das Ganze schon viel hübscher aus”, zwinkerte Ron mir zu. Jonathan war jetzt bei Tina und Ron begleitete mich zu Tinas Kosmetikerin.
Ron hielt schon die ganze Zeit meine Hand. Jetzt wusste ich, warum. Eine Vollnarkose wäre jedoch angebrachter gewesen.
„Ich werde aussehen wie ein Kleinkind. Warum machen wir das überhaupt? AUTSCH!! Ich werde sicher nicht mit dem Typen ins Bett steigen, denn er will nur meine Begleitung. Würde es nicht genügen, wenn dieser weibliche Folterknecht mir die Haare aus den Waden reißt?”, fauchte ich Ron an, unbeeindruckt von den komischen Blicken der Kosmetikerin.
„Die kommen auch noch an die Reihe. Aber, Süße, du wirst Tinas Kleider tragen. In dem Fall ist ein Brazilian-Waxing nur angebracht”, entgegnete Ron, während er irgendetwas in sein Handy tippte.
Wenn ich wirklich Tinas Kleider tragen würde, hätte Ron recht, denn die waren so kurz, dass ich mich schon manches Mal gefragt hatte, ob es nicht reichen würde, wenn sie sich einfach nur in Zahnseide einwickeln würde. Aber ich würde Tinas Kleider schon darum nicht anziehen, weil sie eine Kleidergröße weniger trug als ich.
Das sagte ich Ron, doch der schüttelte nur vorwurfsvoll den Kopf und tippte weiter ins Handy.
„AUUUUUU!!!”
Warum riss mir die Kosmetikerin denn jetzt auch noch die Härchen vom Hintern runter?
„Was tust du da eigentlich, Ron? AAAAAH….”
Jetzt war mein Anus blank.
„Ich schreibe mit Danny, meinem Optiker des Vertrauens.”
„Seit wann hast du einen Optiker deines Vertrauens?”
Ron klimperte mit den Wimpern, die er seit geraumer Zeit schwarz färben ließ. Sollte das eine Antwort gewesen sein?
„Und warum schreibst du mit Danny?”, insistierte ich.
„Wir brauchen Kontaktlinsen. Oder glaubst du, dass du Tina mit deinen Vergrößerungsgläsern vertreten kannst? Dieser reiche Mann will seine Freunde beeindrucken. Mit einer Kopie von Harry Potter wird das kaum gelingen.”
„AUUUUU.” Das war meine rechte Wade.
Ron schaute mich mitleidig an.
„Ach, Süße, ich liebe dich doch so wie du bist, aber für diesen Mann müssen wir dich so aufpimpen, dass nicht auffällt, dass du in Wirklichkeit eine hochintelligente Mathe-Studentin bist, die mit den Männern abgeschlossen hat. Eine Mogelpackung. Das würde ihm bestimmt nicht gefallen und Tina den Job kosten. Und entspann dich endlich, Emma.“
Die Kosmetikerin kapierte wohl in dem Moment auch, wovon Ron und ich sprachen. Was den weiblichen Folterknecht prompt dazu veranlasste, die Waxing-Stripes unter meinen Achseln besonders ruckartig abzuziehen.
„AUAAAAH!”
„Sie sind fertig”, verkündete die Frau geradezu schadenfroh und tupfte mir die Achseln sowie die blanke Scham mit einem alkoholhaltigen Tuch ab.
Dieses Mal verkniff ich mir das Gebrüll, da es das brutale Weib womöglich zu weiteren Foltermaßnahmen angeregt hätte. Außerdem stand mir die wirkliche Folter noch bevor.
Wenn ich ein Mädchen mietete, was relativ häufig vorkam, dann aus einem Grund: Auf Profis war normalerweise Verlass.
Sei es fürs Geschäft, so wie vor wenigen Tagen, als ich mit Larry Hesterfield, dessen gezwirbelter Schnauzbart sicher größer ist als sein Schwanz, einen Millionen-Deal abschloss. Bei jeder scharfen Braut, der ich vor dem Texaner an die Wäsche ging, bekam er immensen Speichelfluss. Also gab ich ihm, wonach er sabberte und er senkte den Kaufpreis.
Der andere Anlass, bei dem ich mich von einem Profi begleiten ließ, war die Season of Peaches, ein Outdoor-Wettkampf für Paare, der in meiner Heimat Tradition hatte und im Frühherbst stattfand, den man hier Indian Summer nannte.
An diesem September-Wochenende, an dem die Sonne das gelbe und rote Laub an den Bäumen zum Leuchten brachte, hatte ich drei Dinge vor: Erstens würde ich meine beiden Kumpel aus Studienzeiten mal wieder so richtig vor Neid erblassen lassen. Zweitens würde ich die Season of Peaches gewinnen. Drittens genehmigte ich mir eine heiße Auszeit, mit ausdrücklicher Betonung auf heiß.
Fünf Tage in Folge hatte ich keine Frau gehabt, denn ich hatte durchgearbeitet, um den letzten der zwölf gigantischen Mähdrescher loszuwerden, die ich Hesterfield abgekauft und mit denen ich ein Vermögen gemacht hatte. Damit war ich für dieses Jahr mit der Arbeit durch und hatte mir die Belohnung redlich verdient. Keine Arbeit, keine Aufreißmanöver, nur Entspannung, Spaß und sehr viel Sex, flankiert von neidischen Blicken aus allen Richtungen.
Der erste Neid ließ allerdings auf sich warten und ich war langsam ein bisschen angepisst.
„Wann kommt Charlene denn?“ Mein Kumpel Will, seines Zeichens Wirtschaftsanwalt, wunderte sich auch schon. Gleich nachdem er und Sally sich endlich damit abgefunden hatten, dass sämtliche Reifen von ihrer Familien-Kutsche platt waren. Das traf im Übrigen auch für den SUV von meinem Kumpel Tom, der Zahnarzt war, und dessen Dauerfreundin Thea zu. Sie hatten die Abkürzung genommen, wo ein Glascontainer vom LKW gekippt war, und waren mit voller Geschwindigkeit durch die Scherben gebrettert.
Beinahe hätte ich zurückgefragt, wer Charlene sei, was vermutlich damit zusammenhing, dass ich auf der Fahrt in mein Wochenendhäuschen ziemlich ausgiebig darüber nachgedacht hatte, wie die Mietfrau mit dem absolut scharfen bordeauxroten Haar wohl in Wirklichkeit hieß, wie sie unter ihren Klamotten aussah und wie lange ich brauchen würde, bis sie mich anflehte, dass ich sie fickte.
Bei meinen im Grunde überflüssigen, aber nichtsdestotrotz anregenden Überlegungen war ich zu dem Schluss gekommen, dass der Name Hannah perfekt zu ihr passen würde. Wenn ich die Schminke von ihrem gut geschnittenen Gesicht wegdachte, sowie die Luxusklamotten, die sie auf den Fotos der Agentur-Homepage trug, kam eine sehr hübsche und natürlich heiße Frau heraus. Das nebst der Tatsache, dass sie in ihrer Jugend, die noch nicht lange her sein konnte, Springreiterin, Turnerin und Cheerleaderin gewesen war, sowie auf dem College Basketball gespielt hatte und sich heutzutage mit Pole Dance fit hielt, hatte den Ausschlag dafür gegeben, dass meine Wahl auf sie gefallen war. Mit ihr an meiner Seite würde ich die diesjährige Season of Peaches gewinnen. Und auch meine beiden anderen Ziele würde ich mit ihr erreichen. Aber die Frau war immer noch nicht da.
„Ich wundere mich sowieso, dass ihr nicht zusammen angereist seid“, machte nun auch Tom bei der Inquisition mit.
Ich nahm mir eins von den selbstgebackenen Blaubeer-Muffins, die Sally mitgebracht hatte, vom Tisch. Lecker. Trotzdem würde ich nicht wegen einer backenden Frau heiraten, auch wenn meine Leute glauben sollten, dass Charlene und ich genau das vorhatten. „Habe ich euch gesagt, dass Charlene noch in New York wohnt?“
Meine beiden Freunde und ihre Frauen schüttelten unisono die Köpfe.
„Dann wisst ihr es jetzt“, sagte ich und ließ mir von Sally einen Kaffee einschenken.
„Ihr führt eine Fernbeziehung?” Sally, die früher eine glatte zehn gewesen und nach der Geburt der Kinder immer pummeliger geworden war, sah mich so misstrauisch an wie alle meine Freunde, wenn ich ihnen erzählte, dass ich in zehn Jahren immer noch heiraten und sie zu Patentanten und -onkeln befördern könnte.
„Was bleibt uns anderes übrig? Sie hat dort ihren Job. Sobald sie eine Stelle in Buffalo findet, zieht sie zu mir. Bis dahin verbringen wir die Wochenenden im Bett und unter der Woche treffen wir uns mit Skype. Bildtelefon.” Ich zuckte grinsend mit den Schultern.
„Was für einen tollen Job hat sie denn, dass sie lieber in New York bleibt als zu dir zu ziehen, dich zu heiraten und dir viele kleine, süße Jacobs zu schenken?” Die furchtbar hochgewachsene blonde Thea, von mir auch liebevoll die lange Dürre genannt, runzelte die Stirn.
„Sie ist Lehrerin.” Wenn meine Freunde mich weiter so ausfragten und ich ihnen weiterhin das Blaue vom Himmel vorlog, musste ich Charlene gleich erstmal abfangen, um ihr zu erklären, wer sie war. Falls ich mich bis dahin noch an mein Geschwafel erinnerte.
„Das Schuljahr hat doch gerade erst begonnen. Wollt ihr etwa erst im nächsten Jahr zusammenziehen?”, fragte Sally auch prompt.
Ich musste zugeben, Wills dauerschwangere Frau war mehr auf Zack als der Rest der Truppe. Fünf kleine Hendersons in zehn Jahren hielten wohl nicht nur den Schritt fit.
„Leute, was haltet ihr davon, wenn ihr eure Schrottkisten mal langsam allein lasst und wir unser Gepäck reinbringen und ein bisschen vorglühen?”
Es konnte sicher nicht schaden, wenn die vier was getankt hatten, wenn Charlene hier eintraf. Dann hatten sie sicher ein paar von meinen Lügen vergessen.
„Ich passe”, rief Sally und klopfte sich auf den Bauch, woraufhin ein Riesenspektakel über die Vermehrungswut der Hendersons ausbrach.
Immerhin war ich jetzt aus der Schusslinie. Aber was sollte das? Nicht mal die Männer hatten Bock auf einen Drink? Hatten die auch einen Braten in der Röhre?
Kaum hatte ich mein Gepäck ausgeladen und mir einen Whiskey geholt, ging die Fragerei weiter.
„Wie sieht Charlene eigentlich aus?”
„Hast du Fotos?”
Ich zeigte der Bande ein Portraitfoto, das ich mir von der Agentur-Seite aufs Handy geladen und als Hintergrundbild eingestellt hatte.
„Rote Haare ...” Tom pfiff durch die Zähne, woraufhin die lange Dürre ihm ihren spitzen Ellbogen in die Rippen rammte. Trotzdem fügte er noch anzüglich hinzu: „Hast du noch andere Fotos?“
Das war mein Junge. Ich klopfte ihm mitleidig grinsend auf die Schulter. „Die wirst du nicht zu sehen bekommen.“
„Die sieht aber nicht aus wie eine Lehrerin”, fand Sally.
Ich runzelte missbilligend die Stirn. „Wie sieht meine Freundin denn aus?”
„Ich weiß nicht … Jedenfalls nicht wie jemand, der sich um meine Kinder kümmern könnte.”
„Eher wie jemand, der im Service arbeitet”, murmelte die lange Dürre, ein fieses Grinsen unterdrückend.
Tom lachte schallend. „Du hast doch wieder eine Professionelle gemietet wie vergangenes Jahr!”
„Ich glaub’s nicht! Klar, hat er!” Will schlug sich die flache Hand gegen die Stirn. „Dass wir jedes Jahr darauf reinfallen!”
„Alle Jahre wieder”, trällerte Tom und hielt sich den kleinen Bauchansatz, der sich bei ihm im vergangenen Jahr gebildet hatte.
„Ihr solltet euch besser mit eurem Gelaber zurückhalten”, knurrte ich meine Freunde an.
Mann, früher hatten wir so viel Spaß zusammen gehabt. Seit die beiden sich hatten einfangen lassen, war mit ihnen nichts mehr los und wir trafen uns nur noch einmal im Jahr zur Season of Peaches. Im Grunde waren sie dafür verantwortlich, dass ich abends allein oder mit den Jungs vom Boxverein um die Häuser zog und mir eine Mieze nahm. Aber das war immer noch besser, als angekettet zu sein wie die beiden. Wenn sie jetzt auch noch bei unserem einzigen Spaß einen auf trockenen Alkoholiker machten, war es mit dem jährlichen Revival bald auch vorbei.
„Hey, Jacob, kommt Charlene mit dem Taxi?“, rief Sally plötzlich. Ihr fielen beinahe die Augen aus dem Kopf. Mir auch, denn ich hatte damit gerechnet, dass die Mietfrau sich am Airport in Buffalo einen Mietwagen nahm. Mit dem Taxi war es ein bisschen teuer bis hierher in die Wildnis. Ich drehte mich auf dem Absatz um.
„Das ist Gelber Bär hinter dem Steuer!“ Mein Ferienhäuschen befand sich auf Indianergebiet und die Challenge wurde von den größtenteils indianischstämmigen Bewohnern ausgerichtet. Meine Mutter war eine Mohawk gewesen, weshalb ich hier mein Haus errichten durfte.
„Dann ist dein Schatz wohl auch durch die Glasscherben gebrettert!”, grinste Tom und der Rest der Bande grinste schadenfroh mit.
Gelber Bär legte eine Vollbremsung auf meinem Grundstück hin. Schwarzbraune Erde und kleine Steinchen stoben auf. Ich versuchte, einen Blick ins Innere des Wagens zu erhaschen, doch die Fenster waren mit Staub, Schlamm und Federschmuck verziert.
Die Fahrertür schwang auf und ich zog den alten Indianer aus dem verdreckten Taxi, um ihn freundschaftlich zu umarmen. Dabei versuchte ich erneut, Charlene zu sehen, doch dieses Mal sah ich nur den riesigen Traumfänger, der am Rückspiegel baumelte.
„Mein Junge!” Gelber Bär zwinkerte mir wissend zu und präsentierte die Zähne, für die er seinen Namen kassiert hatte.
In dem Augenblick tat sich endlich etwas auf der anderen Seite des Taxis. Ich erkannte zwar immer noch nichts, doch ein Raunen ging durch die vier Personen, die wie die Hühner auf der Leiter vor meinem Häuschen standen und das Schauspiel beobachteten. Na, das klang doch gut, fand ich. Aber dann folgte der Schock.
„War die Frau auf dem Foto in deinem Handy nicht rothaarig?“, fragte Will.
1, 2, 3 … Ich bin ruhig und gelassen. Ich schaffe das. Das ist ein tolles Abenteuer. Ich sammele neue Erfahrungen. Ich lerne mal ganz andere Leute kennen. Nicht immer nur notgeile Mathestudenten und notgeile Matheprofessoren und notgeile After-Workler. Ich sehe, wie wirklich reiche Leute ihre Freizeit verbringen. Davon kann ich vielleicht noch meinen Enkeln erzählen. Endlich erlebe ich mal etwas Außergewöhnliches.
Oh, verdammte elende Ameisenscheiße! Ich will nichts Außergewöhnliches erleben. Ich hasse Abenteuer!
Was tat ich hier? Und damit meinte ich nicht die Tatsache, dass ich mit meinem Oberkörper in dem nassen Fußraum eines total verdreckten, schrottreifen Yellow Cabs steckte, das von einem Indianer in Sheriff-Kostüm gefahren wurde. Die Kiste war mit Federgirlanden geschmückt, die so staubig waren, dass ich ständig niesen musste. Schon wieder. „Hatschi!“
Aber nicht, dass von dem Sheriff-Indianer mal ein „Gesundheit“ gekommen wäre. Der gefährlich aussehende Typ mit dem geflochtenen grauen Zopf und den gelben Zähnen hatte mich genötigt, den Leihwagen, den die Agentur Tina zur Verfügung gestellt hatte, auf einem Parkplatz hinter dem Gefängnis abzustellen. Bei all der Kotzerei hatte Tina wohl versäumt, mich darüber zu informieren, dass es verboten war, mit einem Mietwagen von Sixt in ein Indianerreservat zu fahren. Ganz zu schweigen davon, dass dieses Gesetz total unlogisch war und dass ich auch nicht gewusst hatte, dass ich das Wochenende in einem Indianerreservat verbringen würde. Aber der alte Knacker hatte mich so unter Druck gesetzt, dass ich ihm schließlich abgenommen hatte, dass er mich ins Gefängnis stecken würde, wenn ich nicht gehorchte.
30 Dollar Parkgebühren pro Tag. Ich war bestimmt in eine Touristenfalle getappt.
Jetzt war ich anscheinend am Ziel der grauenvollen Reise, die zum Schluss nur noch durch den Wald geführt hatte, und war gar nicht froh darüber. Von der mörderischen Ruckelei durch Gestrüpp und Schlaglöcher und den Niesanfällen hatte ich eine fette Beule am Hinterkopf.
Und ich steckte verdammt nochmal noch immer nicht in diesen grauenhaften Schuhen, die Tina und Ron mir für die Ankunft bei Jacob Morgan verordnet hatten.
Ich würde bei den beiden Teilen auch nicht von Schuhen sprechen, sondern von Folterinstrumenten. Auch wenn Tina, die im Übrigen immer noch kotzte, etwas anderes behauptete, so weigerte ich mich zu glauben, dass man in allen High Heels blutete. Für jemanden, der sonst stets in Turnschuhen rumlief, obwohl er niemals turnte, waren die verdammten Teile verdammt noch mal zwei Nummern zu klein. Mindestens. Auch wenn sie eigentlich eine Nummer zu groß waren.
Draußen vor dem Taxi fand irgendein bescheuertes Gelächter statt. Das waren sicher die Freunde, die dieser Kerl mit einer jungen, heißen Frau beeindrucken wollte. Arrrgh!
Inzwischen schwitzte ich wie ein Schwein, denn meine von der dreistündigen Fahrt geschwollenen Füße wollten einfach nicht wieder in die Mörderschuhe rein. Wenn ich einen Hammer zur Hand gehabt hätte, wären die Absätze und die knochenharte Fersenkappe Vergangenheit gewesen. Ich presste meine Hände auf die Fersenkappe und nahm all meine Kraft zusammen, um aus den geschlossenen Stöckelschuhen Slipper zu machen. Das würde schon niemandem auffallen. Jede Wette, dass der alte Sack, der Tina gemietet hatte, sich an meinem Ausschnitt festsabberte. Meine weiß Gott nicht besonders ausgeprägten Brüste wirkten in dem Push-up unter der knallengen Kostümjacke wie Melonen. Ich bekam kaum Luft in diesem Outfit. Aber Jacke öffnen war ausgeschlossen, denn die Bluse war durchsichtiger als die Windschutzscheibe von dem Taxi. Wenn ich eins wusste, dann das: Bei der unanständig hohen Bezahlung für diesen Job handelte es sich zu 100 % um Schmerzensgeld.
Das Keuchen unterdrückend schob ich meinen Oberkörper aus dem Fußraum des Taxis und stemmte mich gegen die Beifahrertür, um sie zu öffnen. Dann stellte ich meine Füße auf den erdigen Boden und richtete mich auf. Lächeln, Emma! Immer, wenn ich am liebsten schreiend davon rennen wollte, sollte ich lächeln. Das hatte Tina mir eingebläut. Also lächelte ich, und zwar mit Mund und Augen, während der Rest meines Körpers litt. Vielleicht nicht ganz so wie Tinas Körper, aber mir reichte es.
Ungefähr drei Meter von mir entfernt standen zwei Männer und zwei Frauen in Jeans und Holzfällerhemden und glotzen mich an wie die Kühe auf der Weide. Ich lächelte und lächelte. So stellte ich mir aber keine reichen Leute vor. Und wer von den beiden Kerlen war Jacob Morgan? Und was hatten die beiden Frauen hier zu suchen, die ungefähr so aussahen wie ich sonst aussah? Nur ein paar Jahre älter. Die Haare normal, keine Schminke im Gesicht. Turnschuhe! Ich war total over the Top. Klamotten, Frisur, die langen Gel-Fingernägel. Die mussten mich für die hohlste Tussi unter der Sonne halten.
Und mit wem in drei Teufels Namen quatschte der alte Indianer?
Wie in Zeitlupe drehte ich meinen Kopf. Warum auch immer ich im selben Moment ein Schritt nach vorn machte, konnte ich nicht erklären. Auf alle Fälle blieben meine Slipper hinter mir mit den dünnen, hohen Absätzen im Erdboden stecken, während ich stolperte, mich leider nicht fing und der Länge nach auch leider nicht in weichem Schlamm landete, sondern auf knochentrockenem Waldboden.
Ich hatte anderes behauptet und versucht, mir das Gegenteil einzureden, aber in meinem tiefsten Inneren hatte ich befürchtet, dass die Sache in einem Desaster enden würde. Allerdings hatte ich nicht gedacht, dass das schon bei meiner Ankunft passieren würde. War. Das. Peinlich!
„Charlie?”
Charlie?
Ich hieß doch Charlene, oder?
Ich spuckte ein bisschen Erde und ein paar Steine aus und hob mein Gesicht vom Boden. Dann blickte ich in das sexyste und zugleich aufregendste und beängstigendste Gesicht, in das ich je geguckt hatte. Ich schwitzte schon wieder wie verrückt.
„Mr Morgan?”
„Ja, aber nenn mich um Himmels Willen Jacob. Für die vier da hinten sind wir ein Paar“, flüsterte Mr Morgan.
Seine dunkle und leicht raue Stimme jagte mir gleich noch eine Gänsehaut von der Beule an meinem Hinterkopf bis zu meinen blutenden Füßen. Wie alt war der Mann? Also, er war bei weitem nicht so alt wie ich angenommen hatte. Mindestens fünfzig, hatte ich gedacht. Steinreiche Knacker, die sich eine Frau vom Begleitservice leihen, um vor ihren altenKumpeln anzugeben, waren für mich alt und unattraktiv. Dieser hier war weder alt, noch hässlich. Aber er war auch nicht so jung wie ich. Mitte 30? Und warum dachte ich plötzlich, dass ein 35-Jähriger und eine 22-Jährige gerade noch zusammen gingen?
O. k., ich hatte mich von einem alten Indianer verarschen lassen, vermutlich. Und ich lag vor diesem Gott von einem Mann auf dem Boden. Und der schob seine braun gebrannten, schlanken und doch kräftigen Hände unter meine Achseln (die hoffentlich nicht so nass waren wie sie sich für mich anfühlten) und hob mich hoch, als wäre ich eine Feder.
Ich, Emma Smith, eine Feder. Ich lächelte professionell. Und dann landeten die Lippen von Mr Morgan, d. h. Jacobs Lippen auf meinen Lippen. Bams!
Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Total verblüfft riss ich die Augen auf und lächelte weiter. Die neuen Kontaktlinsen funktionierten gut. Ich konnte jedes einzelne goldene Irrlicht in Mr Morgans, d. h. in Jacobs Pupillen haargenau erkennen. Und auch die langen, geschwungenen, schwarzen Wimpern sah ich wie unter dem Mikroskop. Aber als ob ich mich wirklich auf das grauenhaft gute Aussehen dieses Mannes konzentrieren konnte. Ich hatte ganz andere Probleme. Atmen. Ich musste atmen. Aber ich bekam keine Luft, denn Mr Morgan, das hieß Jacob, knutschte mich in Grund und Boden. Anders konnte man das, was er mit seinen Lippen anstellte, nicht nennen. Das hieß, er stellte es nicht nur mit seinen Lippen an, sondern auch mit der Zunge. Er hatte eine große, raue Zunge, die sich anscheinend vorgenommen hatte, meine bis auf den Tod zu bekämpfen. Oh. Mein. Gott. Der Typ machte mich fix und fertig.
Was hatte ich zu Tina gesagt? Dass ich auf gar keinen Fall mit ihm ins Bett gehen würde? Ich hatte das Gefühl, dass wir bereits wie die Wilden zwischen Baumwolllaken im Holzfällerstil tobten.
„Ich glaube, es reicht“, nuschelte ich lächelnd in Mr Morgans göttlich küssenden Mund hinein. In meinem ganzen Leben war ich nicht so geküsst worden. Nicht von Cole, meinem Entjungferer, nicht von seinem Nachfolger Frederik, meiner großen Liebe und dem größten Arschloch unter der Sonne. In der ewigen Arschloch-Liste kam er sogar noch vor Tinas verheiratetem Arschloch. Ich hätte ewig so weiter küssen können, aber das ging gar nicht.
Ich hatte mir geschworen, erst mein Studium zu beenden und mir dann einen anständigen Mann zu suchen. Wir würden heiraten, ein Haus bauen und zwei Kinder bekommen. Ich würde nicht enden wie Tina! Ich war die Expertin im Männer-vom-Leib-halten! Wie machte man das noch gleich, wenn man gerade den Kuss seines Lebens bekam? Von dem Kerl des Jahrhunderts? Wenn es im Höschen peinlicherweise schon schlüpfriger war als in den blutigen Schuhen? Mir wurde ganz anders bei diesem Gedanken.
Jetzt nimm deine Lippen von meinem Mund! Und die Hand von meinem Schulterblatt. Und die andere Hand von meinem Hintern! Und verwandele dich auf der Stelle in ein Biest. Am besten in ein uraltes, grottenhässliches Biest. In eins ohne Lippen, Zunge und Hände.
In dem Moment konnte ich Tina verstehen.
Was sollte das denn? Meine Freunde hatten recht: Die lange blonde Mähne der Frau, die aus Gelber Bärs Schrotttaxi krabbelte, konnte man beim besten Willen nicht als rot bezeichnen. Dieses ungelenke Wesen, das sich erstmal lang machte, war mit Sicherheit nicht die Frau, die ich gebucht hatte. Die hatten mir eine andere geschickt.
Eine ganz besonders heiße Sexbombe. Um genau zu sein, eine Mischung aus Lolita und Mädchen von Nebenan. Ihre Mini-Kurven sowie das leicht dümmliche Gesicht, das sie machte, als sie grundlos vornüber auf die Erde klatschte, brachte das Teil in meiner Hose zum Applaudieren. Aber die konnte ja nicht mal einen Fuß vor den anderen setzen, ohne drüber zu fliegen. Das konnte ja eine lustige Challenge werden. Eigentlich hatte ich die gewinnen wollen. Nur hatte ich in meinem ganzen Leben noch keine Frau mit solch göttlichen Mini-Kurven gesehen, die zugleich sportlich war.
Wie stand ich jetzt da? Ich hatte meinen Leuten eine sexy Rothaarige angekündigt. Die Tussi vom Foto in meinem Handy hatte ein schmales Gesicht. Der Tollpatsch auf dem Boden war blond und hatte ein rundes Gesicht. Aber das lächelte aus Leibeskräften.
Da blieb mir praktisch nichts anderes übrig, als sie vom Boden aufzulesen und ihr erstmal den Mund zu versperren, damit sie meinen Leuten kein dummes Zeug erzählte. Und damit meine Leute was zum Gucken hatten. Die warteten sowieso schon viel zu lange auf meine angeblich Zukünftige. Also presste ich ihr meine Lippen auf ihren vollen Mund und steckte ihr meine Zunge in den Hals.
Sie guckte mich mit ihren großen Augen an wie ein verschrecktes Eichhörnchen, was mich nicht weiter kümmerte. Ganz im Gegenteil. Die Frage, wie lange ich dieses Mal brauchte, bis sie mich anflehte, dass ich es ihr besorgte, war beantwortet: Eine Sekunde.
Meine Wut darüber, dass die Idioten von der Agentur mir eine andere geschickt hatten, legte ich beiseite. Was sollte ich auch tun? Ich konnte die Frau schließlich nicht reklamieren. Außerdem gefiel sie mir noch besser als die Rothaarige. Hätte ich nicht nach einer sportlichen Frau gesucht und wäre mein Auge auf ein Foto von dieser Charlene gefallen, hätte ich unter Garantie sie gebucht.
Ich würde meinen Leuten eine plausible Erklärung liefern. Ich würde ihnen sagen, dass Charlene sich die Haare gefärbt hatte. Das machten Frauen doch dauernd. Vor allem die, mit denen ich sonst zu tun hatte. Von denen rannte doch keine mit ihrer natürlichen Haarfarbe rum.
Und das mit dem Gesicht … Wie erklärte ich das? Ganz einfach: Auf Fotos sieht man eh immer anders aus.
Nicht schlecht, dachte ich, als sie plötzlich ihre kleine, feste Zunge gemeinsam mit meiner in ihrem Mund umhertanzen ließ. Nach einer Weile imitierte sie meine Bewegungen und forderte mich sogar heraus, indem sie meine Zunge mit ihrer anstupste. Ein heißes Kämpfchen. Die Frau hatte Fantasie. Zumindest im Bett würden wir uns hervorragend verstehen. Mein kleiner Freund in seinem Hosenkäfig wedelte bereits freudig. Diese offensichtlich etwas trottelige, dauerlächelnde Blondine war ein verdammt heißes Geschoss. Auf alle Fälle versprach es ein heißes Wochenende zu werden. Damit wären schon mal zwei Punkte von meiner Liste erledigt und den dritten warteten wir mal ab. Vielleicht war sie ja sportlicher als es auf den ersten Blick den Anschein erweckte.
„Ich glaube, es reicht“, murmelte sie plötzlich.
Hatte ich das richtig gehört, dass sie ungehalten klang? War sie eine kleine Raubkatze? Wie heiß. Oder war sie ein bisschen biestig und glaubte, die Marschrichtung vorgeben zu können? Nicht mit mir! Ich legte eine Hand auf ihren wohlgeformten Hintern und drückte ihr Unterteil gegen meine Halberregung. Ihr promptes Aufseufzen entlockte mir ein kleines Lachen. Na gut, in dem Fall wollte ich ihr die freche Bemerkung verzeihen. Und so langsam sollte ich vielleicht wirklich aufhören, sie zu küssen. Wie alle Männer war ich zwar ein sexbesessener Hund, würde sie aber nicht hier und jetzt vor meinen Freunden vögeln.
„Leute, meine Süße hat sich die Haare gefärbt“, rief ich ihnen zu, nachdem ich den Kuss beendet und der Kleinen tief in die Augen geschaut hatte.
Das überraschte Zwinkern ihrer Lider und ihr hartes Schlucken blieben von mir nicht unbemerkt. Ich hatte sie also wirklich im Sack. Auch ich fand sie und ihre kleinen, verräterischen Reaktionen extrem erregend. Sie machte einen auf unschuldig und es passte wahnsinnig gut zu ihr.
Gut gelaunt schlang ich einen Arm um ihre superschlanke Taille und zog sie mit mir mit, um sie meinen Freunden vorzustellen.
Leider stolperte sie neben mir her, als hätte sie nicht das wunderbare Fahrgestell, das aus ihrem kurzen Ruck raus guckte, sondern zwei gebrochene Beine unter ihrem kleinen, runden Arsch.
„Warum ziehst du keine Schuhe an, auf denen du laufen kannst?“, fuhr ich sie mit einem kleinen bisschen Schärfe im Ton von der Seite an. Von einem Profi erwartete ich Laufsteg-mäßiges Gehen. Meine Leute hatten schließlich keine Tomaten auf den Augen. Ihnen sollten die Gucker übergehen, weil meine neue Freundin eine absolute Granate war und nicht, weil sie kaum in der Lage war, einen Schritt vor den anderen zu setzen, ohne sich gleich wieder auf ihr hübsches Mäulchen zu legen. Noch mehr als ihre Haarfarbe wollte ich nicht erklären müssen.
„Kein Problem”, schnaufte sie, lächelte und kickte die pinkfarbenen High Heels von ihren kleinen, blutigen Füßen.
Ich musste lachen und auch meine Freunde lachten. Gute Idee, denn dieses Schuhwerk war so wenig für diese Umgebung geschaffen wie ihr Mini-Kostüm - auch wenn das wiederum das Blut in meinen Adern in Wallung brachte.
Apropos Blut ... Was war da unten los? Bluteten ihre Füße?
„Sag mal, Charlene, hast du diese Schuhe extra wegen mir angezogen?”
„Ja.”
Entsetzt starrte ich auf ihre Füße. Auch meine Freunde sogen weithin hörbar einen Haufen frische Waldluft durch die Lippen, denn sie hatten gleichfalls gesehen, was ich sah.
Kurzerhand lud ich mir Charlene, die praktisch nichts wog, auf die Arme. Mit diesen Füßen konnte sie unmöglich laufen. Da hatte sie ja gleich Erde und Steinchen und ein paar Insekten in den Wunden und ich konnte mit ihr zum Notdienst fahren, anstatt sie zu vögeln.
Meine Leute begrüßten Charlene so freundlich wie es sich bei meiner angeblich Zukünftigen gehörte.
Tom, der Arzt war, wenn auch Zahnarzt, nahm ihre blutigen Füße ins Visier.
„Das sind Blutblasen von zu engen Schuhen“, diagnostizierte die lange Dürre, bevor ihr Dauerfreund den Mund aufmachen konnte. Als Krankenschwester war sie ebenfalls vom Fach.
Tom nickte. „Bring sie ins Bad und halte ihre Füße unter klares Wasser. Dann mit sterilen Tüchern vorsichtig trocken tupfen und großzügig mit Pflaster abkleben.“
Klang machbar. Und ich wäre allein mit ihr. Wir hatten ein paar Dinge zu bereden.
„Wann ist sie wieder auf den Beinen?“, erkundigte ich mich.
„Sobald du sie lässt“, grinste der Blödmann.
* * *
Ich verdrehte die Augen und schleppte sie in mein Ferienhäuschen.
Unser Zimmer befand sich im oberen Stock, am Ende des rechten Flügels. Das Badezimmer war en suite, im Zimmer, nur durch eine Glaswand getrennt vom großen Wohn-Schlaf-Raum.
An Charlenes weit aufgerissenen Augen las ich ab, dass sie ein Haus wie dieses noch nicht gesehen hatte, was mich ehrlich gesagt stutzig machte. Diese Reaktion, zusammen mit dem Fußproblem und ihrer Begegnung mit dem Waldboden, ließ in mir einen unangenehmen Verdacht aufsteigen. Sie konnte nicht allen Ernstes geglaubt haben, dass die Hütte von innen genauso unscheinbar war wie von außen. Ich setzte sie auf den Rand der runden Wanne und drückte ihr den Duschkopf in die Hand.
„Wer bist du? Ich hatte eine andere Frau gebucht.“
„Ich verstehe nicht.“
Große blaue Augen, die nicht im mindesten so dumm wirkten, wie die Kleine offensichtlich den Anschein zu erwecken versuchte, schauten mich forschend an.
Hatte ich mich zu früh selbst beweihräuchert? Hatte ich sie doch noch nicht im Sack? Und wenn schon. Geschenkt. Das würde schon noch. Bisher hatte es noch immer geklappt. Ich drehte das Wasser auf und stellte die Temperatur ein.
„Ich habe eine Rothaarige mit schmalem Gesicht bestellt. Du bist blond und hast ein Gesicht wie ein Pfannkuchen“, half ich ihr auf die Sprünge.
Sie verzog ihr hübsches Gesicht, das nicht im mindesten aussah wie ein Pfannkuchen, sondern wie ein sehr wohlgeformtes rundliches Herz, und ließ das Wasser wortlos über ihre kleinen, ebenfalls rundlichen Füße laufen.
„Hallo? Ich hab dich was gefragt.“
„Altes Foto.“
„Eins von deinem zukünftigen Ich?“
Sie spritzte ihre Füße noch immer mit dem lauwarmen Wasser aus der Dusche ab. „Tut mir leid, wenn ich dir nicht gefalle“, sagte sie mit gesenktem Kopf.
Die kleine Blonde gefiel mir - jedenfalls hatte sie mir da draußen gefallen. Doch seit wir auf dem Zimmer waren, war sie wie ausgewechselt. Da war sie nur noch der kleine, verstockte Tollpatsch. Die Lolita hatte sich verabschiedet.
Ich schnaufte genervt. Irgendetwas stank hier ganz gewaltig.
„Hör mir mal gut zu, Charlene - oder wie auch immer du heißt. Solange du hier bist, heißt du auf alle Fälle Charlene. Und sieh mich an!“
Sie zuckte so heftig zusammen, dass ich jetzt auch noch Zweifel bekam, ob wir tatsächlich im Bett miteinander harmonieren würden, so wie ich es vorhin bei unserem Begrüßungskuss angenommen hatte. Aber sie hob ihren Kopf und hielt meinem Blick stand, wenn sie auch jetzt die Schultern fast bis an die Ohren hoch zog. Sie hatte Angst vor mir. Auch das noch. Aber es war mir gerade vollkommen egal. Die von der Agentur hatten mich verarscht. Pech für Charlene, die jetzt eben sehen musste, wie sie damit klar kam.
„Ich habe einen Profi gebucht. Bis du am Montagmorgen in deinem Mietwagen davongebraust bist, erwarte ich volle Leistung. Du tust, was ich von dir verlange. Meine Freunde glauben, dass du meine feste Freundin bist. Wir haben vor zusammenzuziehen, sobald du in meiner Stadt eine Stelle als Lehrerin gefunden hast. Wir haben sogar schon von Hochzeit gesprochen. Hast du das verstanden?“
Sie nickte eingeschüchtert.
„Hast du’s auch begriffen? Und kannst du es dir merken?“
„Ja doch. Ich bin nicht blöd.“
Das würden wir dann sehen … Die von der Agentur würden auf jeden Fall eine saftige Beschwerde von mir bekommen. Sowas hatte ich noch nie erlebt. Bis jetzt hatte ich immer mit absoluten Profis zusammengearbeitet. Charlene schien mir eine blutige Anfängerin zu sein.
Mit einer schnellen Bewegung riss ich ihr den Duschkopf aus ihrer kleinen Hand und drehte das Wasser ab. Dann setzte ich mich ihr gegenüber auf die andere Seite der Wanne, stützte beide Hände auf ihren Schenkeln ab und zwang sie, mir in die Augen zu schauen.
„Ich habe einen Profi gebucht und zahle entsprechend …“, begann ich.
„… klar“, unterbrach sie mich und lächelte plötzlich wieder wie Lolita persönlich. „Ich bin im Bilde. Ich bin deine feste Freundin. Ich will so schnell wie möglich zu dir ziehen, denn ich liebe dich über alles. Ich beherrsche Small Talk und wenn deine Freunde mir knifflige Fragen stellen, bin ich in der Lage, sie auf ein anderes Gleis zu führen. Ist das in etwa das, was du dir vorstellst?“
Geht doch. Vielleicht war sie ja doch nicht so blöd. Vielleicht wollte sie mich nur auf Abstand halten. Haha. Das konnte sie vergessen.
„Im Kern ist es das, ja. Meine Kumpels sollen sabbern, wenn sie dich sehen und die Mädels sollen Angst um ihre Jungs bekommen. Vor meinen Freunden spielst du die bis über die Ohren in mich verliebte Frau. Du himmelst mich an, redest mir nach dem Mund. Ich werde dich in der Öffentlichkeit berühren und du wirst es zulassen und dich begeistert an mich schmiegen. Du bist übrigens Lehrerin und suchst eine Stelle bei mir in Buffalo.”
„Du lebst in Buffalo? Ist es weit von dort, wo du wohnst, bis zu den Niagara Falls?” Sie lächelte.
„Darum erwähnte ich es. Ich handele mit Landmaschinen. Aber nur mit denen von der großen, teuren Sorte. Das sollte vorerst an Informationen genügen. Alles weitere erfährst du später.“
Zufrieden schwang ich mich aus der Wanne, holte ein paar große Pflaster aus dem Medizinschrank und legte sie neben das Waschbecken. „Verarzte dich, richte dich ein, ruh dich ein wenig aus und geh um sieben zum Mädels-Ritual nach unten. Frag mich nicht, was das ist. Erzähl den beiden Frauen einfach nur, wie glücklich du in deinem Job bist und wie glücklich du mit mir bist. Dass wir uns beim Skypen gegenseitig scharf machen. Sowas halt. Die sollen merken, dass sie gegen Frauen wie dich keine Chance haben. Gegessen wird um acht, unten in der Halle.“
„Äh … Eine Frage habe ich aber jetzt doch noch“, rief sie mir mit ihrer hellen und trotzdem leicht rauchigen Stimme hinterher, sodass ich Lust bekam, noch eine Weile zu bleiben und mich um ihre ramponierten Füßchen zu kümmern.
Ich war schon halb aus dem Bad raus und schaute über die Schulter zurück.
Sie räusperte sich, lächelte wieder wie ein Honigkuchenpferd namens Lolita und wurde rot wie eine Tomate. „Ist das hier mein Zimmer?“
„Warum? Gefällt es dir nicht?“
„Doch, schon, sehr sogar. Ich meine nur, wo … Also, du …“, stammelte sie.
Nee, ne? Das durfte echt nicht wahr sein. Ich fuhr aus der Haut.
„Natürlich übernachten wir in einem Zimmer. Ich hoffe, du versemmelst es nicht. Du kommst mir nämlich vor wie eine Amateurin.“
„Und du kommst mir vor wie ein ungehobelter Despot!“, funkelte sie mich plötzlich an.
Hoppla …
Es war wohl ratsam, die Tür wieder zu schließen. „Du meinst, ich komme dir dominant vor.“
Sie behielt mich weiter im Blick, funkelte aber nicht mehr so wütend. „Nein. Wie ich schon sagte, wie ein Despot. Aber glaube mir, ich bin ein Profi.“
Mit diesen Worten kletterte sie ebenfalls aus der Wanne und stolperte über den flauschigen Wannenvorleger.
Ich sprang zu ihr, um sie zum zweiten Mal, innerhalb einer halben Stunde, vom Boden aufzusammeln, doch im letzten Moment fing sie sich und hinterließ einfach nur ein paar Blutspuren in dem hellen Teppich. Ich packte sie trotzdem an den Armen.
„O. k., du bist ein Profi. Aber einer, der diesen Job zum ersten Mal macht. Ich sehe das. Ich hoffe, du nimmst keine Drogen, die dich so schwach auf den Beinen machen.”
Ich hasste Drogen und würde sie nach Hause schicken, wenn sie welche nahm. Dann wäre mein Plan zwar gelaufen, aber der interessierte mich dann sowieso nicht mehr.
„Was denkst du von mir? Ich nehme keine Drogen!”
Ich durchbohrte ihre leuchtenden, blauen Augen, forschte in ihrem Gesicht. Sie sah viel zu unschuldig und zu gesund aus. Ich glaubte ihr.
„Die Männer sorgen heute für’s Abendessen. Ich bin dann mal auf der Jagd.“